Nach 20 Jahren Anlauf kam Thomas Thielen, im Prog einfach nur „t“ genannt, in Oberhausens renommiertem Zentrum Altenberg zum ersten Mal mit seinem eigenen Material auf die Bühne – jedenfalls mit echter Band und komplettem Sound. Wo vorher Skepsis herrschte, nicht zuletzt beim Künstler selbst, wie man die filigran-vielschichtige Musik seiner Alben überhaupt live darstellen solle, herrschte danach eher die Frage vor: „Wieso hat das so lange gedauert?“
Die Show begann mit dem Intro von „The Aftermath of Silence“, dem ersten Track von „Psychoanorexia“. Dominik Hüttermann (keys) interpretierte diese Soundcollage neu, inklusive eines neuartigen Keyboardinstruments namens „Seaboard“, das Tasten aus einer Art Gummi hat, die man mit dem Finger nicht nur drücken, sondern auch gestalten kann: Vibrato, Slides, Lautstärkenvariationen, all das holte Hüttermann aus seinen Fingern heraus. Als die gesamte Band hinzukam und mit einem fetten Akkord ins Programm abflog, sah man im Publikum reihenweise Kinnladen runterfallen: Kristallklar, aber noch druckvoller als auf Thielens Studioalben strömten da perfekt aufeinander abgestimmte Kaskaden von der Bühne.
Der Mastermind selbst kam erst zur zweiten Wiederholung und begann das Gitarrensolo – grinsend, überwältigt, ein bisschen schüchtern. „Aftermath“ hat insgesamt 18 Minuten Spieldauer, und während der gesamten Zeit hatte die Band ihr Publikum auf den Zehenspitzen: In ruhigen Passagen, in denen t im Stile Steve Hogarths in höchsten Höhen flehte und schluchzte, war kein Geschnatter zu hören, kein Bier wurde geholt, aller Smalltalk konnte warten. Man hörte zu, man tauchte ein, und was Thielen als „Film, Reise, Outer Space“ angekündigt hatte, entfaltete eine brachiale Sogwirkung, wie es schien.
Unter enthusiastischem Applaus des gut gefüllten Altenberg ging es sofort über in „Shades of Silver“, einem etwas kürzeren und leichteren Song, der von der Dynamik lebt. Es fiel auch hier auf, dass der Bandkontext den Stücken nichts nimmt, sondern Dimensionen hinzufügt. Jan Steigers Wucht an der Gitarre ließ das rockige Finale noch rockiger werden, und Thomas Nußbaums Drums unterstreichen das noch: Die Band war eine Band, nicht ein Sammelsurium aus Begleitmusikern.
„The Irrelevant Lovesong“, wohl der bekannteste Track von t, pulsierte und bebte. Spätestens hier war wohl auch der letzte Besucher im Saal gepackt: Thielen hatte nachher alle Hände voll zu tun, um CDs zu signieren, Selfiewünsche zu erfüllen, Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Zur Verstärkung hatte er sich klugerweise sein Cover-Modell Johanna mitgebracht: Natürlich waren auch Selfies mit Thielens neuer CD „Solipsystemology“, die am Abend vorgestellt wurde, und dem darauf abgebildeten Modell begehrt.
Vor der Musikshow, die wohl mit „Forget me now“ ihren wuchtigen Höhepunkt hatte, hatte Thielen eine Performance Art-Gruppe eingeladen. Die Idee, statt Monitoren und Beamern auf der Bühne mit Live-Theater die Musik zu unterstreichen, wurde hier phänomenal umgesetzt – allerdings wäre es noch eindrucksvoller, wenn die Performance ins Konzert eingebunden gewesen wäre, statt ihm vorauszugehen. Thielen erklärte das nachher damit, dass die Bühne einfach zu klein dafür gewesen sei – nachvollziehbar.
Die Szene hatte hohe Erwartungen gehabt an ihren Mastermind, von dem sie nie weniger als Perfektionismus gewohnt war: Und so ist es fast eine Überraschung, dass diese Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern eher übertroffen wurden. Thielen sorgte mit Gin-Tasting, Aftershow mit Meet and Greet und der erwähnten Performance Art nicht nur für einen sehr speziellen Rahmen, sondern hat es auch noch geschafft, musikalisch keine Fragen offen zu lassen: In einem sphärischen Programm entführte er sein Publikum über die gesamte Dauer der Show, gab sich gut gelaunt als Entertainer, und er selbst überzeugte als vielseitiger Sänger und feelsaitiger Gitarrist.
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Weitere Daten 2019:
- 04.04. Rüsselsheim, Das Rind
- 20.07. Loreley, NOTP
- 30.08. Gladbeck, Dröhnschuppen
- 26.09. Bremen, Meisenfrei
- 28.09. Reichenbach, Bergkeller
- 04.10. Berlin, Wabe, special guest: Smalltape
- 22.11. Hannover, Chez Heinz
- 23.11. Trier, Tuchfabrik