Kein schöner Tag für die A-cappella-Freunde der Nation, als die Wise Guys ihre Auflösung verkündeten. Sind sie doch die erfolgreichste Vokalgruppe Deutschlands, mit mehreren Nummer-2-Alben und Goldenen Schallplatten in Serie. Der Zauber schien aber über die letzten Jahre verflogen. Der Deal mit einem Majorlabel brachte nicht den erhofften Erfolg, die Alben ähnelten sich vom Aufbau immer mehr und das letzte Werk „Läuft bei euch“ war gar nur noch eine Resteverwertung übrig gebliebener Stücke. Anstehende Besetzungswechsel gaben dem Ensemble schließlich den Rest. Schade, denn für jeden Laienchor sind ihre Arrangements zwischen Pop und Comedy-Schlager seit Jahren eine Bereicherung.
Momentan sind die Wise Guys mit neuem Bass auf Abschiedstour. Bis in den Sommer 2017 wird diese noch laufen. Und wer die lange Geschichte noch einmal Revue passieren lassen will, ist mit der autorisierten Biographie „Wir hatten eine gute Zeit“ sehr gut bedient. Als Autorin konnte man die Journalistin Verena Koll gewinnen. Und ich muss sagen: Sie hat sich wirklich in die Materie rein gekniet. Wie man aus dem Buch erlesen kann, hat sie unzählige Treffen mit den Sängern absolviert, Weggefährten interviewt, vermutlich jeden kleinsten Zeitungsschnipsel gelesen und die bandeigenen Wise Guys-Magazine bis ins Detail studiert.
Ich finde es imponierend, welches Hintergrundwissen man hier bekommt. Nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge (bisweilen springt die Autorin durch verschiedene Epochen), aber doch immer mit rotem Faden und grob nach den großen Kapiteln der Bandgeschichte sortiert.
Natürlich stehen die Erfolge im Vordergrund. Der Aufstieg von einer (instrumentalen) Schulband hin zum Nonplusultra der A-cappella-Szene. Die Protagonisten verraten viele Geheimnisse zu ihrer Probearbeit, dem Verhalten hinter den Kulissen, geben Tipps zu Aufnahmetechniken aber auch zur richtigen Ernährung vor dem Konzert und zum Auftreten auf der Bühne.
Was aber trotzdem nicht verschwiegen wird, sind die Probleme, die es hinter den Kulissen gab. Der Ausstieg von Bandmitgliedern und die Gründe werden deutlich thematisiert, auch die Wechsel von Produzent und Label. Dinge, die man mit viel Euphorie angegangen war, die man aber im Nachhinein als falsch erkannte (beispielsweise das instrumentale Album „Zwei Welten“).
Selbst wer den Werdegang der Band von Anfang an verfolgt hat, kann auf diesen 320 Seiten noch Neues erfahren. Was geht den Sängern vor einem Auftritt vor mehreren Tausend Zuschauern durch den Kopf? Wie denken einstige und jetzige Weggefährten über das Ende der Band? Warum war Dän zeitweise so sauer auf die Lokalrivalen Basta? Was haben Bläck Fööss, Höhner und Jürgen von der Lippe mit dem Erfolg der Wise Guys zu tun? Wie sieht die Zukunft der Bandmitglieder aus? Selbst eine depressive Phase verbunden mit einer Angsterkrankung wird von Dän offen thematisiert. Mutig gewährt er so einen Blick in seine Seele.
Die Biographie hat mich gefesselt wie ein guter Roman. Zeitweise konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Kann man einer Journalistin ein besseres Kompliment machen? Auch die Ausstattung mit vielen bunten Seiten voller historischer Farbfotos ist absolut stimmig. Wer noch nie eine der legendären Totalnächte der Wise Guys besucht hat (ich war zumindest auf dreien), wird 2017 noch einmal die Gelegenheit dazu haben, aber vermutlich kein Ticket bekommen. Mit diesem Wälzer gibt es auch eine Art Totalnacht – in Buchform.