In den letzten Jahren war es erstaunlicherweise vor allem die Musik- und Comedyszene, die tabubesetzte Themen wie Angst und Depression in der Öffentlichkeit mit inhaltlichen Statements besetzt hat. Nicholas Müller von Jupiter Jones schrieb mit seinem Buch „Ich bin mal eben wieder tot. Wie ich lernte, mit Angst zu leben“ 2017 ein schonungslos offenes Buch über seine Angststörung. Kurt Krömer zeigte sich 2022 in „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression“ von einer ganz ungewöhnlichen Seite und die Popsängerin Madeline Juno glänzt – spätestens seit sie in deutscher Sprache singt – mit sehr intensiven Texten, die ihre Depression zum Thema machen.
Jetzt hat der Oetinger Verlag mit „Keine Angst vor der Angst“ ein wundervolles Buch vorgelegt, in dem viele ganz unterschiedliche Künstler*innen und weniger bekannte Leute jungen Menschen Tipps geben, wie man seine Ängste beherrschen, mit ihnen umgehen, mit ihnen leben und sie vielleicht sogar für sich nutzen kann. „Ein Buch wie 100 Freundinnen und Freunde“ lautet der passende Untertitel. Ich habe diese hundert Freund*innen zunächst an meine 15jährige Tochter verloren, die das schön aufgemachte Hardcover-Werk direkt mit Beschlag belegt hat. Und dann durfte ich mir viele Tipps von Prominenten anhören, die der Nachwuchs besonders witzig oder besonders hilfreich fand.
Checker Tobi berichtet von seiner Form mentaler Vorwegnahme, die ihm vor schwierigen Situationen hilft. Lina Larissa Strahl gibt ihrer Angst einen Namen („Philipp“) und sieht sie als wichtigen Berater, auf den man hören kann, aber nicht muss. Karen Malo vom Clearwater Marine Aquarium in Florida erzählt, wie Delfine lebensbedrohlich erkrankten Kindern helfen. Autor Henri Faber definiert die Superwaffe namens Vorstellungskraft als Gegenmittel zur Angst. Schauspielerin Jule Hermann hebt die positive Sichtweise der Angst hervor, weil sie uns wachsam macht. Grundschullehrerin Astrid Kracht ruft zu Selbstvertrauen auf. Der Moderator Malte Arkona stellt sich strenge Menschen ganz einfach lachend vor. Annika Preil aus „Anna und die wilden Tiere“ schaut dem gefährlichen Gegenüber meistens fest ins Auge. Lukas von Deine Freunde erklärt, warum man sich für seine Angst nicht schämen muss. Motsi Mabuse gibt Tipps zur Selbstbestimmung. Lina, die im Musical „Die Eiskönigin“ die kleine Elsa spielt, berichtet von den Proben und Aufführungen.
So könnte man endlos weiter erzählen, denn das ganze Buch ist voller Schätze, Strategien und Geheimtipps. Ich finde es unheimlich wertvoll, was den jungen Lesern hier vermittelt wird. Hinzu kommen kluge Worte von Psychotherapeuten, die in einfachen Sätzen ihre fachliche Sichtweise vermitteln. Das Buch kann oft wie eine Umarmung wirken – und es beantwortet Fragen wie: Wie fühlt sich eine Astronautin während des Countdowns? Was denkt ein Feuerwehrmann, wenn er ein Feuer löscht? Was macht ein Angstforscher, wenn er ins Wanken gerät? Was rät ein Kindertherapeut bei Panik?
Auch Erwachsene können sich in den schönen Texten festlesen. Die Aufmachung ist sehr schön, die Illustrationen absolut passend – das Buch macht einfach großen Spaß. Meine Empfehlung!