Sarah Lesch, die aus Altenburg stammt und inzwischen in Leipzig lebt, veröffentlicht mit „Gute Nachrichten“ ihr mittlerweile sechstes Album. Der positive Albumtitel funktioniert als Kontrast zu dem Cover, auf dem die Liedermacherin uns die Zunge raus und den Mittelfinger hoch streckt. Ihre Botschaft ist nicht die“heile Welt“ – das kann man an Songtiteln wie „Kapitalismus“, „Die Spaltung der Gesellschaft“, „Bitte nicht anfassen“ und „Der letzte Faschist“ erkennen.
„Ich will den Kapitalismus lieben“, heißt es im Opener, den Funny van Dannen geschrieben hat – und die darauffolgende Liebeserklärung ist voller Zynismus. Der Sound auf ihrem neuen Album ist vielseitiger als in der Vergangenheit. Sie beschränkt sich nicht mehr auf das Songwriterinnen-Dasein mit Gitarre und Ukulele. Konsequent hat sie die letzten Jahre abgestoßen, um Neues zu beginnen. „Für mich schafft Musik eine Verbindung zu den Menschen. Das hat mir in dieser Zeit gefehlt. Besonders nach der einsamen Corona-Zeit“, sagt Sarah. Jetzt ist ihr Klang voller Rock, Punk und Blues.
„Die Spaltung der Gesellschaft“ zeigt anhand krasser Zitate, wie gewisse Schichten sich ihre eigene Wahrheit schaffen. Sarah hingegen gibt sich kämpferisch, findet krasse und ehrliche Worte. Man hört, dass sie genau das machen wollte, wofür Rockmusik auch steht: Erzählen von Befreiung, Liebe, Respekt und Diversität. Die Songstruktur ist dabei zunächst zweitrangig. Es zählt das Gefühl, der Soundtrack zur Geschichte, das Kino im Kopf. Eine in der modernen Popmusik nahezu verlorene Perle.
„Die Texte fließen einfach aus mir raus und für dieses Album habe ich noch mehr auf den Punkt geschrieben“, sagt sie. „Ich habe mir quasi die ‚Balls‘ eines Kerls angezogen, hier komme ich, ich mach das jetzt!“ Dabei wird sie stellenweise ziemlich laut, denn Sarah Lesch hat etwas zu sagen. Mit „Gute Nachrichten“ macht sie klar, wo sie sich einordnen möchte, nämlich ganz oben in der deutschen Rock-Szene.
„Dey“ ist ein Song über das genderneutrale Pronomen mit viel Verständnis für alle, die keinen Bock auf blöde Fragen haben und sich schon zu lange verstecken mussten. „Was soll ich sagen?“ funktioniert als stimmungsvolle Standortbestimmung einer selbstbewussten Sängerin. „Wenn er nicht trinkt“ zeichnet als sechsminütige Ballade das Bild eines Trinkers – großartig und herausfordernd.
Politische Aussagen zeigen Sarahs Stärke. „Nie wieder“ ist ein Statement gegen den Zeitgeist und gleichzeitig ihr wohl persönlichster Song auf dem Album. Eine kalte Abrechnung, 2016 geschrieben und heute aktueller denn je. Entstanden ist er nachdem ihr Song „Testament“, den sie ihrem Sohn gewidmet hatte, von allen möglichen Strömungen vereinnahmt wurde. Das Lied – ihr Durchbruch – richtet sich gegen die Verrohung der Gesellschaft, hat bei YouTube über 10 Millionen Klicks und ist alles andere als falsch zu verstehen. Was wurde nicht alles auf Sarah Lesch abgelegt, hineininterpretiert und projiziert: Identifikationsfigur des neuen rechten Liedguts, Ikone der esoterischen Mystiker, Sexobjekt. Alles das und viel mehr sollte sie versprechen und halten, Übermensch für diese Strömungen sein.
Vor allem auf den sogenannten “Friedensdemos” der Impfverweigerer und Querdenker wurde „Testament“ ungefragt vor den ideologischen Karren gespannt und Sarah Lesch unweigerlich dazu gesteckt. Mit dem bockstarken Schlussakkord von „Nie wieder“ entledigt sie sich nun diesen vielen, vor allem politisch aufgeladenen Ketten, zeigt Haltung und hat eine unmissverständlich klare Botschaft an alle: „Wenn ihr meine Lieder spielt, macht ihr euch mit mir gemein. Und ich bin links, queer und feministisch! Deal with it!“ Ebenso eindeutig ist die Utopie „Der letzte Faschist“, während „Mein Manager“ süffisant mit den Vorurteilen spielt, die manche gegenüber Sarahs Texten haben.
Was also ist die gute Nachricht? Sarah lässt sich nicht verbiegen und vereinnahmen. Ihr aktuelles Album ist ein fantastisches Werk zwischen Punk und Rock – mit verbindlichen Texten und aggressiver Grundhaltung. Ein Album, das Mut macht.
Sarah Lesch Live 2024
19.04.24 Friedrichshafen, Caserne
20.04.24 Tübingen, Sudhaus
26.04.24 Erfurt, HsD
27.04.24 Saarburg, Stadthalle
28.04.24 Darmstadt, Centralstation
02.05.24 Lüneburg, Kulturscheune
03.05.24 Magdeburg, Factory
04.05.24 Leipzig, Anker
05.05.24 Dresden, Alter Schlachthof
09.05.24 Berlin, Heimathafen
10.05.24 Lübeck, Rider Café
11.05.24 Wilhelmshaven, Pumpwerk
12.05.24 Hamburg, Fabrik
15.05.24 Nürnberg, Z-Bau
16.05.24 Potsdam, Waschhaus
17.05.24 Bischofswerda
18.05.24 Annaberg Buchholz,
23.05.24 Oldenburg, Kulturetage
24.05.24 Celle, CD Kaserne
31.05.24 Bonn, Pantheon
01.06.24 Köln, Kulturbahnhof Ehrenfeld
08.06.24 Karlsruhe, Tollhaus
09.06.24 Stuttgart, Wizemann
10.06.24 München, Backstage