Nach Pandemie-Punkrock-Platte und Soul-Soloausflug von Sänger Sebastian (HIER unsre Review) erscheint jetzt mit „Hollywood“ das neunte Studioalbum von MADSEN als Band. Für ihre erste reguläre Platte seit „Lichtjahre“ von 2018 hat die Truppe um das Brüdergespann Sascha, Johannes und Sebastian Madsen mit Bassist Niko Maurer das eigene Label „Goodbye Logik Records“ gegründet.
Mit „Hollywood“ möchten sich MADSEN nach fast zwanzig Jahren Karriere nicht neu erfinden, sondern genau die Musik spielen, die sie lieben. Von großen Balladen mit Streichern, über nach vorne gehende Live-Brecher bis zu Fast-Stoner-Rock bietet das neue Album genau den Sound, für den ihre Fans die Band aus dem Wendland lieben.
Spannend schon der Rap-Part zu „Ein bisschen Lärm“, der das Album eröffnet. Ja, die Fans sind wieder bereit dazu – und werden die Einladung zum Freischreien bei den Livekonzerten sicher gern annehmen. Dann geht es in bekannter MADSEN-Manier weiter, mit Songs die von Beziehungen handeln oder Gesellschaftskritik auf den Punkt bringen.
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„Brücken“ handelt von einer Fernbeziehung zu allen Menschen in Zeiten der Globalisierung. Dieser Aufruf zur Gemeinschaft wird von starker Energie in Vocals und Melodie getragen. Mit „Das Beste von mir“ folgt eine Rockballade zum Thema Seelenverwandtschaft und „Willi“ besingt die Freundschaft zwischen alten Kumpels in rockiger Manier.
Ein sehr ungewöhnlicher Heiratsantrag, der alle Bedenken wegwischt, wird mit „Heirate mich“ in die Welt gerufen. Grandios in seiner Spontanität. Der Titelsong „Hollywood“ startet orchestral und besingt den Sehnsuchtsort für Menschen, die sich bei uns nicht zu Hause fühlen. Mir gefällt die Idee einer Begegnung von Außenseiter und Flüchtling vor dem Kino sehr.
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„Der Baum“ ist standfest inmitten von Chaos und damit melodisches Sinnbild für alles, was man ertragen kann. „Der gleiche Weg nach Hause“ mag Bezug nehmen auf die Liebe zur Musik und zur Band MADSEN. Damit wird auch deutlich, dass es nie wirklich eine Ende der Band gab. Sebastian hatte sich nur eine Auszeit genommen, um nach der Coronazeit einmal frei durchzuatmen.
Starke Gitarrenriffs begleiten „Unter dem Radar“, während „Rock’n’Roll“ sanfter klingt als der Titel vermuten lässt, da es als nostalgische Ballade den Traum vom Verrücktsein begleitet. „Wir haben immer noch die Sonne“ ist schließlich ein optimistischer Abschluss für ein außergewöhnliches Album. Der über fünfminütige Song klingt vielseitig und fast schon progressiv in seinem Wechsel aus lauten und leisen Passagen.
Der laute Sound ist zurück und man erkennt MADSEN sofort wieder. Die Band ist eine Familienangelegenheit, und wir alle dürfen mitmachen. Das muss man dieser fabelhaften Band aus dem Wendland erstmal nachmachen!
Nach 18 Jahren als Sänger der überaus erfolgreichen (Indie)-Rock-Band MADSEN geht Sebastian Madsen erstmals eigene Wege und erkundet dabei komplett neues Terrain. Beim Reeperbahn Festival in Hamburg konnte man ihn kurz vor Erscheinen des Debüts mit einem überzeugenden Auftritt erleben. Anne de Wolff bereicherte die Band als Multiinstrumentalistin und allein das gab dem musikalischen Geschehen einen sehr eleganten Sound mit.
Die beiden anderen Madsen-Brüder sind übrigens im Line-up des Soloalbums prominent vertreten. Von möglichem Knatsch beim Beschreiten der Solopfade kann also vermutlich keine Rede sein. Es geht wohl vor allem darum, einfach mal die softere Songwriter-Schiene zu fahren und neue Instrumente zu erkunden.
Schon der Titel „Ein bisschen Seele“ gibt vor, dass es in die gefühlvolle Richtung mit Blues und Soul geht. Dabei gibt es durchaus auch gesellschaftskritische Texte. „Immer nur am Handy“ trifft den Nerv der Zeit und wird dabei von Bigband-Bläserklängen begleitet. Sebastian singt in hohen Tönen, die fast weiblich klingen. Steht ihm trotzdem gut.
