Es war definitiv keine leichte Woche für den umtriebigen Veranstalter Christof Kramp von Station K. Umso mehr konnte er sich freuen, dass am Konzertabend alles glatt lief und Angelo Kelly den „Irish summer“ direkt nach Saarburg ins Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg brachte. Natürlich sorgt der irische Sommer auch für Regengüsse – wie die Iren richtig sagen: sonst wäre unser Land nicht so grün. Aber in Saarburg sollte es zumindest bis zur Konzertpause trocken bleiben. Die angekündigten Unwetter blieben zum Glück aus.
Das Konzertgelände an der alten Kaserne in Saarburg ist perfekt geeignet für eine Open Air-Veranstaltung. Ein weites und durch Gebäude geschütztes Innengelände, genügend Parkraum, keine Anwohner, die sich evtl. gestört fühlen. Das letzte Wochenende der Ferien sollte also mit gleich zwei Veranstaltungen durchstarten. Leider mussten Station K das geplante Popfestival am 10.8. mangels Interesse absagen. Echt schade, waren doch mit Sophie Hunger und Gisbert zu Knyphausen zwei Schwergewichte angekündigt, die allein schon die Massen anlocken sollten. Aber es hat nicht sollen sein.
Für den Freitag gab es dann auch noch eine Unwetterwarnung. Sicher eine schwere Entscheidung für Kramp, den Abend mit Angelo Kelly trotz möglicher Widrigkeiten durchzuziehen. Aber es war absolut richtig, denn nach Regengüssen am Nachmittag klarte der Himmel pünktlich zum Einlass zunächst einmal auf und die Kelly-Show konnte unter besten Bedingungen starten, wenn man ein paar Tücher dabei hatte, um die Sitze trocken zu wischen – oder sich gleich zu Beginn auf eine Show im Stehen einstellte.
Angelo Kelly startete allein mit Band und einem hymnischen Version von „Leaving on a jet plane“, bevor er sich unzähligen Eigenkompositionen zuwandte. Wer an Irland denkt, dem fallen mit Sicherheit zuerst grüne Landschaften, Dublin, Schafe, Guinness ,das launenhafte Wetter und natürlich die typisch traditionelle irische Musik ein – jeder hat sein eigenes Bild von der grünen Insel. Und es gelang Angelo Kelly, dieses Gefühl wie eh und je zu vermitteln. Was vor 40 Jahren als familiäres Straßenmusik-Projekt begann, ist bis heute zu einer außerordentlichen musikalischen Erfolgsgeschichte geworden: The Kelly Family feierte letztes Jahr ein umjubeltes Comeback, mehrere Kelly-Geschwister sind erfolgreich solo unterwegs, und Angelo Kelly trägt das Ganze auch noch in die nächst Generation.
Nachdem er mit seiner Familie 2015 bereits ein Weihnachtalbum veröffentlicht hat, folgte 2018 die CD „Irish Heart“ , die neben einigen traditionellen Stücken viele selbst komponierte Songs enthält. So war es auch klar, dass der Sänger, Gitarrist und Schlagzeuger nicht lange allein auf der Bühne blieb: Er hatte seine komplette Familie mit dabei, die man zwar nicht offiziell, aber doch ganz insgeheim als die „neue Kelly Family“ bezeichnen darf.
Angelo, seine Frau Kira, die Kinder Gabriel, Helen, Emma, Joseph und William nahmen das Publikum mit auf eine ganz wunderbare musikalische Reise und stellten ihr Irland mit traditionellen und eigenen Stücken vor. So sang die 16jährige Helen eine ergreifende Version von „Scarborough Fair“, Kira erzeugte eine heimelige Stimmung mit „Mary“ und Angelo interpretierte „Star Of The County Down“ als knalligen Rocksong. Die Mischung aus Folk und solidem Rock war allgegenwärtig, dafür sorgte auch die formidable Band, die jederzeit die Stimmung eines Irish Pubs auf die Open Air Bühne zaubern konnte. Da war gar nichts kitschig, sondern es gelang stets die Verbindung von traditionellen Melodien und Instrumenten mit einem erfrischenden modernen Sound.
