Inzwischen haben die Fury-Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder schon mehrfach in der Garage Saarbrücken gespielt. In der Vergangenheit aber immer im Kleinen Club. Allein das fand ich schon sensationell, wenn man bedenkt, welche Arenen die beiden mit ihrer Band Fury In The Slaughterhouse in der Vergangenheit bespielt haben (und auch bald wieder bespielen werden – doch dazu später). Jetzt endlich durften Wingenfelder im großen Saal der Garage ran. Es hat sich einfach rumgesprochen, welche Wahnsinnsshow sie mit ihrer Band abliefern. Inzwischen gibt es vier Studioalben und ein Livealbum mit den Solosongs – hauptsächlich in deutscher Sprache. Vom Feeling her hören sie sich oft nach der Stammband an. Hymnen mit deutschen Texten. Und zur Freude aller Anwesenden hatten sich drei Fury-Titel in die Setlist geschlichen, die dann auch die einzigen Ausreißer in englischer Sprache waren. Das war pures Nostalgie Feeling und brachte die Garage zum Kochen.
Kai und Thorsten sind immer noch grundsympathisch. Nach dem Auseinanderbrechen von Fury In The Slaughterhouse haben sie vieles ausprobiert. Jeweils gab es eigene Soloalben, zudem ist Thorsten erfolgreich als Fotograf tätig und Kai besitzt eine Filmproduktionsfirma. Also eigentlich sind sie ausgelastet, doch sie können die Finger nicht von neuer Musik lassen – und das ist gut so. Vor allem: Im Duo passt es dann doch am besten, darum hieß die erste CD im Jahr 2011 auch „Besser zu zweit“. Seitdem begeistern sie alte und neue Fans und locken immer größere Scharen in die Konzerte.
Die Garage war gut gefüllt und Wingenfelder starteten pünktlich um 20 Uhr mit „Mensch Paul“, einem Song von zerstörten Träumen und dem Tod. Sehr bewegend für einen Konzertbeginn. Doch so sind die beiden nun mal. Eine klassische Spannungskurve haben sie gar nicht nötig. Schon als zweites Stück gab es den Mottosong „Brüder“ und das Publikum bejubelte die beiden mit ihrer Band. Die Soundkulisse war großartig. Keyboard, Drums und bis zu vier Gitarren. In dieser großen Besetzung sind sie jetzt erstmals seit März wieder unterwegs.
Und sie bedienten ihre Fans mit Hymnen übers Leben. „Dinge, die wir nicht verstehen“ wurde als Song für die Ü40 angekündigt. Wenn man sich umsah, sangen auch Jüngere lauthals mit, doch das Gros der Leute war tatsächlich im guten Fury-Alter. Kai und Thorsten wechselten sich an den Vocals ab. Kai war öfter dran (und ist auch der markantere Fury-Shouter), doch mir gefällt Thorstens entspannte Stimme, die etwas tiefer klingt, ausgesprochen gut. Für „Hey Cowboy“ begab Thorsten sich aber an die Mandoline und ließ Kai seinen Lieblingssong aus dem „Zyklus für Arschlöcher“ interpretieren – in Norddeutschland übrigens ein großer Erfolg als Radio-Single.
Endlich war es soweit: Zur Freude der Anwesenden kündigten die Brüder 2017 als Fury-Jahr an („Wir haben da ja noch ein kleines Nebenprojekt“). Neben den bereits ausverkauften Großereignissen in Hannover soll es eine Deutschlandtour geben. Und wie wir seit gestern wissen, ist auch Trier mit seinem Porta-Festival mit dabei. Das dürfte die saarländischen Fans ebenso freuen. Passend gab es den Klassiker „Dead And Gone“. Viele wussten bis dahin nicht, ob es auch Fury-Songs geben wird. Umso größer war die Freude.
„Die Wand“ funktionierte als melancholischer Song zum Thema Vertrauen. Und es wurde auch politisch, als die Wingenfelders zur „Revolution“ aufriefen. Im Anschluss kam die Stunde von Norman Keil, seines Zeichens Gitarrist und Co-Songwriter der Band. Er stellte selbst den Titel „Springen in die Nacht“ vor, der vom Mauerfall im Herbst 1989 aus der Sicht eines Kindes erzählt. Er selbst war damals 8 Jahre alt und lebte in Erfurt. Dieser „Augenzeugenbericht“ verschaffte vielen eine Gänsehaut.
Was noch? Endlich war es soweit: „Won’t Forget These Days“, die Hymne aller Fury-Fans, ertönte aus tausend Kehlen. Und mit den Songs „Perfekt“ und „Winterkind“ endete der Hauptteil des Konzerts. Im Zugabenblock gab es von Fury-Seite den ersten Hit „Time To Wonder“. Hier konnte jeder mitsingen und die Refrainzeilen sollten manchen noch bis tief in die Nacht verfolgen. Wingenfelder hörten aber nicht mit diesem Gassenhauer auf, sondern mit der atmosphärischen Ballade „Mein Hafen“. Ein ungewöhnlicher Abschluss für ein perfektes, mehr als zweistündiges Konzerterlebnis. Lauter selige Gesichter. Und am nächsten Tag erfährt man dann, dass Fury In The Slaughterhouse am 16. Juni 2017 das Porta hoch drei Festival in Trier spielen werden. Was kann schöner sein?
Setlist Wingenfelder, 11.10.2016 in der Garage Saarbrücken
Laith Al-Deen kommt ganz allein auf die Bühne und startet das Konzert a cappella mit seiner wundervoll warmen und souligen Stimme. Ein magischer Moment. Der Jubel in der Garage Saarbrücken ist unendlich groß, als das Konzert auf diese Weise startet. Nach und nach kommen die Instrumentalisten mit dazu. Es ist 20.30 Uhr und der Umbau nach dem Support Damian Lynn hat nur kurze Zeit in Anspruch genommen.
Laith Al-Deen ist auf „Bleib unterwegs“ Tour. Ein passender Titel, den er seinem letzten Album gegeben hat. Die Garage war bis auf den letzten Platz gefüllt. Sicher hätte man noch ein paar Leute dazu quetschen können, aber es war auch so schon mollig warm. Der Soulsänger aus Mannheim war bester Laune beim dritten Konzert der laufenden Tour. Und so konnte ihn auch ein kleiner Texthänger zu Beginn nicht aus der Ruhe bringen. „Ich hoffe, eure Herzen sind geöffnet.“ Ja, das waren sie definitiv – vor allem bei der großen weiblichen Besucherschar, deren spitze Schreie Laith dann auch gleich genussvoll nachahmte.
Der Sänger machte einen absolut gefestigten Eindruck. Das musikalische und kreative Tief, das ihm vor einigen Jahren zu schaffen machte, ist definitiv überwunden. So gibt es mit viel Selbstbewusstsein unter den ersten elf Songs des Sets gleich acht Titel vom aktuellen Album. Und es funktioniert – das Publikum hängt begeistert an seinen Lippen und macht jeden Spaß mit. „Geheimnis“ kommt sehr stimmungsvoll mit engagiert virtuoser Begleitband. Direkt nach dem ersten Hit „Dein Lied“ folgt die verträumte Ballade „Feuer“. Und „Ich mag wie du mich liebst“ eröffnet einen ganz anderen Sound, wenn Elektrorhythmen durch die Halle fegen und eine knisternde Atmosphäre erzeugen.
Nach „Im Vorbeigehen“ unternahm Laith Al-Deen das obligatorische Bad in der Menge und brachte einige Zuschauerinnen nahe an die Ohnmacht. Er ist schon eine charismatische Erscheinung, wenn er da durch die Leute wandelt und seine Späßchen an den Mann und die Frau bringt. Danach gab es den vorwärts treibenden Titel „Elektrisch“, der mit einer langen Beatbox-Session endete, die Laith und sein Bassist im Alleingang durchzogen.
Für einen Akustik-Part im Set, den viele Künstler gern zum Verschnaufen nutzen, hatte Laith gar keine Zeit. Er war immer in Bewegung und trieb auch die hervorragende Band zu Höchstleistungen an. Mein persönliches Highlight war die Ballade „Worum es dir geht“. Dann wurde der erste große Hit „Bilder von dir“ abgefeiert. Und vor den Zugaben gab es „Mit mir“ – einen epischen, durch und durch hymnischen Song im Breitwandformat. Wenn man solche Soundkulissen hört, brauchen sich Laiths Instrumentalisten nicht vor Stadionbands wie Coldplay oder Muse zu verstecken. Es war schon ein gigantischer Effekt, mit dem der offizielle Konzertteil nach 115 Minuten endete.
Im Anschluss gab es einen Zugabenblock, in dem wiederum zwei ganz aktuelle Songs gespielt wurden, die den rockigen Abtanzer „Nur wenn sie daenzt“ einrahmten. Es war mal wieder ein Fest, den Mannheimer mit der durchdringenden Stimme live zu erleben. Und es hat sich gezeigt, dass Laith Al-Deen keine Aneinanderreihung von Hits braucht, um einen schönen Konzertabend zu bereiten. Das neue Album spricht für sich – und wir rufen Laith zu: „Bleib unterwegs“.
Setlist Laith Al-Deen am 5.10.2016 in der Garage Saarbrücken
1. Alles hat seine Zeit
2. Kleine Helden
3. Alles dreht sich
4. 5 Sekunden
5. Geheimnis
6. Dein Lied
7. Feuer
8. Ich mag wie du mich liebst
9. Im Vorbeigehen
10. Elektrisch
11. Alles auf Anfang
12. Sicher sein
13. Du fehlst
14. Worum es dir geht
15. Bilder von dir
16. Mit mir
17. Heimathafen
18. Nur wenn sie daenzt
19. Bleib unterwegs
Als deutschsprachiger Singer / Songwriter hat man momentan einen guten Stand. Seit Pioniere wie Philipp Poisel den Boden neu bereitet haben, schießen die jungen Männer mit oder ohne Gitarre wie Pilze aus dem Boden und können oft sehr erfolgreich agieren. Manchmal fehlt nur der eine große Hit zum Durchbruch. Gestern in der Garage Saarbrücken gab es gleich zwei Kandidaten dieses Kalibers. Max Giesinger hatte sein eigenes EM-Wunder mit der textlich angepassten Version von „80 Millionen“. Und schon war er in aller Munde. Ursprünglich sollte das Konzert im Kleinen Club der Garage stattfinden, doch es wurde ob des plötzlichen Starpotentials sehr schnell in den großen Saal verlegt. Der platzte dann auch aus allen Nähten. Das Publikum war durchmischt, von Kindern bis hin zu älteren Paaren. Weibliche Zuhörer in der absoluten Überzahl – das konnte man an den Mitsingpassagen deutlich erkennen.
