Der Ausflug nach Hamburg hat sich gelohnt, Yard Act gewinnen am Samstag den Anchor Award beim diesjährigen Reeperbahn Festival. Erst kürzlich erschien die neue Single „The Overload“, mit der die Band auch auf dem EA Sports FIFA 22.Soundtrack vertreten ist
Passend zu ihrem kernigen, britischen Sound serviert das Quartett Storytelling im Deadpan-Modus, versehen mit catchy Gitarren und gnadenlosen Grooves, die ihren Mix aus Post- und Dance-Punk unwahrscheinlich eingängig machen.
In einer Welt der großen Polarität ist Nuance normalerweise die Antwort. Wir mögen uns schämen und streiten und unsere Empörung verstärken, aber im Grunde sind wir alle immer noch Bewohner desselben Ökosystems, und die meisten von uns versuchen, den schmalen Grat zwischen Empathie und Selbsterhaltung zu finden. Wenn nichts und niemand ausschließlich gut oder böse ist, kann eine echte gesellschaftliche Verbesserung nur durch die Anerkennung einer Art Mittelweg erreicht werden.
In vielerlei Hinsicht ist Yard Act ein Projekt, das durch die Verschmelzung von scheinbar gegensätzlichen Entitäten entsteht. Alte Freunde in einer neuen Band suchen nach den Schattierungen des soziopolitischen Grauens, wobei sie ihre Geschichten mit scharfem, satirischem Spoken-Word-Humor durchdringen.
Angeführt von James Smith (Gesang) und Ryan Needham (Bass) hat die mittlerweile vierköpfige Band, die durch Sam Shjipstone (Gitarre) und Jay Russell (Schlagzeug) vervollständigt wird, einen Sound entwickelt, der unweigerlich mit ihrem Geburtsort Leeds, West Yorkshire, in Verbindung steht und doch Beobachtungen aus allen Bereichen des modernen britischen Lebens miteinander verknüpft – der Kleinstadtjunge im örtlichen Pub, der Antikapitalist, der in einem Schreibtischjob feststeckt, der müde Aktivist in uns allen, der zwischen leichter Mitschuld und dem Wunsch zu kämpfen hin- und hergerissen ist. Ihr Sound und ihr Ethos mögen progressiv sein, aber es geht nicht darum, mit dem Finger zu zeigen, sondern die Augen zu öffnen.
Etwa 300 Konzerte an ca. 35 Locations – das ist ein Wagnis, das zu Zeiten dieser schon so lange andauernden Pandemie kaum einer anzugehen wagt. Abgesehen von den Machern des Reeperbahn Festivals in Hamburg. Schon im Jahr 2020 waren sie die letzte Bastion im weitgehend konzert- und ansonsten absolut festivalfreien Deutschland. Doch natürlich musste man Abstriche machen (und muss es noch). Wo sich normalerweise um die 50.000 Fans in St. Pauli tummeln, waren es im vergangenen Jahr gerade mal 8.000 – in Clubs und überdachten Freiluftarenen, überall mit Sitzplätzen. HIER unser Bericht vom vergangenen Jahr.
2021 sieht es schon anders aus. Von „heile Welt“ will ich aber nicht reden. 20.000 Besucher sind zugelassen. Die Veranstalter hätten sich für die in Hamburg mögliche 2G-Regelung entscheiden und alle Spielstätten wie in alten Zeiten füllen können, doch die Entscheidung des Senats ist mitten in die zu Ende gehenden Planungen reingegrätscht. Da hatte man sich schon längst für das 3G-Konzept entschieden und wollte den Karteninhabern entsprechende Planungssicherheit geben. Heißt im Klartext: Schon bevor man das Festivalbändchen in Empfang nehmen kann, führt der erste Weg zum Covid-Check: Wer geimpft, genesen oder frisch getestet ist, bekommt ein entsprechendes Bändchen als Nachweis. Das war für die folgenden Konzertbesuche die beste Lösung, bedeutete aber auch ein erstes Warten in einer schier endlosen Schlange.
An die Warteschlangen allüberall sollte man sich gewöhnen müssen. Und ich kann nur die Geduld aller Beteiligten loben: Security, Einlasspersonal und vor allem wartende Menschen. Es gab kaum Unmutsäußerungen, auch wenn Besucher berichteten, an drei Clubs angestanden zu haben um letztlich kein Konzert zu sehen. Das wurde vor allem in beliebten Clubs wie dem Gruenspan oder dem Mojo zu harter Realität. Auch wer es rein geschafft hatte, durfte nicht machen, was er wollte. Wo es keine Sitzplätze gab, waren Stehplatz-Punkte auf den Boden geklebt. In stetiger Fleißarbeit bekam jeder vom Personal einen Platz zugewiesen. Maskenpflicht blieb natürlich bestehen – es ist schon Wahnsinn, woran wir uns in den vergangenen 18 Monaten alles gewöhnt haben.