Überhaupt nutzt der Songwriter die volle Breite eines großen Bandsounds. Der Titeltrack geht schon ordentlich in die Vollen mit energischem Gesang und viel Seele. Bei „Sei nur du selbst“ hilft Drangsal aus und „Ich löse mich auf“ hat Eva Briegel von Juli als Feature an Sebastians Seite. Dabei geht es durchaus retromäßig zu. Genregrößen wie Max Raabe lassen grüßen.
Alle Songs changieren zwischen Soul und Pop, es darf aber auch mal ein bisschen Disco oder Kopfgesang sein. Die Bläser- und Streicher-Arrangement stammen von dem Hamburger Arrangeur Markus Trockel, der zuvor unter anderem für Michel van Dyke, Pascal Finkenauer und Max Richard Leßmann gearbeitet hat. Das Ergebnis ist wirklich groß und wird Sebastian hoffentlich mal zu einer Theater-Tournee führen.
“Ich wollte schon lange ein Album machen, das meine Begeisterung für Musik abseits von MADSEN widerspiegelt”, sagt Sebastian Madsen, für den das Projekt alles andere als bloß ein Corona-Zeitvertrieb ist. “Ich möchte mich gerne langfristig auch als Solokünstler zeigen und Konzerte mit einer großen Live-Besetzung inklusive Background-Gesang und Bläser-Ensemble spielen.”
Fans von MADSEN werden sich vermutlich erstmal an den Sound gewöhnen müssen, denn Sebastian macht hier einiges anders als die Stammband. Streicher und Trompeten nehmen breiten Raum ein, machen die Stücke aber nicht beliebig, sondern geben ihnen durchaus eine glanzvolle Attitüde mit. So entspannt hat man den Sänger übrigens lange nicht erlebt. Also alles richtig gemacht.
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Und es ist natürlich nicht nur die Reeperbahn. Jährlich Ende September wird Hamburg seit vielen Jahren zur Musikhauptstadt der Welt. Das merke ich allein schon durch die Frequenz an Promoter*innen, die mir Auftritte ihrer Acts ans Herz legen oder ganz allgemein darauf hinweisen, dass sie in Hamburg zu finden sein werden. Kein Wunder, denn das Reeperbahn Festival ist nicht nur das vermutlich größte Clubfestival der Welt (diesmal mit 40.000 Besuchern und über 400 Konzerten in unzähligen Locations) sondern auch Dreh- und Angelpunkt der Musikindustrie mit einer großen Menge an Fachbesucher*innen, die das Event als große Messe wahrnehmen und neben den Events auch an Vorträgen sowie Diskussionen verschiedenster Art teilnehmen. Das alles in einer Branche, die es so nötig hat wie nie.
Das Reeperbahn Festival hat sogar in den Jahren stattgefunden, als alles still gelegen hat. Klar musste man in den letzten beiden Jahren die Besucherzahl zurückfahren. Das ausgeklügelte Hygienekonzept war aber vorbildlich, wurde europaweit viel beachtet und später auch kopiert. Jetzt ist wieder Normalität eingekehrt. Und das Renommee des Festivals sorgte im Jahr 2022 vier Tage lang dafür, dass die Clubs nicht – wie so oft im Moment – mit gähnender Leere glänzten sondern aus allen Nähten platzten.
Okay. Das konnte auch mal nervig sein, wenn die Schlange zu lang war, um noch mit guten Chancen zum gewünschten Konzert eingelassen zu werden. Doch die Menschen waren gelassen. Man blieb entspannt und stillte seinen Konzerthunger am Ende einfach da, wo noch Platz war. Notfalls open air auf dem Heiliggeistfeld oder dem Spielbudenplatz, wobei letzterer sogar dem Publikum ohne Bändchen offen stand, also den Menschen, die einfach ein wenig Festivalluft atmen wollten. Auf jeden Fall ein feiner Zug der Veranstalter!
Zum Programm und den Highlights:
Die größten Überraschungen gab es gleich zu Beginn. Ich nenne mal Kraftklub, die als Überraschungsgäste des Festivals dezent die komplette Reeperbahn mit ihrer Bühne blockiert haben und dann auch drastisch eskaliert sind. Gastauftritte von Casper und Bill Kaulitz inklusive.