Als Support war Wincent Weiss am Start. Ein Newcomer, der momentan auch seinen Platz in den Radio-Playlists findet. Seinen Song „Musik sein“ hörte ich erstmals auf der Hinfahrt nach Saarbrücken. Zufällig im Radio. Das war doch mal ein gutes Zeichen. Auf der Bühne fand man sich zum 30minütigen Support Set also Trio ein. Wincent am Gesang, seine Begleiter abwechselnd an Keyboard, Gitarre und Cello. Es war ein akustischer Set, der anfangs etwas unterging, da das Publikum an den Rändern einfach nicht mit ewigem Gequatsche aufhören wollte. Als aber die Stimmung im Innenraum von Song zu Song besser wurde, war auch hier die Aufmerksamkeit geweckt.
Wincent ist ein durch und durch sympathischer Bursche. Seine Ansagen waren fast schon anrührend, wenn er von seiner kleinen Schwester erzählte und in den Dialog mit dem Publikum ging. Es war ihm auch sichtbar peinlich, von den Mädels angehimmelt und für seine Musik bejubelt zu werden. Eine CD hat er noch nicht am Start, darum werden die Songtitel von mir auch vermutlich falsch wiedergegeben. Zum großen Teil klassische Lovesongs („Ein Jahr reicht, um dich zu vergessen“, „Regenbogen“), ein melancholischer Gruß an die Schwester („Herzschlag entfernt“) und ein Titel zum Älterwerden („Was kann die Zeit für ein Arschloch sein“). Allesamt eingängig und angenehm anzuhören. Der Keyboarder stimmte spontan „Stand By Me“ an und das Publikum sang lauthals mit. Durch solche Dinge lässt sich Wincent noch aus der Fassung bringen.
Der gelungene Support endete mit „Unter meiner Haut“ und „Musik sein“. Während letzteres die aktuelle Single ist, war der erstgenannte Titel schon ein kleiner Hit in der Version des Deep House Duos Gestört aber Geil. Erstaunlich textsicher konnte das Publikum diese beiden Songs mitsingen und Wincent verließ sichtlich gerührt die Bühne.
Max Giesinger hatte nun die Aufgabe, den Staffelstab eines hervorragenden Supports aufzunehmen. Das gelang ihm spielend, indem er „Der Junge, der rennt“ von einer Empore hinter den Zuschauern anstimmte und sich dann den Weg durch die Menge bahnte. Es war erst das zweite Konzert dieser großen Tour und er hatte sein Publikum dennoch auf Anhieb im Griff.
Sein Mitwirken bei The Voice of Germany erwähnte der gebürtige Karlsruher kein einziges Mal. Stattdessen betonte er seine klassische Songwriterkarriere mit Straßenmusik, Musiker-WGs, dem Weg über Mannheim nach Hamburg und Berlin. Nette Anekdoten gab es da zu erzählen. Auch über Saarbrücken, wo Max Giesinger vor einem halben Jahr noch als Support für Christina Stürmer in der Garage stand. Dass er nun selbst diesen Laden füllen kann, hätte er wohl nicht gedacht.
Der Set zog sich mit einer gesunden Mischung durch beide Studioalben. „Du kannst das“ war der zweite Song, dann folgte das rockige „Barfuß und allein“. Zu „Kalifornien“ nahm er ein ausgiebiges Bad in der Menge. „Wenn sie tanzt“ sorgte für ordentlich Partystimmung und die Zuschauer machten jeden Animationsspaß freudig mit.
In der Konzertmitte gab es zwei akustische Songs, bevor „In Balance“ erstaunlich lässig im Motown Style erklang. Die Ballade „Nicht so schnell“ kündigte Giesinger als wichtigen Song für seine Karriere an, der erst in der Endphase des neuen Albums entstand. Schließlich kam der von allen ersehnte Hit „80 Millionen“, der mit Zuschauerbeteiligung ordentlich ausgedehnt wurde und der reguläre Konzertset endete nach 80 Minuten.
Ein kurzer Zugabenblock schloss sich an und die meisten Zuschauer wurden sichtlich beseelt in die Saarbrücker Nacht entlasten. Ein starker Auftritt des gut aufgelegten Max Giesinger. Es gelang ihm, ohne Casting-Schub als eigenständiger Genrevertreter aufzutreten. Die Band – zum Teil aus langjährigen Wegbegleitern zusammen gesetzt – war hervorragend aufgelegt. So hat Giesinger seinen Weg gefunden und wird ihn hoffentlich noch lange weiter gehen.
Queensrÿche sind Urväter des Progressive Metal und haben spätestens mit ihrem Über-Album „Operation: Mindcrime“ Musikgeschichte geschrieben. Kein Wunder also, dass sie in Saarbrücken schon als zweiten Track den Titelsong dieses Albums zu Gehör brachten. Dabei ist das nicht selbstverständlich, denn mit Todd La Torre hat die Band seit 2012 einen neuen Fronter, der mit dem 88er Album logischerweise wenig am Hut hat.
Die Garage in Saarbrücken war bei weitem nicht ausverkauft, aber sehr gut gefüllt. Metalfans von überall her. Die Location hat einen sehr guten Ruf und bringt Monat für Monat hervorragende Metalacts in das kleine Bundesland. Das Einzugsgebiet reicht bis Luxemburg und Frankreich – das kann man im Stimmengewirr leicht heraus hören.
Zwei Supports, wobei ich die erste Vorband komplett verpasst habe. Im Anschluss kamen Archer aus Kalifornien. Das Trio aus Santa Cruz in Kalifornien ist für soliden Hardrock bekannt. Mit großer Spielfreude lieferten sie Titel ihres Debütalbums „Culling The Weak“, meist mit einer gehörigen Portion Thrash Metal gewürzt. Das passte nicht so ganz zum Prog-Publikum, wurde aber sehr wohlwollend aufgenommen. Zum Ende hin gab es ein Megadeth-Cover vom „Rust In Peace“ Album. Spätestens jetzt war der Bann gebrochen und das Publikum akzeptierte hörbar begeistert, dass der Supportact seinen Gig bis 21 Uhr ausdehnen durfte.
Queensrÿche standen dann erst gegen 21.30 Uhr auf der Bühne und begannen ihren Set mit „Guardian“ vom aktuellen Album. Es ist das zweite Album mit Todd nach der unrühmlichen Trennung von Geoff Tate. Juristische Winkelzüge hatten dafür gesorgt, dass es für kurze Zeit zwei Bands mit dem Namen Queensrÿche gab. Doch die Streitereien sind beigelegt und Geoff macht inzwischen unter dem Namen Operation: Mindcrime weiter.
Todd La Torre steht seinem Vorgänger in nichts nach. In Saarbrücken beeindruckte er das Publikum von Beginn an mit hohen Vocals in Shouter-Manier. Ein perfekter Frontmann für diese Band, der auch die vielen Klassiker gekonnt interpretierte. Die Menge war ohnehin in Feierlaune und Ur-Klassiker wie „The Killing Words“, „The Mission“, „Empire“ und „Queen Of The Reich“ wurden gebührend abgefeiert.
Es war ein gnadenloser Best Of-Set. Das aktuelle Album kam mit dem Konzert-Opener und später „Eye9“ deutlich zu kurz, was aber nicht weiter störte. Als Oldschool-Song wurde „Take Hold Of The Flame“ aus dem Jahr 1984 angekündigt und läutete schon nach 70 Minuten den Zugabenblock ein. Auch die letzten Songs des Abends widmeten sich den Klassikern der 80er Jahre. Eine nostalgische Zeitreise mit fantastischem neuen Sänger. Die Show war recht kurz, aber Todd hatte alles gegeben.
AnnenMayKantereit stammen aus Köln und wurden 2011 gegründet. Ein erstes Album in Eigenregie wurde 2013 veröffentlicht und ist längst vergriffen (der Schwarzmarkt lässt grüßen). Offizielle neue Werke gab es dann in Form einer EP (2015) und des Debüts „Alles Nix Konkretes“ 2016. Das sind die faden Eckdaten – doch sie sagen nichts aus über das Phänomen AMK aus, das seit Bestehen der Band um sich greift. Man muss sie live gesehen haben! Mir wiederfuhr diese Ehre bei „Das Fest“ 2015 in Karlsruhe. Vier junge Kerle auf der Bühne. Ja und? Ist das einen Hype wert? Spätestens wenn man erstmals die markante raue Stimme von Henning May hört, wird klar, was die Besonderheit des Quartetts ausmacht. Unverkrampft loslegen und die Masse begeistern, so lautet die Devise.
Das Konzert in der Garage Saarbrücken war schon seit Ewigkeiten ausverkauft. Beim nächsten Mal wird man in eine größere Location wechseln. Doch AMK machen sich auch bewusst etwas rar. Die üblichen Arenen werden noch nicht gebucht, obwohl das in manchen Städten schon möglich wäre. Folge ist ein Ausverkauft-Zeichen hinter vielen Konzerten. Je näher man an Köln kommt, desto schwieriger wird es, Tickets zu ergattern. Der Schwarzmarkt soll auch hier ordentlich blühen. Da steckt sicher Kalkül dahinter. AMK haben gute Marketingstrategen auf ihrer Seite – das muss man den Jungs lassen. Heutzutage läuft viel über YouTube. AMK haben darin eine Meisterschaft entwickelt und ihre Videos sind Dauerbrenner.
