Anfang Februar wurde Tim Bendzko mit der Goldenen Kamera in der Kategorie „Beste Musik National“ ausgezeichnet. Seinen Durchbruch hatte er im Juni 2011 mit dem Debütalbum „Wenn Worte meine Sprache wären“. Die Single „Nur noch kurz die Welt retten“ hielt sich 47 Wochen lang in den Charts und wurde später mit Platin ausgezeichnet. Nicht wenige sortieren den 28-jährigen Berliner gerne in die Schublade „Deutscher Befindlichkeitspop“ ein, wo bereits Kollegen wie Clueso, Xavier Naidoo oder Laith Al-Deen ihren Platz gefunden haben. Zugegebenermaßen gehörte Tim Bendzko bisher auch nicht gerade zu meinen selbsternannten Favoriten. Doch es gibt Situationen, da folgt das Leben keinem vorgefertigten Plan und so finde ich mich heute im ausverkauften Kölner Palladium wieder, um den Auftakt seiner „Ich steh nicht mehr still“-Tour mitzuerleben. Eigentlich fand der schon gestern an gleicher, ebenfalls ausverkaufter Stelle statt, aber da der Mittwochtermin offiziell als Zusatzkonzert deklariert war, startet die Tour genau genommen erst richtig am heutigen Donnerstag. Hört sich komisch an, ist aber so.
Dass zeitgleich im gegenüberliegenden E-Werk die Stunksitzung stattfindet, macht die ohnehin schon schwierige Parkplatzsituation rund um die Mülheimer Schanzenstrasse nicht unbedingt einfacher. Trotz der Geduldsprobe im strömenden Regen sind die Fans extrem gelassen. Da wird in der Schlange vor dem Essensverkauf nicht gemeckert und beim Gang durch die vollen Reihen höflich Platz gemacht. Für seine insgesamt 27 Konzerte hat sich Tim Bendzko zwei Special Guests eingeladen. Den Auftakt macht der Wahl-Hamburger Tom Klose, der zwar auf Englisch singt, mit seinem Genremix aus Pop, Country und Soul aber ansonsten gut zum musikalischen Kosmos des Abends passt und nach einer halben Stunde mit wohlwollendem Applaus verabschiedet wird. Ihm folgt Julia Engelmann, seit dem „Bielefelder Hörsaal Slam“ der Shooting-Star in der Poetry-Slam-Szene. Die 21-jährige Studentin aus Bremen ist spürbar nervös. Ich finde sie im Vorprogramm eher deplaziert, aber schließlich schafft sie es doch die Halle mit ihrem Text „One Day“ zu fesseln. Und so schnell wie sie gekommen ist, ist sie auch schon wieder weg.
Um 20.40 Uhr fällt dann der Vorhang für Tim Bendzko. Rein optisch könnte er durchaus als der jüngere Bruder von Matthias Schweighöfer durchgehen. Mit „Mein Leben ist dein Leben“ startet er in sein Set und der Sound ist für die sonst eher gewöhnungsbedürftige Akustik im Palladium von Beginn an überraschend klar und ausbalanciert. Auch die Kölner erweisen sich vom ersten Ton an als überaus textsicher. Erstaunlicherweise bestand nach Aussage von Tim Bendzko am Vorabend der Grossteil des Publikums aus Männern. Diesmal sind die Frauen deutlich hörbar in der Überzahl. Weiter geht es über „Ohne zurück zu sehen“ und „Vergessen ist so leicht“ bis „Alles was du wissen musst“. Untermalt wird das Ganze von einer geschmackvollen Lightshow und allerlei witzigen Projektionen im Bühnenhintergrund. Es hat schon fast einen Anflug von Rebellion, wenn dort überlebensgrosse Strichmännchen auf einer Backsteinmauer auftauchen und unfreiwillig ihren Mittelfinger ausstrecken. Währenddessen versucht Tim Bendzko ein wenig zu tanzen, was ihm jedoch nicht sonderlich gut gelingt.
Was macht den Reiz dieses „Betroffenheits-Poeten“ aus, der es nach nur zwei Alben schafft, das Palladium gleich zweimal hintereinander auszuverkaufen? Ist es die Tatsache, dass man den Alltag für ein paar Stunden gegen eine Welt aus einfachen Worten und sanften Zwischentönen eintauschen kann? Bei Tim Bendzko hängt das Leben „Am seidenen Faden“, aber es geht bis „Unter die Haut“. Spätestens als „Nur noch kurz die Welt retten“ erklingt wird klar, dass die 4.000 Fans das genau so sehen. Lediglich beim eingestreuten Grönemeyer-Cover „Was soll das?“ zeigen sie sich leicht irritiert. Als der Song 1988 auf dem „Ö“-Album des Bochumer Barden erschien, rannten einige von ihnen wohl noch mit der Windel um den Weihnachtsbaum. Fast wie zum Trost lässt es sich Tim Bendzko während „Sag einfach ja“ nicht nehmen in den Fotograben zu springen und auf Tuchfühlung zu den ersten Reihen zu gehen. Die Band, die sich den gesamten Abend über als wunderbar spielfreudig präsentiert, zeigt ihm derweil, wie man auf einer Bühne wirklich tanzt.
Den ersten Zugabenblock eröffnet Tim Bendzko alleine mit Gitarre und „Ich laufe“. Danach erklärt er uns, was es bedeutet „Wenn Worte meine Sprache wären“, bevor die Kölner erneut dazu aufgefordert sind, weiteren Nachschlag zu verlangen. Sie bekommen ihn passenderweise in Form von „Mehr davon“ und dem aktuellen Hit „Programmiert“. Dabei teilt Tim Bendzko die Menge in zwei Hälften (blau und grün) und lässt sie abwechselnd den Refrain singen. Nach zwei Stunden bildet „Leicht sein“ dann den endgültigen Abschluss. Als die Hallenbeleuchtung wieder angeht und ich in die Gesichter um mich herum blicke, scheint das für den einen oder die andere tatsächlich das Motto für den Heimweg zu sein. Und egal was man von Tim Bendzko halten mag oder nicht, das ist es doch was Musik ausmacht: Grosse Gefühle!