Während der Pandemie mal eben neu erfinden, das Ganze auf Platte pressen und anschließend mit Streicher-Verstärkung endlich wieder auf Bühnen stehen? Marathonmann aus München machen es vor – und funktionieren live vor Ort genauso wunderbar wie im Stream oder aus dem heimischen Lautsprecher.
Unbekannte sind Marathonmann schon lange nicht mehr. Das Münchner Quartett schreit seit 2011 seine Wut und Unzufriedenheit mit treibendem Post-Hardcore in die Welt hinaus und wird dabei durchaus gehört. Als Supportact für etliche namhafte nationale und internationale Bands, aber auch auf eigenen Headline-Touren, sind die Musiker gern gesehene Gäste. Kein Wunder, schließlich überzeugen Marathonmann nicht nur musikalisch, sondern auch mit ihrer sympathisch-amüsanten Art.
Beides haben sie im Lockdown nicht verlernt, sondern stattdessen ihr eigenes Werk aus einem ganz neuen Blickwinkel betrachtet und neu angepasst. „Alles auf Null“ heißt die neue Platte, die ausschließlich alte Songs der ersten drei Alben beinhaltet – die dafür aber live aufgezeichnet und in einer neu arrangierten Akustik-Version inklusive musikalischer Verstärkung durch Violine und Cello.
Sänger und Bassist Michael Lettner tauscht dafür den Bass durch die Akustikgitarre und greift auf rauen Klargesang zurück. Elisa von Wallis und Saskia Götz unterstützen bei Auftritten nun an den Streichinstrumenten, während Jonathan Göres sich ans Keyboard setzt, Leo Heinz (Gitarre) und Johannes Scheer (Drums) bleiben an ihren gewohnten Instrumenten.
Die musikalische Entwicklung bedeutet allerdings nicht, dass es ab jetzt ruhiger zugeht – es ist lediglich eine angenehme Erweiterung des bisherigen Repertoires und wird auch in Zukunft die schwitzig-heißen Clubshows genauso wenig verdrängen wie den ursprünglichen Post-Hardcore.
Stattdessen ist es für die aktuelle Situation genau passend. Statt Pogo also Sitzkonzert. Das Konzept geht auf und das Düsseldorfer Publikum zeigt sich ausgehungert nach mehr. Textsicherheit sowohl bei Marathonmann-Songs als auch bei Fremdmaterial, jede Menge Lacher und gute Laune inklusive.
Die neu arrangierten Werke von der Platte und einige mehr werden in der Setlist untergebracht und passend zur Location – Open Air hinter der großen Mitsubishi Electric Hall inmitten des Südparks, vor allem aber in Düsseldorf – packen Leo und Jo zwischen den eigenen Stücken in die Evergreen-Kiste.
Mit „Hier kommt Alex“ von den Toten Hosen schaffen sie es, auch die nicht ganz textfesten Gäste mit einzubinden, und diverse Sing-A-Longs sind natürlich auch dabei. Das Ploppen der Bierflaschen beherrscht die Szenerie ebenso wie die gute Laune auf und vor der Bühne. Mit „Wir sind immer noch hier“ zeigt die auf ein Sextett angewachsene Band, das genau das der Fall ist: Trotz Lockdown, trotz Corona-Pandemie lässt man sich nicht unterkriegen, sondern erfindet sich schlicht neu. „Die Bahn“ erzeugt in der Akustik-Version nochmal mehr Gänsehaut.
Unplugged heißt gleichzeitig nicht leise – treibende Kraft besitzt die Musik von Marathonmann auch in dieser Form. Erst zu „Die Stadt gehört den Besten“ reißt es das Publikum allerdings von den Sitzen, so richtig scheint der neuen „Normalität“ noch nicht zu trauen. Gleichbleibend ist jedoch die charmant-verpeilte, flachsende Art der Münchner, die den Abend zu einem rundum gelungenen Start ins Wochenende werden lässt.
Support an diesem Abend sind übrigens die Newcomer Raum27 aus Bremen. „Oft gesagt“ ist der aktuell meistgehörte Song des Duos, bestehend aus Mathis Schröder und Tristan Stadtler. Der lockere Pop-Rock, der von der tiefen Stimme Stadtlers getragen wird, lässt diverse Assoziationen zu bereits etablierten Gruppen und Musikern nahe wirken. Im Auge behalten sollte man die Bremer dennoch.
Marathonmann sind in den kommenden Wochen noch auf „Alles auf Null“-Tour und damit akustisch und unplugged unterwegs.
- 12. August 2021: Jena – Rosenkeller
- 13. August 2021: Hannover – Hannover 78
- 14. August 2021: Trier – Brunnenhof.
Im März 2022 soll es dann auf der Clubtour laut weitergehen. Goldmucke, die Veranstalter des Abends, organisieren in Düsseldorf übrigens weitere Konzerte:
- 22. Juli 2021: The Hirsch Effekt
- 23. Juli 2021: Kapelle Petra
- 29. Juli 2021: Bernd Begemann
(August siehe https://goldmucke.de/)