Trotzdem: Es geht nichts über das Liveerlebnis. Die Garage ist schon gut gefüllt, als ich ankomme. Von wegen Lisbeth heißt der Support. Deutschpop mit NDW-Anleihen, wie das Wir sind Helden früher fein zelebrierten. Der elektronische Moment kommt ganz gut. Das erste Album erscheint am 15. Juli. Und ähnlich wie AMK weiß man sich gut zu vermarkten. Die Headliner-Tour im Herbst folgt und einige der Anwesenden werden dann sicher wieder dabei sein.
Mit „Nicht Nichts“ entern AnnenMayKantereit die Bühne. Etwas hinter dem Zeitplan, doch das stört die Masse nicht. Ich orte vor allem Oberschüler und Studenten. Die Jungs gerne mit Hipster-Bart ausgestattet. So muss das sein. Eine junge Band hat schon ihr Stammpublikum. Und die Stimmung kocht bereits bei der ersten Ansage über. Da hat sich tatsächlich eine kleine Frauengruppe formiert, die Sänger May mit „Ausziehen“-Rufen bombardiert (und immer dann merklich leiser wird, wenn die Gefahr besteht, dass er sie wirklich hören könnte).
Das Konzert ist Coolness pur. Neben den drei Protagonisten ist inzwischen auch Malte Huck am E-Bass dabei. Der Bandname wurde aber nicht mehr geändert. Henning May steht wahlweise an der Front oder sitzt hinterm Klavier. Er erklärt gerne mal 1-2 Sätze zum Song. Beispielsweise dass „Wohin du gehst“ kein Liebes- sondern ein Kumpellied ist. Trotzdem schön. Und dass „Mir wär‘ lieber du weinst“ der Angesungenen nicht gefallen hat. Wen wundert’s.
Es gibt einen Gast an der Trompete. Den Namen habe ich nicht verstanden. Ein Lokalmatador aus Saarbrücken? Das Publikum nimmt ihn mit großem Applaus auf, als er den englischsprachigen Song „James“ unterstützt.
„Bitte bleib“ als Anti-Liebeslied wird gefeiert. „Du bist überall“ als Anklage gegen die Smartphone-Flut wird nickend bestätigt – und klammheimlich verschwinden hunderte Smartphones verstohlen in der Tasche. Kurz vor Schluss folgen die Hits „Pocahontas“ und „Oft gefragt“. Dann ist der Hauptteil geschätzt unter 60 Minuten schon beendet. Eigentlich zu kurz für ein Konzert, doch wir leben in rasanten Zeiten und die Band hat ihr Bestes gegeben.
Im Zugabenblock dann eine Überraschung: „Gypsie From The Coast“ wurde schon lange nicht mehr gespielt. Doch mit Trompetenbegleitung kommt es hier phänomenal gut. Gefehlt haben noch Hennings Paradestück „Barfuß am Klavier“ und der Song vom gediegenen Älterwerden „21, 22, 23“. Damit entlassen AMK zufriedene Fans in die Saarbrücker Nacht. Das nächste Konzert wird 6. April 2017 im E-Werk stattfinden. Größere Location, aber nicht übertrieben groß. Passt!
Von Brücken ist die neue Band des ehemaligen Jupiter Jones Frontmanns Nicholas Müller. Dieser musste 2014 aufgrund einer Angststörung bei Jupiter Jones aussteigen und sich eine längere Genesungsphase gönnen. Zum Glück währte die Bühnenabstinenz nicht lange. Gemeinsam mit dem langjährigen Mitstreiter Tobias Schmitz konnte Nicholas schon 2015 ein neues Projekt ins Leben rufen: Von Brücken. Das erste Album erschien am 30. Oktober und wurde vom Kollegen Thomas Kröll reviewt. Hier findet ihr unsere Review zum Album „Weit weg von fertig“. Gut einen Monat später trat die Band in großer Besetzung in der Kölner Kulturkirche auf. Ein Konzert, das vom WDR Rockpalast übertragen wurde – also ein Ritterschlag ganz besonderer Art für eine neu gegründete Band. Hier findet ihr unseren Konzertbericht „Wenn Musik die Seele berührt“.
Jetzt sind Von Brücken auf großer Deutschland-Tour und machten vergangenen Dienstag auch Station in der Garage Saarbrücken. Nicholas Müller und Tobias Schmitz nahmen sich 40 gemütliche Minuten Zeit für unseren Redakteur Andreas Weist. Wir konnten sie also mit allen Fragen löchern, die uns auf dem Herzen lagen. In entspannter Atmosphäre gab es zwei Stunden vor Konzertbeginn den berühmten Rundumschlag und die beiden sympathischen Künstler standen uns Rede und Antwort. Die erste Frage nach dem Bandnamen haben die beiden anscheinend schon so oft gehört, dass es ein Schnick-Schnack-Schnuck gab, wer denn jetzt antworten darf oder muss. Sei’s drum – wir wollen die Antwort trotzdem wissen.
Wie kamt ihr auf den Bandnamen Von Brücken und was bedeutet er für euch?
Tobias: Die Bandnamenfindung war ein ziemlich langer Prozess. Die Platte war schon fertig, es gab einen Albumtitel, aber keinen Bandnamen. Nach einigen Fehlversuchen wie „Müller & Schmitz“ haben wir uns erst einmal entschieden ein Bild zu suchen für das, was wir tun. Das ist „Brücken“, weil Brücken bauen eine schöne Sache ist. Es verbindet Dinge miteinander, Menschen, unsere Musik – eine Verbindung aus verschiedensten Sachen. Das alleine als Bandname war uns nicht griffig genug, dann hat Nicholas noch „Von Brücken“ daraus gemacht. Das gefiel uns direkt sehr gut. Es gibt so viele Bands mit „The“, wir fangen jetzt die „Von“-Bands an. Hat so was Adliges.
Ihr wart zu Beginn ein Projekt aus zwei Leuten – Nicholas Müller und Tobias Schmitz. Nun steht ihr zu acht auf der Bühne. Seht ihr euch als Einheit?
Nicholas: Total. Tatsächlich ist es so, dass wir mit den Leuten, die auf der Bühne stehen, die Platte aufgenommen haben. Also auch wenn Tobi der Songwriter ist und wir beiden die Entscheider sind, haben alle unheimlich viel Einfluss gehabt. Wir sehen uns als Kollektiv. Alle bis auf Roda und Carsten sind reine Berufsmusiker und in vielen vielen Projekten aktiv. Man merkt aber auch, wie viel Liebe sie in Von Brücken investieren und dementsprechend gibt es ein totales Bandgefühl. Wir beide sind die GbR, um es in der Wirtschaftsform auszudrücken. Wir entscheiden, aber jeder darf, soll und muss seinen Senf dazu geben. Sonst klingt das nicht so, wie es jetzt klingt.
Du bist bei Jupiter Jones wegen einer Angststörung ausgestiegen. Was hat dich dazu bewegt, Von Brücken zu gründen? War das Bedürfnis, Musik zu machen, letztendlich doch größer als die Angst, auf der Bühne zu stehen?
Nicholas: Das Bedürfnis, Musik zu machen, war immer riesig. Das Problem ist, wenn die Angst anfängt, dir im Weg zu stehen. Und das war halt bei Jupiter Jones der Fall. Ich habe während der Jupiter Jones Zeit zwei Aufenthalte in einer ganz tollen Klinik verbracht. Das waren insgesamt zehn Wochen und nach jedem Aufenthalt ging es mir besser. Ich bin dann auch immer gleich wieder auf die Bühne gegangen. Aber nach dem finalen Zusammenbruch war klar, dass ich mir Zeit nehmen muss, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Musik war nie das Problem – und auch Jupiter Jones war nie wirklich das Problem. Es war einfach der Mangel an Zeit. Und deshalb sagte ich: Von hier an auf unbestimmte Zeit Pause. Irgendwas muss ich mir einfallen lassen. Wir werden sehen, ob es wieder Musik ist. Dann hat sich schon relativ bald heraus gestellt, dass es Musik sein soll. Aber bis es los ging, ist tatsächlich ein Jahr vergangen. Zurück zu Jupiter Jones war aber keine Option.
Wie hat die Band auf deinen Ausstieg reagiert?
Nicholas: Ich brauchte Zeit. Ich kann nicht zu drei vier anderen Leuten sagen: Beschäftigt euch derweil still. Sucht euch ein anderes Hobby. Ich bin auf unbestimmte Zeit weg und dann machen wir weiter. Vor allen Dingen hat es manchmal einen seelenreinigenden Effekt, wenn man einen Schlussstrich zieht. Wir waren alle durch. Und das lag an der Tatsache meiner Erkrankung, weil ich nicht so konnte wie ich wollte. Und deshalb konnten auch alle anderen nicht so, wie sie wollten. Da reibt man sich so aneinander auf, dass es gar nicht schlecht ist, einen Strich drunter zu ziehen. Ihr macht weiter, ich schaue mal, was passiert. Und dann ist Von Brücken passiert.
Von Brücken ist eine neue Band. Auf den ersten Blick wissen die Leute vielleicht nicht, wer da singt. Macht das nervös?
Nicholas: Eigentlich nicht. Vielmehr ist es so, dass viele Leute auf der Facebook-Seite schreiben: Ach wie schön, da bist du ja wieder. Und das Album ist schon seit vier Monaten raus. Wir haben unsere dritte Single heraus gebracht. Es wurde lange im Voraus angekündigt, aber viele kommen jetzt erst auf den Trichter und haben es erst gecheckt, als es im Radio lief. Wir erheben ja keine Umfragen: Wer ist denn hier auch Jupiter Jones Fan? Ist aber am Ende auch völlig schnurz, solange wir als Von Brücken wahr genommen werden und nicht als die neue Band vom alten Jupiter Jones Frontmann. Für immer und ewig. Natürlich hat es uns gut getan und wir haben Aufmerksamkeit dadurch gewonnen. Fakt ist aber, dass Tobi und ich Musik machen und deswegen soll der Fokus gar nicht so sehr auf mir liegen. Das ist eine völlig gleichberechtigte Angelegenheit.
