Es war eine spannende Frage: Was wird mein erstes Arena-Konzert nach der langen Coronapause sein? Mit Roland Kaiser hätte ich nicht unbedingt gerechnet, doch er hat sich trotz aller Widrigkeiten entschieden, seine Deutschlandtour durchzuziehen und sich den jeweiligen Maßnahmen (die in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ausfallen können) anzupassen. In der Arena Trier hieß das: 3G. War eigentlich recht unkompliziert. Der Einlass dauerte etwas länger, da ein entsprechender Nachweis geprüft wurde. Und auch am Platz herrschte Maskenpflicht. Ungewohnt – aber es verhinderte nicht das aufkommende Konzertfeeling in einer fulminanten dreistündigen Show.
Roland Kaiser ist mit 69 Jahren in Topform. Gerade erscheinen seine CD „Weihnachtszeit“ und die Biografie „Sonnenseite“. Dass der gebürtige West-Berliner ein bewegtes Leben hinter sich hat, ist unbestritten. Und daraus machte er auch in den Ansagen zu seinen Songs kein Geheimnis.
Los ging es pünktlich um 20 Uhr mit „Alles oder Dich“ vom aktuellen Album. Roland Kaiser erschien im eleganten Anzug mit Fliege zwischen der Band und den Streicherinnen, die für schöne Arrangements zu den Songs sorgten. Diese lieferten ein fast schon James-Bond-mäßiges Intro, das ganz zu Kaisers Auftreten passte. Kein Wunder, dass das Publikum schon zu den ersten Klängen aufstand und den Künstler mit Ovationen feierte.
Roland Kaiser hat es über Jahrzehnte geschafft, seine Würde zu bewahren und sich nicht in Ballermann-Hits und auf Oktoberfesten zu verlieren. Das sollte man im Zugabenblock merken, wenn keiner auch nur auf die Idee kam, ein „du geile Sau“ im Refrain von „Joana“ zu schmettern. Kaiser ist der Grandseigneur des deutschen Schlagers und klettert damit locker in die Fußstapfen von Udo Jürgens. Das heißt aber nicht, dass nicht gefeiert wurde. Schon der zweite Song „Dich zu lieben“ ließ die Party starten. Mit grandioser visueller Show auf den riesigen LCD-Wänden und einem trotz Maske sangesfreudigen Publikum.
Kaisers sonore Stimme ist einzigartig gut. Er trifft nicht jeden Ton perfekt, aber das tut der Show keinen Abbruch. Vielmehr zeigt es deutlich, dass er ohne Playback singt und mit fast 70 noch starke und charismatische Vocals liefert. Wenn man dabei bedenkt, dass seine Karriere vor elf Jahren nach einer Lungentransplantation beinahe zu Ende gewesen wäre, ist das mehr als beachtlich.
Musikalisch wurde alles geboten vom Disco-Schlagerbeat über filigrane Streicher und E-Gitarren bis hin zum rockigen Sound einer formidablen Liveband, die einige Überraschungen zu bieten hatte. Vom Saxofon-Solo bis zu Atmosphäre einer Aloha-Gitarre in „Santa Maria“.
Die Ordner hatten alle Hände voll zu tun, die begeisterten Zuschauer auf die Maskenpflicht hinzuweisen. Eine Sisyphus-Arbeit, die nicht immer von Erfolg gekrönt war. Im Zuschauerraum wurde getanzt und gefeiert. Zum letzten Song vor der Pause („Alles was du willst“) fanden sich gar einige Bewegungsfreudige zum klassischen Paartanz ein.
