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Musicheadquarter.de – Internet Musikmagazin

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Bodo Wartke 11.10.2025 Europahalle / Trier

Zwischen Wunden und Wundern

Mit seinen sieben Klavier-Kabarett-Programmen hat es Bodo Wartke in den letzten drei Jahrzehnten geschafft, vom Geheimtipp zum hallenfüllenden Topact zu werden. Dabei hat das Internet eine entscheidende Rolle gespielt: Seine ausgedehnten Zungenbrecher-Stücke sind inzwischen in aller Munde, seit er mit dem „Dicken Dachdecker“ und „Barbaras Rhabarberbar“ zum YouTube-Phänomen avancierte. Inzwischen gibt es reine Zungenbrecher-CDs aus seinem Munde und ein wundervoll gestaltetes Kinderbuch zu selbigem Thema. Kein Wunder also, dass die Europahalle in Trier ausverkauft war und viele Generationen vertreten waren, von YouTube-gehypten Kindern mit ihren Eltern bis zu den Kabarett-Freunden gediegener Altersklasse. Und ich kann versichern: Niemand hat sich gelangweilt, auch wenn die Gegensätze in der Setlist manchmal frappierend waren.

Los ging es mit dem neuen „Lied vom Denken“, das auch die aktuelle CD „Wunderpunkt“ einleitet. Dann folgte „Mein Drucker“, das Bodo aber kurz unterbrach, weil ihm unser Fotograf bei seiner Arbeit zu nahe kam. Damit muss man bei einem Kabarettprogramm immer rechnen: plötzlich Teil des Geschehens zu sein. Auch das Publikum wurde früh mit einbezogen und sollte beispielsweise bis 15 zählen, während Bodo sein Lied um die Zahlen bastelte. So funktionierte der ganze Abend: mit virtuosem Klavierspiel, witzigen sprachlichen Bildern, Gedichten im Stil eines Heinz Erhard und vielen Zungenbrechern. „Fischers Fritze“, „Blaukraut bleibt Blaukraut“ und „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“ wurden mit Spitzengeschwindigkeit vorgetragen und entsprechend bejubelt.

Doch es gab auch Nachdenkliches und Gesellschaftskritik: „Die Heiligen Schriften 2.0“ zeigten auf bewegende Art, wie sich Wartke den Einfluss von Religionen in der heutigen Zeit vorstellt und wie dies zu einer besseren Welt führen könnte. Nachdenklich wurde „Ein Tag ohne“ besungen, wobei es bei Männern und Frauen ganz unterschiedlich aussehen kann. Männer würden ohne Frauen so weitermachen wie bisher, Frauen könnten ohne Männer endlich mal angstfrei und unbeschwert auf die Straße gehen. Kurz vor der Pause gab es noch das Nina-Chuba-Cover „Wildberry Lillet“ mit Originaltext aber der veränderten Titelzeile „Ich bin bei der FDP“, was der Luxus-Satire die Krone aufsetzte. Dann war nach 70 Minuten in der ersten Konzerthälfte erst einmal Verschnaufen angesagt.

Der zweite Teil begann mit amüsant-belehrenden Infos zu Zwölftonmusik, Blue Notes und dem Tongeschlecht. Es ging um Staatsformen wie Demokratie und Autokratie, aber auch um das leider sehr reale Nonsens-Wort „Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“, das Bodo so lange mit dem Publikum übte, bis es jeder fehlerfrei mitsingen konnte. Zur Freude der Kinder gab es den Klassiker „Eierloch“ und die Geschichte von „Kuckuck und Hai“. Alles so aufbereitet, dass man generationenübergreifend Spaß hatte – selbstredend auch bei weiteren Zungenbrechern.

Im Zugabenblock folgte schließlich „Atemlos“ in einer Gangsterrap-Version, die den bekannten Schlager in ganz neue Sphären führte. Grandios! Es war ein fast dreistündiger Abend voller Sprachakrobatik, Humor und Herzblut. Bodo Wartke beweist erneut, dass man mit Klavier, Reim und Verstand nicht nur lachen, sondern auch fühlen kann. „Wunderpunkt“ ist ein Programm, das seinem Namen alle Ehre macht – und dabei schwer beeindruckt. Er legt seine Finger in die Wunden unserer Zeit, beeindruckt aber auch mit wundervoll herzlichen Momenten.

Credit für alle Fotos: Dietmar Schmitt

Bodo Wartke -
Bodo Wartke –
  • Audio-CD – Hörbuch
  • Reimkultur (Tonpool) (Herausgeber)

Letzte Aktualisierung am 12.11.2025 um 02:45 Uhr / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Bezahlte ANZEIGE