Irgendwie hatte ich die Illusion, dass das schon alles nicht so dramatisch wird. Lina Larissa Strahl, die sängerisch und tänzerisch äußerst begabte Bibi aus der beliebten „Bibi und Tina“ Filmreihe an einem frühen Sonntagabend in der Garage Saarbrücken. Da werden viele Mädchen mit ihren Müttern sein. Es wird friedlich ablaufen. Man wird gemütlich vor der Bühne stehen. Pustekuchen!
Das Konzert war natürlich ausverkauft, denn Lina umgibt inzwischen der Nimbus einer deutschen Miley Cyrus (zum Glück ohne Skandälchen). Und meine zehnjährige Tochter wollte unbedingt mit. Wir kamen also gegen 18 Uhr in die Garage Saarbrücken und alle waren an ihren Plätzen. Die Bühne noch durch einen Vorhang abgedeckt. Der Innenraum des großen Clubs voller Mädels, die in Abständen lautstark „Lina, Lina“ skandierten, und rundherum mehr oder weniger besorgte Mütter und Väter, die verzweifelt versuchten, ihre Töchter im Blick zu behalten, was aber kaum gelingen konnte.
Damit ihr mich nicht falsch versteht: Die Organisation in der Garage fand ich sehr gut. Ordner und Linas Management waren sehr besorgt um die Kinder. Es wurde darauf geachtet, dass nicht zu sehr gedrückt wird – und die Mädels waren auch noch empfänglich für Anweisungen wie „Jetzt bitte mal alle einen Schritt zurück, damit es an der Bühne weniger eng ist“. Trotzdem herrschte auch gepflegtes Chaos und der Flair eines echten Rockkonzertes. Ich zumindest war froh, dass meine Kleine entschieden hatte, in meiner Nähe zu bleiben und das Geschehen aus der Ferne zu betrachten.
Fast pünktlich um 18.35 Uhr fiel der Vorhang und Lina konnte ihre Deutschrock- / Deutschpop-Show starten. Der Jubel, als das Idol endlich sichtbar auf der Bühne stand, war grenzenlos. Und man kann nur staunen, welche Entwicklung die inzwischen 20jährige Lina Larissa Strahl in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Mit 15 gewann sie das Finale des KIKA Komponistenwettbewerbs „Dein Song“. Das junge Mädel aus der Nähe von Hannover wurde direkt im Anschluss von Detlef Buck gecastet und begann parallel ihre Schauspielkarriere. Der Clou dabei: Sie sang selbst den Soundtrack für die „Bibi und Tina“ Filme ein und konnte damit schon vor ihrem Solo-Debüt auf drei goldene Schallplatten blicken.
Aus den „Bibi“-Schuhen ist Lina inzwischen raus gewachsen und geht nun (die Parallelen zu Miley Cyrus sind unverkennbar) ihren eigenen Weg als Solokünstlerin. 2016 erschien das Debüt „Official“, schon ein Jahr später das selbstbewusste Zweitwerk „Ego“. In ihrer 90minütigen Show sang sie ausschließlich Titel dieser beiden Alben mit Schwerpunkt auf dem aktuellen Album, das fast komplett gespielt wurde – und das Publikum sang textsicher mit.
Zum Start gab es „Fan von dir“ als Titelsong der Tour und „Egoist“. Es folgte der Appell an die Zuschauer, gut aufeinander aufzupassen. Lina wirkte von Beginn an sympathisch. In ihrem Auftreten und ihrem Kontakt zum Publikum. Sie war ziemlich in Schwarz gekleidet mit stylischer Jogginghose. Diese brauchte sie auch für diverse Tanzeinlagen. Sie verließ die Bühne zwar nie, war aber ständig in Bewegung und hielt den Kontakt zum Publikum.
„Lieblingslied“ und „Spiel“ kamen gut an. Ebenso wie die Mitsingnummern „Das Beste“ und „Ich brauch kein Happyend“ vom ersten Album. Ihr Freund Tilman Pörzgen, der Lina auf der Tour bisweilen gesanglich begleitet, war bei diesem Termin leider nicht dabei, weshalb das Publikum seine Parts übernehmen musste. Das wurde dann sogleich filmisch festgehalten, „damit er zuhause vielleicht ein Tranchen verdrückt“.
Lina bot den zum Teil recht jungen Mädchen alle Facetten eines großen Livekonzerts. Zu „Glitzer“ gab es mehrfach Konfettiregen. „100 Prozent“ wurde mit Nebelsäulen auf der Bühne bedacht. Zu „Egal“ lieferte die durchweg gute Band ein waschechtes Gitarrensolo und in Anlehnung an den musikalischen Zeitgeist gab es auch eine Reihe von HipHop-Passagen.
Viel zu schnell ging das Konzert dem Ende zu und es gab Fotosessions der Band mit dem Publikum als Hintergrund, bevor die drei Zugaben starteten. „Ohne dieses Gefühl“ und „Tanzen ist Gold“ beschlossen den fetzigen Set. Die Fans sind durchweg auf ihre Kosten gekommen und ich denke, auch manche Eltern waren beruhigt, dass ihr Kinder jetzt „ordentliche Musik“ hören und nicht mehr irgendwelchen Kinderkram. Mir zumindest ging es so.
Gegen 20 Uhr leerte sich die Garage und der Verkauf von Lina-Devotionalien hatte kräftig geboomt. So dürfte das Konzert nachhaltig in Erinnerung bleiben. Und ich denke, dass das auch für Linas Musik gilt. Ihre Songs glitzern in jugendlicher Frische, sind aber keineswegs elektronische Kunstprodukte, sondern gestandene Popsongs, die auch durchaus eine gewisse Rock-Attitüde haben können. So ähnlich hat Nena auch mal angefangen.