Vorher hatte schon das „Opening“ im Stage Operettenhaus für Furore gesorgt, als plötzlich Udo Lindenberg, der frisch gebackenen Ehrenbürger der Hansestadt, auf der Bühne stand. Den hatte nämlich Jan Delay bei seinem Opening-Auftritt kurzerhand im Schlepptau. Überhaupt war das Opening ein Megaevent mit Momenten zum Jubeln, zum Träumen und zum Innehalten. Abgesehen von den oben genannten Herren war die Eröffnung dabei übrigens fest in Frauenhand. Somit setzte das RBF durchaus ein Zeichen, war doch in den letzten Monaten viel Kritik an männerlastigen Events wie „Rock am Ring“ laut geworden. In Hamburg hatte man fast das Gefühl, Carolin Kebekus hätte das Booking übernommen – so viele weibliche Acts waren zu finden.
Die Frauenpower startete mit der wundervollen Ellie Goulding, die neben ihren Songs auch eine bewegende Rede zum Zustand der (Musik)Welt hielt. Natürlich konnte man den Ukraine-Krieg nicht verschweigen. So trat die Rapperin Alyona Alyona auf, die 2019 den ANCHOR Award gewonnen hatte und leitete über zu einer bewegenden Rede von Natalia Klitschko, die in ihrer Keynote von den Auswirkungen des Krieges auf die Kultur berichtete, aber auch von der Stärke, die ein unterdrücktes Land im kulturellen Austausch gewinnt. Es folgten Performances von Zoe Wees, dem Cast des Musicals „Hamilton“, das in Kürze ebenda im Operettenhaus starten wird, und von besagtem fulminantem Duo Jan & Udo.
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Gerade aus dem Veranstaltungssaal getreten, konnte man dann Kraftklub mitten auf der extra gesperrten Reeperbahn entdecken. Was für eine Show, die allen Menschen rundum sagte: „Wir sind hier. Das Festival ist gestartet.“ Da passte ein Song wie „Ich kann nicht singen“ natürlich wie die Faust aufs Auge. Nicht schön, aber selten, war die Devise. Oder besser: Authentisch, rau und bodenständig. Zu „Wenn du mich küsst“ erschien plötzlich Casper als Feature-Gast auf der Bühne und später gab sich auch Bill Kaulitz von Tokio Hotel die Ehre, der ein Teil der ANCHOR-Jury 2022 war.
Jetzt konnte das Festival richtig losgehen und Highlight reihte sich an Highlight.
Da wäre ClockClock, definitiv die Band der Stunde. Mit „Brooklyn“ (einem Feature bei Glockenbach) und seinem Megahit „Sorry“ sprengt der Pfälzer Bojan Kalajdzic momentan jede Radioplaylist. Im glanzvollen Spiegelzelt zeigte er zudem eine große Nähe zum Publikum und legte einen absolut sympathischen Set hin.
Anaïs, deutsche Nachwuchskünstlerin mit belgischen Wurzeln, stellte den Mojo Club auf den Kopf. Sie traf in Klang und Text einen emotionalen Nerv, den andere oft genug verfehlen. Eine echte Powerfrau mit betörender Präsenz.
Der britische Rapper Loyle Carner gab schließlich das offizielle Eröffnungskonzert des Festivals im STAGE Operettenhaus vor 1.200 Zuschauern. Neben den Konzerten in der Elbphilharmonie sicher das größte Einzel-Event des Festivals.
Zum Abkühlen gab es dann mittwochs noch Charles Watson im Bahnhof Pauli. Solche Clubkonzerte sind das Salz in der Festivalsuppe. Dieser Mann der leisen Töne war ganz allein mit Gitarre auf der Bühne und lieferte einen melancholischen Abschluss des Mittwochs.
Tags drauf gaben sich die Schweden von Mando Diao im Saturn, dem großen CD-Laden am Hauptbahnhof. die Ehre und lieferten einen kleinen Acoustic Gig zu zweit. Auch wenn Gustaf Norén nicht mehr dabei ist, macht Björn Dixgård doch einen klasse Job am Mikro. Seine tiefe Stimme ging durch Mark und Bein. Es gab neue Stücke wie „Stop The Train“ und zum krönenden Abschluss den Superhit „Dance With Somebody“ in einer genial reduzierten Version.
Sebastian Madsen ist ja neuerdings solo unterwegs und veröffentlicht in Kürze sein Debüt. Gebucht wurde er als Ersatz für einen ausgefallen Act erst zwei Tage zuvor. Um so besser war seine Performance. Multiinstrumentalistin Anne de Wolff begleitete ihn und seine Band. Es gab Songs wie „Sei du selbst“, das normalerweise von Drangsal gefeatured wird, und „Baby, ich liebe dich“ in einer schönen Version für Klavier und Violine.
