Sechs Bands, eine Bühne in der Veltins Arena und über 27000 Menschen: Rock im Pott 2013. Dieses Jahr mit System of a Down, Volbeat, Tenacious D, Casper, Deftones und Biffy Clyro. Vor einem Jahr ist das Tagesfestival in Gelsenkirchen gestartet. Vorheriges Jahr lockte das Festival 35000 Menschen an, dadurch sah es dieses Jahr vergleichsweise leer aus. An der Qualität der Bands scheint es allerdings nicht zu liegen. Denn auch wenn es eine auffallend gemischte Runde war, haben sich die Veranstalter allein mit System of a Down und Volbeat zwei große Bands auf die Bühne geholt.
Biffy Clyro
Der Opener des Tages ist die schottische Gruppe: Biffy Clyro. Man hat das Gefühl an keinem Festival vorbei zu kommen, ohne die drei Jungs zu sehen. Mit „Stingin Belle“ eröffnen sie ihr 45 minütiges Set. Ein zugegeben starker Anfang für eine in Deutschland erst jetzt aufsteigende Band. Die Stehplätze der Veltins Arena sind bereits jetzt fast komplett besetzt. Im Vergleich zu 2012 eine starke Leistung, zumindest für diese Uhrzeit. Generell muss man den Schotten auch zugestehen ein gut gewählt Opener zu sein. Mit ihrem 2013 erschienenen Album „Opposites“ sind Sie immerhin in den deutschen Albumcharts auf Platz fünf gelandet. Und auch an Bühnen Präsenz fehlt es ihnen nicht. Auf deutsch begrüßen sie ihr Publikum und geben einem das Gefühl, dass sie das, was sie uns zeigen, selbst lieben. Generell gibt es für die Fans ein vielfältiges Set zu höre. Von schnellen Songs wie „That Golden Rule“ bis hin zu gefühlvollen wie „Opposite“. Ein klares Highlight ihres Sets ist ihr wohl bekanntester Song „Mountains“. Mit einem letzten deutschen „Vielen Dank“ verlassen sie die Bühne und beenden damit einen guten Start in den heutigen Festival Sonntag.
Deftones
Die Deftones zu so früher Stunde spielen zu lassen, war nicht wirklich gut geplant. Denn eigentlich braucht es für die Stimmung der Ausnahmeband doch wenigstens Abenddämmerung. Generell ist es mit den Jungs aus Sacramento ein Glücksspiel. Man weiß nie ob man zufrieden nach Hause gehen wird, oder man sich fragen muss, ob überhapt jemals ein Soundcheck stattgefunden hat, oder die Instrumente gestimmt wurden. Und heute ist leider ein Tag, der einem keine eindeutige Stimmung geben kann.
Mit Applaus begrüßt die Arena die fünf Musiker. Passend sphärisch beginnen sie ihre Show mit „Rosemary“, einem Stück ihres neusten Albums „KOI NO YOKAN“. Stimmlich scheint Sänger Chino, anders als bei vorherigen Konzerten, gut drauf zu sein, wenn auch generell zu leise. Highlights sind definitiv ihre älteren Stücke, wie „Be Quiet and Drive (Far Away)” und „My Own Summer (Shove It)”.
Zugegeben, die Deftones live sind kein vergleich mit ihren Platten. Songs mit so einer Disharmonie und experimentellen Sounds müssen vor allem den nicht-Fans exotisch, wenn nicht sogar befremdlich vorkommen. Zu schade ist aber auch, dass leider keine passende Stimmung aufkommt. Es ist zu hell und die Menge redet selbst bei Songs wie „Diamond Eyes” lautstark weiter. Zu ihrem letzten Song „Root“ klatscht die Menge im Takt mit. Nach gerade mal 40 minuten beenden Sie ihre Show. Leider muss man zugeben, dass die Deftones leider nicht zur Spitzenklasse der Live Bands gehören, aber eben auch die gesammte Arena Stimmung einfach nicht zu ihrem außergewöhnlichen Sound passt.
