Andreas Gabalier – Trier 28.1.2016 Fotos
Seht hier unsere Fotos vom Andreas Gabalier Konzert 2016 in der Arena Trier
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Dass man Volksmusik nicht auf Musikantenstadel-Niveau machen muss, beweist derzeit kaum einer so überzeugend wie Andreas Gabalier. Der selbsternannte Volks-Rock´n´Roller verbindet Mundart und Heimatliebe mit modernem Sound und einer ordentlichen Portion Selbstironie und begeistert damit nicht nur in seiner österreichischen Heimat, sondern ebenso auf der ausverkauften Deutschlandtour.
Auch das Trierer Publikum zeigte an diesem Abend in der Arena von Anfang an seine Verbundenheit mit dem sympathischen Sänger aus der Steiermark. Viele Zuschauer waren in Tracht gekommen und Dirndl, Lederhosen und rot-weiß karierte Hemden dominierten vor allem im Innenraum, wo sich die Fans um den ebenfalls rot-weiß karierten Laufsteg drängten, um ihrem Idol besonders nah zu sein. Aber auch den Rest der Arena hielt es schon bei den ersten Takten des rockigen Openers „We Salute You“ nicht mehr auf den Stühlen, und spätestens beim folgenden „I sing a Liad für di“ wurde kräftig mitgesungen.
Und auf diesem hohen Niveau blieb die Stimmung in den nächsten zweieinhalb Stunden, in denen Gabalier routiniert, aber immer authentisch und mit vielen sympathischen Ansagen zwischendurch seine Show durchzog. Neben jeder Menge mitreißender und tanzbarer Hits wie „Bergbauernbuam“, „Go for Gold“, „Mountain Man“ oder „Hulapalu“ gab es auch ruhige Momente. Zu „Auf der Alm“ brannten bereits die Handy-Lichter im Saal,und mit dem akustisch arrangierten „A Meinung ham“ bewies der Sänger, dass er in seinen Liedern auch Gesellschaftskritik nicht scheut – und dass er neben der steirischen Harmonika auch das Gitarrenspiel beherrscht
Besonders bewegend wurde es dann, als Gabalier seiner Band eine Pause gönnte und sich ans Klavier setzte, um „Kleiner Schmetterling“, ein Lied für eine krebskranke Freundin zu singen. Doch schnell zauberte er anschließend mit „Zuckerpuppen“ und „Volks-Rock´n´Roller“ wieder Partystimmung in die Arena. Sein größter Hit “ I sing a liad für di“ wurde zum Finale noch einmal angestimmt, und Gabalier zeigte den Trierer Jungs, wie man das in seiner Heimat mit den feschen Madln macht, indem er ein Mädchen aus dem Publikum auf seine Schultern hob und mitsingen ließ.
Danach blieb der Sänger sichtlich erschöpft minutenlang auf dem Steg liegen und genoss die „Oh wie ist das schön“-Chöre in der Arena, bevor er solistisch seine Zugaben begann. Bei seinem wunderbaren Heimatlied „Das Steierland“ mutierte das Publikum zu einem begeistert mitsingenden Steirer Chor, und wie bei jedem Konzert verabschiedete sich Gabalier auch an diesem Abend mit seiner bewegenden Ballade „Amoi seg ma uns wieder“ – ein gelungener Abschluss für ein großartiges Konzert.
Hier unsere Fotogalerie von Frank Turner vom 29.01.2016 im Kölner Palladium
Hier findet ihr unsere Fotos vom Parkway Drive und Architects Konzert am 30. Januar 2016 im Palladium in Köln.
Frank Turner ist in der Stadt. Das alleine wäre schon eine gute Nachricht. Nach seinen Auftritten im Blue Shell, der Kulturkirche oder dem Underground hat er diesmal ein Einsehen mit all jenen Fans, die in den vergangenen Jahren zu oft vergeblich nach Karten für seine Konzerte angestanden haben und mietet sich im Palladium ein. Nach Turner’s Zählung ist es Konzert Nummer 1.826 und gleichzeitig seine bislang grösste Headliner-Show in Deutschland. Natürlich ist die Halle in Köln-Mülheim restlos ausverkauft.
Im Gepäck hat Frank Turner sein neues und sechstes Album „Positive Songs For Negative People“ und mit Will Varley sowie Skinny Lister gleich zwei Vorgruppen. Während der melodische Akustik-Folk von Will Varley noch weitestgehend zwischen Klogängen und der Organisation des Biernachschubs untergeht, lassen Skinny Lister nach 45 Minuten eine dampfende Menge zurück. Möglicherweise kommt ihr Gemisch aus Punk, Rock und Folk in Köln aber auch nur deshalb so gut an, weil es am Ende wie eine endlose Wiederholung des Brings-Schlagers „Polka, Polka, Polka“ klingt. Da der Karneval im Rheinland kommende Woche seinem Höhepunkt entgegensteuert, schunkelt sich der Kölner heute abend schon mal dankend warm.
Danach ist ohnehin nur noch Feiern angesagt. Frank Turner und seine famosen Sleeping Souls reißen das Palladium förmlich in Stücke. Der gebürtige Bahrainer springt wie ein Derwisch über die Bühne und ganz Köln tut es ihm gleich. Die Stimmung ist vom ersten Ton des Openers „The Next Storm“ an absolut grandios. Es wird getanzt und gepogt so lange die Kräfte reichen. Ihre stimmlichen Fähigkeiten stellen die Kölner insbesondere beim auf Deutsch gesungenen „Eulogy“ unter Beweis. Doch nicht nur da. Auch mein persönlicher Favorit „I Am Disappeared“ erklingt als tausendfacher Chor. Als die Sleeping Souls zu Ehren von Lemmy Kilmister noch „Ace Of Spades“ anspielen gibt es endgültig kein Halten mehr. Später widmet Frank Turner „Polaroid Picture“ dem Motörhead-Frontmann und der zweiten kürzlich verstorbenen Ikone David Bowie. Das gesamte Palladium hüpft ihnen zu Ehren im Takt.
Zwischendurch gönnt Frank Turner seinen Fans eine kleine Verschnaufpause. „Tattoos“, das uralte „Balthazar, Impresario“ und das wunderschöne „The Ballad Of Me And My Friends“ singt er alleine mit seiner Akustikgitarre, bevor die Band zu „Reasons Not To Be An Idiot“ vollzählig auf die Bühne zurückkehrt. Dabei bleibt Turner stets der sympathische Kumpeltyp von nebenan, macht Witze, erklärt die „Konzertregeln“ („Hier sind alle gleich“) oder die Geschichte der Tour-Fahne, die den Troß seit dem Auftaktkonzert im September auf jeder Show begleitet und dabei durch die Fans von Stadt zu Stadt weitergereicht wird. Bei „Out Of Breath“ holt er die Kollegen von Skinny Lister zurück auf die Bühne und freut sich in gebrochenem Deutsch über die Begeisterung vor ihm: „Danke for Kommst“.