Das Konzert war perfekt gegliedert in zwei einstündige Teile von jeweils einer guten Stunde Länge, dazwischen eine 25minütige Pause und am Ende ein 25minütiger Zugabenblock. Ganze 32 Songs wurden geboten, darunter wenige Coverversionen. Eine davon war „Extreme“ im Original von Toto Cutugno. Die zweite kam nach der Pause mit „In the ghetto“. Roland Kaiser lud damit auf eine Zeitreise ins Jahr 1973 ein, als er zum ersten Mal im Tonstudio vor dem Mikro stand, diesen Song zum Besten gab und gleich einen 3-Jahres-Plattenvertrag einheimste. Den Grund konnte man direkt erkennen. Rolands tiefe und herzerwärmende Stimme interpretierte den Titel auch 48 Jahre später in der Arena Trier mit unglaublicher Stärke. Wer da zunächst ein böses „Blasphemie“ auf den Lippen hatte, wurde schnell eines Besseren belehrt.
Es gab keinen Unterschied zwischen den altbekannten Hits und neuen Schlagern wie „Liebe kann uns retten“, das Peter Plate (Rosenstolz) geschrieben hat. Kaiser muss nicht die Evergreens abnudeln. Er kann auch mit den neuen Stücken jederzeit überzeugen. Und wenn dann zu „Im 5. Element“ ein E-Cello erklingt, sind auch musikalisch keine (Genre-)Grenzen gesetzt.
Roland Kaiser erzählte gern aus seinem Leben. „Das schwierige Thema: Frauen“, sagte er zur Freude des Publikums, das durchaus gemischt war und keineswegs nur aus Frauen bestand. Auch der Altersunterschied war enorm groß und viele Generationen vertreten. Passend zur Ansage gab es zunächst „Ich bereue nichts“, bis Gitarrist Billy King mit dem Willie Nelson-Song „To All the Girls I’ve Loved Before“ einsetzte und ihn im Duett mit Roland beendete. Das waren wahrhaft große Momente.
Vor dem Zugabenblock wurde in der ganzen Arena gefeiert und viele Zuschauer hatten sich im Vorbereich der Bühne versammelt. Es gab ein wenig Gewusel, aber noch überschaubar genug, um vom Sicherheitspersonal geforderte Abstände einzuhalten. Direkt als erste Zugabe brachte Kaiser mit „Warum hast du nicht nein gesagt“ den Beweis, dass er auch im neuen Jahrtausend noch große Hits liefern kann. Den Part von Maite Kelly meisterte eine Backgroundsängerin mit Bravour.
Einige Klassiker fehlten noch. „Joana“ wurde begeistert aufgenommen und „Ich glaub es geht schon wieder los“. Die Band, die Backgroundsängerinnen und die Streicherinnen konnten nochmal alles aufbieten, doch dann wurde es ruhig und Roland kleidete seine Abschiedsworte an das Publikum in den Song „Bis zum nächsten Mal“.
Auch wer kein Schlagerfan ist, konnte hier ein einzigartiges Konzerterlebnis haben. Kaiser ist seinem Metier zwar immer treu geblieben, er lässt sich aber nicht in eine Schublade pressen. Die musikalische Vielfalt und die großen Showeffekte ließen ein begeistertes Publikum zurück, das die dreistündige Show sichtbar genossen hatte. Das Phänomen Roland Kaiser wird uns weiter begleiten – hoffentlich mit vielen Konzerten zum 70. Geburtstag in 2022.
Setlist – Roland Kaiser, Arena Trier, 15.10.2021
Alles oder Dich
Dich zu lieben
Wohin gehst Du
Kein Grund zu bleiben
Santa Maria
Lieb mich ein letztes Mal
Gegen die Zeit
Das Fenster zum Hof
Manchmal
Stark
Lebenslänglich Du
Engel brauchen Liebe
Was für ein Gefühl?
Extreme (Toto Cutugno)
Alles was du willst
PAUSE
Der Mann den du verdienst
In the Ghetto (Elvis Presley)
Lang nicht mehr gemacht
Schach matt
Liebe kann uns retten
Im 5. Element
Ich bereue nichts
To All the Girls I’ve Loved Before (Willie Nelson)
Kurios
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben
Amore mio
Manchmal möchte ich schon mit dir
Sag ihm, dass ich Dich liebe
ZUGABEN
Warum hast du nicht nein gesagt
Joana
Ich glaub es geht schon wieder los
Bis zum nächsten Mal