Lässige Konzerterlebnisse gab es vor allem auf den Open-Air-Bühnen am Spielbudenplatz und am Heiligengeistfeld, wo das Festival Village aufgebaut war. Angesagte Künstler wie Jeremias, Antje Schomaker und Jupiter Jones auf der ARTE Concert Stage – das waren echte Highlights wie zu alten Zeiten. Es wurde gejubelt und gefeiert, allerdings „ohne Tanzen und ausschweifende Bewegungen“, wie die Festivalstimme vom Band am Anfang jedes Gigs vermeldete.
In den kleinen Locations wie dem UWE konnte man neue Acts entdecken und lieb gewinnen. Im Umfeld der Fritz Bühne wurde es immer wieder gemütlich und heimelig, da man von überall einen guten Blick auf die hohe zweistöckige Bühne hatte und zu guter und lebhafter Musik chillen konnte. Und dann waren da natürlich die wirklich ungewöhnlichen Konzertstätten: Das Imperial Theater, wo die Bands in der Kulisse eines Edgar-Wallace-Stücks auftraten, die St. Michaelis-Kirche mit ihrem wundervollen Ambiente und natürlich die Elbphilharmonie, die endlich wieder mit im Programm vertreten war.
Man konnte sich bestimmte Konzerte als Priorität setzen, pünktlich am Einlass stehen und mit etwas Glück einen Platz bekommen, oder aber man ließ sich treiben und stromerte dahin, wo gerade nicht so viel los war, wo spannende Musik zu hören war, wo das Publikum gerade lauthals jubelte. Hamburg wurde mit musikalischem Leben erfüllt – und es war fast wie früher.
Konzerthighlights
Herausheben möchte ich für den ersten Tag die spielfreudige Kölner Indie-Pop-Band Fortuna Ehrenfeld. Im GRUENSPAN heizten Martin Bechler, Jenny Thiele und Jannis Knüpfer dem Publikum ordentlich ein und sorgten für ausgelassene Stimmung. Was für ein Start ins Festival! Sehr soulig wurde es dann mit Joy Denalane im STAGE Operettenhaus. Bei einem umjubelten Auftritt präsentierte sie vor allem ihre aktuellen Songs im Motown-Sound und wurde dabei von einer kraftvollen Band mit zwei Background-Sängerinnen unterstützt. Ein grandioses Konzert voller stimmlicher Eleganz.
Am Donnerstag konnte ich Annie Chops bei einem Solo-Showcase ihrer Plattenfirma bewundern. Eigentlich gehörte sie gar nicht zum Festival-LineUp, doch da sie als Gitarristin von Antje Schomaker mit am Start war, nutzte sie die Gelegenheit für einen Auftritt vor dem Maa‘ Deyo und zeigte, wie sie ganz allein mit ihrem R’n’B, Hip Hop und Pop bestehen kann. Hilfreich war dabei eine Loop Station, garniert von einer unverschämt souligen Stimme, deren rauer Charme direkt unter die Haut ging.
Danach ging es zu OSKA in den Nochtspeicher. Sie war nominiert für den ANCHOR Award als Nachwuchstalent und trat hier vor der Jury auf (die mit Namen wie Emeli Sandé, Tom Odell und Yvonne Catterfeld aufwartete. Etwas nervös am Anfang führte sie das Publikum durch ein melancholisches Set voller ruhiger Songs. Mit traumhafter Stimme und verklärt-verspielten Ansagen. Tags darauf hat sie uns vom Auftritt berichtet – das Interview könnt ihr HIER nachlesen. Wenig später gab es JEREMIAS auf der ARTE Concert Stage. Die Indie-Pop-Band aus Hannover brachte das Publikum trotz aller Auflagen zum Tanzen und verwandelte das Heiligengeistfeld in einen atmosphärischen, bisweilen mystischen Ort. Pures Konzertfeeling wie in alten Zeiten!
Freitags gab es neben einigen kleineren Konzerten den gefeierten Auftritt von JUPITER JONES auf der ARTE Concert Stage. Ein erzählfreudiger Nicholas Müller mit teils launischen Ansagen, die perfekt zu seiner schnoddrigen Art passten – inklusive Mittelfinger für Hetzer und Populisten. So kennt man den Eifeler Sänger – schön, dass er wieder zurück ist. Und als dann sein Hit „Still“ erklang (wie immer der verstorbenen Mutter gewidmet), hatte die Gänsehaut alle ergriffen.