So geht das zwei Stunden lang. Am Ende der schweißtreibenden Party steht dann passenderweise „Four Simple Words“. Eigentlich ist damit „I Want To Dance“ gemeint, was die Kölner auch mehr als wörtlich nehmen. Stattdessen könnte man Frank Turner für diesen grossartigen Abend aber auch ein „Thank You Very Much“ zurufen. Karneval kann kommen!
„The Story“ hört sich im ersten Moment nach einem abschließenden Best-of-Album an. Doch halt – das ist es keineswegs. Runrig gehen hier einen ganz spannenden Weg, um ihre Karriere noch einmal Revue passieren zu lassen, bevor die Band sich auflöst: Mit „The Story“ legen sie ein vielschichtiges Album vor, das alles enthält, was die Runrig-Werke der Vergangenheit ausmachte. Eine Mischung aus Pop und Folk, mit getragenen Vocals und eingängigen Melodien, die den Geist der Highlands in sich tragen. Dazu Bruce Guthros unter die Haut gehende Stimme, die den zunächst schmerzhaften Ausstieg von Donnie Munro im Jahr 1997 inzwischen längst mehr als wett gemacht hat.
Als Runrig vor zwei Jahren ihr 40-jähriges Jubiläum feierten, markierte ihr Open-Air-Konzert nahe dem kleinen Dorf Muir of Ord, hoch oben im Norden der schottischen Highlands, einen weiteren Höhepunkt in der ereignisreichen Geschichte der Folkrockband. 17.000 Fans aus aller Welt waren dorthin gepilgert und erlebten einen magischen Abend, der als „Party On The Moor“ in die Annalen moderner Rockmythen eingehen sollte und als für die Nachwelt verewigte DVD zum Bestseller avancierte.
Inzwischen sind acht Jahre seit dem letzten Studioalbum vergangen. Wer hätte gedacht, dass hier noch etwas kommt? Und dann ein Paukenschlag in bester Qualität! Die Songs stammen wie eh und je von den beiden Brüdern Rory und Calum Macdonald, die die Band 1973 gegründet hatten. In den zehn brandneuen Songs reflektieren sie noch einmal über all das, was ihnen am Herzen liegt und was Runrig ziemlich einzigartig gemacht hat – die Liebe zu den Highlands mit all ihren Mythen und Naturschönheiten, die Liebe zum Gälischen, aber auch menschliche Schicksale zwischen Leidenschaft und Krieg.
Bei aller inhaltlichen Nostalgie ist das Album enorm modern und zeitgemäß produziert. Die Entscheidung, Keyboarder Brian Hurren, dem jüngsten Bandmitglied, die Produktion anzuvertrauen, hat sich als „Meisterstreich“ (Calum Macdonald) erwiesen. Und was erwartet die Hörer? Pathos, Herzblut – durch und durch hymnische Titel. Bruce Guthro stammt ja eigentlich aus Kanada, doch er hat die schottische Seele tief eingeatmet und schickt sie häppchenweise zu uns. Auch die gälische Sprache kommt nicht zu kurz und Rory Macdonald übernimmt berührende Gesangsmomente.
Klar, ein bisschen Wehmut darf jetzt schon mal sein, denn es ist definitiv Schluss: „Dies ist die letzte Studioproduktion der Band, ein sehr signifikanter Meilenstein für uns alle, den wir natürlich gebührend feiern wollen.” (Rory). „Die Produktion des Albums war eine wahre Reise von Beginn bis Ende. Eines der Highlights war es, das Album in Prag zusammen mit dem 32-köpfigen Prague Philharmonic Orchestra aufzunehmen. Es war eine unglaubliche Erfahrung und half sehr, die Emotionen in den Songs hervorzubringen. Wir haben versucht, alles mit einfließen zu lassen, was die Fans an unserer Musik lieben: Nostalgie pur, nach unseren besten Möglichkeiten aufgefrischt und aufgepeppt. Ein mutiger Schritt zum Abschluss unserer 40-jährigen Bandgeschichte!” (Brian). „Es gibt viele Stories auf dem Album, aber die meisten Geschichten sind über uns als Band selbst. Dies zeigt sowohl das Material als auch Brians Produktion – man könnte sagen, ein Großteil der Songs hat eindeutig eine nachdenkliche Note.“ (Calum). Das wollen wir mal so stehen lassen und uns an dem traumhaften Abgesang erfreuen.
Eine kleine Verzögerung hat es gegeben, was den Veröffentlichungstermin angeht, aber morgen ist es endlich so weit! Phil Collins blickt auf seine Karriere zurück, die mit Verkaufszahlen von weit über 100 Millionen Exemplaren und mehreren Alben, die weltweit die Nummer-1-Positionen erreichten, zu den außergewöhnlichsten Erfolgsgeschichten überhaupt gehört. Gleichzeitig erzählt der Meister in diversen Interviews, wie viel Bock er auf eine Genesis-Reunion hätte, wenn Herr Gabriel denn mitziehen würde. Keine Frage: Phil Collins ist momentan mal wieder in aller Munde.
Im Rahmen der retrospektiven Re-Issue-Reihe „Take A Look At Me Now“ werden alle acht Soloalben in erweiterten und remasterten Editionen veröffentlicht werden. Die Kampagne beginnt mit zwei Jahrhundert-Alben – dem 1981er Debüt-Album „Face Value“ und dem Album „Both Sides“ aus dem Jahr 1993. Zwei sehr unterschiedliche Werke, die aber sinnbildlich für die großartige Karriere des smarten Briten stehen.
Wo soll ich anfangen? Ein feiner Zug ist es, dass die Alben gleich in einer Box hier ankommen, die Platz für den gesamten Veröffentlichungs-Zyklus bietet. Das Teil wird sich gut neben den Genesis-Boxen machen, die seit Jahren mein Regal zieren. Dann fallen die Albumcover auf. Traditionell ist Phil selbst darauf zu sehen – doch er hat die Coverfotos mit dem gealterten Ego neu aufgenommen. Ein genialer Schachzug und sehr schön anzuschauen.
