„Renegades“ war ursprünglich ein Podcast, in dem sich zwei Legenden über ihr Leben, ihre Musik und die ausdauernde Liebe zu Amerika austauschen. Zwei Männer im Gespräch. Das wäre nicht so besonders, wenn es sich nicht um solch bekannte und einflussreiche Persönlichkeiten handeln würde: nämlich Barack Obama, den 44. Präsidenten der USA, und Bruce Springsteen, einen der erfolgreichsten Rockmusiker aller Zeiten.
Abtrünnige – so lautet die Übersetzung des Titels. Und das ist äußerst passend. Zum einen ist da der in New Jersey geborene Musiker (von allen nur „The Boss“ genannt) mit seinem Überhit „Born in the USA“, den ein selbst ernannter America-First-Nationalist wie Donald Trump gerne für sich nutzen würde, der aber in Wirklichkeit keineswegs patriotisch ist, sondern eine Abrechnung mit der Regierung und dem Vietnamkrieg darstellt. Und dann natürlich Obama, der erste dunkelhäutige Präsident mit familiären Wurzeln in Kenia und Europa. Zwei Männer, die die Welt verändert haben!
Der Podcast ist die eine Sache, doch viel mehr bewirkt man natürlich mit einem Buch, das enge Einblicke in die Freundschaft der beiden Männer gibt, in ihre Ideen und Gedankengänge. Die beiden erörtern alle möglichen Themen – über ihre Herkunft und die entscheidenden Momente ihres Lebens, über Familie und Vaterschaft bis hin zur polarisierenden Politik ihres Landes und der wachsenden Kluft zwischen dem amerikanischen Traum und der amerikanischen Realität.
Nach Vorworten der Protagonisten geht es direkt in die Vollen. Acht Kapitel behandeln die unwahrscheinliche Freundschaft der beiden und Themen wie „Die Story Amerikas“ (was bedeutet es, Amerikaner zu sein?), „American Skin“ (die Bedeutung von Hautfarben), „Eine furchtlose Liebe“ (der wichtige Anker Familie) und „The Rising“ (der Glaube an das amerikanische Versprechen).
Die Gespräche werden in Dialogform festgehalten und wirken damit überaus authentisch und lebendig. Ein großes Plus des Bildbandes sind allerdings die unzähligen großformatigen Bilder, die nicht nur die Erzählungen illustrieren, sondern darüber hinaus tiefe Einblicke in die Familien der Protagonisten geben und wichtige Wegbegleiter abbilden. Ganz stark wirken aber vor allem die Begegnungen der beiden, bei denen man die innige Verbundenheit und den großen gegenseitige Respekt visuell greifen kann.
Besser als in diesem 320seitigen Wälzer kann man die Gegenwart der amerikanischen Kultur nicht abbilden. Es wird geplaudert, aber der Gesprächsinhalt ist jederzeit hochpolitisch, philosophisch und geht sehr tief in die amerikanische Seele. So gibt es wichtige soziale Botschaften – und zugleich wird der Zusammenhang zwischen Kultur und den großen gesellschaftlichen Fragen deutlich.
Neben den Illustrationen und Gesprächen gibt es einige textliche Ergänzungen wie Obamas Trauerrede auf den Bürgerrechtler John Lewis (mit handschriftlichen Anmerkungen), Springsteens handschriftliche Notizen für den Podcast und eine bebilderte Diskographie des Musikers. Das Buch ist sehr schön aufgemacht und kommt in hochwertiger Ausstattung. Ein absolut unterhaltsames Vergnügen!