Vor vier Monaten hat Heinz Rudolf Kunze mit „Der Wahrheit die Ehre“ mal wieder ein zeitlos geniales Album abgeliefert. Wir schrieben in unserer Review: „Wehmütig, einfühlsam und energisch wendet sich der Liedermacher aus NRW an seine Zuhörer und Fans. Und seine Songs zeigen mal wieder, dass er ein Schreiber vom alten Schlag ist. Einer, der keinem hinterher rennt, sondern der sich seine eigenen Gedanken zum Zeitgeschehen macht. Es sind Hymnen mit einer klaren Friedensbotschaft wie „Mit welchem Recht“ oder „Die Zeit ist reif“, und das großartige „Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort“. Ein Song, der sich (erst nach der Thüringen Wahl 2019 entstanden) gleich einen der prominentesten Plätze auf dem Album gegriffen hat. Den Schluss. Dabei macht es von Anfang bis Ende richtig Spaß die aktuellen Kunze Wahrheiten zu hören.“
Geplant war natürlich, dass HRK nun mit diesem Album auf Tour ist. Und tatsächlich – ich durfte ihn vor wenigen Tagen live erleben. Allerdings nicht in echter Konzertatmosphäre, sondern im Rahmen eines Autokino-Konzerts. Das mag skurril sein für Künstler und Publikum, doch es hat gut funktioniert. Kunze war in guter Form und bestens gelaunt. Vermutlich hatte ihm die lange Pause auch zu schaffen gemacht und er war einfach froh, live auftreten zu dürfen. Es gab neue Stücke, die Mitsing-Klassiker, viel Politisches. Ein buntes Sammelsurium an Songs aus seiner gesamten Karriere, wobei er sich selbst an Gitarre oder Klavier begleitete. Und zwischendurch las er kleine Texte: Gedichte, Aphorismen, Weisheiten, Kürzestgeschichten, Anekdoten. Gerade der Wortwitz und die Feinsinnigkeiten dieser Texte haben mich auf das Buch „Wenn man vom Teufel spricht – 200 Zeitgeschichten“ aufmerksam gemacht. Denn hier kann man viel Philosophisches und Anekdoten aus Kunzes Lebenswissen in kleinen Häppchen nachlesen.
„Wir sind die Menschen.
Wir sind weder Moralpächter und Correctness-Klugscheißer
noch rechtsdrehende Ratten für die diesbezüglichen Fänger.
Wir sind die Bewohner dieser schönen Gegend.
Wir sind die Bürger.
Wir sind die Menschen.“
In den 200 Zeitgeschichten seines neuen Buches finden seine Besorgnis über die politischen Entwicklungen und die Bedrohung der Freiheit ebenso wortgewandt und scharfsinnig Platz wie der Spaß am Absurden und Geschichten über Liebe, Schmerz und das kleine Glück im Leben. Gegen Fake News, Lügen, Ignoranz und Gleichgültigkeit einzustehen, das ist Heinz Rudolf Kunzes Anliegen.
Das Buch ist wunderschön aufgemacht als Hardcover mit Lesebändchen und insgesamt liebevoller Gestaltung. Nach einem Vorwort von Oliver Kobold kann man wunderbar in den Texten stöbern. Man liest Gedanken zum Terror in Nizza oder erfährt Kunzes Definition von Musik. Er erzählt, warum er Strandkörbe liebt und Mitleid mit Popkünstlern hat. Die USA bekommen ihr Fett weg, aber auch die deutschen Talkshow-Moderatoren.
Da jeder Text mit einem Datum versehen ist, hat die Lektüre den Charakter eines Tagebuchs und man kann die Überlegungen zeitlich einordnen. Doch man muss es nicht Seite für Seite lesen. Mir gefällt es ganz gut, zu blättern und dort stehen zu bleiben, wo Überschrift oder Textzeile zum Verweilen einladen.
Heinz Rudolf Kunze ist der Philosoph und Poet unter den deutschen Liedermachern. Mit diesem Buch beweist er es auf ein Neues.