„Face Value“ beginnt bekanntermaßen mit einem Paukenschlag. „In The Air Tonight“ war in den 80er Jahren das Referenzstück zum Testen von Hochtönern, Endstufen und Bassboxen. Was für ein zeitloses Stück Musik! Und im neu remasterten Sound so glasklar, dass man die Luft schwirren hört. Nach dem Paradestück folgte und folgt ein solides Debütalbum. Teils an den 80er Mainstream angelehnt, aber auch mit geilen Ausreißern wie „Drones“ und „Hand In Hand“. Funktioniert immer noch.
Die Bonus-CD enthält Liveaufnahmen und Demos. Während die Demos eher ein Fall für Komplettisten sind (zum Teil unveröffentlicht, also essentiell), geben die Livetitel einen mehr als spannenden Einblick in die Songgeschichte. Phil Collins kuratiert die Reihe selbst und stellt persönlich das Repertoire der Editionen zusammen. Seine Idee für das Konzept besteht darin, zu untersuchen, wie sich die Songs über die Jahre hinweg weiterentwickelt haben. Indem er den Originalen der Studioversionen das Material aus späteren Performances gegenüberstellt, zeigt die Serie, wie die Songs im Laufe der Jahre ein Eigenleben entwickelten, sobald sie die gepflegte Enge des Studios verlassen hatten. Ganz zum Abschluss gibt es die vertrauten Klänge von „Against All Odds“ als instrumentales Demo. Wundervoll.
Das fünfte Collins-Solo-Album „Both Sides“ atmet den Geist der 90er Jahre. Sehr ruhig, traurig, fast schon trist. Kein Vergleich zu den glamourösen Hits der Vorgänger. Alles ist langsam und melancholisch gehalten – ein Werk für die Depri-Phasen des Lebens. Und doch wächst es, wenn ich es jetzt mit Abstand mal wieder höre. Kaum zu glauben, dass Phil Collins zwischen all den Hit-Zusammenstellungen ein solches Juwel geschaffen hat, das man einfach am Stück hören und genießen muss.
Die Bonus-CD glänzt auch hier mit sehr atmosphärischen Liveaufnahmen. Das Demo-Material nimmt diesmal nicht so viel Raum ein. Zum Ausgleich gibt es aber B-Seiten wie „Take Me With You“. Alle Alben der Serie wurden von Nick Davis gemastert, der für seine Arbeit am Box-Set „Genesis 1970-1975“ bereits mit einer Grammy-Nominierung belohnt wurde. Davis hatte seinerzeit an der gesamten Genesis-Retrospektive gearbeitet. Die weiteren sechs Alben des Solo-Repertoires werden in den folgenden Monaten erscheinen.
Sie kommen aus dem kleinsten Bundesland und zählen zu den derzeit größten Deutschrockbands. Unter dem Titel „Heute-morgen-für immer“ veröffentlichte die saarländische Band KrawallBrüder kürzlich ein Doppelalbum mit 28 Songs, bestehend aus komplett neuem Material sowie ihren größten Hits in neuem Soundgewand.
In den letzten 22 Jahren haben sich die KrawallBrüder stetig und nonkonform an die Speerspitze der deutschsprachigen Rockmusik gekämpft. Ein oftmals steiniger Weg, denn die vier Musiker mussten sich dabei durch viel Gegenwind und Kritik arbeiten. Immerhin hat man es sich anscheinend zur Lebensaufgabe gemacht, anzuecken und auszusprechen, was andere nicht anpacken möchten. Die Band wird gerne mal in die rechte Ecke gestellt, weist deren Inhalte aber weit von sich. In den Texten geht es dann auch eher um eine Art Fundamentalopposition.
Mir liegt leider nur die Standard CD mit 15 Tracks vor. In sich stimmig und mit ordentlichem Härtegrad. Man will die Republik rocken – mit einer Mischung aus Rock, Punk, Metal und Hardcore. Sehr vielseitig und trotzdem stilsicher. Es geht Schlag auf Schlag und äußerst selbstbewusst durch die alten und neuen Songs, die sich munter abwechseln. Dass dabei Erinnerungen an die Böhsen Onkelz und Frei.Wild, aber auch an die Toten Hosen aufkommen, ist wohl nur natürlich. Und doch bewahren sich KB ihre Eigenständigkeit durch rotzig-freche Vocals und eine musikalische Klarheit in der Instrumentalfraktion.
Zu dem großen Jubiläumspaket kann ich leider nichts sagen. Die Standard-Ausgabe überzeugt jedenfalls in der metallischen, knallhart nach vorn treibenden Ausrichtung. Mit Intro und abschließendem Titelsong wird da aus dem Best-of-Paket eine homogene Einheit. Für Einsteiger bestens geeignet.
Hier findet ihr unsere Fotos von Coheed and Cambria und Agent Fresco am 26. Januar 2016 in der Live Music Hall in Köln.
Kraftklub werden regelmäßig zu einer der besten Live-Bands Deutschlands erklärt. Keine Überraschung also, dass die Mitsubishi Electric Hall in kürzester Zeit ausverkauft war. Kraftklub waren die letzten Jahre fast ununterbrochen auf Tour – komischerweise noch nie in Düsseldorf, wie sie verwundert feststellen. Bei der gemütlichen Kennenlernrunde stellt sich dann aber auch schnell heraus: die meisten hier kommen gar nicht aus Düsseldorf, sondern von weit weg, um die Band zu erleben. Wer Kraftklub einmal live gesehen hat, dem muss man das auch nicht mehr erklären.
Obwohl, im Vergleich zum letzten Jahr im Kölner Palladium, muss ich sagen, die Jungs wirken müder. Die Sprünge sind nicht mehr ganz so hoch, sie sind nicht mehr ganz so viel auf der Bühne unterwegs. Wer soll es ihnen übel nehmen… Touren ist harte Arbeit.
Dafür aber, meine Herren, was für ein Publikum! Ich stand vorausahnend auf der Tribüne und konnte das Treiben in seiner vollen Pracht bewundern. Von der ersten Minute an („Wie ich“, „Eure Mädchen“, „Ich will nicht nach Berlin“) wurde von vorne bis hinten getobt, gesprungen, gerudert, gemosht, gepogt, gecyclet und sich über die Menge geschoben. Düsseldorf hat gesungen, getanzt, geklatscht und geschwoft. Wie toll, das Publikum stiehlt die Show!
Kraftklub freut das. Die Jungs beziehen bei ihrer Show das Publikum immer viel mit ein, sei es durch ein Glücksrad, mit dem Jana den nächsten Song auswählen darf („Lieblingsband!“), dem Ausleihen diverser Kopfbekleidungen für „500 K“ oder dem gewohnten Um-die-Wette-Stagediven nach „Meine Gang“ (Hat mich da gerade einer mit Sauerkraut beworfen?!).
