Die Klavier-Kabarettistin und Liedermacherin Lucy van Kuhl besingt und kommentiert auf ihrem neuen Album „Auf den zweiten Blick“ (VÖ 18.11.2022) die Liebe, das Alter, Menschen, die in unserer Gesellschaft kaum wahrgenommen werden, Menschen, die (leider) viel zu sehr wahrgenommen werden, Situationen, die man sich eingebrockt hat und aus denen man schlecht wieder rauskommt. Der erste Blick ist der intuitive, der zweite Blick kann der besondere sein.
„Mooooment mal“ tönt es von der Bühne, als unsere Hände grade in die Höhe schnellen, um die treffsichere Pointe zu beklatschen. Mooooment mal! Denn da kommt noch eine. Wenn nicht sogar zwei. In der Filmsprache heißt das „Double Take“. Wenn z.B. unsere Filmheldin sich ein Bier aus dem Kühlschrank holt, ihn zumacht, stutzt, den Kühlschrank wieder öffnet und die abgetrennte Hand einer Leiche erblickt. Das ist ein Double Take. Inspektor Columbo war gefürchtet dafür. Im Gehen, schon in der Tür, bleibt er stehen und stellt die entscheidende Frage, die den Täter kalt erwischt und – zack – zur Stecke bringt. So ähnlich geht auch Lucy van Kuhl vor. Auf der Bühne und – man staunt: auf ihrem neuen Album! Man kann sich kaum vorstellen, dass sowas auf einem Tonträger funktioniert. Tut es aber. Und wie!
Alle Songs haben irgendwas mit einem zweiten Blick zu tun, der uns oft auch zum Perspektivwechsel nötigt. Nicht selten den auf unsere eigenen Schwächen, auf das Arschloch in uns oder die Weigerung, Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Lucy van Kuhl kennt unsere wunden Punkte und sticht so lustvoll hinein, dass uns der Schmerz gefällt.
In Lucy van Kuhls 1. Single „Wo ist Frau Schmidt?“ (VÖ 07.10.2022) geht es um eine alte Frau, die auf einmal nicht mehr in ihrer Wohnung in Berlin lebt. Wo ist sie? Im Pflegeheim? Gestorben? Lucy van Kuhl macht sich Gedanken über ihre Begegnungen mit der Frau im Haus, über Gentrifizierung, das Sterben von Zeitzeugen und das Alter.
Die studierte Germanistin und Pianistin Lucy van Kuhl verbindet in ihren Liedern ihre beiden Steckenpferde Wort und Musik. Sie beobachtet ihre Umwelt, ihre Mitmenschen und sich selbst und kombiniert auf charmant-unnachahmliche Weise Klavier-Kabarett mit Chansons.
Für ihre Songtexte erhielt sie 2017 ein Stipendium an der „Celler Schule“, der einzigen Masterclass für Songtexter in Deutschland, gefördert von der GEMA-Stiftung. Dort verlieh man ihr zusätzlich den „Hans-Bradtke-Förderpreis“. Eine besondere Auszeichnung war 2019 der Kabarettpreis „ScharfrichterBeil“, bei dem sie sowohl den Jury- als auch den Publikumspreis verliehen bekam. 2021 folgte der rote „Stuttgarter Besen“ (Publikumspreis), 2022 der „Schwäbische Kabarettpreis“.