Auf der Spielbude XL wurde Tim Freitag zum Überraschungshit! Der Indie-Rocker aus Zürich kämpfte sich durch alle Tonlagen, sprang vom Boxenturm und stand am Ende selig und halbnackt im Schein der beeindruckenden Lightshow. Mit seiner Bühnenpräsenz war er sicher eine Entdeckung des Festivals! Skurril dann auch der Auftritt von Katy J Pearson im Imperial Theater, da die Band dort in der Kulisse eines Edgar Wallace Theaterstücks auftrat. Die Sängerin mit prägnanter Stimme und fantastischen Instrumentalisten konnte das Wohnzimmer jedenfalls problemlos mit ihrer Musik füllen.
Der Samstag führte nach einigen kleineren Shows auf der FRITZ Bühne wieder zur ARTE Concert Stage, wo Antje Schomaker in ihrer Heimatstadt vielleicht den Auftritt ihres Lebens hinlegte. Übersprudelnd vor Freude haute sie einen Deutschrock-Hit nach dem anderen raus und fütterte das Publikum mit Lebensweisheiten aus ihrem Alltag („Wenn’s nicht passt, dann trennt euch“). Sie wird einfach von Album zu Album stärker.
Und dann zwei abschließende Highlights zum Schwärmen: In der St. Michaelis Kirche (dem Hamburger Michel) glänzte die Songwriter-Band Die höchste Eisenbahn mit einem Akustikset, der durch alle Phasen der Karriere führte und das Publikum zu stehenden Ovationen brachte. Der Sound war überragend und die Band ließ sich davon tragen. Konnte man das noch toppen? Ja, mit Niklas Paschburg in der Elbphilharmonie. Der Hamburger Elektronik-Künstler füllte die hohe Konzerthalle mit wundervollen Klängen aus Flügel, Keyboard und Akkordeon, die er mit einer Loop-Station live zur atmosphärischen Soundkulisse arrangierte. Der glasklare und warme Sound der Philharmonie tat sein Übriges dazu, dieses Konzert zum Abschluss-Highlight werden zu lassen. Das konnte man nicht mehr steigern!
Fazit
Da will ich zunächst mal Frehn Hawel von der Festivalleitung zu Wort kommen lassen: „Als Superstar Sting erzählte, dass er vor seinem Auftritt bei der Eröffnung des Reeperbahn Festivals nervös gewesen sei, da dies seine erste Liveshow seit 18 Monaten war, brachte er damit die aktuelle Situation für die meisten seiner Kolleg*innen auf den Punkt. Die Freude über das Erleben von unmittelbarer Intensität und direktem Austausch, sowohl zwischen Künstler*innen und Publikum, aber auch branchenintern, gepaart mit dem Wiederaufleben der internationalen Aktivitäten des Musikgeschäfts zeichneten die diesjährige Ausgabe des Reeperbahn Festivals aus. Wie groß die Sehnsucht nach Konzerterlebnissen in Musikclubs ist, zeigte sich leider auch in den teils sehr langen Schlangen vor den Spielstätten, die durch die 3G-Umsetzung des Reeperbahn Festivals auch in diesem Jahr stark eingeschränkte Kapazitäten aufwiesen.“
Die Entscheidungen, die getroffen werden mussten, waren nicht leicht und sorgten durch die geringen Kapazitäten auch zu Unmut (nicht unbedingt vor Ort, aber in Kommentaren bei den sozialen Medien). Trotzdem waren sie richtig – und letztlich konnte sich jeder sein Festival bei Traumwetter selbst gestalten. Wer die langen Schlangen vor den Clubs meiden wollte, hatte vor den großen Open-Air-Bühnen Spielbude XL und ARTE Concert Stage genügend Freiraum. Der Reeperbus sorgte mit 15minütigen Kurzauftritten für große Vielfalt in kürzester Frequenz. Und wer es gemütlich haben wollte, konnte weitläufig um die hoch aufgebaute FRITZ Bühne chillen.
Das Experiment ist auch im zweiten Corona-Jahr gelungen und hat die Normalität ein Stück weiter zurück gebracht. Bleibt zu hoffen, dass es im nächsten Jahr mit wieder 50.000 Besuchern und ohne Auflagen weitergeht. Der Termin steht schon: 21. bis 24. September 2022. Early-Bird-Tickets sind ab heute erhältlich!
Das REEPERBAHN FESTIVAL ist neben der „Stadt voller Musik“ auch ein Ort netter Begegnungen. So durfte unser Redakteur Andreas Weist am 24.9.2021 die junge Newcomer-Künstlerin OSKA zum Interview treffen. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Niederösterreich, zog OSKA – die eigentlich Maria heißt und ihren Künstlernamen nach ihrem älteren Bruder ausgewählt hat – mit 18 Jahren nach Wien, um ihrer ersten Liebe zu folgen: der Musik. In Hamburg trafen wir auf eine sympathische Songwriterin, die sich sehr über die Nominierung zum ANCHOR (International Music Award) freute, einem Nachwuchspreis des Festivals als Prädikat für aufstrebende Musiker*innen. Man brauchte Maria eigentlich keine Fragen zu stellen, man musste nur Ideen geben. Sie sprudelte über vor Erzählfreude und berichtete von ihrer Musik und den Festival-Erlebnissen.