Bei Kraftklub haben auch die Securitys Spaß, und beim Vorband-Song springt auch mal der Drummer der Toten Hosen mit auf die Bühne. Die Party, die Düsseldorf da feiert, wird schwer zu überbieten sein. Kraftklub bedanken sich mit Konfettiregen und der Ankündigung, dass sie dieses Jahr keine Konzerten und Festivals mehr spielen werden. Sag ich doch, müde sind sie.
Und die Fans diskutieren draußen von der möglichen Band-Auflösung bis zum neuen Album alles rauf und runter, wären sie im Zug sitzen und sich auf den Weg nach Hause machen. Nach Essen, nach Köln, nach Dortmund, nach Siegburg und ein paar auch nach Düsseldorf.
Die Räuber wurden 1991 in Köln gegründet und sind im Prinzip eine typische Karnevalsband. Vor allem kölsche Titel, zum größten Teil selbst komponiert – so wurden sie einem großen Publikum bekannt. „Denn wenn et Trömmelche jeht“ gehört auf jede echte Fastnachtssitzung und „Wer hat mir die Rose auf den Hintern tätowiert“ funktioniert auch auf der Ballermann-Party.
Jetzt feiern sie also Silberjubiläum. Man darf die Räuber durchaus als Botschafter für Köln oder das Rheinland betrachten, obwohl sie sich selbst nie so gesehen haben, denn es gibt Kapitel in ihrer Geschichte, die das nahelegen. Als sie zum Beispiel den Sicherheitschef der Deutschen Botschaft in den USA mit „Ich bin ne kölsche Jung“ zum Weinen brachten. Oder als sie in Kutztown/Pennsylvania eine alte Dame, die mit ihrer Mutter vor den Nazis nach Amerika entkommen konnte, mit „Heimweh noh Kölle“ gegen ihren einst gefassten Schwur davon überzeugen konnten, doch noch einmal Köln zu besuchen.
Eine Grundlage des Erfolgs ist die Vielseitigkeit der Räuber. Denn sogar im Rheinland gibt es ein Leben außerhalb des Karnevals. Diese Facetten bespielen sie mit ihren Konzerten im Millowitsch-Theater, den unplugged Krätzjen-Abenden im Senftöpfchen oder auf ihrer Kneipentour mit „Welthits op Kölsch“.
Die aktuelle Single „Dat es Heimat“ hat Rod Stewarts Smash-Hit „I Am Sailing“ zur Grundlage. Melancholisch, ernsthaft und – ja – durchaus etwas kitschig. Geschenkt. Der Titel ist Balsam für die kölsche Seele und dürfte schnell zum Sessionsklassiker avancieren.
Zum Jubiläum gibt es gleich eine Doppel-CD. Disc 1 präsentiert das eigentliche neue Album „Dat es Heimat“ mit kölschen Songs, die von Herzen kommen. Manches davon ist vielleicht wirklich nur an Karneval zu ertragen – doch wenn man in bierseliger Laune an geile Zeiten denken oder den Kumpel an die Theke bitten will, liegt man hier goldrichtig.
Wem das zu tränenrührig ist, der bekommt auf Disc 2 mit dem Titel „Partyhits“ das genaue Gegenteil. Für die Feierwütigen gibt es alte Hits in neuem Gewand – bevorzugt als sogenannter Partymix mit aufgepepptem Arrangement. Damit sollte man bei den anstehenden Tanzabenden die Menge fest im Griff haben. Zum 25jährigen ist die Doppel-CD jedenfalls der perfekte Einblick ins Schaffen der Räuber.
Die Autobiographie des Countrysängers und Schlagerbarden aus Westfalen trägt den Titel „Wer einmal tief im Keller saß“. Das sagt viel aus über die Höhen und Tiefen der Karriere Gunter Gabriels. Er war es, der den deutschsprachigen Schlager im Countrystil etablierte und unzählige Hits für Juliane Werding, Peter Alexander und die Zillertaler Schürzenjäger schrieb, gleichzeitig aber in den 80ern vor dem wirtschaftlichen Ruin stand und künstlerisch erfolglos blieb.
Trotzdem ließ sich der inzwischen 73jährige nicht unterkriegen und legte regelmäßig gefällige Longplayer wie „Straßenhund“, „Gunterwegs“ und „Das ist meine Art“ vor. Einen großen Wunsch erfüllte er sich in der Zusammenarbeit mit Johnny Cashs Sohn John Carter, der für ihn ein Album mit Cash-Songs in deutscher Sprache produzierte („Gabriel singt Cash – Das Tennessee-Projekt“, 2003).
Mir gefallen die aktuellen Projekte des gealterten Barden sehr gut und vor allem sein Album „Sohn aus dem Volk“ hat mich ausgesprochen beindruckt. Umso erschreckender fand ich, dass er sich in die Niederungen des Dschungelcamps begeben musste. Seine Leidensgenossen inklusive des gehässigen Moderatorenduos gehören sicher weit in die australische Einsamkeit, doch dass Gunter Gabriel dies nötig hatte, halte ich für eine menschliche Tragödie.
Zum Glück hat er nach fünf Tagen das Camp verlassen und kann sich nun sorglos diversen Wiederveröffentlichungen seines Frühwerks widmen. Das Album „Ich bin Gunter Gabriel“ ist als Best Of angelegt, enthält aber leider nur Titel aus der Zeit von 1979 bis 1982. Um nicht missverstanden zu werden: Da finden sich klasse Songs, weit weg von jeder Schlagerattitüde, die Gunter Gabriel mit charmant-verlebter Stimme vorträgt. Darunter sind wahre Klassiker wie „Er ist ein Kerl“, „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“ und „Komm unter meine Decke“. Außerdem Coverversionen berühmter US-Hits wie „Me And Bobby McGee“ (Freiheit ist ein Abenteuer) und „The Cover Of Rolling Stone“ (Wär ich doch nur ein Rolling Stone).
Schöner wäre es aber, wenn man auch sein Spätwerk entsprechend gewürdigt hätte. Die Songs seiner letzten Alben sind es definitiv wert, ein Ohr zu riskieren. Der Mann hat noch immer was zu sagen.
Eigentlich ist „Catch & Release“ ja ein waschechter Singer-/Songwriter-Titel. Stark in den Lyrics, mit Piano vorgetragen und sehr einfühlsam gesungen. Doch um Adele von der Chartspitze zu stoßen, braucht es mehr als das. Für den Dauer-Radioeinsatz wurde der „Deepend Remix“ des Songs geschaffen, der einige (zugegebenermaßen kleine) elektronische Verfremdungen mit einbaut. So nimmt man die Jugend mit und – zack – ganz vorn in den Singlecharts.