Casper
Die Veranstalter von Rock im Pott scheinen sich jedes Jahr einen Künstler raus zu suchen, der nicht ins Bild des Festivals passt. 2012 war es Jan Delay und dieses Jahr ist es Casper, der momentan in der Deutschrap-Szene durchstartet. Beschäftigt man sich allerdings einmal genauer mit Benjamin Griffey, Caspers bürgerlichem Namen, merkt man schnell, dass in ihm mehr Rock steckt, als man vermutet. Seine musikalischen Wurzeln reichen bis in den Metal/Hardcore Bereich. Erfahrungen sammelte er auch mit Bands wie „A Fear Called Treason“ oder „Not Now Not Ever“, in denen er tätig war.
Passend zu seinem neuen Album „Hinterland“ prangt ein Banner mit einem Priester, der bereit ist seine Jünger im Fluss zu taufen, hinter Casper und seiner Band. Eröffnet wird sein Set von dem Lied „Auf und davon“. Eins kann man nicht verleugnen: Casper hat eine starke Ausstrahlung und überträgt das für gewöhnlich auch auf die Menge. Doch scheint das Publikum heute bei ihrem dritten Act eingerostet. Dass die Menge nicht für Hip Hop da ist, wissen Casper und Band ganz genau und versucht dadurch an das Publikum zu gelangen. Leider lässt er sehr zickig klingende Sprüche fallen. Sätze wie „Wir finden es auch nicht toll, hier zu sein“ oder „Vor einem Gig im Altersheim hätte ich mehr Angst“. Diese Art scheint bei anderen Festivals anzukommen, aber leider nicht bei dem Publikum von Rock im Pott 2013. Ob man das nun einfach mit dem Satz „Er ist eben ein Rapper“ abtuen kann, oder sich daran stört bleibt jedem selbst überlassen. Trotzdem performt die Band, wenn auch mit schlechtem Sound, straight weiter. Es folgen Songs wie „Die letzte Gang der Stadt“ und „XOXO“. Erst mit „Blut sehen (Die vergessenen Pt.2)“ bringt Casper fast die komplette Arena zum ausrasten. Zugegben, Casper provoziert gerne und grenzt sich absichtlich vom Rest der Bands ab, aber in einem Punkt ist er bis jetzt der Vorreiter: Kommunikation mit dem Publikum. Auch wenn er weiterhin behautet es ganz schrecklich zu finden hier zu sein, hat kein Künstler des Tages bis jetzt so viel mit dem Publikum geredet.
Mit „So perfekt“ beendet Casper seine Show. Was einem komisch erscheint, schließlich hat er seinen neuen Song „Ascheregen“ nicht gespielt. Das dazugehörige Album „Hinterland“ wird in wenigen Monaten veröffentlicht und nicht nur von Hip Hop Fans sehnlichst erwartet.
Tenacious D
In guter alter Tenacious D Manier kommen Kyle Gass und Jack Black und ihre Band als Kuttengestalten auf die Bühne. Bekannt nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch wegen ihrer Filme und Serien, sind die beiden als Allround-Paket am besten als Entertainer zu beschreiben. Bei ihnen kommt es eben nicht nur auf die Stimmen an, sondern auch auf Bühnenshow, Anekdoten und besonders bescheuerte Texte. Bestes Bespiel, ihr Bühnenbild: Ein wütender Vogel, der ohne seine Flügel eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Penis besitzt.
Ihre Mühen lohnen sich. Selbst die mittlerweile mehr gewordenen Leute auf den Rängen stehen auf, um einen Blick auf sie zu werfen. Den dritten Song des Abends, „Roadie“, widmen sie passend ihrem Roadie und allen anderen Roadies der Welt. Es ist erstaunlich wie zwei Männer eine Arena so beeindrucken können. Bei diesem Duo vermisst man als Zuschauer Leinwände, die Close Ups übertragen. Sie leben von ihrer Bühnenshow und da ist es ab den ersten Wellenbrechern schwer, etwas zu erkennen. Dabei passiert so viel auf der Bühne. Zu „The Metal“ kämpft ein Metal-Roboter-Ritter-Riese gegen ein Alien und gewinnt. Tenacious D gelingt das, was Casper vorher mehrere Male versucht hat. Zu „Tribute“ singt die Arena unaufgefordert mit. Nach über einer Stunde kommen die Jungs zum Ende ihrer Show. Konfettiregen und der Song „Fuck Her Gently“ beenden das beeindruckende Set von Tenacious D. Ein Duo, das nach 20 Jahren auf der Bühne immer noch kindlich geblieben ist und genau deshalb Massen von Menschen unterhalten und begeistern kann.