Hallo Maria. Schön dich zu treffen. Magst du uns zuerst etwas zu deiner Person erzählen?
Ich bin aufgewachsen im Waldviertel in Österreich, also ganz ländlich. Ich stamme aus einer sehr musikalischen Familie und bin die Jüngste von fünf Kindern. Alle sind sehr musikalisch, vor allem meine Mama. Sie hat immer Musik gemacht mit mir und den älteren Geschwistern. Sie hat Gitarre gespielt, irische Balladen gesungen – so bin ich zur Musik gekommen, weil es etwas ganz Natürliches war. Ich dachte, das macht jede Familie so. Dann habe ich angefangen Lieder zu schreiben, zunächst auf der Geige mit meinem ältesten Bruder Oskar, der auch namensgebend für den Künstlernamen ist. Schließlich habe ich mit der Geige aufgehört, weil ich sehr, sehr schlecht war, und angefangen Gitarre zu spielen. Die Gitarre wurde zu meinem Instrument. Meine Mama hat mir ein paar Akkorde gezeigt, die Geschwister konnten auch alle spielen – so war das ganz natürlich.
Hast du von Anfang an eigene Songs geschrieben?
Ja, das Songschreiben habe ich immer gemacht, weil es einfach etwas Cooles und Schönes war. Eine Zeit lang hatte ich es schwer in der Schule und wollte nur immer heim, um Gitarre zu spielen und Songs zu schreiben. Am Anfang startet man oft mit Covers und Liedern, die man gern hat. Aber das eigene Schreiben war immer da. Schon die ersten Akkorde, die ich spielen konnte, waren auch die ersten Akkorde in einem Lied von mir. Dann habe ich das immer wieder versucht und eigentlich weiß ich gar nicht mehr, wie ich dazu gekommen bin. Wenn man das einmal gemacht hat und dieses Gefühl bekommt: Wow, das geht ja. Das ist kein „Rocket Science“ – man kann es einfach machen. Dann will man es immer wieder machen, es ist ganz „weird“.
Jetzt hast du deine ersten Songs in einer Zeit veröffentlicht, in der du keine Konzerte spielen konntest. Wie war das für dich?
Es war sehr komisch. Ich habe lange Zeit Straßenmusik gemacht und die Livemusik ist extrem wichtig für mich. Nachdem ich mit dem Schreiben von Musik angefangen habe, habe ich das zunächst allein für mich gemacht. Aber irgendwann kommt der Punkt, wo man das unbedingt jemandem vorspielen will – wie ein Drang, dass man das teilt, was man jahrelang in seinem Zimmer alleine gemacht hat. Plötzlich habe ich es dann machen können, als ich nach Wien gekommen bin. Ich habe so viel Straßenmusik gemacht und gelernt, dass es ein wichtiger Teil von mir ist und vom Musizieren. Als es dann plötzlich nicht mehr möglich war, obwohl ich gerade meine eigene Musik raus brachte – das war so komisch und traurig. Ich hätte Support-Shows in den Niederlanden gehabt, auf die ich mich monatelang gefreut habe, und die wurden abgesagt bzw. dreimal verschoben. Dadurch fühlt sich das manchmal nicht so echt an für mich. Dieses ganze Streaming, die Zahlen. Meine Managerin und das Label sagen: Das sieht gut aus und geht in eine gute Richtung. Aber das bedeutet mir dann nicht so viel und ist eher komisch. Wenn ich dann aber richtig spielen kann und die Gesichter sehe, dann ist alles gut. Wenn Leute mir schreiben: „He, ich hör grad deine Musik.“ Dieser Austausch bedeutet mir sehr viel, aber er fehlte extrem in diesem und im letzten Jahr. Das ist schade.
Waren das hier in Hamburg deine ersten Konzerte seit langem?
Nein. Ich habe jetzt immer wieder kleine Sachen gespielt. Im August hatte ich eine Akustik-Tour mit Stu Larsen, einem Freund und Kollegen von mir, einem australischen Künstler. Da waren wir auf Tour – auch in Deutschland, auch in Hamburg im KNUST. Das war schön. Alles hat sich wieder normal angefühlt. Trotzdem komplett anders, da ich zum ersten Mal meine eigene Musik spiele und eigentlich zum ersten Mal richtig auf Tour bin.
Magst du uns was zu den Konzerten beim Reeperbahn Festival erzählen?