Geht ihr bewusst in eine ganz andere musikalische Richtung?
Nicholas: Das ist immer so eine Sache mit den Vergleichen. Kürzlich habe ich etwas gelesen, da hat jemand BAP mit Stoppok verglichen. Das ist völliger Unsinn. Und den Vergleich macht man nur, weil beide deutschsprachig singen. So etwas passiert immer nur dann, wenn man deutschsprachige Musik macht. Ich bin immer mit Marcus Wiebusch von Kettcar verglichen worden, den ich sehr verehre. Aber ich schreibe weder Texte wie er, noch singe ich wie er. Wir haben total unterschiedliche Stile, aber wir machen beide deutschsprachig, also werden wir miteinander verglichen.
Viele haben ohnehin eine falsche Vorstellung von Jupiter Jones, da sie nur „Still“ kennen.
Nicholas: Das hat man oft auf den Jupiter Jones Konzerten gemerkt. Viele haben seltsam geschaut, weil es plötzlich gescheppert hat. Dabei ist ja auch „Still“ kein wirklich poppiger Song.
Tobias: Es hat auch noch keiner auf den Konzerten nach „Still“ gerufen oder später geschrieben: Ach, hättet ihr das noch gespielt. Eigentlich verwunderlich. Ich habe vorher damit gerechnet, dass zumindest irgendwer damit um die Ecke kommt.
Als ich euer Rockpalast Konzert im TV gesehen habe, musste ich an Gregor Meyle denken. Einmal, weil ihr als Bühnenkollektiv in eine ähnliche Richtung geht. Aber musikalisch geht er den umgekehrten Weg: Spielt jetzt plötzlich vor Tausenden Leuten und versucht doch, das heimelige Wesen seiner Clubkonzerte beizubehalten. Könnt ihr das nachempfinden?
Nicholas: Also das Bedürfnis auf jeden Fall, seine Komfortzone mit auf die Bühne zu nehmen. Gregor macht ja schon seit anno tubac Musik. Vielleicht ist es einfach eine Gewohnheitsfrage. Auch bei uns wird es beides geben. Die Garage ist als Club schon sehr gut besucht. Da beschweren wir uns gar nicht. Aber es kommen im Sommer auch einige große Festivals.
Tobias: Bei der vorhandenen Bühnengröße mit acht Musikern um die Ecke zu kommen. ist ja schon groß gedacht. Bei Konzerten spielt es eine große Rolle, dass man versucht, Distanz zu den Leuten abzubauen. In den Texten ist so viel Tiefgründies vorhanden, dass man nicht noch während der Ansagen einen auf Philosoph machen muss.
Nicholas: Man muss den Menschen auch nicht immer die Welt erklären. Die sich drum scheren, die suchen schon selber nach einer Antwort. Das hat jetzt nichts mit Gregor zu tun. Er ist ein sehr geschätzter Kollege. Ich finde uns musikalisch aber ähnlicher mit Arcade Fire oder Elbow. Vermutlich ist das eine sehr subjektive Wahrnehmung, weil das die Dinge sind, an denen wir uns entlang hangeln.
Tobias: Was wir gemeinsam haben: Gregor hat Topmusiker auf der Bühne, von denen ich auch einige kenne. Wir versuchen beide, mit einer guten Band live zu überzeugen.
Fallen dir die Konzerte jetzt leichter mit dem neuen Konzept, wieder in kleineren Clubs? Und ohne den Druck einer erfolgreichen Single im Rücken?
Nicholas: Ach das war ja eigentlich gar kein Druck. Als es so kam, war es eher ein Segen. Wir hatten schon lange Musik gemacht und waren eigentlich an dem Punkt, an dem wir sagen muss: Entweder jetzt klappt’s oder wir müssen die ganze Sache kleiner fahren. Vielleicht sogar ganz sein lassen. Deshalb nehme ich „Still“ als unheimlichen Segen wahr. Was jetzt an Druck weg ist, habe ich mir selbst erarbeitet. Ich mache mir nicht mehr so viel Druck, dieser Frontmann zu sein. Ich gehe auf die Bühne und mache das, von dem ich weiß, dass ich’s kann. Singen – und ab und zu eine Ansage machen. Was darüber hinaus geht, lasse ich einfach weg. Ich habe aufgehört, zu Animieren. Dafür bin ich nicht der Typ. Sven, der neue Frontmann von Jupiter Jones, macht das super. Er ist aber auch eine Rampensau. Er ist dafür geboren.
Hast du schon eine Show mit ihm gesehen?
Nicholas: Nein, es kam einfach noch nicht dazu. Daher weiß ich auch nicht, ob er zwischendrin Geschichten erzählt. Das ist eher meine Art. Ich bin nicht der Typ für die große Geste. Ich singe, unterhalte mich mit den Leuten, mache Quatsch mit der Band und dann wieder Musik. Mein Körper ist nicht gebaut zum Tanzen. Du kannst auch nicht einen Bagger über eine Reihe Luftballons fahren lassen, ohne dass einer platzt. Der dicke Junge versucht zu tanzen und plötzlich sind die Fotografen im Graben ohnmächtig.
Hat sich das Publikum verändert?
Tobias: Zumindest im Vergleich dazu, wie es zuletzt bei Jupiter Jones war. Überwiegend kommen jetzt ältere Leute. Also es sind keine Teenager mehr dabei. Und es ist bisher ein sehr wohlwollendes Publikum. Wir haben ja erst zehn Konzerte gespielt. Die wissen, dass man auch mal zuhören kann und ein Konzert sich nicht dadurch auszeichnet, wie oft man die Hände in der Luft hat.
Nicholas: Es hat sich eine Kultur entwickelt, bei der die Menschen total überanimiert werden. Es gibt Bands, da bin ich echt überfordert, wenn ich mir das anschaue. Ich bin der festen Überzeugung, dass man das nicht tun muss. Wir haben nicht eine Stelle im Set, wo jemand ruft: Jetzt müssen alle mal klatschen. Es reicht die kleinste Bewegung, um die Leute zum Klatschen zu bringen. So konditioniert sind manche Konzertgänger. Es gibt da einen Song mit einem Klatschpart. Da mache ich eine kleine Bewegung mit dem Daumen auf der Gitarre und die Leute machen alle mit. Das Zuhören ist etwas verloren gegangen. Bei uns wird aber wenig getanzt und viel zugehört. Es ist unheimlich still zwischen den Songs – und das finde ich total geil.
Tobias: Wir sind alle so Fans von uns gegenseitig. Du genießt das Konzert und denkst: Ist schon echt geil. *lacht*
Was dürfen wir vom Konzert erwarten? Nur eigene Songs? Cover?
Tobias: Also grundsätzlich sind wir eine Band, die eigene Songs spielt. Aber auch ein paar Coverversionen. Wir wollen der Welt vorspielen, was wir toll finden und wo unsere Gedankenwelt so her kommt. Aber das wird in Zukunft nicht erweitert werden. Im Gegenteil. Im Moment ist das der Tatsache geschuldet, dass wir erst ein Album haben.
Und die Idee, mal einen Song von Jupiter Jones zu spielen, habt ihr nicht?
Nicholas: Es gibt ja Jupiter Jones noch. Wir müssen keinen Tribute machen für eine Band, die es noch gibt. Wer Jupiter Jones Songs hören will, der soll zu einem Jupiter Jones Konzert gehen. Wer Von Brücken Songs hören will, der kommt zu uns. Ich habe meine Songs in Frieden abgegeben und dem Sven in gute Hände gegeben. Das soll jetzt nicht negativ klingen, aber wir haben es auch gar nicht nötig. Wir haben selber genug gute Musik. Wir werden heute Abend mit 2,5 Stunden von der Bühne gehen. Wir haben ja auch Pläne für die Zukunft und wollen in zehn Jahren noch Musik machen. Wenn wir jetzt schon anfangen, Cover meiner alten Band zu spielen, dann wäre das ein Zugeständnis: Irgendwie sind wir nicht so ganz da.
Tobias: Man muss mit Anfang 30 noch kein Erbe verwalten. Das braucht kein Mensch. Wir können ganz lange noch neue Sachen schreiben.
Dass der erste richtige Auftritt einer Band vom Rockpalast übertragen wird, ist auch nicht alltäglich. Wie kam es dazu?
Tobias: Wir haben einen sehr guten Manager. Das erste Konzert beim Rockpalast. Da haben wir uns weit aus dem Fenster gelehnt. Aber wir waren uns alle einig. Wenn wir Angst gehabt hätten, dass es völlig in die Hose geht, hätten wir es nicht gemacht.
Nicholas: Peter Sommer und sein Team vom Rockpalast. Die haben natürlich auch zu kämpfen. Aber eigentlich machen die nur, worauf sie auch wirklich Bock haben. Und so war es schon ein ziemlicher Ritterschlag. Mit Ü-Wagen, so vielen Kameras. Mir ist schon dezent schlecht geworden. Man hätte es nur noch durch eine Liveübertragung toppen können. Dann wäre ich wohl schreiend weg gelaufen. Aber es war wunderschön. Eine sehr große Ehre.
Tobias: In Wien ist es nicht so gut gelaufen. Wir haben zu wenig Karten verkauft und müssten jetzt eigentlich absagen. Aber wir fahren trotzdem hin. Ausnahmsweise nur zu zweit. Und geben ein Konzert in Duo-Besetzung. Das soll aber nicht die Regel werden. Es hat rein finanzielle Gründe.
Nicholas: Es ist eine Frage des Respekts. Die Leute haben Karten gekauft und wollen uns sehen. Also fahren wir hin. Aber wir sagen: Gebt eure Karten zurück. Das Konzert ist kostenlos. Bringt eure Freunde mit und lasst uns einen schönen Abend verbringen. Und dann war es überraschend, dass du echt gelobt wirst, weil du die Wahrheit sprichst. Wir hätten ja auch sagen können, der Keyboarder hat sich ein Bein gebrochen oder so was.
Tobias: Für uns ist es das Normalste der Welt, die Wahrheit zu sagen. Solche Reaktionen zeigen aber auch, dass die Leute das Gefühl haben, oft genug beschissen zu werden.
