25 Jahre nach ihrem selbstbetitelten und mit einer Gold-Auszeichnung dekorierten Debütalbum haben Selig befreundete Musiker gebeten, ihre Songs von damals neu zu arrangieren. Es gab keinerlei Vorgaben. Das Ergebnis hört auf den schönen Namen „Selig macht Selig“ und klingt mal laut, mal leise, wurde mal alleine und mal zusammen mit Selig aufgenommen. So entstanden vierzehn Songs zwischen Electronic, Pop und Rock und eine Lesung. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es dabei nur Gewinner, auch wenn die Stücke im Original natürlich immer noch am besten rüberkommen. Warum mit „Tina“, „Ja“, „Frei“, „Meinetwegen“ und „Fadensonnen“ allerdings gleich fünf Stücke ausgespart wurden, muss mir nochmal jemand erklären.
Vielleicht liegt es daran, dass Jan Plewka, Christian Neander, Leo Schmidhals und Stephan Eggert ihr Vorhaben, ausschließlich Lieder von ihrem Debütalbum interpretieren zu lassen, im Laufe der Zeit über Bord warfen. So darf sich Pohlmann an „Bruderlos“ vom zweiten Selig-Album „Hier“ versuchen. Zum Glück will er nicht originell sein, sondern nimmt den Song so wie er ist: schmerzhaft. Ebenfalls von „Hier“ stammt „Ist es wichtig“, das Lisa Who zu einem sparsamen Trommelmarsch umfunktioniert. Im Gegensatz dazu verhunzt Johannes Oerding „Sie zieht aus“ vom dritten Album „Blender“ zu einem dahinplätschernden Sing-A-Long, das zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus tropft. Immerhin bleibt er damit seinem eigenen Stil treu. Und schließlich wird „Die alte Zeit zurück“ vom Comeback-Album „Und endlich unendlich“, gelesen von Benjamin von Stuckrad-Barre, zur Kurzgeschichte. Eine durchaus ungewöhnliche Variante der Bitte von Selig zu entsprechen.
Davor und dazwischen gibt es einen bunten Reigen an Neuinterpretationen, die überwiegend mehr aber auch mal weniger überzeugen. Madsen machen den Anfang mit „Wenn ich wollte“ und lassen es einfach krachen. Punkt. Die von mir sehr verehrten Emma6 tun so, als wäre „Hey, Hey, Hey“ schon immer ihr Song gewesen und verleihen ihm eine wunderbar leichte Melancholie. Wilhelmine lässt in „Mädchen auf dem Dach“ Ulla Meinecke wieder auferstehen und dürfte Selig damit eine besondere Freude gemacht haben. Danach schleppt sich Philipp Poisel leider durch „Ohne Dich“ und raubt dem Stück jede (plewkaeske) Dramatik. Sehr lustig ist hingegen das Duett von Olli Schulz und Jan Plewka in „Die Besten“. Die Idee, nicht ganz ernst zu erzählen, wie sich die beiden nach 20 Jahren zufällig in einer Bar treffen, kam Olli Schulz spontan und so ist das verdutzte Gestammel von Jan Plewka auf die bohrenden Fragen tatsächlich echt.
Wolfgang Niedecken macht das, was er am besten kann und singt „Glaub mir“ auf Kölsch (unter hochdeutscher Mitwirkung von Jan Plewka) und als Blues. Das Pack gräbt die Grunge-Wurzeln von Selig aus und lässt „High“ zu einem fetten Rocker mutieren. Auch die 17 Hippies machen ihrem Namen alle Ehre und verwandeln „Regenbogenleicht“ unter dem Einsatz von Ziehharmonika und Posaune zu einem geheimnisvollen, flüsternden Schunkelsong. Pictures bewegen sich bei „Sie hat geschrien“ ganz nah am Original und überzeugen mit einer fröhlichen Mittanznummer. Dass sie damit alles richtig machen zeigt der ebenfalls vertretene Remix-Versuch des gleichen Stückes durch Milliarden, der nicht nur schräg sondern einfach nur furchtbar ist und mit dem Original ungefähr soviel zu tun hat wie die AfD mit Demokratie. Nämlich gar nichts. Bleibt zum Abschluss noch die Live-Version von „Die Besten“ aus dem Hamburger Grünspan durch Selig höchstselbst.
„Selig macht Selig“ ist trotz ein paar Schwächen eine Zusammenstellung geworden, die Spass macht. Den Hörern genauso wie den beteiligten Musikern. Und so war es wohl auch gemeint. Als kleines Dankeschön an die Fans und als Reminiszenz an ein Album, das die deutsche Musikszene bis heute maßgeblich geprägt hat. Olli Schulz bringt es auf den Punkt: „Mit Selig verbinde ich die glorreichen Neunziger, als diese Band es als erste deutsche Band geschafft hat, so ein Grungegefühl zu vermitteln, sogar mit deutschsprachigen Texten. Das hat davor glaube ich keiner gemacht und auch danach niemand mehr so richtig hinbekommen. Außerdem war ich wahnsinnig genervt, dass alle Frauen damals Jan Plewka geil fanden!“.
Jetzt gilt es wieder nach vorne zu schauen. Noch in diesem Jahr soll das achte Album von Selig erscheinen. Ab Mitte März geht die Band auf „Selig macht Selig“-Tour – inklusive dem einen oder anderen musikalischen Gast natürlich. Und ab April ist Jan Plewka in der VOX-Show „Sing meinen Song“ zu sehen. Freuen wir uns also auf viele weitere Jahre mit Selig – warum nicht nochmal 25?
Selig macht Selig Tour:
- 16.03.2020 München – Technikum
- 17.03.2020 Nürnberg – Hirsch
- 18.03.2020 Karlsruhe – Tollhaus
- 20.03.2020 Osnabrück – Rosenhof
- 21.03.2020 Bremen – Modernes
- 23.03.2020 Hannover – Musikzentrum
- 24.03.2020 Essen – Zeche Carl
- 25.03.2020 Rostock – Mau
- 27.03.2020 Berlin – Astra
- 28.03.2020 Hamburg – Markthalle