Gerne. Das war so cool. Zuerst im INDRA. Ich kenne mich nicht so gut aus mit Festivals und bin keine Festival-Gängerin. Zuerst habe ich das gar nicht realisiert, aber irgendwann dachte ich schon: „Okay, das ist ein großes Ding, das REEPERBAHN Festival.“ Jeder redet davon und dann wird man doch nervös. Im INDRA sagte alle 15 Minuten jemand: „In dem Club haben schon mal die Beatles gespielt.“ Das hat man dann den ganzen Tag im Kopf und ich war so dankbar. Wir sind so privilegiert, dass wir da spielen dürfen. Dass ich mit meinen Freunden im Bus sitze und nach Deutschland fahre. Ich wollte vorrangig diesen Austausch mit dem Publikum, aber ich war schon nervös.
Und gestern hast du dann im NOCHTSPEICHER vor der Jury gespielt. War das nochmal anders?
Ja. Das war schon anders mit der Jury und dem ANCHOR Award. Ich finde es so schwierig, bewertet zu werden oder Musik miteinander zu vergleichen und zu messen. Damit habe ich schon ein Problem. Es ist komisch – aber trotzdem: Ich habe gerade die Chance, vor so coolen Menschen zu spielen. Eigentlich sind in der Jury auch nur Leute, die irgendwann angefangen haben, Musik zu machen, und es dann durchgezogen haben, weil sie es unbedingt wollten. Es sind inspirierende Menschen und ich hatte das Privileg, ihnen meine Musik präsentieren zu dürfen. Der Gedanke hat mir geholfen.
Warst du sehr aufgeregt?
Ja, es war schon ein Druck da und ich bin von der Bühne und sagte: „Das war jetzt nicht gut, oder?“ Doch meine Band sagte: „Das war so gut. Das war das beste Konzert, das wir je gespielt haben.“ Ganz zum Schluss wollte ich gar nicht aufhören zu reden, weil ich nicht wollte, dass es vorbei ist. Ich hatte das Gefühl: Jetzt komme ich gerade so richtig an. Am Anfang war ich absolut nervös und das hätte ich lieber nicht gehabt. Am liebsten hätte ich es nur genossen. Von Anfang an. Es war schwierig, von der Bühne zu gehen.
Hast du dich wegen der Jury entschieden, deine Ansagen auf Englisch zu machen?
Ich war mir beim REEPERBAHN generell nicht sicher, wie international das Publikum ist. Im INDRA habe ich deutsch gesprochen, im NOCHTSPEICHER englisch. Es wäre ja blöd, wenn die Jury nichts versteht.
Wie wurdest du eigentlich für den ANCHOR Award nominiert?
Ich weiß es gar nicht – ehrlich gesagt. Man kann sich dafür bewerben und meine Managerin Annemarie hat das einfach gemacht, ohne mich zu fragen. Sie hat mir nicht einmal davon erzählt. Plötzlich ruft sie mich an und erzählt mir von der Nominierung. Wir hatten nicht damit gerechnet und ich weiß auch gar nicht, wer die Künstler auswählt oder wer das entscheidet. Es ist schon komisch, dass ich dabei bin. Da sind super Leute dabei. Ich habe gestern noch bei Lie Ning ins Konzert geschaut. Der macht so eine coole Show. Morgen werden wir uns alle vor der Verleihung kennen lernen – da freue ich mich sehr drauf.
Konntest du dir andere Konzerte beim Festival anschauen?
Vom Hotel aus sieht man auf eine Bühne. Da habe ich so einiges mitbekommen. Ansonsten habe ich noch nicht viel gesehen, da die letzten zwei Tage extrem stressig waren. Aber heute Abend schaue ich mir Ry X an. Alice Phoebe Lu hätte ich sehr gerne gesehen, aber ich bin zu nichts gekommen. PVA haben wir beim Soundcheck kennen gelernt. Die sind auch sehr nett.
Willst du uns noch etwas zu deinem Debütalbum sagen, das jetzt bald erscheint?
Sehr gerne. Es wird „MY WORLD, MY LOVE, PARIS“ heißen und im Februar 2022 erscheinen. Es gibt auch einen Song gleichen Namens. Ich finde es sehr schwierig, ein Album oder eine EP zu benennen und alles irgendwie zusammen zu fassen. Aber es ist für mich das wichtigste Lied und ich weiß, daran werde ich anknüpfen für meine musikalische Zukunft. So passt es.
Werden die aktuellen Singles und deine erste EP mit auf dem Album vertreten sein?
Ich denke, ein Song der EP kommt mit drauf: „Misunderstood“, weil der gut zum Album passt. Aber darüber reden wir noch. Erst hatten wir vor, die komplette EP drauf zu packen, aber jetzt habe ich so viel neues Material.
In drei Wochen wird das 16. Reeperbahn Festival eröffnet und über vier Tage wieder zum Dreh- und Angelpunkt des internationalen Musikgeschehens – live in Hamburg, St Pauli.