Volbeat
Keine Band des Tages ist auf so vielen T-shirts vertreten wie Band Nummer fünf: Volbeat. Zu einem epischen Intro kommen die Musiker einzelnd auf die Bühne. Der Gesang ist so sauber und gerade, dass es fast wie vom Band klingt. Wo es bei Acts wie Casper oder Deftones noch etwas dünn um die Soundqualität stand, hört man hier alle Instrumente einzelnd heraus. Ein starker Auftritt, seit Beginn des ersten Songs „Hallelujah Goat“. Wer schon vorher einmal in den Genuss eines Auftritts von Volbeat kommen durfte, ist es aber auch nicht anders gewohnt.
Vor ihrem Song „Heaven nor Hell” begrüßen die Jungs die Menge und zeigen wie sehr sie sich freuen wieder in Deutschland zu sein. Dass sich die deutschen Fans genau so freuen sie zu sehen, zeigen sie durch lautes Mitsingen von „Sad Man’s Tongue“. Wie sehr die Menge Sänger Michael Schøn Poulsen folgt, wird erneut bewiesen, als er „We Will Rock You“ ansetzt und die Arena mitmacht. Die ersten Crowdsurfer werden über die Köpfe getragen und kleine Circle Pits zum pogen öffnen sich. Man hat das Gefühl, dass die Menge sich ihre Kraft für diese Band gespaart hätte. Dass sie musikalisch ganz vorne mitspielen beweisen sie bei kurzen Covern von Rammsteins „Keine Lust“, Judas Priests „Breaking the Law“ und Slayer’s „Raining Blood“. Aber sie sind nicht zum covern hier.
Zum ersten mal des Tages wirkt die Lichtshow, die ihren Song „Still Counting” perfekt unterstreicht. Im Hintergrund fällt der große Volbeat Banner zu Boden und lässt es wie ein großes Finale aussehen. Zur Freude der Fans ist das aber nicht ihr letzter Song. Sonst könnte das Publikum auch nicht zu „Pool of Booze, Booze, Booza“ mitbrüllen, welches definitiv eines der Highlights ihrer Show ist.
System Of A Down
Der Headliner des heutigen Abends ist eine Band, die man lange vermisst hat. Nachdem sie eine fünfjährige Pause eingelegt haben, waren sie 2011 das erste mal wieder auf deutschen Festivals unterwegs. Mit Rock im Pott 2013 scheint sich für viele ein Traum zu erfüllen. Die Menge ist groß und die Stimmung erwartungsvoll.
Zu einem Intro von „Aerials“ kommen die Headliner auf die Bühne. Die Stimme von Sänger Serj Tankian fällt besonders auf. Sein melodischer Gesang ist stark und der Sprechgesang wie gewohnt einmalig quietschig. Die Menge jubelt bei Lied drei ihres Sets „Prison Song „. Zu „I-E-A-I-A-I-O„ fängt sie an laut mit zu singen. Das weiße Banner hinter der Band wird in rot und blau bestrahlt, sodass es abwechselnd so aussieht, als stände die Bühne unter Wasser oder in Flammen. Bereits jetzt kann man unterstreichen, dass der richtige Headliner ausgesucht wurde. Denn es kommt einem vor, wie ein System of a Down Best-of Konzert. Lieder wie „B.Y.O.B. „, „Deer Dance „, „Radio/Video”, „Hypnotize “ und „Needles“ sind nur ein paar Beispiele dafür. Wortkarg aber musikalisch stark. Das beweisen sie auch mit „Lost in Hollywood“, während die Menge sie mit einem Meer aus ausgestreckten Händen belohnt. Auch wenn auf den Eintrittskarten ein unmissverständliches Verbot für Videoaufnahmen steht, sehen die Kameras aus wie Glühwürmchen Schwärme, während Sänger Serje zur Gitarre greift, um „Question!“ zu performen. Mit „Sugar“ kommen die Kalifornier mit knapp zwei Stunden Spielzeit zum Ende ihrer Show. Sie beweisen mit ihrem Auftritt, dass vier Personen eine ganze Bühne ausfüllen können. Und das, ohne viel Worte, nur mit ihrer Musik. Nach über neun Stunden Rock im Pott gehen zwar nicht so viele Fans wie letztes Jahr, dafür aber glückliche Fans nach Hause.
Fotos von Rock im Pott gibt’s hier!