In den letzten Jahren tendiert John Grisham dazu, Figuren aus früheren Romanen zu folgen und sie in Fortsetzungen zum Leben zu erwecken. So tauchte Anwalt Harry Rex Vonner in mehreren Büchern auf und sein erstes Werk „Die Jury“ wurde 25 Jahre später mit „Die Erbin“ fortgesetzt, wobei in der Handlung zwischen beiden Geschichten kaum Zeit vergangen ist.
„Die Entführung“ ist eine Fortsetzung von Grishams Welterfolg „Die Firma“, der 1991 dazu führte, dass der Jurist aus Arkansas seinen Beruf als Anwalt komplett aufgab und zum hauptberuflichen Schriftsteller wurde. Der Roman ist ebenso legendär wie die zwei Jahre später folgende Verfilmung mit Tom Cruise in der Hauptrolle – und man hat sich schon immer gefragt, was wohl aus Mitch McDeere geworden ist.
Die Geschichte spielt 15 Jahre später. Der Klappentext erzählt uns: „Fünfzehn Jahre ist es her, dass Mitch McDeere gemeinsam mit dem FBI seine kriminelle alte Firma hat hochgehen lassen. Mittlerweile arbeitet er in der größten Anwaltskanzlei der Welt in Manhattan. Da holt ihn das Verbrechen wieder ein: Als ihn ein Mentor in Rom um einen Gefallen bittet, findet sich Mitch schnell im Zentrum eines mörderischen Konflikts wieder. Er soll durch eine immense Lösegeldzahlung eine Geiselnahme beenden, doch die Umstände sind dramatisch. Schon bald ist nicht nur er selbst in Gefahr, sondern auch die, die ihm nahestehen.“
Es ist also keine direkte Fortsetzung, denn die Welt der „Firma“ ist ja in selbigem Band untergegangen und Mitch war mit seiner Frau auf der Flucht vor der Mafia. Inzwischen ist er wieder bei einer großen Kanzlei als Partner tätig. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass es im neuen Roman noch Handlungsfäden gibt, die „Die Firma“ weiterspinnen, doch das geschieht höchstens peripher. „Die Entführung“ ist eine ganz eigene Story und entfaltet eine durch und durch politische Dimension. Dürfen sich Staaten erpressbar machen? Wie verhandelt man mit Erpressern? Wo werden die Fäden des Weltgeschehens gezogen?
Grisham verzichtet diesmal auf die üblichen Gerichtsszenen. Stattdessen reist man munter mit den Protagonisten durch die Welt. Das ist aber durchaus spannend und packend bis zum Schluss. Was mir (mal wieder) auffällt: Der Autor neigt oft dazu, nicht wirklich die Geschichte zu erzählen, sondern in einer Art Bericht die Handlung voran zu treiben. Das wäre bei vielen anderen Schreibern todlangweilig, aber Grisham versteht es schon immer, auch in diesem Stil seine Leser*innen bei der Stange zu halten. Darum meine Empfehlung – denn der Roman gefällt mir bei weitem besser als Grishams letzte Bücher.