Für alle Festivalbesucher*innen steht ein umfangreiches Angebot von 300 Konzerten in rund 35 Spielstätten bereit, bei dem sich über die Hälfte der rund 250 auftretenden Künstler*innen und Acts aus internationalen Namen wie RY X (AUS), Daughters of Reykjavík (ISL), Working Men‘s Club (GBR) oder Suzane (FRA) zusammensetzt.
Für die Fachbesucher*innen bieten rund 150 Programmpunkte aus Formaten wie Sessions, Matchmakings und Networkings mit über 300 Speaker*innen, u.a. Lyor Cohen (YouTube/Google, Global Head of Music, USA) und Michael Krause (Spotify, General Manager Europe, DEU), Gelegenheit zu direktem Austausch und der Erweiterung bestehender Netzwerke.
Die ANCHOR-Jury 2021 besteht aus Emeli Sandé (GBR), Jacob Banks (GBR), Tayla Parx (USA), Tom Odell (GBR), Tony Visconti (USA) und Yvonne Catterfeld (DEU) und besucht die Shows der sechs Nominees:
Florence Arman (AUT/GBR), PVA (GBR), Yard Act (GBR), OSKA (AUT), May The Muse (DEU) und Lie Ning (DEU).
Im Filmprogramm stellt u.a. Regisseur Edgar Wright (GBR) seinen Film „The Sparks Brothers” (GBR/USA) vor.
Zur Umsetzung:
Wenngleich fortschreitende Impfkampagnen das allmähliche Wiederaufleben des internationalen Bühnenbetriebs ermöglichen, ist nach wie vor deutlich, dass live aufgeführte Musik noch einen langen Weg vor sich hat, bis ein Zustand wie vor der Pandemie wiederhergestellt ist.
In den vergangenen Tagen kam es in einigen Hamburger Betrieben bereits zur Anwendung einer 2G-Option, die auch für das bevorstehende Reeperbahn Festival geprüft wurde. Da die Gesamtstruktur des Festivals jedoch vom Zusammenspiel vieler stark unterschiedlicher Spielstätten geprägt ist, ist eine Durchführung des Festivals in 2G zum jetzigen Zeitpunkt nicht umsetzbar.
Das Reeperbahn Festival 2021 findet daher in einer 3G-Umsetzung statt und ist für geimpfte, genesene und getestete Festival- und Fachbesucher*innen zugänglich. Einher mit dieser Regelung geht die eingeschränkte Kapazität der Veranstaltung, weshalb in einigen Kategorien nur noch wenige Tickets zur Verfügung stehen. Tickets für Fachbesucher*innen sind allumfänglich im Ticketshop erhältlich.
Wie bereits im vergangenen Jahr erfolgt die Umsetzung des Reeperbahn Festivals 2021 erneut in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und den teilnehmenden Spielstätten, für die jeweils individuelle Schutzkonzepte zum Tragen kommen.
Für alle, die in diesem Jahr nicht vor Ort sein können, gibt es auf der Streamingplattform erneut ein umfangreiches Angebot. Konkrete Details der Umsetzung finden sich in den FAQ.
In knapp sechs Wochen fällt der Startschuss zum 16. Reeperbahn Festival. Das Arts-, Word- und Filmprogramm ist jeher fester Bestandteil des Programmangebots. Neben der überwältigenden Anzahl an Livekonzerten werden hier für alle Festivalbesucher*innen interdisziplinäre Zusammenhänge kreativer Sparten wie bildender Kunst, Wortbeiträgen oder Film zu Musik und Popkultur erlebbar. Künstlerische Umsetzungen aktueller gesellschaftspolitischer Themen liefern den Fans viele Denkanstöße, stellen Zukunftsmodelle des menschlichen Miteinanders vor, sind aber auch unter rein audio-visuellen Aspekten ein gehaltvoller Genuss. Auch in 2021 findet das Publikum des Reeperbahn Festivals eine vielfältige Auswahl an Programmpunkten aus den Bereichen Arts, Word und Film vor.
Im Artsprogramm schickt die multidigitale Ausstellung (IN)BETWEEN | Music & Graphics auf dem Arts Playground im Festival Village die Besucher*innen auf eine interaktive Reise zwischen Grafik und Musik. In mehreren Seecontainern werden hier u.a. Konzertplakate internationaler Gestalter*innen (u.a. aus unserem diesjährigen Partnerland Südkorea, USA, UK, Australien, Estland) sowie Einblicke in die farbige Welt der Vinyl-Platten gezeigt. In Szene gesetzt wird die Ausstellung durch eine eigens für das Reeperbahn Festival umgesetzte Lichtinstallation des renommierten Kollektivs Lichtgestalten, die unter anderem bereits mit Jan Delay, HONNE und vielen mehr gearbeitet haben.
