Erst vor 17 Monaten hat Lea mit „Bülowstraße“ ein ganz besonderes Werk auf den Markt gebracht. Lange ist es her, dass deutsche Musiker*innen sich an ein echtes Konzeptalbum gewagt haben. Diese Geschichte um eine Gruppe Jugendlicher in Berlin an der Schwelle zum Erwachsenwerden gehört für mich zu den besten Alben des vergangenen Jahres. Eigentlich sollte man daraus einen Musikfilm machen, doch dafür bietet es vielleicht zu wenig Handlung. Immerhin wartet das GRIPS-Theater Berlin im nächsten Jahr mit einer Bühnenfassung auf, was hoffentlich ein Erfolg wird.
Jetzt soll es aber nicht mehr um die Bülowstraße gehen, sondern um das neue Album mit dem zunächst etwas sperrigen Titel „Von der Schönheit und Zerbrechlichkeit der Dinge“. Diesmal kein Konzeptalbum, das einer Story folgt, aber ein Album mit einem inhaltlichen Konzept. Denn das ist es, wovon Lea schon immer singt: von schönen Dingen, von Beziehungen und Liebe, von wundervollen Begegnungen und dem Wertvollen im Kleinen. Und eben davon, was ist, wenn Beziehungen auseinander brechen, wenn man die Schattenseiten erlebt. Davon handeln seit jeher ihre Songs – und jetzt wurde ein Albumtitel draus.
Es ist ein sehr persönliches Album voller Melancholie mit 13 Titeln in 36 Minuten, wobei „Welt“ in zwei Versionen vertreten ist. Der Titelsong liefert einen schönen akustischen Einstieg, der ein stimmungsvolles Bild zeichnet. Insgesamt überwiegen in der Produktion allerdings elektronische Klänge, die zum Glück aber nie überproduziert sind. Und es gibt einige Überraschungen, wenn beispielsweise im überaus tanzbaren „Chaos“ die Sängerin Dhurata Dora zur Duettpartnerin wird und südosteuropäische Klänge Einzug halten.
„Phantasie“ als Zusammenspiel von Lea mit Lune beschreibt die Sehnsucht nach fernen Welten und den Schmerz, wenn Erinnerungen an eine vergangene Liebe durch alte Chats und vertraute Düfte lebendig bleiben. Auch wenn die Beziehung nicht gehalten hat, bleibt die Erinnerung an das, was einmal war, wertvoll. Ein weiterer Dance-Titel, der zugleich sanft wirkt und doch in die Beine geht.
„Ich bin“, „Danke dass es dich gibt“ und „Ich mag dich“ sind akustische Einschübe mit erzählendem positiven Text und vielen guten Wünschen. Der fetzige Beat von „Heimlich traurig“ steht in starkem Kontrast zu den Lyrics. Dabei ist Lea textlich wieder sehr stark, wenn sie Bilder kreiert wie den Kummer, der mit Blaulicht um die Ecke kommt.
„Heimatplanet“ und „November“ funktionieren als sphärische Balladen mit chilligen Klängen. Wundervoll und intensiv. Und dann ist da noch der Pianosong „Edvard Munch“ mit einer sehr persönlichen Erklärung, wie Lea als Melancholikerin aus Schwermut Kunst macht: „Und bricht meine Welt zusammen und alles fällt um, mach ich daraus Kunst wie Edvard Munch“. Ein grandioser Abschluss für ein wundervolles Album und es ist fast schon schade, dass es damit nicht ausklingt, sondern noch die zweite Version von „Welt“ im Duett mit maïa folgt.
Mit „Von der Schönheit und Zerbrechlichkeit der Dinge“ nimmt Lea ihre Hörer*innen mit auf einen poetischen Trip durch eine Welt, in der Anmut und Zerfall ineinander übergehen. Ihr sechstes Album ist durchzogen von einer sanften Melancholie, aus der aber immer wieder Zuversicht aufblitzt und sich Sonne durch die Wolken schiebt. Und so ist Leas neues Album die ideale Begleitung in den Herbst und die Kälte, in eine Zeit, in der sich Blumen und Schmetterlinge verabschieden und doch überall Anmut und Grazie verborgen liegen – im Eis, im Laub und im Regen.