Mit elegantem azurblauen Anzug betrat Helmut Lotti die Bühne in der Europahalle Trier und startete stilgemäß die erste, italienische Hälfte des Abends. Es sollte nämlich ein zweigeteiltes Konzert werden, das der belgische Startenor hier der voll besetzten Halle zu bieten hatte. Da waren zum einen die Songs aus seinem aktuellen Album „Italian Songbook“, zum anderen gab es im zweiten Set eine Best-of-Zusammenstellung als Streifzug durch Lottis Karriere.
Der Altersschnitt im Publikum war recht hoch. Kurz ein Blick in die Wikipedia und festgestellt, dass der Sänger mit 53 Jahren doch jünger ist, als man sich das vorgestellt hätte. Auf seine charmante Art spricht er viele Generationen an. Er hatte ein formidables Orchester dabei, bestehend aus einer Pianistin – die zudem musikalische Leiterin war – zwei Streicherinnen, einer Cellistin und einem Percussionisten auf der einen Seite. Neben diesem weiblichen Übergewicht gab es in der anderen Bühnenhälfte fünf Männer, nämlich Bass, E-Gitarre, Schlagzeug und zwei Bläser, die wahlweise Saxofon, Trompete oder Querflöte bedienten.
Der Belgier hat es von Beginn seiner Karriere an verstanden, mit einer 3,5 Oktaven umfassenden Stimme und außerordentlichem Talent verschiedene Genres zu verbinden. Mit “Helmut Lotti Goes Classic” startete 1995 sein internationaler Durchbruch und er eroberte damit die Welt. Das Album erreichte auf Anhieb Gold Status und seither verkaufte er über 13 Millionen Tonträger. Es folgten ein lateinamerikanisches Repertoire, russische Volkslieder, flämischer Schlager. Und zwischendrin Besonderheiten wie ein “Tribute To The King” Elvis Presley.
Nun also sollten es die italinischen Klassiker sein und Lotti überzeugte mit Stücken, die in der Vergangenheit von Tom Jones, Elvis und Shirley Bassey gecovert worden waren, die er nun aber gekonnt im Original vortrug. Dabei gab er Evergreens wie „Bella Ciao“ mit Akkorden-Begleitung zum Besten, aber auch seinen Selbstversuch „Tiritomba“, der sich zum weltweiten Hit entwickelt hat, obwohl er beim Niederschreiben hauptsächlich Blödel-Italienisch verwendet hatte. So kam auch die selbst geschriebene „Tarantella“ zum Einsatz, die er auf Englisch mit Einschüben von Touristen-Italienisch verfasst hat.
An Selbstironie mangelte es Helmut Lotti beim Konzert nicht. Er behandelte seine weiblichen Fans sehr wertschätzend, die ihm Rosen und Blumensträuße zur Bühne brachten, nahm sich Zeit, diese entgegen zu nehmen und verteilte auch mal einen Schmatzer. Zugleich machte er Witze über seinen Ruf als Weichspül-Tenor und konnte sich ewig mit Fragen seiner über die Karriere veränderten Frisur beschäftigen, bevor der Hit „Volare“ alle Haarfragen verfliegen ließ.
Der italienische Set dauerte ziemlich genau eine Stunde und es gab eine halbstündige Verschnaufpause. Im zweiten Teil sollten dann die Gassenhauer einer Bilderbuchkarriere folgen. Helmut Lotti stellte über die Jahrzehnte mit der Auswahl der Songs immer wieder seinen ausgezeichneten Geschmack in Sachen Soul und sein Talent für melodische und romantische Musik unter Beweis. Das sollte auch bei diesen „Greatest Hits“ nicht anders sein.
Im dunkelblauen glänzenden Sakko gab es zu Beginn die Moritat „Mack the Knife“ aus der „Dreigroschenoper“. Im Gospelgesang mit der kompletten Band als Chor interpretierte er „Glory Halleluja“. In deutscher Sprache durfte man sich an „Du, nur du allein“ erfreuen, während „Just A Gigolo“ – wie er selbst augenzwinkernd sagte – die Geschichte seines Lebens beschrieb.
Lotti hatte sich nie auf Genres festlegen lassen. Auch der afrikanische Kulturraum faszinierte ihn, und so gab es „Out Of Africa“ vom gleichnamigen Album und den rhythmischen Titel „Pata, Pata“, zu dem er zunächst seine Cellistin antanzte und sich dann zur Freude der weiblichen Fans ins Publikum begab und mit allen den Hüftschwung übte, die sich ihm freudig näherten. Das schien dem Künstler sichtlich Spaß zu machen und er hatte die Trierer mit seiner Lebensfreude fest im Griff.
Zurück auf der Bühne gab es rockige Klänge wie „Rolling On The River“ und der Abend sollte um 22.30 Uhr zunächst enden, doch Standing Ovations forderten Band und Sänger zurück. Er ließ sich nicht lumpen und lieferte zunächst ein fast zehnminütiges Elvis-Medley mit Hits wie „Jailhouse Rock“, „Suspicious Minds“ und „Love Me Tender“. Zum Ende hin wurde es dann ganz groß und musikalisch anspruchsvoll, als Helmut Lotti gekonnt Puccinis „Nessun Dorma“ schmetterte.
„Ende März 2020 fielen plötzlich die Vorhänge in unseren Theatern und das Licht ging aus in den Konzerthallen. Aber ich blicke mit Zuversicht in die Zukunft. Jetzt finde ich kaum die Worte, um meiner Freude Ausdruck zu verleihen, wieder auf Tour gehen zu können und meine Fans zu sehen!“ So hatte Lotti unlängst in Interviews seine Gemütslage beschrieben. Und in Trier konnte er sowohl stimmlich überzeugen, als auch beweisen, wie wichtig das Liveerlebnis ist – für ihn selbst und sein Publikum.