Annie Chops ist mir schon 2021 äußerst positiv aufgefallen. Und diesmal legte sie noch einen Zahn zu! Open Air auf der Spielbude verzauberte sie ihr Publikum mit einer fulminanten One-Woman-Show. Gitarre und Loop Station waren am Start – dazu eine mitreißende Performance. Annie ist leidenschaftliche Straßenmusikerin. Und so machte sie halt die Bühne zu ihrer Straße und brachte die Reeperbahn zum Tanzen. Von Soul bis Hip Hop war alles dabei und es gab erstmals zwei deutschsprachige Stücke: „Eins durch zwei“ und „Verlieben zählt nicht“. Stand ihr gut!
Danach feierten KLAN im Bahnhof Pauli einen ordentlichen Abriss mit fettem Sound. Stimmung, Spaß und gute Laune vor vollem Haus. Stefan und Michael Heinrich haben es vom Kirchenchor über das Straßenmusikerdasein bis zum profilierten Musikerduo geschafft und man muss sie im Auge behalten. Das Duo ist gekommen, um zu bleiben.
Zu nächtlicher Stunde ging es in die St. Michaelis Kirche, den berühmten „Hamburger Michel“. Dort spielte die Band HUNDREDS mit dem Ensemble Berlin Strings. Die Atmosphäre in diesen heiligen Hallen ist ohnehin immer ganz besonders. Die Akteure erzeugten einen wundervollen Sound zwischen atmosphärischem Elektropop und knallharten Techno Beats. Das hat der ehrwürdige Michel vermutlich noch nicht oft erlebt.
Auch freitags gab es nach einigen kleineren Konzerten wieder ein Highlight im Michel: Manuel Bittorf aka Betterov hatte sich eine illustre Schar von Gästen eingeladen. Neben einem klassischen Ensemble gab es an den Vocals auch Novaa, Paula Hartmann, Fil Bo Riva und den sensationellen Olli Schulz. Vor allem die gefühlvollen Momente schlugen voll durch. Olli Schulz stimmte extra für Manuels Papa, der großer Springsteen-Fan ist, „No Surrender“ an. Und zum Schluss traf er mit „Als Musik noch richtig groß war“ den Nerv aller Anwesenden.
Dann ging es zu dem ersten von zwei Konzerten in die Elbphilharmonie. Was für ein Haus, was für eine Kulisse, was für ein Sound! Die britische Soul und R&B Künstlerin Joy Crookes, die gerne mal mit Amy Winehouse verglichen wird, legte einen gefühlvollen Set hin und war stets in gutem Kontakt zum Publikum, das durchweg an ihren Lippen hing. Sie trat selbstbewusst, aber gar nicht divenhaft mit großer Band auf, konnte aber ganz zum Schluss allein am Piano die meisten Herzen für sich gewinnen.
Tags drauf waren es die belgischen Klangkünstler Warhaus, die die Elbphilharmonie beseelten. Maarten Devoldere hat mit seiner rauchigen Stimme, die stets ein wenig an Nick Cave erinnert, früher schon der Band Balthazar vorgestanden. Jetzt gab er dem Bandprojekt Warhaus ein Gesicht, das mit endlosen Klangcollagen und verspielten Instrumentalpassagen überzeugte. Zum Ende hin gab es per Loop-Verstärkung ein Soundgemälde epischen Ausmaßes, bei dem Künstler und Publikum nur die Luft anhalten konnten, bevor riesiger Jubel losbrach.
Damit ging für mich ein phänomenales Festival zu Ende. Ich will aber nicht die Berliner Künstlerin Wilhelmine unerwähnt lasen, die zuvor im Club „Uebel und gefährlich“ ein einstündiges Konzert gab. Ihre anfängliche Unsicherheit überspielte sie mit viel Energie und war mega sympathisch. Songs wie „Komm wie du bist“, „Meine Liebe“ und „Das Mädchen mit der Latzhose“ zeugten von Popmusik, die etwas sagen möchte. Durch authentische Ansagen gelang ihr das mit Bravour.
