Im Jahr 2021 wird deutlich: Der Songwriter aus Jacksonville hat Einiges aufzuarbeiten. Gleich drei Alben will er in kurzen Abständen veröffentlichen. Nach „Wednesdays“, das im Dezember digital und im März physisch erschien, folgt nun „Big Colors“.
Gerichte und Medien haben Ryan Adams seit mindestens zwei Jahren im Blick. 2019 veröffentlichte die New York Times Vorwürfe des sexuellen und emotionalen Missbrauchs, die von sieben Frauen aus Adams‘ näherem Umfeld gegen ihn erhoben wurden. Harter Tobak! Nachdem er die Vorwürfe zunächst zurückwies, gab es vor einem Jahr einen öffentlichen Entschuldigungsbrief und das Statement, er habe sich professionelle Hilfe für seine psychischen Probleme geholt.
Was ein guter Musiker ist, der wählt ganz andere Therapieformen: Das Album „Wednesdays“ ist rein, roh, verletzlich und ehrlich. Die Musik nimmt den Hörer mit auf eine tiefe Reise und erkundet das komplexe Herz von Ryan Adams zwischen Liebe und Herzschmerz. Und in gewisser Wese ist es auch eine Entschuldigung oder zumindest ein Erklärungsversuch für sein Verhalten. Was aus den Vorwürfen wird, müssen die Gerichte klären. Den Fans bleibt die Musik – und vielleicht der Versuch, Person und Kunst voneinander zu trennen, was aber im Fall Ryan Adams wirklich nicht leicht ist.
„Big Colors“ klingt rockiger als der melancholische Vorgänger. Ein Schritt zurück zu den folkigen Wurzeln. Das Album besteht vor allem aus schwärmerischen Gitarrensongs, die an Lagerfeuern und in Bars perfekt funktionieren werden. Zwar gewohnt verhalten, aber dann mit einem Song wie „Power“ auch kräftig durchstartend. Hymnen wie „I Surrender“ und das mitreißende „Middle Of The Line“ erinnern an Altrocker wie Bruce Springsteen. „It’s So Quiet It’s Loud“ und „Summer Rain“ erklingen breitwandig und schwelgerisch.
Ryan Adams sagt zur Entstehung: „Big Colors entstand als 1980er Soundtrack zu einem Film, den es nie gab. Wednesdays war eine Studie über Verfall und Moral, Big Colors soll sich wie ein Tagtraum anfühlen. New York, wo dieses Album geschrieben wurde, treibt mich immer in neue, unerwartete kreative Räume“.
Im Ergebnis wirken beide Alben für sich. „Wednesdays“ mit emotionalem Tiefgang und „Big Colors“ wie das Wieder-Aufraffen nach dem Sturz. Man darf gespannt sein, was der dritte Teil seiner Aufarbeitung zu bieten hat.