Ich habe dein Buch „Kühe schubsen“ gelesen, Nicholas. Vermisst du die Eifel?
Nicholas: Die Eifel als solche vermisse ich nicht. Aber ich hatte eine tolle Jugend. Meine Familie väterlicherseits wohnt noch dort. Tobi wohnt dort. Ich habe viele Freunde in der Eifel. Alle Sachen, die man zum ersten Mal macht, habe ich in der Eifel gemacht. Ich verbinde da unheimlich viel mit. Ich möchte nicht mehr dort leben, aber das ist eine total subjektive Entscheidung. Mir mangelt es an Sachen, die ich gerne hätte, aber in der Eifel nicht finde. Das ist keine menschliche Frage, sondern eine Ressourcenfrage. Es könnte viel mehr Kultur dort laufen. Da gibt es so unendlich viel Platz, Zeit und Talent. Die Leute hängen am Wochenende auf den immer gleichen Veranstaltungen rum. Wer etwas macht, macht das mit Inbrunst, Herz und Liebe, aber mit einer ganz kleinen Basis. Alles, was ambitioniert ist, ist nach zwei Jahren wieder weg. Das finde ich schade.
Wie ist das eigentlich für dich, Tobias? Du standest so lange als Mann im Hintergrund. Jetzt spielst du deine eigenen Songs und bist tragendes Element der Band. Wie fühlst du dich jetzt, wo die Leute kommen, um deine Musik zu hören?
Tobias: Das ist genau das, wo ich schon lange hin wollte. Mir fehlte, bei allem was ich gemacht habe, das musikalische Zuhause. Das ist jetzt mein Ding. Erfolg hin oder her. Es ist schön, etwas zu haben, das meine Handschrift trägt. Und es ist schön, die Reaktionen darauf zu bekommen.
Vielen Dank, dass ihr euch so viel Zeit genommen habt. Wir freuen uns sehr auf das Konzert.
Ein herzliches Dankeschön geht an Melina von Sparta Booking und an den Tourmanager Böde. Alle Fotos stammen von Simon Engelbert.
Nach dem Konzert im „Kleinen Klub“ am 14.10.2014 in Saarbrücken hat sich Ross Learmonth von Prime Circle spontan Zeit für ein kurzes Interview über das neue Album genommen
Die südafrikanische Band „Prime Circle“ gilt in ihrer Heimat als erfolgreichster Rock-Act in der Geschichte Südafrikas. Passend zum 6. Studioalbum, das am 13.06.14 erschienen ist, sind Prime Circle wieder auf Europa-Tournee um ihre neue CD „Let the night in“ am 14.10.14 in Saarbrücken zu präsentieren. Wir haben Frontsänger Ross Learmonth zum neuen Album befragt.
„Let the night in“ ist nun das sechste Album von euch. Wie lange habt ihr daran gearbeitet?
Ross: An manchen Songs habe ich schon seit vier Jahren gearbeitet. Anfangs war ich etwas verunsichert, den anderen aus der Band die Songs vorzustellen, da sie für mich doch recht persönlich sind. Als ich ihnen im Studio die Lieder präsentiert habe, waren die anderen begeistert und haben ihre Ideen mit einfließen lassen. Da die Endresultate fantastisch geworden sind und wir die Songs sehr mögen, haben wir beschlossen, diese für das Album aufzunehmen.
Welche Bedeutung hat der Name eures Albums „Let the night in“?
Ross: Wir haben 1½ Monate in den „SABC South African Broadcasting Studios“ verbracht , was für uns eine tolle Zeit war, in der wir viel gelacht haben. An den Wänden hingen Bilder von Bruce Lee. Diese Bilder haben uns bei der Namensgebung inspiriert, denn mit einem „Schlag“ kann man zu dem werden, der man wirklich ist. „Let the night in“, bedeutet beispielsweise, dass die Menschen ihre Arbeitskleidung ablegen und danach zu den Menschen werden, die sie wirklich sind und niemandem etwas vorspielen müssen.
Ihr habt mit eurem neuem Album sehr überrascht. Es ist anders, als die letzten Alben. Mir ist beispielsweise der neue „elektronische Sound“ aufgefallen. Was war der Grund etwas Neues in dieser Richtung auszuprobieren?
Ross: Unser Motto ist „immer anders zu sein“, was auch für die Zukunft gilt. So können wir ständig mit etwas Neuem überraschen. Bei uns kann man nie sicher sein, was kommt. Vielleicht werden wir irgendwann auch einmal ein extremes Metal-Album aufnehmen. Auf dem neuen Album gibt es neue Elemente, da wir unseren Keyboarder einmal nach vorne stellen möchten, da er sonst musikalisch meistens im Hintergrund steht. Dieses Mal konnte er viele neue Sounds ausprobieren und seiner Kreativität freien Lauf lassen. Außerdem spielen Gefühle eine große Rolle auf diesem Album.
Du hast gesagt, dass es ein persönliches Album für dich ist. Was sind deine Lieblingslieder und warum?
Ross: Ich liebe das ganze Album, es ist schwierig für mich einen Lieblingssong auszuwählen. Ein wichtiges Lied für mich ist definitiv „My City“. Ich komme aus einem kleinen Dorf und ich bin umgezogen in eine große Stadt – Johannesburg – und da gab es viele unheimliche Plätze. Die Leute sollen dieses Lied als „ihren Song“ verstehen, denn es geht nicht nur um eine Stadt, es könnte sich neben Johannesburg auch um Berlin oder Saarbrücken oder irgendeine andere Stadt handeln – um einen Ort, an dem man lebt, an den man denkt. Passend zu „My City“ ist für mich das Lied „Not alone“. Es geht darin um die Angst vor Einsamkeit, aber diese Angst ist Unsinn, weil man immer irgendwo dazugehört.
Ihr tourt momentan durch Europa und auch durch Südafrika. Was sind eure Pläne danach?
Ross: Erstmal genießen wir es unser Album in Europa vorzustellen und zu sehen, dass immer mehr Leute zu unseren Konzerten kommen. In Berlin und vielen anderen Orten war es ausverkauft. Als wir hier das erste Mal vor zwei Jahren in Saarbrücken gespielt haben, sind nur fünfzehn Leute erschienen. Heute waren über Hundert da. Wir freuen uns darüber, dass wir hier in Europa immer bekannter werden und das ist ein großer Schritt für die Band. Möglicherweise können wir in einem oder zwei Jahren noch mehr Konzerte in Europa geben. Es wird auch ständig an neuen Songs geschrieben, egal wo wir gerade sind. Wir können nicht aufhören an neuen Dingen zu arbeiten. In Zukunft werden wir noch mit vielen verrückten Dingen überraschen, vielleicht bieten wir auch einige „Open house“ Veranstaltungen und mehr Akustik-Versionen an.
Im Backstage-Bereich habe ich Neil Breytenbach und Dirk Bischoff noch eine unmusikalische, aber praktische Frage gestellt.
Ihr seid mit einem Tourbus unterwegs und schlaft dementsprechend auch darin. Wie ist es für euch auf so engem Raum zu leben und auf Tour zu sein?
Neil/Dirk: Es ist in Ordnung. Wir haben damit keine Probleme. Für uns ist es einfach toll auf Tour zu sein, denn Musik ist unsere „Passion“. Wir lieben, was wir tun und das können wir nicht nur in Afrika, sondern nun auch in vielen Städten Europas zeigen!
Warum bin ich von dieser Antwort nicht überrascht?! Vielen Dank für eure Offenheit!
Prime Circle stammen aus der südafrikanischen Bergbaustadt Witbank. Seit Dezember 2000 stellen die Herren um Frontsänger Ross Learmonth die komplette Musikszene in Südafrika auf den Kopf. Nach ihrem Debütalbum im Jahr 2003 gelten sie als erfolgreichster Rock Act in der Geschichte Südafrikas. Neben dem Bassisten Marco Gomes und dem Gitarristen Dirk Bischoff kamen durch die Neuzugänge, dem Keyboarder Neil Breytenbach im Juli 2007 und dem Schlagzeuger Dale Schnettler im September 2008, laut Frontsänger Ross Learmonth die „endgültigen und perfekten Fünf“ zusammen. Mit ihren abwechslungsreichen Rockballaden und Rockhymnen mit vielen neuen Elementen bereichern sie nicht nur die südafrikanische Musikszene, sondern sie erobern ebenfalls den europäischen Musikmarkt.
Passend zum 6. Studioalbum, das am 13.06.14 erschienen ist, kommen Prime Circle wieder nach Deutschland um ihre neue CD „Let the night in“ zu präsentieren. Vor zwei Jahren waren die Südafrikaner schon einmal in Saarbrücken und haben vor ungefähr 15 Leuten im Kleinen Klub gespielt. In diesem Jahr hat man sehen können, dass der Bekanntheitsgrad von Prime Circle wächst, denn es waren über 110 Leute aller Altersklassen vor Ort um die Band einmal live performen zu sehen.
Den musikalischen Anfang des Abends hat die Vorband Segard gemacht. Von 19:45 Uhr bis 20:30 Uhr heizten die vier Herren aus Nürnberg dem Publikum mit deutschem Hardrock ordentlich ein und ließen sich auch durch eine kleine technische Unterbrechung nicht aus der Ruhe bringen.
Nach kurzem Umbau haben Prime Circle um 21 Uhr mit dem Lied zum neuen Album „Let the night in“, die Bühne betreten. Es folgten weitere neue Hits wie „Gone“, „I am“, „Not Alone“, „Bastards“ und „My City“. Neben den gewohnten rockigen und gefühlvollen Passagen konnten die Prime Circle-Erfahrenen dieses Mal auch elektronische Elemente in den neuen Songs erkennen.
Bei den altbekannten Liedern „Breathing“, „Change“, „Closure“, „She always get what she wants“, „Never bring us down“, „Turn me to stone“ und „Evidence“ wurde den Fans nochmal ordentlich eingeheizt. Das Publikum war richtig mitgerissen, die Lieder mitzusingen und mitzutanzen.