Wie es der Zufall will, gibt es zugleich auch noch eine Neuauflage des gleichnamigen Studioalbums. Angeführt von besagtem Remix liefert Matt Simons die elf Songs des Originalalbums, das bereits vor einem Jahr erstmals erschien, und drei bisher unveröffentlichte Songs.
„Catch & Release” entstand in Zusammenarbeit mit verschiedenen Songwritern und Produzenten aus den USA und den Niederlanden. Nach anderthalb Jahren Schreibblockade war das eine Phase voller Kreativität, wie Simons selbst sagt. Seine Musik ist geprägt von eindrücklichen Harmonien, traurig-melancholischen Texten und Songstrukturen, die sich an seinen Vorbildern, den Beatles, orientieren. Manchmal sind seine Songs traurig, aber dennoch wunderschön, denn die Texte beinhalten neben einigen traurigen Momenten gleichzeitig auch Wahrheit, an der man sich letztlich erfreuen könne, erläutert der Künstler.
Alles in allem erinnert der Kalifornier, der in den USA noch auf den großen Erfolg wartet, an Songwriter-Kollegen wie Milow oder Passenger, ohne jedoch auf die Gitarre zu setzen. Er bringt vielmehr Jazz-Elemente und eine Prise Pop mit ein. Beeindruckend finde ich vor allem den akzentuierten Gesang. Simons legt viel Wert auf seine Stimme und setzt sie melodisch ein. „Catch & Release“ ist definitiv mehr als ein One-Hit-Wonder.
Schon seit über 25 Jahren ist der Chinesische Nationalcircus mit wechselnden Programmen in Europa unterwegs und begeistert sein Publikum mit akrobatischen und schauspielerischen Elementen. Am 21. Januar 2016 war das Ensemble in der Arena Trier zu Gast und verzauberte die Menschen mit einer zweistündigen Reise in die chinesische Kultur.
„Chinatown“ heißt das aktuelle Programm, welches an diesem Abend das Setting im Hintergrund vorgab. Viel Kulisse brauchte man dafür nicht. Eine Straßenschlucht auf Leinwand und ein Baugerüst, das als Hilfsmittel für manche Showeinlage genutzt wurde – das war’s eigentlich schon. Den roten Faden bildeten als Handlungselement zwei Chinesen mit Anzug und Koffer, die sich im imaginären Chinatown an den dargebotenen Attraktionen erfreuten.
Und da gab es einiges zu sehen, vor allem traditionelle Jonglier- und Artistik-Einlagen. Eine Akrobatin turnte am herab hängende Tuch hinauf und herunter. Es wurde mit Tellern jongliert, mit schweren Krügen und mit Tischen. Um die Show im Fluss zu halten, genügten kleine choreographische Mittel. Meist waren Mitglieder des Ensembles als schmückendes Beiwerk mit auf der Bühne, um ihre Kollegen tänzerisch zu begleiten, anzustacheln oder ihrer Bewunderung Ausdruck zu verleihen.
Das ist es, was die Show des Chinesischen Nationalcircus ausmacht: Man bekommt keine Abfolge von ausgelutschten Zirkusnummern, sondern ein aufeinander abgestimmtes Gesamtkonzept. Tiernummern gibt es bei dieser Show traditionell nicht, dennoch durfte man eine Dressurnummer chinesischer Fabelgestalten bewundern, die von jeweils zwei Artisten im Kostüm dargestellt wurden.
23 Protagonisten fanden sich in wechselnder Zusammensetzung ein – und neben der allzeit schönen Optik waren auch die tänzerischen Elemente nicht zu verachten. So spielte die Musik eine große Rolle, sei es mit traditionellen fernöstlichen Melodien oder ganz modernem HipHop-Sound. Auch die Poesie kam nicht zu kurz. Der Chinesische Nationalcircus setzt eher auf die feinen, verträumten Elemente als auf den großen Knalleffekt.
Die beiden Touristen im Anzug sorgten immer wieder für ruhige Momente. Keine verrückten Clownerien, sondern dezente Slapstick-Einlagen waren angesagt. Eine Verballhornung des Publikums fand damit überhaupt nicht statt. Vielmehr nahm man sich selbst auf die Schippe. Derweil feuerte eine Magierin eine Invasion von Spielkarten in die Menge oder eine Artistin versuchte auf einem immer höher werdenden Stuhlstapel eine Glühbirne auszuwechseln.
Es gab einige große Gruppen-Choreographien. Eine Schar von Burlesque-Tänzerinnen verausgabte sich in unmöglichen Bewegungen und Verrenkungen. Es wurde mit Fächern getanzt oder mit einer Unmenge von Hüten über die Bühne gewirbelt. Zeiten der Langeweile gab es an keiner Stelle.
Auf jeden Fall macht es Sinn, diese virtuose Show nicht im profanen Zirkuszelt zu zeigen, sondern auf eine echte Showbühne zu verlegen. Leider war die Arena bei weitem nicht so besetzt, wie es hätte sein können. Die Zuschauer aber, die den Weg nach Trier fanden, wurden für ihr Vertrauen in die Chinesischen Artisten mehr als belohnt. Am Ende der Show waren stehende Ovationen der Dank eines Publikums, das für eine kurze Zeit die eigenen Probleme vergessen und sich in eine fremde Kultur hinein träumen durfte.
Hier findet ihr unsere Fotos von dem Kraftklub Konzert am 21. Januar 2016 in der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf.
Purple Schulz misst nur 168 cm, aber er ist immer noch ein ganz Großer. Seine Konzerte sind ein Fest für Menschen, die erwachsene Popmusik mit intelligenten Texten lieben, für Menschen, die nostalgisch in den 80er und 90er Jahren schwelgen möchten, für Menschen, die an die Magie des Augenblicks glauben. Vergangenen Freitag machte ich mich in die Stadthalle Landstuhl auf, um mal wieder ein Livekonzert des Meisters zu sehen. Da lohnt es sich durchaus, den Weg 80 km durch Schnee und Eis zu machen. Schade, dass nicht viele Menschen so dachten. Die Veranstalter von Anderswelt hatten das Beste aus der Situation gemacht und gemütliche Sitzgruppen aufgestellt, die eine wohlige Club-Atmosphäre aufkommen ließen. Trotzdem schade, dass weniger als 100 Zuschauer gekommen waren, um den ehemaligen NDW-Helden zu sehen, der auch heute noch seine Zuhörer sichtbar bewegen kann.
