Ein herbstliches Album voller Balladen
Letztes Jahr hat Ed Sheeran mal in einem Interview gesagt, er könne sich vorstellen, irgendwann ein Hardrock-Album zu schreiben. Nun ja – wie es scheint, sind wir davon noch weit entfernt. Auffällig ist es aber, dass dem britischen Songwriter aus Halifax die Ideen absolut nicht ausgehen. Die Abstände zwischen seinen Alben werden immer kürzer und doch haut er eine Nummer 1 nach der nächsten raus. Das letzte Werk „Subtract“ ist gerade mal fünf Monate alt, da geht es schon voran mit neuen Songs und „Autumn Variations“.
Über die Entstehung kommentierte Ed Sheeran bei der Albumankündigung: „Vergangenen Herbst stellte ich fest, dass meine Freunde und ich unterschiedlichste Veränderungen im Leben durchmachten. Auf die Hitze des Sommers folgte ein Herbst der Umbrüche – manches kam zur Ruhe und festigte sich, anderes spitzte sich zu oder implodierte. Als ich selbst Anfang letzten Jahres eine schwierige Zeit durchmachte, half mir das Schreiben von Songs dabei, meine Gefühle zu verstehen und das Geschehene zu verarbeiten. Als ich von den unterschiedlichen Situationen meiner Freunde erfuhr, schrieb ich daher abermals Songs – manche aus ihrer Perspektive, andere aus meiner –, um festzuhalten, wie sie und ich die Welt zu dieser Zeit sahen. Hochgefühle wie eine neue Liebe oder neue Freundschaften gehörten dazu, ebenso aber auch Tiefpunkte wie Liebeskummer, Depression, Einsamkeit und Verlorenheit. Mein Vater und mein Bruder erzählten mir von einem Komponisten namens Elgar, der die ‚Enigma-Variationen‘ komponierte, in denen jede der 14 Kompositionen von einer anderen Person aus seinem Freundeskreis handelte. Das hat mich zu diesem Album inspiriert. Als ich ‚Subtract‘ mit Aaron Dessner aufnahm, hatten wir auf Anhieb einen Draht. Wir schrieben praktisch pausenlos oder nahmen auf, und das Album ist aus dieser Partnerschaft entstanden. Ich finde, dass er das Gefühl des Herbstes klanglich so wundervoll eingefangen hat. Hoffentlich liebt ihr es so sehr wie ich.“
Es geht also weiter mit der Melancholie, die auf „Subtract“ bereits viel Raum einnahm. Nach dem verhaltenen Start mit „Magical“ bleiben „England“ und „Amazing“ zwar auf der akustischen Schiene, legen aber mehr Pepp in die Melodieführung. „Blue“ sowie „When Will I Be Alright“ bestechen mit extrem hohen Vocals und „That’s On Me“ durch einen fetzigen Sprechgesang. „Midnight“ glänzt mit rhythmischen Finessen und ein Song wie „Spring“ könnte auch aus der Feder von Simon & Garfunkel stammen. Mein momentanes Highlight ist „The Day I Was Born“, aber das kann sich mit jedem Hördurchlauf ändern.
Ed Sheeran zeigt mal wieder, dass er niemals Verlegenheitssongs produziert. Im Prinzip könnte jeder dieser Tracks im Radio laufen. Das ist einerseits ein Qualitätsmerkmal, macht das Album aber auch ein wenig langweilig. Aha-Erlebnisse wie bei „Castle on the Hill“, „Shape of You“ oder „Bad Habits“ gibt es auch diesmal nicht. Ganz sicher ist es ein solides Singer/Songwriter-Album, mit dem er sich auf jeden Marktplatz, in jede Kneipe aber auch in jedes Stadion stellen kann.
Anfang letzter Woche überraschte Sheeran seine Fans mit einem ganz besonderen Bonus-Live-Album von „Autumn Variations“, den „Fan Living Room Sessions“. Der Name ist Programm, denn für die Aufnahmen dieser Versionen klingelte der Megastar über den Verlauf von zwei Tagen unangekündigt bei 14 Fans – und spielte ihnen in ihren Wohnzimmern je einen Track des Albums vor. Auch als Millionenseller bleibt er einfach der nette Musiker von nebenan.