Seit dem letzten Studioalbum „Akustik Voodoo“ vor vier Jahren hat sich mächtig viel getan im Hause Wirtz. Obwohl das Album bis in die Top 5 der Charts kletterte, hing Daniel Wirtz immer noch so ein bißchen das Schild mit dem „Geheimtipp“-Schriftzug um den Hals. Dabei brachte er mit seinen energiegeladenen Rocksongs und den emotionalen und ehrlichen Texten als einer der wenigen hierzulande mal so richtig Feuer unter das deutschsprachige Dach. Im vergangenen Jahr nahm er kurzzeitig etwas Dampf vom Kessel und veröffentlichte ein grandioses Unplugged-Album (hier findet ihr unser Review). Und schließlich ist der 39-jährige Frankfurter vor kurzem Vater geworden, was seinen Blick auf die Dinge nochmals entscheidend verändert hat: „Dinge, die früher eine ungeheure Wichtigkeit hatten, kann man heute zwischen Windeln und Flaschen locker weglächeln“.
Diese Lockerheit hört man seinem neuen und fünften Album „Auf die Plätze, fertig, los“ dann auch deutlich an. Was als erstes auffällt: Die zwölf Songs klingen sehr viel positiver und optimistischer als alles, was Wirtz jemals zuvor gemacht hat. Da wo sonst an fast jeder Ecke eine mal mehr, mal weniger steife Brise Schwermut lauerte, kommt der Wind nun aus einer anderen Richtung. Er hat seine „Tränen in die Sonne gehängt“, wie es im Closer „Das nächste Mal“ so schön heißt. Leider ist die textliche Klinge, mit der Wirtz seine Songs bisher scharfzüngig rasiert hat, zugleich stumpfer geworden. Und dabei möchte ich gar nicht das böse Wort „radiokompatibel“ strapazieren. Fakt ist aber, dass „Auf die Plätze, fertig, los“ zwar gefühlsmäßig immer noch ganz nah dran ist an den großen und kleinen Alltagsbeobachtungen, die Dinge jedoch deutlich entschärfter auf den Punkt bringt. Fans der ersten Stunde werden das Fehlen der bislang gewohnten sprachlichen Kompromisslosigkeit bedauern, bei der Erschließung neuer Fanpotentiale ist das mit Sicherheit nicht hinderlich. Ebenso wenig wie Wirtz‘ Teilnahme an der zweiten Staffel von „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ oder die Tour als Support-Act von Xavier Naidoo.
Musikalisch wird auf dem neuen Album endlich wieder gerockt. „Lehn dich zurück und schnall dich an, weil’s stürmisch werden kann“ singt Wirtz im Titelsong und das wird es über weite Strecken tatsächlich. „Auf die Plätze, fertig, los“ ist nebenbei auch noch ein perfekter Opener für die anstehenden Konzerte. In „Regentropfen“ oder „Aus Versehen“ tritt Wirtz das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Dazwischen liegt das eher transzendente „Mantra“. In „Wir“ zitiert Wirtz die Kollegen von U2 während ihrer „Pop“-Phase und für „Ich weiß es nicht“ hat er sich den Backgroundchor der Rolling Stones ausgeliehen. „Du fährst im Dunkeln“ glänzt mit einem gelungenen Funkeinschlag.
Die Klaviatur der großen Gefühle beherrscht er natürlich nach wie vor, wie das hymnische „Viel Glück“ eindrucksvoll beweist. Weitere Höhepunkte von „Auf die Plätze, fertig, los“ sind die verpunkte Liebeserklärung „Wenn du willst“ sowie das bombastisch-schwelgende „Sehnsucht“. Einzig mit „Freitag Abend“ leistet sich Wirtz einen Ausrutscher, der gefährlich nah am Schlagerniveau endet, bevor das bereits erwähnte „Das nächste Mal“ für einen hoffnungsfrohen Abschluss des Albums sorgt.
„Auf die Plätze, fertig, los“ ist vor allem eines nicht: Langweilig. Es ist das bisher abwechslungsreichste Wirtz-Album und gleichzeitig das erste, das man sich wirklich erarbeiten oder besser gesagt erhören muss. Die Vorgänger waren eindimensionaler und damit leichter verdaulich, was überhaupt nicht negativ gemeint ist. Für seinen neuen Longplayer hat Daniel Wirtz Ebenen verschoben und Blickwinkel geändert, er hat quasi seine Ecken und Kanten poliert, sowohl sprachlich als auch musikalisch. Es dauert etwas, bis man sich daran gewöhnt hat. Im Ergebnis lohnt sich die Mühe für „Auf die Plätze, fertig, los“ aber allemal.