Das Konzert startete mit Kinderlachen. Im Prinzip reichte das schon aus, um dem positiv gestimmten Publikum das Herz aufgehen zu lassen. Und dann betrat Purple durch die Menge hindurch die Bühne, um „Ich hab Feuer gemacht“ anzustimmen. Eine Hymne für alle, die etwas verändern wollen. In gut gelaunten Ansagen stimmte er das Publikum auf den Abend ein und verwies auf das musikalische Drei-Gänge-Menü, das er dem „kleinen Kreis“ von Musikliebhabern bieten wollte. Dann ging es daran, das Loop-Gerät zu erklären, das sich unter Purples Keyboard befand. Dazu erzeugte er nur mit Aufnahmen seiner eigenen Stimme ein Wirrwarr, das an eine Maischberger-Talkshow erinnerte. Damit waren auch die ersten Lacher auf seiner Seite.
In den letzten Jahren hat Purple im Duo-Format die perfekte Setlist erarbeitet, die so häufig gar nicht geändert wird. Zeitweise war er mit dem Gitarristen Schrader unterwegs, der jetzt bei den Höhnern aktiv ist. Seit kurzem begleitet ihn aber Markus Wienstroer, der lange Zeit im Jazz- und Country-Metier tätig war, schon viele bekannte Künstler unterstützte und überhaupt ein begnadeter Musiker ist. Zwar nicht so extrovertiert wie Schrader, aber an Gitarre und Violine ein wahrer Meister der leisen Töne.
Der Konzertbogen im ersten Teil schlug sich vom bekannten Mitsing-Hit „Schöne Leute“ hauptsächlich über Songs des aktuellen Albums „So und nicht anders“. Da gab es das berührende „Fragezeichen“, das die Welt aus der Sicht dementer Menschen schildert, oder ein systemkritisches „Uns kann nichts passieren“. Trotz aller Ernsthaftigkeit und Melancholie kam der Humor nie zu kurz. Purple erklärte die Regeln des kölschen Buddhismus und entließ mit der Religionskritik von „So macht das keinen Spaß“ in die Pause.
Man merkte dem Publikum seine Begeisterung an – dabei sollten die Höhepunkte im zweiten Teil ja erst folgen. Mit Wienstroer hat Purple jetzt einen Mitstreiter, der auch die Violine gekonnt beherrscht. Das gibt die Möglichkeit, Songs wie „Eine kleine Geschichte vom Ende einer großen Liebe“ im Set unterzubringen, die es früher nicht live gab. Wunderschön. Zudem gab es nun die Balladen „Unter der Haut“, „Kinderleicht“ und „Kleine Seen“, die viele zu Tränen rührten.
Ein Höhepunkt für viele war sein erster und größter Hit „Sehnsucht“. Kann man einem solchen Text neue Facetten abgewinnen? Purple bat die Zuschauer, an einen dreijährigen Flüchtlingsjungen zu denken, der tot am Sandstrand liegt. Und plötzlich bekamen die Lyrics eine ganz neue Dimension: „Warum hast Du mich gebor’n? Bevor ich da war, war ich schon verlor’n? Land der Henker, Niemandsland. Das Paradies ist abgebrannt. Ich hab‘ Heimweh – Fernweh? Sehnsucht.“ Gänsehaut bei einem Song, der schon 32 Jahre auf dem Buckel hat, von zeitloser Aktualität ist und das Publikum schier erstarren ließ. In diesem Zusammenhang sei auch Purples Autobiographie „Sehnsucht bleibt“ empfohlen, die unlängst erschienen ist.
Doch Purple Schulz ist niemand, der sich lange in den Sentimentalitäten suhlt. Er will etwas bewegen und aufrütteln. Seine Konzerte sind ein Wechselbad der Gefühle. So konnten an dieser Stelle auch ohne Stilbruch „Verliebte Jungs“ und „Du hast mir gerade noch gefehlt“ folgen. Er nahm die Zuhörer auf jeden Weg mit und viele werden sich mal wieder gewundert haben, wie textsicher sie den Songs folgen konnten.
Im Zugabenblock versucht Purple traditionell, die Gefühlswelt der Anwesenden auszureizen. Hier liegt seit eh und je seine Stärke. Es ist das Dessert im Menü, wie Purple sagt. Der Moment, für den Künstler auf die Bühne gehen und Menschen Konzerte besuchen. Zunächst war es noch humorvoll und Purple enterte als Clown die Bühne, um sich „dem Brauchtum“ zu widmen, für das er U2s „With Or Without You“ mit kölschem Text versah. Wie bekommt man jetzt die Kurve zu einem melancholischen Abschluss?
Purple erzählt eine Geschichte von der Beerdigung eines Karnevalisten. Er regt zum Nachdenken an, berichtet vom Abschiednehmen und philosophiert über den Tod. Es ist still in der Halle. Jeder – aber wirklich jeder – hört gebannt zu und hängt an seinen Lippen. Dann setzt er sich ans Klavier und spielt „Der letzte Koffer“, das sich auf bewegende und tröstliche Weise mit dem Thema Sterben auseinandersetzt. Klavierklänge. Vielleicht eine Seele, die zum Himmel schwebt. Keiner wagt es zu klatschen. Stille im Saal und Purple beendet das Konzert mit „Immer nur leben“. Ein verzaubertes Publikum und stehende Ovationen waren der Dank dafür. Man kann Purple nur zu diesen magischen Momenten gratulieren und ich empfehle jedem Leser dieser Zeilen einen Konzertbesuch – uneingeschränkt.
In diesem Jahr feiern BAP ihr vierzigjähriges Bestehen. Ab Mitte Mai wird man dies auf einer Jubiläumstour quer durch die Republik ausgiebig feiern. Immerhin gehören BAP zu den erfolgreichsten deutschen Bands aller Zeiten. Elf ihrer Alben landeten auf der Spitzenposition der deutschen Charts, zuletzt das Live-Album „Das Märchen vom gezogenen Stecker“. Bis 1980 trat die Band unter dem Namen Wolfgang Niedecken’s BAP auf, danach bis Ende 2014 als BAP. Nach dem Ausstieg der Bandmitglieder Jürgen Zöller und Helmut Krumminga gab Niedecken bekannt, zukünftig in wechselnden Besetzungen unter der Bezeichnung Niedeckens BAP aufzutreten. Die Musik und die Botschaft hinter all diesen Namen blieb immer die gleiche.
