Judith Owen stammt aus Wales, lebt aber schon seit vielen Jahren in den USA. Ihr Ehemann Harry Shearer dürfte vor allem den Simpsons-Fans kein Unbekannter sein, die die Serie auch gerne mal im Original verfolgen. Er gehört zu den bekanntesten Sprechern der Welt.
Will aber nicht heißen, dass Judith in seinem Schatten steht. Album um Album legt sie großartige neue Werke vor. Auch wenn sie in Europa leider recht unbekannt ist – man kann sie getrost als Geheimtipp empfehlen. „Somebody’s Child“ ist bereits ihr neuntes Album. Inhaltlich sehr persönlich und introvertiert. Dreh- und Angelpunkt ist das thematische Konzept, dass wir allesamt Kinder sind. Unserer Eltern und unseres Planeten. O-Ton Judith Owen: „It’s an album about us“.
Doch keine Angst. Man muss hier kein esoterisches Kauderwelsch befürchten. Judith nimmt ganz konkrete Dinge in den Blick, thematisiert in „Tell All Your Children“ und „I Know Why The Sun Shines“ globale Probleme, oder liefert eine optimistische Sichtweise zum Regen, der einfach zum Leben dazu gehört („The Rain Is Gonna Fall“). Thematisch passt da auch die Coverversion des Musical-Klassikers „Aquarius“ aus „Hair“ hervorragend mit rein.
Die Songwriterin lässt sich ungern auf einen Stil festlegen: „Das, was ich heute bin, resultiert letztendlich aus jener Musik, mit der ich aufgewachsen bin, mit Oper und Frank Sinatra, mit Joni Mitchell und Stevie Wonder und auch allem dazwischen“, sagt sie. Das Ergebnis ist äußerst vielschichtig, man spürt aber, dass ihr diesmal vor allem die Klaviermusik sehr gut liegt („Josephine“). Ein feiner Kontrast zum Westküstenstil von „Ebb And Flow“.
Als Anspieltipp hätte ich keinen der eigenen Titel, sondern das wundervolle „More Than This“ (im Original von Bryan Ferry). Judith Owen gibt diesem Song eine ganz persönliche Note und macht ihn zum verspielten Pianosong. Immer noch äußerst melancholisch und durch und durch gänsehauterzeugend.
An den Instrumenten gibt es die US-Session-Legenden Waddy Wachtel (g), Leland Sklar (b) und Russ Kunkel (dr), die schon Jackson Browne, Carole King oder Laura Nyro begleitet haben. Dazu den gefragten Perkussionisten Pedro Segundo sowie die Cellistin Gabriella Swallow. Ein Album, das den Hörer gefangen nimmt und zu Herzen geht.