Das Reeperbahn Festival lebt von seiner Vielfalt. Ironischer Schlager, Pop, Soul, Indie auf der einen Seite, Alternative Rock, Rap und Metal auf der anderen. Für jeden ist etwas dabei und Überraschungen gibt es viele. Vermutlich kann sich jeder Besucher seine eigene Geschichte von Highlights und Neuentdeckungen spinnen – und das ist gut so. Das Herz der Musikwelt schlägt jeden September für vier Tage in Hamburg. Vom 20.09.2023 bis 23.09.2023 ist es wieder soweit. „Early Bird Tickets sind“ bereits erhältlich!
Rund um den Spielbudenplatz wurde es musikalisch – wie immer beim Reeperbahn Festival – sehr vielseitig. Kurzfristig war Sebastian Madsen als Act eingesprungen und belebte den Bahnhof Pauli.
„Sei du selbst“ – das ist so ungefähr die nervigste Lebensweisheit, die es gibt. Sie begegnet einem als Kalenderspruch und prangt auf Postkarten, gerne mit dem Zusatz „alle anderen gibt es ja schon“. Zahlreiche Bücher heißen so, aber auch Songs von Sido bis DJ Ötzi. Nur was bitte, wenn man einfach nicht weiß, wer dieses selbst ist?
Genau dieses Gefühl bringt SEBASTIAN MADSEN in seiner ersten Solo-Single „Sei nur du selbst“ auf den Punkt, Unterstützung gibt es dabei von DRANGSAL. Mit „Sei nur du selbst“ kündigt Sebastian Madsen – nach 18 Jahren, acht Studioalben und unendlich vielen Touren mit seiner Band Madsen – sein erstes Solo-Album für den Herbst 2022 an.
„Sei nur du selbst singt der Typ im Radio / sei nur du selbst steht in meinem Horoskop / doch wie geht das bloß? / Sei nur du selbst sagt die schöne Yoga-Frau / schick dein Licht in die Welt / bei ihr siehst‘s so einfach aus / bei allen anderen auch“, singt er zu einer leichtfüßigen Klaviermelodie und beschwingten Bläsern, bevor der Refrain der sarkastischen Soul-Pop-Nummer den eigentlichen Ursprung des ganzen Übels offenbart: Liebeskummer! „Sei du selbst / hör doch einfach auf dein Herz / ohne dich schlägt es nur irgendwie verkehrt / glaub an dich und sei der, der du bist / ohne dich weiß ich nur gar nicht wer das ist.“
Aber Moment mal, werden aufmerksame Leser sagen, Sebastian Madsen, Solo-Single, Soul-Pop? Ja, tatsächlich! Nach 18 Jahren als Sänger der überaus erfolgreichen (Indie)-Rock-Band MADSEN geht Sebastian Madsen erstmals eigene Wege und erkundet dabei komplett neues Terrain. „Die ersten Ideen entstanden aus Corona-Frust, Langeweile und Liebeskummer“, sagt er. „Zu Liebeskummer passt ja Soul-Musik, deswegen habe ich Sachen wie Otis Redding, Curtis Mayfield oder Amy Winehouse gehört – und irgendwann einfach angefangen, selbst Lieder zu schreiben.“
„Sei nur du selbst“ wurde im Madsen-Studio im Wendland aufgenommen, von Sebastian Madsen und seinem Bruder Johannes produziert und mit einem Gastauftritt von Drangsal veredelt. „Ich bin schon lange Fan davon, was Drangsal macht, kannte ihn aber gar nicht“, so Madsen. „Nachdem ich mir über Freunde seine Nummer besorgt und ihm geschrieben hatte, rief er mich an und meinte ‚Egal, was du fragst, ich sage auf jeden Fall ja‘. Das hat mich total gefreut.“
„Sei nur du selbst“ ist der erste Vorbote auf Sebastian Madsens Soloalbum, das noch dieses Jahr erscheint. Die Songs changieren zwischen Soul und Pop, es darf aber auch mal ein bisschen Disco oder Kopfgesang sein. Die Bläser- und Streicher-Arrangement stammen von dem Hamburger Arrangeur Markus Trockel, der zuvor unter anderem für Michel van Dyke, Pascal Finkenauer und Max Richard Leßmann gearbeitet hat.
„Ich wollte schon lange ein Album machen, das meine Begeisterung für Musik abseits von Madsen widerspiegelt“, sagt Sebastian Madsen, für den das Projekt alles andere als bloß ein Corona-Zeitvertrieb ist. „Ich möchte mich gerne langfristig auch als Solokünstler zeigen und Konzerte mit einer großen Live-Besetzung inklusive Background-Gesang und Bläser-Ensemble spielen.“
In einem Video-Statement über seine Social Media Kanäle verriet Sebastian Madsen aber auch, dass der Beginn seiner Solo-Karriere nicht das Ende von MADSEN bedeutet, ganz im Gegenteil: „Madsen wird es weiterhin geben – Wir haben gerade sogar die schönste gemeinsame Zeit, die wir je hatten. Wir spielen gerade die coolsten Konzerte jemals und arbeiten auch an neuen Sachen!“.