Es hätte wohl keinen besseren Titel für das achtzehnte Album des aktuellen Siebenerpacks um Frontmann Wolfgang Niedecken geben können als „Lebenslänglich“. Denn egal wie die Kölner Formation in den vergangenen vier Jahrzehnten auch immer hieß, man hatte stets das Gefühl, dass sie schon immer da und noch nie weg war. Für viele mag der 40. Geburtstag ein Anlass sein, um wehmütig zurückzublicken. Nicht so für Wolfgang Niedecken. Mit „Lebenslänglich“, übrigens das erste reguläre BAP-Studioalbum seit fünf Jahren, spannt er nach dem Ausflug in akustische Gefilde wieder den Bogen zur Rockband. Im Zuge der Veröffentlichung hat manch ein Kritikerkollege versucht das Album in Zusammenhang mit dem zu setzen, was an Silvester in Köln passiert ist. Das ist natürlich völliger Quatsch. „Lebenslänglich“ war schon vorher fertig, wurde danach auch nicht ergänzt oder sonstwie verändert, wie Niedecken in einigen Interviews der letzten Zeit betont hat. Dass man gerade ihm jedoch eine scharfe Zunge und einen wachen Verstand bei der Beschreibung der speziellen Befindlichkeiten in der Domstadt attestieren kann, steht außer Frage. So findet sich diesmal unter den vierzehn neuen Songs mit „Dausende vun Liebesleeder“ sogar eine rockige Ode an die „schönste Stadt“.
Insgesamt klingt das neue Album wunderbar erdig und warm. Sicherlich ein Verdienst des Produzenten-Duos Ulrich Rode und Anne de Wolff sowie von Stewart Lerman, der „Lebenslänglich“ in New York abgemischt hat. Musikalisch huldigt Niedecken darauf seinen Helden zwischen Tom Petty und Bob Dylan, dessen Stück „Simple Twist Of Fate“ er in „Komisch“ umdichtet. Es sind die politischen Statements, Alltagsbeobachtungen, Geschichten, Geständnisse und Rückblenden, die es neben dem Mix aus Country, Folk und Americana so frisch und abwechslungsreich klingen lassen, als habe die Band nicht schon vierzig Jahre auf dem Buckel. Und ein bißchen Altersweisheit darf man Niedecken inzwischen auch zugestehen, ohne ihm wie so oft eine reflexartige Betroffenheitslyrik vorzuwerfen. Zumal er diese Altersweisheit selbst nur dosiert einsetzt. Etwa in „Et ess lang her“, in dem er quasi mit 34 Jahren Verspätung die Geschichte hinter dem Über-Hit „Verdamp lang her“ erklärt. Am Anfang des Albums steht das Plätschern des Rheins und „Alles relativ“, ein Song, der erzählt, was vor und nach „Verdamp lang her“ so alles passiert ist. Ansonsten wäre Niedecken nicht Niedecken, wenn er den Finger nicht auch in aktuelle Wunden legen würde. Dazu gehören die Flüchtlingsfrage („Vision vun Europa“), die Kriege im Nahen Osten („Absurdistan“) oder das neue deutsche Besorgtbürgertum („Sankt Florian“).
Gastmusiker gibt es auf „Lebenslänglich“ auch. Von Brücken-Sänger Nicholas Müller singt im Refrain von „Dä Herrjott meint et joot met mir“ mit und bei „Die Ballade vom Vollkasko-Desperado“ werden BAP vom Calexico-Trompeter Martin Wenk unterstützt. Dabei sind die wahren Balladen des Albums ganz andere. „Miehstens unzertrennlich“ erinnert an eine Jugendliebe, während „Zeitverschwendung“ an Niedecken’s Frau Tina gerichtet ist. In „Schrääsch hinger mir“ huldigt er dem ehemaligen Schlagzeuger Jürgen Zöller, der zwischen 1987 und 2014 die Felle für BAP bearbeitet hat. Dazwischen liegen noch das tiefenentspannte „Auszeit“ und der Closer „Unendlichkeit“, dessen Textzeile „Lebenslänglich sucht man Zuversicht“ dem Album seinen Namen gab.
Dafür, dass Wolfgang Niedecken nach eigener Aussage am Anfang der Arbeiten an „Lebenslänglich“ kurz vor einer Schreibblockade stand, ist das Ergebnis grossartig geworden. Es ist weit entfernt von der gefühlten Anstrengung, die den BAP-Kosmos eine ganze Zeit lang umgab. Und es ist auch weit entfernt von der Versuchung das Ding nach vierzig erfolgreichen Jahren als Selbstläufer zu betrachten. Um es mit einem Wort zu sagen: „Lebenslänglich“ klingt verdammt souverän. Einigen ihrer berühmten Söhne hat die Stadt Köln bereits ein Denkmal gesetzt. So blinzelt ein bronzener Willy Millowitsch auf dem nach ihm benannten Platz in die Sonne. Oder Heinz Flohe, der vor der Südkurve des Rhein Energie Stadions den Ball in ein imaginäres Tor schießt. Dass es mit der Umsetzung neuer Ideen in Köln ansonsten auch mal etwas länger – ich möchte nicht gleich sagen vierzig Jahre lang – dauern kann, das weiß natürlich auch Wolfgang Niedecken. Deshalb hat er sich mit „Lebenslänglich“ sein Denkmal kurzerhand selbst geschaffen.
Gerade mal zwei Alben haben Savage Garden Ende der 90er Jahre veröffentlicht. Umso beeindruckender ist es im Nachhinein, wie viele Disco- und Radiohits darauf vertreten waren. Die 1995 von Darren Hayes und Daniel Jones gegründete Band avancierte zu Australiens erfolgreichstem und populärstem Pop-Duo. Mit ihren melodischen Songs verkauften Savage Garden international mehr als 20 Millionen Alben und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zudem sind sie eine von nur zwei australischen Bands, denen zwei Nummer-1 Hits in den USA gelangen.
Es gab bereits eine Compilation vor zehn Jahren. Die neue Zusammenstellung trägt den programmatischen Titel „The Singles“ und enthält einen bisher unveröffentlichten Song. Darüber hinaus bekommt man (oh Wunder) eine Zusammenstellung aller Single-Veröffentlichungen in chronologischer Reihenfolge.
Gerade mit den ersten Titeln fühle ich mich auch nach so langer Zeit noch sehr vertraut. Das sind Songs für die Ewigkeit. Die Stimme von Darren Hayes klingt einfach göttlich. Bei den Balladen schwelgt er in höchsten Tönen und gerade in Rocknummern wie „Break Me Shake Me“ klingt er wie ein energischer Michael Jackson.
Die bekannten Smashhits „To The Moon And Back“ und „Truly Madly Deeply“ funktionieren nach zwanzig Jahren noch wie am ersten Tag. Was allerdings fehlt, sind Tracks, die einen Mehrwert zu den Studioalben ausmachen. Keine B-Seiten, keine Livetracks – schade. Wer die regulären Alben im Schrank hat (und es sind ja nur zwei), kann sich die Compilation getrost sparen. Das unveröffentlichte Demo „She“ ist ein nettes Gimmick, im Vergleich zu den Singles der Anfangsjahre aber recht belanglos.
