Das Alleinstellungsmerkmal von Ila Ruf ist es zunächst einmal, dass er ein erstaunlich schnelles und virtuoses Pianospiel an den Tag legt. Der Komponist, Texter, Musiker und Sänger legt hier ein sympathisches Album vor, das alle Aspekte seiner Kunst zeigt: energische Instrumentalstücke und Songs von emotional bis eindringlich – so entsteht ein abwechslungsreicher Einblick in sein Repertoire. Und dass der Gesang kein verlegenes Vor-sich-hin-Trällern ist, stellt man spätestens dann fest, wenn in „like we used to be“ auch die hohen Töne stilsicher aus den Boxen erklingen.
Ein 19-Jähriger schreibt Musik über Aufbruch, seinen Aufbruch in eine neue Zeit, eine neue Lebensphase. Er beschreibt in poetischen und kraftvollen Instrumentals seine inneren Bilder von neuseeländischen Weihnachtsbäumen über Regen im August bis zu einem tanzenden Mond, berichtet musikalisch von seinen jugendlichen Erlebnissen als Handballspieler und Musiker. In seinen Songs singt er natürlich von Liebe, auch von seinen Freundschaften und Träumen.
„Ich bin so glücklich, dass ich die Musik, die sich über die Jahre in mir aufgestaut hat, noch vor meinem 20. Geburtstag veröffentlichen kann. Das macht mich frei für einen neuen, noch unbekannten Weg.“ Musikalisch pendelt das Album zwischen Pop und Jazz. Klezmer und Tango klingen leise an, energetische Swing- und Bebop-Phrasen blitzen immer wieder auf. Und doch zeichnet das Album bei all seiner Vielseitigkeit ein Bild eines jungen, außergewöhnlichen Singer/Songwriters, dessen musikalische Stimme etwas zu sagen hat, aufwühlt und berührt.
Die Aufnahmen entstanden in einer August-Woche, mitten im Corona-Sommer 2020 im Kolosseum in Lübeck, einem durch den Lockdown verwaisten Konzertsaal mit inspirierendem Ambiente und großem Steinway-Konzertflügel. Der Künstler selbst sagt dazu: „Mein erstes Album Ilja_19 ist eine Sammlung von Songs, die ich in den letzten Jahren geschrieben habe. Es kombiniert verschiedene Stile: Popsongs, Jazztunes und Kompositionen mit einem kammermusikalischen Ansatz. Jeder Track erzählt seine eigene Geschichte. Einige Geschichten tauchen auf, wenn die Zeit stillzustehen scheint und wir direkt in eine imaginäre Welt oder Stimmung eintauchen können. Andere Kurzgeschichten beschreiben Situationen, die Ihr vielleicht aus Eurem Alltag kennt.“
Die musikalisch-stilistischen Grenzen auszuloten ist für Ilja Ruf nichts Außergewöhnliches. Aufgewachsen in einer Musikerfamilie, mit dem Crossover-Spezialisten und Dirigenten Bernd Ruf als Vater und dem um zwei Jahre älteren Klarinettisten Ivo Ruf als Bruder, sind ihm Berührungsängste zwischen Jazz, Klassik, Pop und Worldmusic fremd. Und da ist es auch kein Zufall, dass Ilja sich Jamie Cullum zum musikalischen Vorbild nahm, der sich bekanntermaßen wenig für Genregrenzen zwischen Pop und Jazz interessiert. „Wie Jamie Cullum mit Musik umgeht, spielt, singt, das reißt mich jedes Mal mit. Als ich ihn zum ersten Mal live erlebte, wusste ich, das möchte ich auch machen.“
Das Ergebnis ist vielseitig und abwechslungsreich. Ein Album nur mit Vocals und Pianomusik – absolut überzeugend. Er kann es sich erlauben. Dass Ilja sein Debüt mit der Zweitüberschrift „acoustic album“ versieht, mag ein Zeichen dafür sein, eventuell auch großformatige Arrangements in petto zu haben. Nötig wäre das allerdings nicht. „Ilja_19“ ist stimmig so, wie es hier erklingt.