ASP waren in ihren Songs dem Literarischen schon immer sehr zugetan, doch was sie mit ihrem neusten Werk leisten, ist ein Gesamtkunstwerk allererster Güte. Die deutschen Meister der düsteren Melancholie haben als Grundlage für ihr neues Album eine Geschichte des Horrorautors Kai Meyer genommen. Es handelt sich um eine exklusiv verfasste Kurzgeschichte mit dem Titel „Das Fleisch der Vielen“.
Folge 1 trägt die Überschrift „Astoria“. Das im Jahre 1915 erbaute Hotel Astoria in Leipzig stellt einen glamourösen und auch düsteren Spielort für die akustische Schauergeschichte dar. Einst luxuriöses Zentrum des Nachtlebens steht das Gebäude seit fast zwei Jahrzehnten leer. Dieser für den ASPschen Kosmos ungewohnt konkrete, da real existierende Handlungsmittelpunkt erwacht buchstäblich wieder zum Leben und übernimmt eine zentrale Rolle im Geschehen, das in den einzelnen Liedern chronologisch und äußerst spannend dargelegt wird.
ASP hatten schon immer ein Faible für andere Medien neben dem Musikalischen. So gab es früh die schaurigen Comic-Geschichten um das kleine Monstermädchen „Garg“ und im Jahr 2008 mit dem Album „Zaubererbruder“ die Vertonung eines Märchens („Krabat“) von Ottfried Preußler.
Musikalisch klingt das neue Werk „Verfallen“ gewohnt melodisch und zugleich morbide. Rock und Metal, aber auch Drone-Doom, Chansoneskes und sogar Tango-Elemente finden ihren Platz auf dem Album. Gothic Novel und Musik verbinden sich zu einer untrennbaren Einheit und entführen den Hörer in eine schaurig-schöne Fantasiewelt. Optisch umgesetzt werden die Horribilitäten im Hotel von Kult-Artworker Joachim Luetke, der zum Beispiel schon mit den Visualisierungen für Marilyn Manson Morbides salonfähig machte.
Damit wären wir auch beim Prunkstück des neuen Releases: nämlich einem Hardcoverbuch, das zwei CDs und ein dickes Booklet enthält. Im Booklet findet sich besagte Kurzgeschichte von Kai Meyer. Stilecht mit Schreibmaschine verfasst. Hinzu kommen einige Fotos und handschriftliche Texte, die auf alt getrimmt sind und dem Hintergrund der Story mehr Authentizität verleihen. Sehr schön, welche Mühe man sich da gemacht hat.
CD 2 hat übrigens nicht direkt mit der neuen Geschichte zu tun, dokumentiert aber die schon länger bestehende Zusammenarbeit zwischen ASP und Kai Meyer anhand eines Mitschnitts vom M‘era Luna Festival 2013. Meyer liest aus „Arkadien“ und „Die Alchimistin“, ASP illustrieren musikalisch.
Was soll man noch sagen dazu? Es ist wundervoll, mit welcher Akribie und Liebe zum Detail ASP ihre Geschichten umsetzen. Das war schon immer so, wird aber von Mal zu Mal besser. Ein solches Kleinod macht sich gut im Regal und es macht großen Spaß, der Geschichte auf den unterschiedlichen Ebenen zu folgen.