Die Single „Sei nur du selbst“ sowie das Album im Herbst erscheinen über das neue Berliner Label ISBESSA im Vertrieb von The Orchard.
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„Leute ist das euer Ernst? Ein Punkalbum? Ihr müsst Gangster-Rap machen! Punk ist tot!“ Mit diesen gesprochenen Halbwahrheiten endet der erste Track dieses wundervollen Punkalbums „Na gut dann nicht“. Was uns MADSEN hier um die Ohren hauen, ist Protest in Reinkultur. Und das haben wir 2020 in dieser Form noch von keinem gehört.
Mission ist es, den Punk zu retten. Das wird im zweiten Stück „Herzstillstand“ deutlich: „Keiner hat mehr Bock auf Gitarren und auf Lärm“. Familie Madsen beweist das Gegenteil, denn diese Platte macht sowas von Bock! Lärmende Gitarren, hysterischer Gesang, Hau-drauf-Mentalität beim schnellen Schlagzeug. Ob das Spaß macht? Aber ja!
Zu verdanken haben wir dieses Album der Corona-Langeweile. Denn eigentlich sollte alles ganz anders laufen: Ein neues, bereits geschriebenes Rockalbum sollte im Sommer aufgenommen werden, die Touren waren gebucht. Und dann stellte sich die Welt auf den Kopf. MADSEN schoben den gewohnten Indierock zur Seite und widmeten sich einer neuen Welt. „Mitte März bin ich ins Wendland gefahren, habe den Proberaum gründlich aufgeräumt und für andere Künstler Musik geschrieben. Aber dann hatte ich plötzlich diesen Bock auf Punk!“ erinnert sich Sänger Sebastian Madsen. Er kaufte sich das Ramones-Debüt auf Vinyl, hörte es rauf und runter und begann, Songs zu schreiben. Schnell hatte auch der Rest soviel Spaß an den Songs, dass MADSEN ihr „reguläres Album“ hinten anstellten und eine Punk-Platte aufnahmen.
Das Ergebnis ist so überraschend wie geil. Besonders die Texte sind ausgesprochen tiefgehend und treffen den Zeitgeist. „Quarantäne für immer“ zeichnet ein düsteres Bild von herbei gesehnter Einsamkeit („Draußen wird alles immer schlimmer, ich bleib in meinem Zimmer“). „Protest ist cool aber anstrengend“ geht in die andere Richtung: Der Mensch im Bildungsbürgertum erkennt die Probleme der Zeit, hat aber wichtigere Dinge zu tun („doch morgen soll es regnen und du musst noch Rasen mähen“). Ein Plädoyer dafür, Protest nicht nur gut und wichtig zu finden, sondern auch damit anzufangen.
„Alte weiße Männer“ richtet sich so deutlich gegen den gegenwärtigen Politikstil wie „Trash TV“ gegen den allabendlichen Voyeurismus bei Dschungelcamp, Bachelor und Promi-WG. „Behalte deine Meinung“ geigt den ganzen Social-Media-Besserwissern und Verschwörungstheoretikern den Marsch, die YouTube und Twitter für das bessere Kommunikationsmedium halten. Und „Wenn du am Boden liegst“ ist ein starkes Statement für Menschlichkeit gegenüber Flüchtlingen und Hilfesuchenden: „Öffnet eure Arme, öffnet euer Herz“.
Zum Schluss darf Benjamin von Stuckrad-Barre noch den Versuch wagen, Punk zu definieren, der aber von der lärmenden Band im Hintergrund zum Scheitern verurteilt ist.
15 Jahre nach dem Debütalbum – zwischen Frust, Langeweile und Tatendrang im Corona-Sommer – bahnte sich der Bock auf schneller-härter-lautere Songs bei der Band wieder an. „Ich liebe diese respektvolle Respektlosigkeit im Punk“ sagt Sänger Sebastian Madsen. „Mit Punk ist es viel einfacher, sich klar und politisch auszudrücken.“ Auch MADSEN-Mainstream-Hörer sollten diesem ungewöhnlichen Album eine Chance geben. Es lohnt sich!
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