Gegen 22 Uhr verabschiedeten sich Prime Circle mit dem neuen Song „Doors“ zum ersten Mal. Doch das sollte nicht alles gewesen sein. Mit kräftigem Applaus und Zugabe-Rufen herausgefordert, ließen es sich die Herren aus Witbank nicht nehmen, noch zwei weitere Songs zu präsentieren. Zu zweit performten Frontsänger Ross Learmonth und Gitarrist Dirk Bischoff „Batten Down the Hatches“. Nachdem Schlagzeuger Dale Schnettler, Bassist Marco Gomes und Keyboarder Neil Breytenbach dazu kamen, verabschiedeten sich Prime Circle gegen 22:15 Uhr endgültig mit dem Lied „Yeah“.
Einige Stimmen aus dem Publikum habe ich vor und nach dem Konzert einfangen können. Kerstin und Miriam aus dem Saarland sind durch eine Freundin auf „Prime Circle“ aufmerksam geworden: „Sie hat die CD vorgespielt und ich war sofort von der Stimme gefesselt.“ So haben es sich die Beiden nicht nehmen lassen, die Band heute Abend das erste Mal live zu sehen. Nach dem Konzert habe ich die Beiden nach ihrem Eindruck gefragt: „Die Stimme und die Musik waren live noch besser. Wir werden wieder ein Konzert von Prime Circle besuchen.“
Katja und Tanja, ebenfalls aus dem Saarland, haben das erste Mal vor zwei Jahren durch das Radio von Prime Circle gehört. Um mehr über die Band zu erfahren, durchforsteten sie zuerst das Internet. Als sie erfuhren, dass Prime Circle quasi vor ihrer der Haustür spielten, war klar, was sie an diesem Abend vorhaben sollten: Die Südafrikaner das erste Mal live sehen. Auf die Frage, wie es ihnen gefallen habe, sagten sie mit breitem Strahlen: „Siehst man das denn nicht? Es hat uns super gefallen. Wir würden wieder kommen. Hier im kleinen Klub war es heute schön familiär, aber wir würden uns freuen, wenn sie das nächste Mal in der Garage auf der großen Bühne spielen würden, denn dort ist der Sound noch besser, als hier im kleinen Klub.“
Anderen Stimmen zufolge, die eher aus Neugier kamen, hat Prime Circle nach diesem gelungenen Abend wieder ein paar Fans für sich gewinnen können. Denn nicht nur Frontsänger Ross Learmonth überzeugte wieder einmal mit seiner Stimme, auch die Band bewies mit ihrem neuen Sound, warum sie nicht nur in Südafrika so erfolgreich ist und jetzt auch in Europa durchstarten kann.
Eigentlich sollten New Model Army schon zu Jahresbeginn in der Garage Saarbrücken auftreten, als man den zweiten Teil der „Between Dog And Wolf“ Tour zelebrierte. Dann kam aber eine Erkrankung von Schlagzeuger Michael Dean dazwischen und der Arzt riet ihm zu einer Pause. Was tun? Die Tour wurde verschoben und Justin Sullivan nutzte die Zeit, um mit seiner Band sechs neue Songs zu schreiben und selbige unter dem Titel „Between Wine And Blood“ zu veröffentlichen. Als Companion zu diesem Mini-Album gibt es eine zweite CD mit Livesongs vom ersten Teil der Tour. Und jetzt sind sie in voller Stärke zurück, um die Tour fortzusetzen.
New Model Army sind immer gut, um die Garage zu füllen. Als Support fanden sich die saarländischen Heavy Rocker Johnboy ein, deren Auftritt ich fast ausschließlich aus dem Vorraum verfolgte. Army schließlich betraten gegen 21.15 Uhr zu Akkordeon-Klängen vom Band die Bühne, die den größten Hit „Vagabonds“ intonierten. Leider nur als Intro. Es ging gleich los mit dem neuen Titel „Guessing“. Wer sich aber Sorgen gemacht hatte, zuerst eine ganze Latte neuer Songs zu hören, wurde gleich von „No Rest For The Wicked“ aufgeweckt. Die alten Hits sind es immer wert, in die Setlist eingestreut zu werden.
Was mir bei den letzten Army-Konzerten besonders auffällt, sind die dominanten Drums. Manchen mag das nicht gefallen, ich aber finde, dass es vor allem den aktuelleren Stücken eine schöne Dynamik verleiht und das Publikum mitreißt. „March In September“ war der erste Track aus „Between Dog And Wolf“, dem 2013er Album, das charttechnisch gesehen gar als Armys erfolgreichstes Album gelten darf. Man will es kaum glauben – nach über 30 Jahren Indierock.
Ein Konzert von New Model Army hat immer etwas von Zeitlosigkeit. Justin Sullivan steht in vertraut verlottertem Outfit mit Langhaarfrisur und Bartstoppeln auf der Bühne und lebt sein gewohnt gesellschaftskritisches Pathos voll aus. So wollen die Fans das – so bekommen sie es auch. „White Coats“ passt gut in dieses emotionale Schema. Und die leidenschaftliche Performance „Today Is A Good Day“, mit dem er die Bankenkrise bejubelt.
Auffällig war mal wieder die Gruppenperformance oberkörperfreier Fans, die auch selbstsicher den Platz vor der Bühnenmitte für sich beanspruchten. Justin und seine Follower – das ist schon ein ganz besonderes Verhältnis. Auf der Bühne war jedenfalls Vielfalt Trumpf. Es gab das erzählende „Knievel“, das energische „Stormclouds“ und eine mit Heavy-Gitarren vorgetragene Performance von „Angry Planet“. Viel neues Material, ziemlich wenig Klassiker. Die Menge ging trotzdem gut mit.
„Get Me Out“ schließlich lud zur wilden Party in der Garage ein, die Justin ob ihres Zuschnitts im Deckenbereich als „Circus Tent“ bezeichnete. Es folgten schließlich Publikumslieblinge wie „Wonderful Way To Go“ und „Green And Grey“ im Zugabenblock. Nach gut 90 Minuten endete mal wieder ein gelungenes Konzert im schönsten Club des Saarlands. Sicher habe ich schon bessere Army-Setlists gesehen, doch die neuen Alben haben es durchaus verdient, ausgiebig vorgestellt zu werden.
Setlist Garage Saarbrücken – 08/10/2014
Guessing
No Rest
March in September
Devil’s Bargain
States Radio
White Coats
No Mirror, No Shadow
Today Is a Good Day
Knievel
Summer Moors
Stormclouds
Angry Planet
Between Dog and Wolf
Purity
Family
Get Me Out
—
Headlights
Christian Militia
Wonderful Way to Go
—
Green And Grey
Blackeyed Blonde wurden 1990 gegründet und galten in den 90ern im Saarland als die Metal-Helden überhaupt. Sicher nicht von jedem gemocht, doch ihr Crossover aus Rock, Metal, HipHop und Funk traf den Nerv der Zeit und sie eiferten klanglich ganz dem Sound gängiger Hardcore-Bands nach. Ihr Alleinstellungsmerkmal waren aber die saarländischen Lyrics und Textpassagen, die sich immer wieder in den Songs fanden. Es reichte nicht für den deutschlandweiten Erfolg, doch Titel wie „Boomerang“ schafften es zumindest auf den Musikkanal Viva (ja – damals wurde da tatsächlich noch Musik gespielt). Das viel zu frühe Ende kam, nachdem man im Staatstheater Saarbrücken ein Shakespeare(!)-Stück musikalisch inszeniert hatte. Ein vielleicht allzu ambitioniertes Projekt für eine Metalband, das die Bandmitglieder am Ende auseinander dividierte.
Keine Ahnung, was die Musiker in der Zwischenzeit gemacht haben. Auf jeden Fall war die Freude groß, als in den Weiten des Netzes plötzlich neue Songs auftauchten und schließlich ein Reunion- und CD-Release-Konzert für das JUZ in Saarbrücken angekündigt war. Die Karten verkauften sich wie geschnitten Brot und das Konzert wurde schließlich in die altbekannte (und doch besser geeignete) Garage verlegt.
Eine riesige Menschentraube hatte sich dort eingefunden und das weite Rund der Garage war bestens gefüllt. Interessanterweise Fans aller Altersklassen – zum Teil junge Menschen, die von der Livestärke der Band höchstens mal vage gehört haben können. Die beiden Vorbands Viavo und New Noise Project habe ich leider nur am Rande mitbekommen. Und pünktlich um 20.45 Uhr ging schon der Set von Blackeyed Blonde los.
Das Septett betrat zum Teil in gruseliger, an alte Slipknot-Zeiten erinnernder Maskierung die Bühne. Man hatte ein hohes DJ-Pult aufgestellt und die Soundkulisse kam oft vom Band. Kein Problem – Hauptsache Gitarren, Bass und Schlagzeug hauen ordentlich rein. Der Klang kam mir anfangs ziemlich dumpf vor. Aber man gewöhnt sich an alles. Zu alter bzw. neuer Besetzung kann ich nicht viel sagen. Sind doch schon ein paar Jährchen her, seit ich die Band zum letzten Mal gesehen habe.
Die Stimmung auf und vor der Bühne war bestens. Es begann mit zwei Titeln aus alten Zeiten und der bärtige Sänger hatte sein Publikum gut im Griff. Später sollte er gar ein Crowdsurfing wagen. Doch es war vor allem ein Release-Konzert und so bekam die Menge in der Folge eine stattliche Anzahl neue Songs in deutscher Sprache oder (noch skurriler) mit saarländischen Texten zu hören. Da lag nach Meinung vieler Fans schon immer die Stärke von Blackeyed Blonde und ich finde es genial, dass man nun komplett in diese Richtung gegangen ist.
