H wie… Half Moon Run – live in der Kölner Live Music Hall
Wer meinen letzten Artikel zum Herrenmagazin-Konzert von diesem Wochenende gelesen hat (ja, er ist lesenswert), weiß, dass dieses Wochenende vom Buchstaben H dominiert ist (Hannah bei Herrenmagazin und Half Moon Run) – deswegen geht es heute weiter mit Teil 2: H wie Half Moon Run. Entspannt und gemütlich wollen wir vom Bonner Hauptbahnhof zur Live Music Hall anreisen. Doch aufgrund einer Neonazi-Demo im nahegelegenen Remagen kommt es zu Turbulenzen: Wir betreten Gleis 1 und werden von einem umfangreichen Polizeiaufgebot begrüßt, weil es eine Massenprügelei zwischen 100 Linken und 20 Rechten gibt. (Die Nazi-Demo findet jedes Jahr statt, falls ihr nächstes Jahr nichts vorhabt, schaut doch mal beim Gegenprotest vorbei.) Ich finde es wirklich wunderschön, dass die Linken in der Überzahl sind und sich den Nazis entgegen stellen, doch Gewalt muss ja nun nicht sein. Und sie passt auch so gar nicht zu unserem weiteren Abendprogramm, denn Half Moon Run spielen alles andere als aggressive Musik. Aufgrund dieser Verzögerungen haben wir Leif Vollebekk als „Warm Up“ leider fast komplett verpasst. Doch die letzten beiden Songs konnten wir noch hören und anhand dieser kleinen Kostprobe kann ich schon sagen, dass seine Musik ideal zu Half Moon Run und daher auch überhaupt nicht zu einer politischen Prügelei passt: ruhig, warm und friedlich. Eine ideale Musik für einen Kaminabend mit einem Kakao.
Als wir nach unserem Zuspätkommen ein Plätzchen nahe der Bar gefunden haben, betrachte ich mir mal das Publikum, das nicht nur älter ist als erwartet, sondern auch zu 95% aus Paaren zu bestehen scheint. Es wird getanzt, es wird gesungen, aber es wird mindestens genauso viel gekuschelt. Ich bin alleine da, doch schlimm ist das nicht, denn meine Begleitungen und ich können auch zu dritt nah zusammenrücken. Half Moon Run lädt einfach dazu ein, sich nah an seine Liebsten anschmiegen zu wollen, die Augen zu schließen und die besondere Stimmung zu genießen.
Als Half Moon Run 40 Minuten nach Vollebekk die Bühne betreten, machen sie es ganz schön spannend: Die Bühne ist erleuchtet, der Rest der Halle dunkel und elektronische Brummgeräusche erfüllen die Live Music Hall bevor Half Moon Run endlich unter tosendem Applaus der nicht-ausverkauften Location die Bühne betreten. Direkt der erste Song begeistert uns: „21 Gun Salute“ vom ersten Album „Dark Eyes“ begrüßt uns in den Abend. Weiter geht es mit „I Can‘t Figure Out What‘s Going On“ des zweiten Albums „Sun Leads Me On“ und die vier Kanadier singen wunderschön gemeinsam im Chor. Langsam kommt mehr Bewegung ins Publikum. Über „Unofferable“ und „Favorite Boy“, als erster Song des kürzlich erschienenen Albums „A Blemish In The Great Light“, geht es mit „Sun Leads Me On“ und „Need It“ weiter. Passend zum Titel erstrahlt die Bühne bei „Sun Leads Me On“ in einem sonnigen Orange. Das erinnert mich an mein „Kennenlernen“ von Half Moon Run, damals (2015) als ich mit zwei Freundinnen in Indonesien war. Urlaubsstimmung pur.
Immer wieder tauschen die Musiker die Instrumente, sodass teilweise während eines Songs zwischen Gitarre, Keyboard und Mundharmonika gewechselt wird. Bei „Call Me In The Afternoon“ spielt Sänger Devon Portielje parallel Schlagzeug, was ihn kein bisschen aus dem Takt bringt und der Qualität seines Gesangs keinen Abbruch tut. Immer wieder experimentiert er mit seiner besonderen Stimme, sodass die Songs zwar klingen wie auf den Alben, aber doch irgendwie besser, weil mehr passiert, weil es spannender ist und man sich auch als eingefleischter Fan doch noch überraschen lassen kann. Nach einer kurzen Pause spielen Half Moon Run als Zugabe „Jello On My Mind“ vom neuen Album, wobei die Lichtshow den Song ideal inszeniert: Die Bühne leuchtet in rosa, passend zur Stimmung des Songs, durch den man sich wie in einem Süßigkeiten-Museum fühlt. „Fire Escape“ und „Full Circle“ schließen das Set ab, nicht ohne noch einmal einen maximal schönen Gänsehaut-Moment bei „Fire Escape“ zu kreieren. Die Musik scheint aus allen Ecken zu kommen. „Full Circle“ schickt uns mit einem Grinsen in die Nacht, allerdings auch mit einem weinenden Auge, denn die Zeit verging viel zu schnell! Nach einer Stunde habe ich das Gefühl, gerade richtig angekommen zu sein, doch nach einer Stunde und zwanzig Minuten ist der Abend mit Half Moon Run auch schon wieder vorbei. Das ist wirklich schade, denn selten findet man auf einem Konzert eine so besondere Stimmung aus Tanzen, Gitarren, Frieden, Lächeln, Augen schließen und Treiben lassen. Davon gerne mehr!
Half Moon Run sind einfach ganz besondere Musiker. Sie scheinen alle unglaublich begabt zu sein, spielen alle mindestens drei Instrumente, jammen gemeinsam auf der Bühne und singen so herrlich im Chor, als würden sie das seit Kindertagen tun. Gegründet wurde die Band aber erst 2010, da kommt das mit dem Kindergarten alterstechnisch nicht so ganz hin… Besonders schön fand ich heute, dass sie nicht einfach ihr neues Album „runtergespielt“ haben, sondern aus allen drei Alben Songs ausgewählt haben, schön durchmischt und dadurch sowohl für Fans der ersten Stunde als auch für neue Half Moon Run-Anhänger*innen ein wirklich schöner Abend. Bei der nächsten Tour wünsche ich mir das auch, nur vielleicht in doppelter Länge!