„Die Geschichte einer Songwriterin“ lautet der Untertitel des Buches aus dem Hannibal Verlag. Doch es wäre nicht Tori Amos, wenn sie nicht einige Überraschungen für den Leser parat hätte. Zum einen schreibt sie keineswegs eine chronologisch angelegte Autobiographie, sondern sie verknüpft stellvertretend dreißig ihrer Songs mit den biographischen Elementen, die darin stecken. Und zum anderen ist die Schrift, die den Titel „Widerstand“ fett gedruckt auf dem Titel führt, in weiten Teilen auch eine feministische Kampfansage an das Patriarchat.
Die Lyrics der verwendeten Songs werden komplett abgedruckt und stehen entweder zu Beginn oder am Ende des Kapitels. So schafft Tori zugleich den Soundtrack zum Buch. Beispielsweise läutet „Gold Dust“ das Kapitel über ihre Kindheit und die Teenagerjahre ein. Und es war keine einfache Zeit, über die Myra Ellen (so heißt Tori mit bürgerlichem Namen) da berichtet: Ihr Vater, ein Methodisten-Pfarrer, brachte sie bereits mit 13 (!) Jahren nach Georgetown und ließ sie diverse Clubs abklappern, um als Pianistin und Sängerin Geld zu verdienen. Das war ihr eigentlicher Karrierestart, nachdem sie als Elfjährige ein Stipendium in klassischem Gesang und Klavier geschmissen hatte.
Zwischen den Erzählungen gibt es stets auch eine kleine Geschichtsstunde, beispielsweise berichtet Tori von den Geschehnissen um Jimmy Carter, den Schah und Ayatollah Khomeini, die sie bewegt und politisch geprägt haben. Später behandelt sie ebenso intensiv die Geschehnisse um Brett Kavanaugh, der trotz anhängiger Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an den Obersten Gerichtshof berufen wurde. Dies bringt sie in Zusammenhang mit dem Song „Ophelia“.
So ziehen sich ihre Erklärungen durch den kompletten fast 300seitigen Text und verknüpfen Toris Lebensgeschichte mit ihrer Karriere, den politischen Geschehnissen der Zeit und den daraus entstandenen Songs – ganz eingebunden in die anekdotischen Erzählungen. Gerade deshalb liest sich das Werk sehr gut und lässt uns Toris Gedankenwelt und ihre gesellschaftspolitische Einstellung hautnah erfahren. Die Biographie ist zudem aktuell genug, um bis in die Trump-Ära hinein zu reichen.
Die amerikanische Songwriterin gehört zwar zu den erfolgreichsten Künstlerinnen ihres Genres, aber sie hat es in den letzten Jahren dem Publikum mit ihrer Musik und vor allem ihren Texten nicht ganz leicht gemacht. Sie wurde mit vielfachen Grammy-Nominierungen bedacht und spielte in den vergangenen 30 Jahren mehr als 1.000 Live-Konzerte. In all diesen Jahren ging sie konsequent ihren eigenen Weg – und sie tut dies auch mit dieser außergewöhnlichen Biographie. Der Leser bekommt einen schlüssigen Einblick in ihre Gedankenwelt – absolut lesenswert!