Die neuen Songs sind der Knaller! Das mal vorweg. „Tanz du Sau“, was für ein spaßiger Kracher mit Text ohne jeden Tiefgang. Stimmlich ist der Sänger allererste Sahne. Rau und knackig. Es wird gerotzt was das Zeug hält und dazu bisweilen düstere Gitarrenklänge und Rap-Einlagen. Das Album wurde bis auf einen Song komplett gespielt. Vielseitig, dreckig, textlich oft unter der Gürtellinie – so wie wir BEB schon immer geliebt haben. „Saarstahl“ weckte Heimatgefühle für die Besucher aus dem kleinsten Bundesland, „Tief“ brachte fast das komplette Publikum in die Hocke und ließ es begeistert wieder aufspringen.
Ja, Blackeyed Blonde sind definitiv wieder zurück. Ich will mich jetzt auch nicht lange mit den soundtechnischen Ungeschicklichkeiten aufhalten. Das Album, das es am Abend zu erwerben gab, ist 1a produziert und lässt die alten Zeiten hochleben, als die Band noch ihren Plattenvertrag bei Gun Records hatte. Schade, dass es vor dem Crossover-Boom schon vorbei war. Da hätte noch einiges draus werden können. Jetzt sind die alten Recken fest im bürgerlichen Beruf, aber auf der Bühne merkt man nichts davon.
In Feierlaune gab es zum Abschluss den Smashhit „Boomerang“ in überlanger Version. Ein Fest für alle treuen Fans. Doch die Rufe nach dem saarländischen Song „Kämpf“ wurden immer lauter. Ein Stück, das BEB damals in die Schlagzeilen brachte und kontrovers diskutiert wurde, da es mit deutlichen Worten auf die Brutalität einiger Polizisten eingeht und vor Beschimpfungen dieser Berufsgruppe nur so strotzt. Für den Sänger immer noch ein hochemotionales Thema, denn er ließ zum Abschluss seine Hose runter und zeigte den blanken Allerwertesten.
85 Minuten lang dauerte die musikalische Sause und es hat sich allemal gelohnt, Das Zusammenraufen der Band, die neue Produktion, der Weg in die Garage. Blackeyed Blonde haben zu alter Stärke zurück gefunden und sind in Topform. Es wird weiter gehen, denn ein nächstes Konzert am 13.6. beim Asta-Open-Air an der Uni Saarbrücken ist schon angekündigt. Und ich hab endlich wieder ein BEB-T-Shirt im Schrank. Ein Hoch auf alte Zeiten!
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Setlist — Blackeyed Blonde am 23.5.2014 in der Garage Saarbrücken
Southwest
Slang
Tanz du Sau
In der Stadt
5 Bitches
Schmeiß doch weg
Schreibs auf
Wort ist Brot
Saarstahl
Tief
Boomerang
Du bist
Kämpf
Langsam aber sicher hat es sich herum gesprochen, dass die Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder – ehemals Mitglieder der legendären Band Fury In The Slaughterhouse – inzwischen deutschsprachige Musik machen. Der Weg dahin war nicht einfach: Schon im Jahr 2007 (und damit ein Jahr vor Auflösung der Band) gab es erste Soloalben der beiden. Kai veröffentlichte das Album „Alone“ mit ziemlich typischem Fury-Sound und englischen Texten, Thorsten allerdings wagte sich auf das gefährliche Feld der deutschen Musik und legte mit „360° Heimat“ ein wahres Meisterwerk hin, dessen Titelsong mich auch heute noch bei jedem Hören enorm beeindruckt. Und nach dem Ende der Band machte man zunächst mal was ganz anderes: Thorsten wurde Fotograf, Kai zum Filmemacher.
Das sie jetzt trotzdem im Kleinen Klub der Garage Saarbrücken auf der Bühne standen, ist wohl dem Umstand zu verdanken, dass beide einfach nicht von der Musik lassen können. Es wäre auch ein großer Verlust, denn die bisher erschienenen Alben sind echte Perlen auf dem weiten Feld der deutschsprachigen Musik. Hier haben die Wingenfelders ihre Heimat gefunden. Daran ändert auch die kurzzeitige Jubiläums-Reunion von Fury In The Slaughterhouse nichts
Das 2013er Album „Selbstauslöser“ stand im Mittelpunkt des Konzerts. Fast das komplette aktuelle Werk wurde gespielt. Wingenfelder legten ohne Vorband los, erschienen aber nicht als Duo, sondern brachten eine famose vierköpfige Combo mit. Die Bühne im Kleinen Klub ist nicht riesig, doch es reichte noch für eine LCD-Fläche im Hintergrund, auf der bisweilen Begleitfilme eingespielt wurden.
Die Bandbreite der Songs reichte vom Titelsong „Selbstauslöser“ über den Highspeed-Motivationssong „Petra Pan“ und das erzählerisch starke „Zu wahr um schön zu sein“ bis hin zur nostalgischen Hymne „Klassenfahrt“ und den nachdenklichen Balladen „Du bist die Nacht“ sowie „Oben am Wendehammer“. Ein leichtes Faible zur Sozialkritik ist immer vorhanden – das ging auch aus den Ansagen hervor. Kai und Thorsten erzählten vom Tourleben und besonderen Erlebnisse wie beispielsweise der Nacht mit den Bocholter Dialyse-Schwestern oder von der Tatsache, dass gerade im Osten sehr junge Menschen die Konzerte besuchen und man auf das Problem trifft „Teenies mit Songs für Mittvierziger unterhalten zu wollen“.
Viele Titel stammten auch vom ersten gemeinsamen Album „Besser zu zweit“. Das Repertoire ist inzwischen breit gefächert. „Perfekt“ beispielsweise, die allererste Single-Auskopplung, das melancholische „Dinge, die wir nicht verstehen“ und „Die Unperfekten“ als Stücke, die klangen als seien sie direkt der „Hook A Hey“-Phase von Fury entliehen und pure Gänsehaut verursachten. Wenn dann „Besser zu zweit“ als Mottosong der neuen Ära ertönte, gab es ungewollt Pipi in die Augen.
Kai und Thorsten verzauberten ihre Zuhörer mit einer Mischung aus Melancholie und Rock. Damit bewegten sie sich zielsicher in eine Richtung, wie es Revolverheld vielleicht für die etwas jüngere Generation tun. Als Bonbon an die Fury-Fraktion gab es „When I’m Dead And Gone“, „Won’t Forget These Days“, „Time To Wonder“ und „Trapped Today, Trapped Tomorrow“. Highlights, ganz klar – aber auch jeder andere Song traf den Nerv der Zuschauer.
Ich habe den Weg von Fury lange verfolgt und erinnere mich an ein Konzert in St. Wendel Anfang der 90er, als sie gar nicht mit Spielen aufhören wollten und nach regulärem Konzertende einfach noch eine unendliche Reihe Stones-Titel raus hauten. Dieses Gefühl durfte man auch in Saarbrücken wieder haben: Musik ist ihre Berufung und Livekonzerte sind keine lästige Pflicht. Da gingen Band und Zuschauer nach mehr als zwei Stunden Konzertlänge hochzufrieden nach Hause. Die aktuellen Alben kann ich Freunden handgemachter Musik wärmstens empfehlen.
Da fand sich mal wieder ein harter Doppelpack in der Garage Saarbrücken ein. Amorphis sind auf „Circle World Tour“ und haben sich als Gäste die Newcomer Starkill aus Chicago eingeladen. Die Garage war gut gefüllt, aber bei weitem nicht ausverkauft. Schade, denn beide Bands lieferten eine fulminante Show ab und brachten das Publikum (nach anfänglicher Zurückhaltung) zum Kochen.
Das Quartett Starkill wurde bereits 2008 gegründet und darf seit 2013 einen Plattenvertrag bei Century Media sein eigen nennen, dem kürzlich das Debütalbum „Fires Of Life“ folgte. In der Garage legten sie locker-flockig los und stellten in 45 Minuten Länge ihr Album vor. Was wir zu hören bekamen war melodischer Death Metal mit Growls und starker Gitarrenarbeit. Auch der Schlagzeuger legte einen klasse Job hin. Etwas befremdlich waren allerdings die sphärischen Passagen, die an epische Filmmusik erinnerten. Und versteht mich nicht falsch: Klanglich war das hervorragend, wurde aber als Sample abgespielt. Da fehlt noch der richtige Keyboarder, um die Band zu vervollständigen. Dessen Arbeit übernimmt im Studio der Vokalist. Dass er auf der Bühne anderes zu tun hat (nämlich begeistert ins Mikrofon schreien und die Mähne schwingen) sei ihm gegönnt. Alles in allem ein gelungener Start in den Abend und es war augenscheinlich, dass im Anschluss einige CDs der Band über die Merchandise-Theke gingen.
Nach kurzer Umbaupause starteten Amorphis im Bühnenbild ihres aktuellen Albums „Circle“. Der Selbstfindungsprozess der Metaller aus Finnland hat lange gedauert. Man begann weiland mit reinem Death Metal, dem sich allerdings recht zeitig auch Progressive-Rock-Elemente beimischten. Dies wurde weiter verfeinert und Amorphis verzichteten stellenweise gar auf den aggressiven Growlgesang, was sie sicher einige Fans kostete. Seit dem Einstieg von Tomi Joutsen 2005 hat man aber das Gefühl, als hätten Amorphis endlich ihren ureigenen Weg gefunden.
In den Veröffentlichungen ist eine stetige Steigerung feststellbar und „Circle“ ist eindeutig der vorläufige Höhepunkt. Die melodische Mischung aus Death Metal, Progressive Rock und folkigen Klängen, die mal orientalisch angehaucht, mal nach reinem Mittelalterrock klingen, ist absolut stimmig. Tomi Joutsen ist der perfekte Mann am Mikro. Er schwingt seine Rasta-Mähne und hält drauf, was das Zeug hält. Mit energischen Growls oder klaren Vokalpassagen – wie es gerade passt. So lief das auch in der Garage. Der stetige Wechsel im Gesangsstil machte die Klasse von Amorphis aus und es gab auch die typischen folkloristischen Einlagen im Wechsel mit sanften Pianomelodien und den gewohnt düsteren Passagen.
