„Liebe ist das, was man tut“: Mit solchen Textzeilen und dem Song „Rettung“ starten Marcus Wiebusch und Kettcar ihr neues Livealbum „…und das geht so“. Es war das 2017er Werk „Ich vs. Wir“, das die Band zu den größten Konzerten ihrer Geschichte führte. Und weil man aufhören (oder zumindest Pause machen) soll, wenn es am schönsten ist, veröffentlichen die Hamburger einen Konzertmitschnitt, um die Pause von noch undefinierter Länge einzuläuten. Bleibt zu hoffen, dass es nur eine kurzes Verschnaufen sein wird, denn Kettcar waren in den vergangenen zwei Jahren nicht nur so gut wie immer – sie waren noch besser!
„Ich vs. Wir“ ist schnell zu einem meiner Lieblingsalben der letzten Jahre avanciert. Und (sozusagen als „Spätberufener“) wurde das erste Kettcar-Konzert, das ich erleben dürfte, zu einer Art Erweckungserlebnis. Wenn Wiebusch anfängt, seine in Songs gepackten Anekdoten und Geschichten auf der Bühne auszuleben, führt dies zu magischen Momenten. An „Sommer ’89“, „Benzin und Kartoffelchips“ sowie „Trostbrücke Süd“ kann ich mich gar nicht satt hören. Doch es sind nicht nur die neuen Stücke – die Band um Wiebusch und Reimer Bustorff gibt hier einen karriereumspannenden Überblick. 21 Titel, die sinnbildlich für die Emotionen, die Ideen, die Philosophie und die anklagende Attitüde der Band stehen.
„…und das geht so“ zeigt uns, wie’s geht. Der Mitschnitt wird zum unverwechselbaren Liveerlebnis. Mit knappen aber vielsagende Ansagen („Humansimus ist nicht verhandelbar“). Mit starken Arrangements, erweitert um ein kongeniales Bläsertrio, das den Songs neuen Drive verleiht. Die perfekte Setlist enthält auch Wiebuschs Solosong “Der Tag wird kommen” über einen homosexuellen Fußballstar. Der verursacht mir jedes Mal Gänsehaut. Gegen Ende folgt das umjubelte „Landungsbrücken raus“, das Marcus Wiebusch mit den Worten „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung“ einläutet. Zu „Deiche“ und dem uralten Kracher „Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt“ kommt ein letztes Mal Feierstimmung auf.
Wie soll man das alles zusammenfassen? „…und das geht so“ ist für mich die perfekte Liveplatte zum Immer-wieder-hören. Sie weckt Erinnerungen an ein wundervolles Konzerterlebnis, kann aber auch für sich stehen. Wichtige Songs, keine Lückenfüller, eine Atmosphäre, wie sie nur Meister ihres Fachs schaffen können. Man kann Anfang 2020 die Band noch auf wenigen Konzerten live erleben. Bleibt zu hoffen, dass die angekündigte Pause nicht zu lange dauert.
Kettcar – „… und das geht so“ – Live 2020
25.01. Braunschweig, Staatstheater
26.01. Düsseldorf, Stahlwerk*
27.01. Nürnberg, Z-Bau*
28.01. München, Muffathalle*
29.01. Mannheim, Capitol*
30.01. Dresden, Schlachthof*
31.01. Bremen, Pier**
01.02. Lübeck, MuK**
* Support: Schrottgrenze
** Support: Niels Frevert