Man sollte solche Begrifflichkeiten nicht überstrapazieren, aber Anna Buchegger ist eindeutig ein musikalisches Phänomen. Ich durfte sie beim diesjährigen Reeperbahn Festival live erleben – und es war grandios, wie sie auf bemerkenswerte Weise modernen Pop mit alpiner Volksmusik und bissigen Texten kombinierte. Mit einem Jodel-Intro eröffnete sie ihr Konzert und trat gleich darauf den Beweis an, dass ein Hackbrett durchaus als Rhythmus-Instrument genutzt werden kann. Auch wenn man durch den österreichischen Dialekt nicht jedes Wort der Songs verstand, kam die Botschaft auf jeden Fall an – und den Rest erledigten ihre sympathischen Ansagen. Insgesamt ein beeindruckender Auftritt. Stimmgewaltig schuf Anna ihrer Wut Raum und zeigte beim letzten Song in der Kulisse des Imperial-Theaters, dass sie auch ohne Mikro laut sein konnte.
Ich war also sehr gespannt auf das neue Album „Soiz“ – das zweite aus ihrer Feder. Anna stammt aus dem Salzburger Tennengau und Volksmusik ist Teil ihrer Herkunft. Das will sie gar nicht verheimlichen. Sie spielt Hackbrett und jodelt, aber sie möchte die Musik in einen neuen Kontext setzen. So gibt es elektronische Beats und moderne Songstrukturen.
Für das erste Album „Windschatten“ erhielt Buchegger zwei Amadeus Award-Nominierungen, den Hubert von Goisern Kulturpreis 2024 und ein ARTE TRACKS-Porträt. Mit Songs wie „Fisch“ oder „Vaterland“ hat sie nicht nur das Konzept von „Heimat“ neu definiert, sondern auch bewiesen, dass Popmusik zugleich poetisch und politisch sein kann.
Mit dem neuen Werk „Soiz“ wird aus innerer Reibung eine neue Sicherheit – eine, die Dialekt, Widerstand, Selbstironie und musikalisches Wagnis miteinander verbindet. Der Sound ist kantiger, lauter, experimenteller. Die Kunstfigur zwischen Clown, Couture und Tracht wird weiterentwickelt und steht sinnbildlich für den Anspruch, Tradition nicht zu konservieren, sondern zu konfrontieren. Das gelingt ihr im hymnischen „Draht“, ganz rhythmisch beschwingt bei „Wos I net bin“, mit der Ballade „Schutt und Dreck“ und auf dem elektronisch verzerrten Titeltrack.
Volksmusik hat oft einen patriotischen Touch, doch Anna Buchegger greift bewusst emanzipatorische Themen auf und verbindet traditionelle Wurzeln mit zeitgemäßen Elementen. Damit folgt sie der Tradition von Hubert von Goisern und Attwenger, verwendet aber eine modernere Klangsprache. „Soiz“ ist ein erstaunlich kohärentes Album, das Volksmusik in ganz neuem Licht erstrahlen lässt.













