Vor zwei Jahren überraschte Rick Astley mich sehr mit seinem Album „50“, das so gar nicht nach den Dancefloor-Krachern klang, die ich von dem Briten aus den 80er Jahren kannte. „Never Gonna Give You Up“ ist doch immer noch in aller Ohren – gebt es zu! Und die ersten vorsichtigen Tanzschritte bleiben den Menschen, die sich jetzt in ihren 40ern befinden, ganz sicher in Erinnerung.
„50“ war ein sehr souliges Album mit leichten Gospel-Einlagen. Das Comeback bescherte Astley immerhin die zweite Nummer 1 in den britischen Charts – und die war wohlverdient.
Ob das mit „Beautiful Life“ auch gelingt? Die Jodler zu beginn des Titelsongs und der Uhuhuh-Chor bei „Chance To Dance“ irritieren mich zunächst, doch die Songs die dahinter stecken bieten zumindest modernen Pop. Und später folgen Stücke wie „She Makes Me“ und „Empty Heart“, die durchaus zu begeistern wissen. Es ist ein Album, auf dem Rick jeden einzelnen Song selbst komponiert, jedes Instrument selbst eingespielt und jede Note selbst eingesungen hat. Ein Album, das beeindruckend seine Musikleidenschaft, die Liebe für seine Frau und seine Familie sowie seinen unstillbaren Lebensdurst widerspiegelt. „Bis hierher war es ein sehr schönes Leben“, sagt Rick. „Obwohl es absolut nicht so angefangen hat. Ich musste harte Zeiten durchmachen. Doch heute gibt es so viel, für das ich tief dankbar bin. Wie viele Menschen bekommen die Chance, ihre Träume zu leben? Und das nicht nur einmal, sondern gleich zweimal?“
Auf „Beautiful Life“ ist Rick Astley an den Drums (echten und programmierten), den Gitarren (akustischen und elektrischen) sowie an den Keyboards (Synthesizers und Klavieren) zu hören. „Ich spielte mit der Idee, Co-Autoren und einen Produzenten mit ins Boot zu holen, um einen Gang hochzuschalten. Doch andererseits wollte ich mir beweisen, dass ich es immer noch auf eigene Faust hinbekomme. Mir ist klar, dass tolle Musiker den Songs sicher noch etwas hinzufügen könnten. Doch andererseits ist es gerade eine gewisse Einfachheit, die die Stücke so gut macht. Die Platte besteht aus der Summe ihrer Einzelteile. Und diese Einzelteile gehen alle in dieselbe Richtung. Die Songs erfüllen genau ihren Zweck. Sie funktionieren, wie sie funktionieren sollen und sie sagen genau das aus, was sie aussagen sollen.“
Die Texte sind sehr persönlich und seiner Frau Lene gewidmet, die viele der Stücke inspiriert hat. Zu den emotionalen Momenten von Songs wie „Better Together“ finden sich andere, die Astleys Leidenschaft für die Musik feiern: mit nach vorne gehenden Dancetracks und eindringlichen Balladen, mit souligen Tunes und waschechten Pophits. Mit dem letzten Stück „The Good Old Days“ verneigt sich Rick abschließend vor all den prägenden Alben, mit denen er schon als kleiner Junge aufgewachsen ist und die ihn treu selbst durch dunkelste Zeiten begleitet haben: Angefangen bei Künstlern wie Rick Wakeman über Supertramp, Elton John, The Beatles, The Rolling Stones bis hin zu Joni Mitchell und Queen. Und dann wäre da noch sein Hofknicks vor den ausgeflippten Prog-Rockbands, die ihn von klein auf begeisterten. „Seien wir mal ehrlich: Jedes gute Album sollte mit einem verdammten Gongschlag enden“, so Rick grinsend. „Ich bin das jüngste von vier Geschwistern und wuchs mit ihren Plattensammlungen auf. Meine älteren Brüder und meine Schwester haben mir durch schwere Zeiten geholfen. Ebenso wie die Musik. Ich weiß, dass es sich wahnsinnig kitschig anhören muss. Es klingt wie ein verfluchtes Hollywood-Drehbuch, aber es ist alles wahr. Ehrenwort!“
„Beautiful Life“ nimmt mich nicht ganz so mit wie das Comeback-Album „50“, das Rick durch die Midlife Crisis brachte. Vielleicht, weil es stilistisch nicht mehr so überraschend ist wie der Vorgänger. Doch es ist ein weiteres wundervolles Album des Briten. Man höre sich nur die entspannte Gitarrenballade „Last Night On Earth“ an – oder das Pianointro von „I Need The Light“. Wenn dann in „The Good Old Days“ meine Lieblingsmusik der letzten Jahrzehnte abgefeiert wird, kann nichts mehr schied gehen. Der Mann kann auch Prog, wenn er will.