Es kommt überraschend. Eigentlich ist Heather Nova doch kreativ genug, um nicht auf die Stücke anderer Songwriter zurückgreifen zu müssen. Ihr letztes Werk „Pearl“ hat inzwischen drei Jahre auf dem Buckel (HIER unsre Review). Aber cool, dass es wieder neues Material von dieser wundervollen Ausnahmesängerin gibt. „Other Shores“ ist es absolut wert, dem Album ein Ohr zu gönnen und ihre Versionen altbekannter Hits zu hören.
Die charmante Songwriterin streute schon immer mal gerne die eine oder andere Cover-Version von Musikern wie Neil Young, Chris Isaak oder Nick Cave in ihre Live-Setlist ein. Die bisher veröffentlichten Singles vom neuen Album wie „Waiting For A Girl Like You“ (Foreigner), „Don’t Stop Believing“ (Journey) und „Never Gonna Give You Up“ (Rick Astley) zeigten schon an, wohin ihre musikalische Reise geht: Heather wählte sorgsam einige ihrer persönlichen Favoriten aus, entfernte unnötigen Ballast und nutzte nur das Gerüst, die eigentliche Seele der Titel, um diese mit spärlichster Instrumentierung und Ihrer einzigartigen und elfenhaften Stimme zu einem völlig neuen Leben zu erwecken.
“Ich bin in erster Linie eine Songschreiberin, aber im Laufe der Zeit habe ich entdeckt, dass ich manchmal auch gerne eine Interpretin bin. Für mich geht es bei der Aufnahme eines Covers darum, die ursprüngliche Produktion zu entfernen, um das Wesentliche des Songs zu finden. Ich liebe den Prozess, mich in die Emotionen des Songs hineinzuversetzen, ihn als meinen eigenen zu empfinden und ihn in einer neuen, roheren und intimeren Form zu präsentieren. Es fasziniert mich, wie sich von Männern geschriebene Songs ganz anders anfühlen, wenn sie von einer Frau gesungen werden”, sagt sie zu ihrem Vorgehen.
Schon das lasziv gehauchte „Waiting For A Girl Like You“ zu sanfter Pianomelodie ist eine Offenbarung. Es folgt Bryan Ferrys „Jealous Guy“ zu akustischer Gitarre und Streichern, das Nova mit zerbrechlicher Stimme interpretiert und textlich in „Jealous Girl“ umwandelt.
Es ist fantastisch, wie die Sängerin alle Songs verändert. „Stayin’ Alive“ atmet plötzlich Jazz und Blues. So hat man den Song noch nie empfunden. „Never Gonna Give You Up“ gewinnt enorm durch seine Pianobegleitung und man ist geneigt, sich endlich mal auf den Text zu konzentrieren, der viel gehaltvoller ist als vermutet.
„Don’t Stop Believing“ atmet in der folkigen Version eine unerwartete Melancholie, die die Lyrics nicht als Optimismus-Hymne sondern sehr nachdenklich interpretiert. Am wenigstens wurde wohl Stings „Fragile“ verändert, das mit verspielter akustischer Gitarre erklingt. Bis zum gehauchten Abschluss mit Rod Stewarts „Sailing“ ist alles sehr stimmig und bisweilen verführerisch schön.
Heather Nova ist es gelungen, den Songs, die man zum Teil auswendig mitsingen kann, und von denen man dachte, dass es keine Überraschungen mehr gibt, neues Leben einzuhauchen. Das Ergebnis ist ein wundervolles akustisches Album zwischen Folk und Blues. Wundervoll!