In Trier hatte Till Reiners ein Heimspiel. Das sah sogar Petrus ein und sorgte für zwei trockene Stunden beim Arena Open Air Sommer. Auf dem Hinweg schüttete es wie aus Eimern – die Arena hingegen lag in strahlendem Sonnenschein (okay: es war leicht bewölkt). Und bis zum Zugabenteil blieb es trocken. Was will man mehr?
Das Programm, das Till in Trier zum vorletzten Mal spielte, trägt den Titel „Bescheidenheit“. Und wo sollte das besser passen, als in dieser ältesten Stadt Deutschlands, in der der Duisburger einst studiert und als Security gejobbt hat. Zunächst im Einkaufszentrum RATIO, später bei der Zigarettenfabrik JTI. Mit einer Taschenlampe LKWs bewachen, die mit Millionen von Zigaretten beladen sind? Das sorgte für die ersten Lacher.
Englisch hat Till von Netflix-Serien im Originalton gelernt. Das ist nötig, wenn man sein Abitur in NRW gemacht hat. Auch Zuschauer Lukas kann bestätigen, dass das Lernpensum dort nicht besonders hoch ist – und Till übersetzt ihm im Nachgang jede englische Floskel ins Deutsche. Guter Service! Zumindest reicht das Englisch jetzt aus, um endlich Jay-Zs „99 problems“ zu verstehen: „I got 99 problems, and a bitch ain’t one“. Till macht einen philosophischen und gesellschaftlichen Diskurs aus seinen Überlegungen – wie es gute Bildungsbürger halt tun.
Corona wird zum Thema („muss man ja drüber reden“) und die unsäglichen Facebook-Diskussionen. Meinungsfreiheit für jeden? Auch für Idioten und Holocaust-Leugner? So war das nicht gemeint. Eine Anekdote führt zur nächsten und wir finden uns mit Till auf der Polizeiwache wieder, die er aufgrund einer Hassnachricht aufsucht. „Der Kommissar sah aus wie ich. Was für ein Lappen.“ Gemeinsam legt man eine Akte an und dann passiert – nichts. Bis die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt: „wenn ich mit dir fertig bin, schlürfst du dein Essen mit dem Strohhalm“ muss ja nicht unbedingt negativ gemeint sein.
Auch über das Nicht-Lesen von AGBs konnte Till sich lang und breit auslassen. Selbige erzeugen nämlich aggressive Langweile, Tills Überlegungen zur Entstehung, zu Sinn und Zweck der Papiere aber keineswegs. Auch Franck Riberys vergoldetes Steak wird kritisch unter die Lupe genommen. Was soll er auch sonst tun mit seinem vielen Geld? Sinnlos verprassen – das ist die einzige Antwort. Im Gegenzug bekommen wir einen Einblick in Tills Wohngegend in Berlin, das Kottbusser Tor. Zum Kotti würde er Christian Lindner gerne mal einladen. Was das bringen würde? Gute Frage – denken sich 1,5 Millionen Millionäre in Deutschland.
Der moralische Rundumschlag durch Privates und gesellschaftlich Relevantes endete abrupt nach 70 Minuten. Zur Sicherheit ging Till nicht von der Bühne, „damit keiner wegläuft“. Im Zugabenteil erzählte er eine Begebenheit von Manfred, seinem Helden in der U-Bahn. Und er machte Werbung für das Menschen-Quartett, das er zusammen mit seinem Homie Moritz Neumeier erfunden hat. Auf jeden Fall waren es 80 großartige Minuten vor der Arena. Ein gelungenes Heimspiel!
ARENA OPEN AIR SOMMER 2021: pandemiegerechte Open Air Shows auf dem Vorplatz der Arena, Trier
So geht es weiter:
- 6.8.21 SONDASCHULE
- 8.8.21 Wolfgang Niedecken liest und singt Bob Dylan
- 10.8.21 CAMPINO Lesung “Hope Street”
- 12.8.21 Fatoni & Edgar Wasser
- 13.8.21 VERSENGOLD
- 14.8.21 “Girls To The Front” mit Hoboken Division (FR), Francis of Delirium (LUX) und Hanna Landwehr (TR)
- 15.8.21 Elmar Frank (DE HOFNARREN) liest „Eine spannende Geschichte von Fridolin“
- 18.8.21 Johann König
- 19.8.21 Olli Schulz & Band
- 20.8.21 TOCOTRONIC
- 21.8.21 NIGHT FEVER, die BEE GEES Show
- 22.8.21 Thees Uhlmann & Band
Weitere Infos & Ticketlink unter www.poppconcerts.de