Die Setlist umfasste viele Phasen der Band, los ging es jedoch vor allem mit einigen „Circle“-Songs, die sich mit „Sampo“, „Against Windows“ und „My Kantele“ die Klinke in die Hand gaben. Im Mittelteil erfolgte eine Verschnaufpause mit dem „Tales“-Intro „Thousend Lakes“. Danach ging es eben so energisch weiter. 90 Minuten dauerte die Sause und fand mit dem Zugabenblock aus „Sky Is Mine“, „Black Winter Day“ und „House Of Sleep“ ihren gebührenden Abschluss. Amorphis gelingt der Spagat, Folk, Death Metal und Progressive Rock zu verbinden. Da wundert sich auch niemand, wenn plötzlich ein Marillion-Shirt inmitten der Metalheads auftaucht.
Shades Of Grey
Narow Path
Sampo
Silver Bride
Against Windows
The Wanderer
My Kantele
Thousand Lakes
Into Hiding
Nightbird’s Song
The Smoke
You I Need
Hopeless Days
Leaves Scar
—
Sky Is Mine
Black Winter Day
House Of Sleep
Lena Meyer-Landrut hat in kürzester Zeit eine Karriere durchlaufen, für die andere Künstler Jahrzehnte opfern müssen. 2009 bewarb sie sich bei Stefan Raab für die Show „Unser Star für Oslo“ und der Rest ist deutsche Musikgeschichte. Damals war sie 18 Jahre alt. Heute ist sie mit 22 immer noch ein junger Hüpfer, hat aber schon drei Alben auf den Markt gebracht, die sich allesamt an der Spitze der deutschen Charts verorten konnten. Nun kann man über die Langlebigkeit eines Titels wie „Satellite“ streiten. Heute können noch Generationen von Deutschen das Siegerlied „Ein bißchen Frieden“ von Nicole mitsummen. Ob das in dreißig Jahren auch mit „Satellite“ funktioniert wage ich zu bezweifeln.
Egal. Lena vereint die Generationen. Das war in der Saarbrücker Garage deutlich zu spüren, denn es fanden sich Zuschauer vieler Altersklassen ein. Recht viele Kinder (vor allem Mädchen) mit ihren Eltern, eine respektable Menge Jugendlicher, aber auch Vertreter der älteren Generation, die ohne Alibi-Kind erschienen waren. Alles war kinderfreundlich organisiert. Verzicht auf unnötige Vorbands, ein pünktlicher Konzertbeginn kurz nach 20 Uhr und damit ein Ende schon gut vor 22 Uhr. Die von weiter angereisten Eltern werden es dem Veranstalter danken.
Lena hüpfte putzmunter auf die Bühne, warf ein fröhliches „Hallo ihr Süßen“ in die Menge und es konnte losgehen. Den Anfang machte der Titel „To The Moon“. Lena kann inzwischen auf ein großes Repertoire eigener Songs zurück greifen. Das erlaubt ihr eine facettenreiche Zusammenstellung der Setlist. Vom modernen Pop über Funk und Retro-Sound bis zu akustischen Balladen ist alles dabei. So kann Lena ihre Vielseitigkeit zeigen und bleibt dabei trotzdem ihrem persönlichen Stil treu. Besondere Freude hat sie an den Uptempo-Nummern, die zum Tanzen anregen. Dabei bewegte sie sich in typischer Lena-Manier mit ausgebreiteten Armen auf der Bühne und ließ sich von der Musik treiben.
Die Setlist zog sich durch alle drei Alben und Kenner wissen, dass ungewöhnlich viele Songwriter an den Produktionen (vor allem beim zweiten Album) beteiligt waren. Die grandiose Band mit Keyboards, Gitarren und Kontrabass trug ihr übriges dazu bei, die Songs zum Leben zu erwecken. Zunächst bekamen die Zuschauer viele Albumtitel zu hören, die man nicht aus dem Radio kennt. Erst zur Hälfte des Sets gab es das düster-elektronische „Taken By A Stranger“ von Lenas zweitem Eurovisions-Auftritt, gekonnt durchmischt mit dem Coversong „Tainted Love“ (Soft Cell). Überhaupt präsentierte Lena einige spannende Coverversionen wie „Je Veux“ von ZAZ, „Rich Girl“ von Hall & Oates und „Life-ning“ von Snow Patrol. Damit wurde auch klar, wo ihre eigenen musikalischen Prioritäten liegen, was sie bei den Ansagen immer wieder betonte.
Natürlich warteten die Zuschauer vor allem auf „Satellite“. Als ersten Song im Zugabenblock musste man aber noch „Hit Me Baby One More Time“ (Britney Spears) über sich ergehen lassen, bevor endlich der erlösende Nummer-1-Hit erklang. Insgesamt war das Konzert sehr ausgewogen. Lenas Stimme wurde stark gefordert, das merkte man zeitweise auch. „Satellite“ beispielsweise klang bei weitem nicht so stark, wie man es aus der Fernsehpräsenz gewohnt ist. Allein Lenas sympathisches Auftreten reichte aber schon aus, um über einige stimmliche Probleme hinweg zu sehen. Sie ist ein Energiebündel, eine gute Entertainerin, hat ihr Publikum im Griff, bittet ein Mädchen zum Duett auf die Bühne, erzählt, was ihr gerade in den Sinn kommt.
Lena ist ein bezauberndes junges Talent geblieben. Wenn man sie dieser Tage in der Show „Voice Kids“ sieht, merkt man, dass sie nichts von ihrer Verrücktheit und Spontanität verloren hat. Das war in Saarbrücken ebenso spürbar. Gebt mir ein Mikro und lasst uns alle zusammen Spaß haben – diese Freude vermittelt die junge Künstlerin bei jedem Konzert.
Bereits vor fünf Jahren war dieses infernalische Duo gemeinsam auf Tour und nannte die Konzerte „Hellish Rock“ – der Name war Programm. Überhaupt war es schön zu sehen, dass sich Kai Hansen mit den alten Bandkollegen noch eine Bühne teilen kann, auch wenn sein Abschied von Helloween Ende der 80er Jahre für alle Seiten nicht so glorreich war. Das Erfolgskonzept schrie jedenfalls nach Wiederholung und so sind Gamma Ray und Helloween auch 2013 wieder gemeinsam unterwegs, um die Konzerthallen der Welt im Sturm zu erobern. Den Anfang in Deutschland machte die Garage in Saarbrücken. Ideale Location, um die Metalgemeinde wach zu rütteln.
Als Support gab es Shadowside. Sorry, leider knapp verpasst. Ich traf gegen 19.45 Uhr in der prall gefüllten Garage ein und kurz darauf begannen Gamma Ray ihren einstündigen Set. Was für eine Wucht! Ich bin geneigt zu sagen, dass Kai Hansen hier mit seiner neueren Truppe die alten Weggefährten fast an die Wand gespielt hat. Ganz so frappierend war es zwar nicht, doch als er zum Ende des Sets „Future World“ anstimmte, war die Stimmung im Saal auf einem Höhepunkt, den sie später nicht mehr erreichen sollte.
Darüber hinaus gab es einen Set mit Klassikern wie „Men, Martians And Machines“, „Dethrone Tyranny“, „Empathy“ und „To The Metal“. Hinzu kamen die neuen Songs von der aktuellen EP „Master Of Confusion“, nämlich der Titeltrack und „Empire Of The Undead“. Musikalisch ging‘s in bewährter Manier zur Sache: Power und Speed. Wenn Gamma Ray sich von ihrer temporeichen, hymnischen Seite zeigen, ist der alte Spirit wieder da – und auch Hansens Stimme leidet nicht unter Abnutzungserscheinungen. Nach einer Stunde war das Publikum mehr als aufgewärmt und die Umbauarbeiten für Helloween begannen.
Mit „Straight Out Of Hell“ hat die Band um Andi Deris (inzwischen schon seit 19 Jahren Leadsänger) momentan ein heißes Album am Start, das die Band erstmals auf Platz 4 der deutschen Albumcharts katapultierte. Das hat nicht mal „Keeper Of The Seven Keys“ geschafft. Auf dem neuen Werk findet sich eine gesunde Mischung aus virtuosen, rauen und ruhigen Tracks. „Straight Out Of Hell“ ist ein Werk voller Spielfreude, mit komplexen Arrangements, starken Hooks und dichter Atmosphäre. „Nabataea“ ist ein Ohrwurm, zu dem Deris‘ Stimme perfekt passt. Hier zeigt er, zu was er stimmlich fähig ist und die Schreie entschwinden in ungeahnten Sphären. Ein Hammersong gleich an zweiter Stelle im Set.
Vom neuen Album gab es noch mehr zu hören und auch der Vorgänger war mit „Where The Sinners Go“ und „Are You Metal?“ hervorragend vertreten. Auf den letzten Scheiben boten Helloween so solide Kost, dass sie sich nicht hinter ihren Klassikern verstecken müssen. Diese kamen natürlich auch, doch vor das Feiern hat Gott leider den Balladenblock gesetzt. Hier kühlte die Stimmung in der Garage merklich ab. Spannend wurde es erst wieder ab den Zugaben und „Dr. Stein“. Zum krönenden Abschluss standen gar die Mitglieder beider Bands zusammen auf der Bühne und rockten, was das Zeug hielt.
Helloween sind und bleiben ein Phänomen. In Südamerika und Asien auf riesigen Festivals zuhause und gnadenlos abgefeiert, bei uns nur in eingefleischten Metalkreisen beliebt. Der Prophet im eigenen Land zählt halt nicht so viel. Das macht auch der Charteinstieg nicht wett, denn wir wissen, dass man für einen Platz in den Top 5 lange nicht mehr so viele CD-Verkäufe braucht wie noch in den 90ern.
Was bleibt also? Die alten Recken haben in 60 bzw. 90 Minuten gezeigt, warum ihre Platten immer noch die reinsten Burner sind und dass man sie musikalisch nicht unterschätzen darf. Kai und Andi auf der Bühne sind ein Traum. Beim nächsten Mal sollen sie einfach noch Kiske mit dazu nehmen. Unisonic sind auch mehr als ein Geheimtipp. Wäre schön, wenn es nicht zu lange bis „Hellish Rock Part III“ dauert.
Die nächsten metallischen Ereignisse in Saarbrücken: