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Ann Vriend 09.05.2019 Bahnhof / Thalfang

Ann Vriend – die kanadische Stimmgewalt live im Bahnhof Thalfang

Bisher habe ich Ann Vriend stets in einer sehr kleinen Location gesehen, nämlich im Piranha in Trier – quasi einer zur Bar ausgebauten Garage. Egal, ob sie allein am Keyboard saß oder eine dreiköpfige Band am Start hatte, ihre Konzerte waren immer ein Genuss, was vor allem an der Stimmgewalt der kanadischen Sängerin liegt, die von den feinsten Nuancen bis zum energischen Powergesang einer souligen Rockröhre einfach alles beherrscht.

Im Bahnhof Thalfang erwartete Ann und ihre beiden Mitstreiter dann eine schnuckelige Location mit sitzendem Publikum im schönen Ambiente. Der Gastraum war gut gefüllt mit Zuschauern, die zum Teil gar aus Luxemburg angereist waren. Ein Flügel, ein Keyboard und ein Gesangsmikrofon beherrschten die Szenerie. Man durfte also durchaus gespannt sein, was uns erwartete.

Ann Vriend stellt momentan ihre neue EP „Flame“ vor. Den Song „Hurt People Hurt People“ kann man bisweilen im Radio hören. Die Zeichen stehen gut für eine ausgedehnte Deutschlandtour, die noch bis zum „Woman of the World Festival“ (30.5. 2019 in Frankfurt/Main) andauert.

Pünktlich um 20 Uhr nahm Ann unter großem Applaus am Piano Platz und startete mit der Soulnummer „Nobody Is You“. Da die meisten Anwesenden die Sängerin noch nicht live erlebt hatten, war das Erstaunen greifbar, als sie mit sanften Klängen begann und sich in einen kraftvollen, evokativen Gesang steigerte. Unterstützt wurde sie von Doug Organ am Keyboard, der die Melodien musikalisch füllte und bisweilen für Bassklänge sorgte. Außerdem war da noch ein zweiter Vokalist mit dem Spitznamen Fendercase, der Ann Vriend im Duett vor allem in den hohen Lagen als smarter Tenor ergänzte.

Was geboten wurde, war eine stimmungsvolle Mischung aus Soul und Blues mit eleganten Ausflügen in Richtung Jazz und Country. Selbst ein Prise Funk konnte man vernehmen. Die preisgekrönte Songwriterin präsentierte eigene Stücke aus ihrem langjährigen Repertoire. Es durfte aber auch eine Coverversion sein wie das bekannte „Crazy“ von Gnarls Barkley. Wundervoll dargeboten im zweistimmigen Gesang. Balladen wie „All That I Can“ erlebten eine enorme Steigerung innerhalb des Songs. Ann Vriend versteht es, ihre Stücke mit Überraschungen zu versehen und emotionsgeladen aufzubauen.

Nach einer knappen Stunde hervorragender Musik war es Zeit für eine kurze Pause. Ann verließ den Saal gar nicht erst, sondern kam am CD-Stand ins Gespräch mit den Anwesenden. Sehr sympathisch und bodenständig erzählte sie von ihrem Künstlerleben und der Musik. Überhaupt war sie sehr redselig während des Gigs, gab kleine Anekdoten zum Besten von deutschen Autobahnen, der Weite Kanadas, dem Tourleben im Mietwagen, dem tollen Flügel und dem CD-Verkauf für die Umwelt („weil das Auto mit jeder verkauften CD weniger Sprit verbraucht“).

Die zweite Hälfte startete mit „Will You Be There“ und das Publikum war gleich für eine Hand- und Fuß-Percussion gefordert. Schließlich hatte man keinen Schlagzeuger dabei. Ann Vriend wunderte sich zwar zeitweilig über das sehr ruhige Publikum („und das in einem Bahnhof“), konnte es aber immer wieder für gemeinsame Gesangseinlagen motivieren.

Stimmlich wird sie oft mit Aretha Franklin verglichen. Es gab eine fantastische Version von „Natural Woman“, die zeigte, dass dieser Vergleich nicht von der Hand zu weisen ist. Nachdem das Publikum dann noch mit schönen deutschen Wörtern wie „Aufkleber“ und kostenlos“ konfrontiert worden war, widmete sich Ann im letzten Konzertteil ganz ihrer aktuellen EP.

Die Kanadierin ist selbst in einem problematischen Stadtteil von Edmonton aufgewachsen und es ist ihr ein Anliegen, Kindern neue Möglichkeiten zu bieten. So hat sie zwei Songs mit Schülern aufgenommen, die aus verarmten Verhältnissen stammen, in schwierigen Stadtbezirken leben und zum Teil als Flüchtlinge aus Kriegsgebieten stammen. Wieviel ihr dieses Projekt bedeutet, hört man in den beiden Stücken „It’s Happening“ und „Flame“, die zentrale Elemente des aktuellen Releases sind. Außerdem ist da die Single „Hurt People Hurt People“, die den schwer zu durchbrechenden Kreislauf beschreibt, in dem Menschen sich befinden, die von Mißbrauch betroffen sind. Der offizielle Release der Single ist heute und ich kann jedem nur ans Herz legen, sich den Song anzuhören.

Nach einem zweistündigen, hervorragenden Musikerlebnis gab es den Titel „Waterfront“ ganz allein vorgetragen von Ann Vriend am Piano. Abschließend holte sie ihre Mitstreiter für „Everybody Matters“ wieder zurück und beendete den faszinierenden Konzertabend. Es ist schade, dass diese aufstrebende und talentierte Singer/Songwriterin immer noch vor einem recht überschaubaren Publikum spielt. Vielleicht kann der Gig in Frankfurt etwas daran ändern – oder wünscht euch „Hurt People Hurt People“ im Radio. Verdient hat die Kanadierin es allemal. Sie macht Livemusik zu einem Erlebnis, das durch alle Poren des Körpers zieht.

Setlist – Ann Vriend – Bahnhof Thalfang, 9.5.2019

Nobody Is You
Who’s Foolin‘ Who
All That I Can
Maybe We’re Done
Long Distance Call
Crazy (*Gnarls Barkley)
When It’s You
A Need So Wide
If You Were Here

Will You Be There
Real Love
Anybody’s Different
Natural Woman (*Aretha Franklin)
It’s Happening
Flame
Get Back To Me
Hurt People Hurt People
Gonna Be Fine

Waterfront
Everybody Matters

 

Weitere Tourdaten 2019:

10.05.19 Murg – Café Verkehrt
11.05.19 Weiburg-Hasselbach – Lindencult
15.05.19 Berlin – Quasimodo
16.05.19 Göttingen APEX
17.05.19 Sulzbach-Rosenberg Capitol
18.05.19 Bendesdorf – Bürger- und Kulturforum
19.05.19 Radeburg Kulturbahnhof
20.05.19 Zwickau Liederbuch
21.05.19 Frankfurt/Main Fabrik
25.05.19 Rodgau Maximal
29.05.19 Frankfurt/Main Women of the World Festival

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