2004 bekam er den Echo für sein Lebenswerk. Die Zahl der Preise ist Legion. Und sein Auftreten, die Stimme mit dem englischen Akzent, immer noch unverkennbar. Eigentlich hatte der Sänger mit südafrikanischen Wurzeln schon 2003 seinen Abschied von der Bühne verkündet, doch vier Jahre später war er plötzlich wieder am Start. Im März 2015 ist laut Wikipedia-Zählung Studioalbum Nummer 35 erschienen.
Heute ist es soweit: Howard Carpendale wird 70! Aus diesem Anlass erschien am 8. Januar 2016 eine ganz besondere Best Of CD – zusammengestellt von den Teilnehmern eines großen Onlinevotings.
Auf einer speziellen Website lief bis Dezember eine Abstimmung, bei der die User aus einer Vorauswahl von 40 Titeln bis zu 10 ihrer persönlichen Favoriten nominieren konnten. Dabei stand das gesamte Carpendale-Repertoire Verfügung.
Die Titel mit den meisten Stimmen wurden auf CD 1 der neuen Compilation gepresst. Für CD 2 der Doppel-CD hat Howard Carpendale selbst eine Auswahl seiner persönlichen Lieblingssongs getroffen. Entsprechend vielseitig ist auch das Ergebnis.
20 Titel haben es auf die Voting-CD geschafft. Allerdings wird schnell deutlich: Es gibt hier keine Überraschungen. Logisch, den je mehr Fans teilnehmen, desto stärker nähert man sich dem Massengeschmack an. Also finden sich hier „Hello Again“, „Ti Amo“, „Samstag Nacht“, „Tür an Tür mit Alice“ und viele andere, vorhersehbare Hits. Erinnerungen an die ZDF Hitparade werden wach, wo Howie zum Dauergast avancierte. Auf jeden Fall ist CD 1 eine schöne Werkschau mit Titeln aus verschiedenen Karrierephasen.
CD 2 hingegen wird „Howards Favoriten“ genannt und bildet damit noch deutlicher eine Art von musikalischer Autobiographie des Künstlers ab. So hat er sich selbst eine Retrospektive geschaffen und auffallend viele atmosphärische Stücke ausgewählt, die sich von den bekannten Schlagern abheben. „Durban, South Africa“, „Wenn ich könnte wie ich wollte“, „Manchmal kommt ein Sturm ganz leise“, „Piano in der Nacht“ – das höre ich alles zum ersten Mal und finde es sehr bewegend. Aktuell dabei sind zwei Titel vom 2015er Album, nämlich „Das ist unsere Zeit“ sowie „Heute beginnt der Rest deines Lebens“.
Mir liegt nur die Standard-Version des Albums vor, aber es gibt auch eine Deluxe Edition mit drei Silberlingen. CD 3 beinhaltet demnach eine Auswahl von Raritäten und Überraschungen, die das Fan-Herz höher schlagen lassen: seltene und zum Teil unveröffentlichte Versionen von Titeln wie „Indianapolis“, „Frau ohne Morgen“ oder solche, die nur auf Maxi-Single erhältlich waren. Außerdem Titel aus dem Archiv, die damals nur auf Vinyl-Samplern erschienen sind und somit schon lange nicht mehr verfügbar waren, beispielsweise ein Westernmedley aus der TV-Sendung „Musik ist Trumpf“ von 1976 oder eines von 1973 aus dem Hit-Journal. Bis dato unbekannt ist der Titel „Sally’s Wagen“.
Eine runde Sache also zum 70. Geburtstag. Ansonsten bleibt es ruhig im Hause Carpendale. Statt für große Festivitäten nutzt er den Tag als kurze Atempause, denn nach dem gerade abgeschlossenen ersten Teil seiner großen „Das ist unsere Zeit“-Tournee steckt er bereits in den Vorbereitungen für Teil 2 im Februar sowie für eine Buchveröffentlichung im März.
Ich muss zugeben, dass ich mich einige Tage vor dieser Review gedrückt habe, obwohl das Album meinen Player in der ganzen Zeit kaum verlassen hat. Ist halt doch ein bewegendes Thema. Aber man kommt nicht drum herum. Gestern war ich auf einer Einführungsveranstaltung zu Puccinis Oper „Tosca“ im Theater Trier. Die Operndirektorin gab der Figur Tosca gleich zu Beginn den Beinamen „Diva“ und schlug den Bogen zu der letzten großen Diva der Musikwelt, die kürzlich von uns gegangen ist: David Bowie.
Wie recht sie damit hat. Dieser Mensch, der uns musikalisch so nah war und gleichzeitig immer wirkte, als käme er von einem anderen Stern. Wie Michael Jackson oder Freddie Mercury. Gesamtkunstwerke! Selbst Bowies Abschied wirkt wie eine finale Selbstinszenierung. Zum 69. Geburtstag legt er ein Album vor, das seinen Tod thematisiert und quasi voraussagt, hat vielleicht noch zwei Tage Zeit, um erste Reaktionen einzufangen, und verabschiedet sich dann von dieser Welt. So geht Größe.
„Blackstar“ ist ein typisches Bowie-Album – und damit alles andere als vorhersehbar. Keine eingängigen Popsongs, aber damit hat auch keiner gerechnet. Stattdessen viele überraschende Elemente. Jazzige Einflüsse – filigrane Bläser, vertrackte Melodiefolgen. Bowies Stimme schwebt so schwermütig, prägnant und zugleich selbstbewusst über der Musik, dass ich mehrfach schlucken muss. Stücke wie „Lazarus“ sind so eindringlich, dass man es kaum aushalten kann. „Look up here, I’m in heaven. I’ve got scars that can’t be seen.“ Und dann der Titelsong „Blackstar“: Hier fasst Bowie nochmal alles zusammen, was seine Musik ausmacht – ohne sich dabei in Kunstfiguren flüchten zu müssen. Fast zehn Minuten des puren Bowie, der nichts an Kreativität eingebüßt hat.
Der Zugang zum Album ist nicht immer einfach. Man sollte es auch nicht auseinander pflücken, sondern am Stück hören und die letzte Botschaft eines großen Künstlers genießen. Der Meister hat zum Abschied nicht gekleckert. Er hat uns ein wunderbares letztes Werk vorgelegt – voll von weltlichen Sehnsüchten und Todesahnungen. Mit 69 auf solche Weise von der Bühne abzutreten, ist phänomenal und der letzten Diva unserer Zeit mehr als würdig.