Im Hintergrund gab es auf LCD-Leinwand stimmungsvolle Bilder, mal ganz in grün gehalten, dann wieder mit atmosphärischen Aufnahmen von Land und Leuten. Angelo war bester Laune, konnte aber auch mal aufbrausend werden, wenn er beispielsweise die Security vom Bühnenrand wegschickte, weil sie seiner Meinung nach zu viel mit ihren Handys spielten. Der Niedlichkeitsfaktor stieg steil nach oben, wenn der 4jährige William „What a wonderful world“ anstimmte. Er war nur zu Beginn der Show mit dabei, die anderen Kids aber sollten im Lauf des Abends oft in Erscheinung treten.
Einen Song („Oró Sé Do Bheatha ‚Bhaile“) gab es in gälischer Sprache, wobei Angelo zugab, dass er diese nur mit Hilfe von Lautschrift beherrscht. So durfte auch das Publikum mittels eingeblendeter Lautsprache einen Crashkurs belegen. Kira steuert das wunderbare Liebeslied „Like The Movies“ bei, das die Liebesgeschichte mit Angelo beschreibt, wobei sich die beiden schon von Kindesbeinen an kennen. Solche autobiographischen Elemente zogen sich durch den ganzen Abend. An anderer Stelle aber wurde gefeiert, beispielsweise wenn sich Angelo mit zwei Schlagzeugern ein Percussion-Duell erlaubte.
Nach dem Song „A life that’s good“ war es Zeit für eine Halbzeitpause von 15 Minuten. Die Zuschauer machten sich auf den Weg zu den Getränkeständen und wie auf Kommando ging ein ordentlicher Platzregen auf das Saarburger Publikum nieder, der gut 20 Minuten andauerte. Keiner ließ sich aber die Laune verderben, als die Protagonisten die nasse Bühne enterten und die immer noch gute Stimmung in die zweite Hälfte retteten. Mit dem Titelsong „Irish Heart“ gab es direkt einen kraftvollen, von einer Fiddle wundervoll umspielten Song.
Der älteste Sohn Gabriel trat selbst schon als Songwriter in Erscheinung. Mit „Love Side Effects“ interpretierte er ein Stück über Liebesskummer und gemeinsam mit seiner Mutter sang er das Duett „Let Go“ als sehr persönliche Mutter-Sohn-Ballade. Der 8jährige Joseph und seine Schwester Emma sangen den Klassiker „Danny Boy“ mit kindlichen Stimmen und doch sehr ausgereift. Später im Set gab es „Whisky in the jar“ und mit „Dance“ einen Aufruf zum Tanz für alle.
Um 22 Uhr endete die irische Sause mit einem Zugabenblock („Paddy On The Railway“) und man entließ das selige Publikum in die Saarburger Nacht, um sich zunächst im Auto und dann zuhause aufzuwärmen. Angelo Kelly hat die Anwesenden absolut überzeugt – mit seiner immer noch genialen Stimme, mit einer hervorragenden Folk- und Rockshow und mit der Einbindung seiner Familie, die durch und durch in die Kelly-Fußstapfen tritt. Das Erbe ist gesichert!
Das Gelände um die alte Kaserne hat seine Open-Air-Feuertaufe bestanden. Bleibt zu hoffen, dass Veranstalter Station K nicht der Mut verlassen hat und er auch im nächsten Jahr dort aktiv wird. Bis dahin darf man sich an kleineren Events erfreuen. Eine Auswahl:
20.9.2019 – Ryan McGarvey – Losheim (Saalbau)
21.9.2019 – Zervas & Pepper – Wiltingen (Bürgerhaus)
4.10.2019 – Markus Stockhausen und Tara Bouman – Saarburg (ev. Kirche)
25.10.2019 – Mrs. Greenbird – Wiltingen (Bürgerhaus)
8.11.2019 – Martin Tingvall – Saarburg (Stadthalle)
17.11.2019 – Madison Violet – Wawern (Synagoge)
24.11.2019 – Quadro Nuevo – Wittlich (Synagoge)
7.12.2019 – Frank Rohles & Friends – Saarburg (Stadthalle)
1.3.2020 – Schmidbauer Pollina Kälberer – Saarburg (Stadthalle)
28.3.2020 – Michael Fitz – Wawern (Synagoge)