Im Thalia Theater richtet Sybille Bergs gesellschaftliche Generalabrechnung Thalia Theater | GRM Brainfuck u.a. einen zornigen Blick auf die fortschreitende menschenverachtende neoliberale Durchökonomisierung aller Lebensbereiche. Als Soundtrack hierzu ist Grime, kurz GRM, die folgerichtige Wahl — eine Stilistik, die für manche als größte musikalische Revolution seit Punk gilt und live vom Londoner Grime-Kollektiv Ruff Sqwad Arts Foundation von der Bühne kommt. Alle Reeperbahn Festival Besucher*innen haben die Gelegenheit, sich hier Theatertickets zu reservieren und bis 30 Minuten vor Beginn an der Thalia-Tageskasse abzuholen.
Zur PHOTOPIA Hamburg | Share your Vision, einem nur wenige Gehminuten vom Reeperbahn Festival Village entfernten Hamburger Messegelände stattfindenden Event rund um Fotografie und Film, erhalten alle Besucher*innen des Reeperbahn Festivals freien Zutritt. Auf zwei Bühnen präsentieren sich junge und etablierte Künstler*innen der Digital Imaging Szene und ein Hallenkonzept mit 350 Seecontainern bietet jede Menge Raum für Installationen, Hidden Galleries, Keynotes und Workshops für alle Fotobegeisterten, während namhafte Hersteller*innen von Fotoequipment hier ihre neuesten Kameras und Zubehör vorstellen.
Das diesjährige Wordprogramm findet in diversen Spielstätten des Reeperbahn Festivals statt und hält mit der Premierenlesung zur Buchveröffentlichung von Potzblitz | 31 + 1 Liebeserklärungen an meinen Liveclub auch gleich den perfekt passenden Programmpunkt parat: Ben Hartmann (Milliarden), Heinz Ratz (Strom & Wasser) und Ina Bredehorn (Deine Cousine) präsentieren gemeinsam mit den Initiatoren Sebastian Schwaigert und Marc Huttenlocher exklusive Texte zu ihren jeweils prägenden Momenten in Liveclubs.
Beim gemeinsam mit dem Missy Magazine realisierten Talk Zukunft Schreiben | Wie klingt die Gegenwartsliteratur Next.0? tauschen sich die Debütautor*innen Hengameh Yaghoobifarah, Lisa Krusche und Ronya Othmann mit Missy-Redakteurin Jennifer Beck über Zutrittsbarrieren für Neueinsteiger*innen in den tradierten Literaturbetrieb sowie den Formenwandel der Literatur in diesen Zeiten aus.
Journalistin (taz, ZEIT ONLINE) und Moderatorin Şeyda Kurt | Radikale Zärtlichkeit – Warum Liebe politisch ist (Foto) nimmt bei ihrer Lesung vertraute Liebesnormen im Kraftfeld von Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus auseinander und fragt sich, wie ein Neuentwurf der Liebe für unser Zeitalter aussehen könnte.
Das Filmprogramm des Reeperbahn Festivals 2021 präsentiert in den Zeise Kinos eine kuratierte Auswahl aktueller internationaler Independent Filme mit besonderem Fokus auf Diversitäts- und Identitätsthemen.
Bei der Hamburg-Premiere von Nico (DEU, 2021), einem Film über eine persisch-deutsche Krankenpflegerin, die sich nach einem rassistischen Angriff zurück ins Leben kämpft, gewähren Teile der Crew im Gespräch Einblicke über Hintergründe und Entstehung dieses bewegenden Werks um die mehrfach ausgezeichnete Hauptdarstellerin, Co- Drehbuchautorin und Produzentin Sara Fazilat.
Die Deutschlandpremiere der Dokumentation The Sparks Brothers (USA, 2021) von Edgar Wright (u.a. Baby Driver, Hot Fuzz, Shaun of the Dead) gibt Einblicke in das stilistisch vielschichtige wie langjährige musikalische Schaffen des Brüderpaars Ron und Joel Mael.
In No Ordinary Man (CAN, 2020) gelingt dem Regie-Duo Aisling Chin-Yee und Chase Joynt nicht nur ein bahnbrechend anderer Blick auf US-Jazzmusiker und Transkultur-Ikone Billy Tipton, sondern vielmehr ein bewegendes Vermächtnis eines besonderen Menschen.
Eine Übersicht aller weiteren Arts-, Word- und Filmprogrammpunkte findet sich hier.
Nach knapp 1,5 Jahren im Ausnahmezustand ist die kollektive Ermüdung in Sachen rein digitaler Zusammenkünfte, ob für Besprechungen oder Kulturgenuss, allerorten spürbar. Umso stärker wächst die Sehnsucht nach einer Form der Normalität, die endlich wieder echte Kontakte ermöglicht. Dank niedriger Inzidenzen, fortschreitender Impfkampagne und zahlreicher Testmöglichkeiten rückt diese Aussicht aktuell in greifbare Nähe — und erlaubt somit der Kultur die Rückkehr auf die Bühnen. Gute Voraussetzungen also, die zuversichtlich stimmen, dass auch das Reeperbahn Festival mit seiner 16. Ausgabe einen weiteren Schritt in Sachen Annäherung an die Normalität darstellen wird.
Vom 22. bis 25. September verwandelt sich St. Pauli erneut zum Epizentrum der Musikwelt, bei dem Musikfans und Fachbesucher*innen gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Das gewohnt vielfältige Angebot an Livekonzerten präsentiert in rund 35 Spielstätten (davon drei Open-Air-Bühnen) Newcomer*innen und etablierte Acts, während wir die Konferenz-Teilnehmer*innen nach der rein digitalen Umsetzung in 2020 in diesem Jahr endlich wieder live vor Ort begrüßen dürfen. Dies alles geschieht selbstverständlich in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und gemäß der im September geltenden Verordnungen. Genauere Details zum konkreten Stand der Planungen werden im Laufe der kommenden Monate an dieser Stelle bekannt gegeben.
Doch nicht nur Fans, Fachbesucher*innen und Festivalausrichtende dürstet es nach der Begegnung von Angesicht zu Angesicht — auch unzählige Künstler*innen freuen sich, endlich wieder live mit ihrem Publikum in Kontakt zu treten:
″I think I echo a similar sentiment as my fellow artists that having to be without live music for the better part of two years was incredibly challenging on every level. But more than anything it was the loss of the special energy that only happens when you have people together experiencing something unique. Having played Reeperbahn Festival before, and having an absolute blast, there is something so energetic and fun and different about it that it feels so right to be the moment when I get to return to performing. Hard to even describe how much I’m looking forward to it.“ (William Fitzsimmons)
Eröffnet wird das 16. Reeperbahn Festival mit dem Reeperbahn Festival Opening am Mittwoch, 22. September, im Stage Operettenhaus. Für die einstündige Eröffnungsshow mit hochklassigen Live-Acts sowie Keynotes und Talks zu branchenrelevanten und gesellschaftspolitischen Themen werden erneut prominente Gäste aus Kultur und Politik erwartet. Am Festival-Samstag, 25. September, kürt die Jury um Präsident Tony Visconti im St. Pauli Theater den/die Gewinner*in des ANCHOR – Reeperbahn Festival International Music Award. Begleitet wird die diesjährige Ausgabe des Reeperbahn Festivals von den Medienpartnern ARTE Concert und NDR.
MUSIKPROGRAMM
Auch in diesem Jahr liegt der Fokus des diesjährigen Live-Angebotes auf einer breiten Abbildung hauptsächlich europäischer Acts und Künstler*innen. Zu den bisherigen Highlights 2021 zählen u.a. die Rapper Mavi Phoenix (AUT), Goldroger (DEU), die Indie-Elektroniker Weval II (NLD), Pop-Act ILIRA (CHE), Songwriter*innen Antje Schomaker (DEU), Dillon (DEU/BRA) und William Fitzsimmons (USA), die Retro-Rock Institution Kadavar (DEU) sowie Indie-Pop-Bands wie JEREMIAS (DEU) und Die Höchste Eisenbahn (DEU). Die Übersicht aller bisher bestätigten Live-Acts findet sich HIER.
Zu den rund 35 Spielstätten zählen mit der ARTE Concert Stage im Festival Village auf dem Heiligengeistfeld, der Spielbude sowie dem N-JOY Reeperbus auf dem Spielbudenplatz drei Open-Air-Bühnen.
Ein weiterer Spielort ist die Elbphilharmonie, in der fünf Konzerte stattfinden. Am Freitag, 24. September, spielen RY X (AUS) und die ANCHOR-Gewinner*innen 2020 ÄTNA x NDR Bigband (DEU), während dort am Samstag, 25. September, Alice Phoebe Lou (ZAF), Niklas Paschburg (DEU) sowie erneut RY X (AUS) auftreten werden. Alle Informationen rund um die Zugangsberechtigungen zu den diesjährigen Konzerten in der Elbphilharmonie finden sich HIER.
“My first Reeperbahn Festival experience was in the Jazz Cafe playing to a handful of people. I was amazed by the energy of the city and the different concerts we stumbled on. It felt like I was finally dipping into the music scene of Europe and that I was a part of something exciting. 7 years later, much deeper into my musical life, I feel honoured to be playing in the epic Elbphilharmonie. It gives me the feeling that all of these years of working hard as an independent artist have paid off, and it’s the perfect opportunity to put on a unique show with more instruments and different arrangements to mark this special occasion.” (Alice Phoebe Lou)