Josef Hien: ohne Smartphone, Müll und Plastik durch’s Leben gehen
In „Mein Respekt“ huldigt Josef Hien seinem großen Vorbild Reinhard Mey. Und er tut dies auf sehr herzliche Art, damit kokettierend, dass er Meys Klasse niemals erreichen wird. Wenn man aber das aktuelle Album „Mit dir“ des Regensburgers hört, ist er schon verdammt nah dran – an diesen poetischen Zeilen des Kollegen aus Berlin. Und er schafft es, in einer Textstrophe vier bekannte Mey-Songs sehr wohltuend als Hommage zusammenzufassen.
Genug also, um aufzuhorchen und sich näher mit diesem Singer/Songwriter zu beschäftigen, den Konstantin Wecker für sein „Sturm & Klang“ Label entdeckt hat. „Ein gutes Lied denkt nach und macht das Angebot mitzudenken; für sich selbst um- oder eben weiterhin anders zu denken“, so umschreibt Hien seine Profession als Liedermacher. Und er scheint diese als Mittvierziger zu leben, wenn man der Biographie und den Songs Glauben schenken will.
Josef Hien war schon Spielzeugverkäufer, Opernsänger, Konzert- und Eventmanager, Tennistrainer, Marketingleiter und Koordinator für Altenheimumzüge. Dieser Welt hat er inzwischen den Rücken zugekehrt und schaut gesellschaftskritisch in die Zukunft. Inzwischen sagt er, er wolle fortan ohne Smartphone, Müll und Plastik durch’s Leben gehen.
„Der Adler, der ein Huhn war“ setzt eine Fabel aus Ghana um und erklärt, dass man nicht immer Huhn bleiben muss, nur weil man mit den Hühnern scharrt. „Schwarzes Gefieder“ beschäftigt sich mit Korruption und Karrieregeilheit. Und das nachdenkliche „Mitten im August“ beginnt als schreckliche Moritat, die sich aber nach einem Twist zum Ende des Lieds (den ich jetzt nicht spoilern will), sehr anschaulich selbst erklärt. Kein Wunder also, dass Wecker sich entschieden hat, dieses Debütalbum unter seine Fittiche zu nehmen.
Auf der anderen Seite sind da die Liebeslieder, die sehr eigen sind und doch zu Herzen gehen. „Genial“ beschreibt die üblichen Missgeschicke des Alltags im Gegensatz zum Glück, den richtigen Partner gefunden zu haben. „Wenn du nicht bei mir bist“ spricht von der Leere des Lebens, die eintritt, wenn der Partner fern ist. „Elitepartner“ behandelt die Unperfektheit echter Beziehungen und der Titelsong „Mit dir“ schließlich erzeugt Gänsehaut, wenn Josef Hien ans Sterben denkt und wie es dann mit der Liebe weitergehen kann.
Für mich ist „Mit dir“ ein wunderschönes Debüt in späten Jahren. Vergleichbar mit Tim Linde, der im Norden seine Stücke zum Besten gibt, während Josef Hien den Süden unsicher macht. Er hat einen genauen Blick für seine Umwelt entwickelt, gefühlsstark und lustig, böse und politisch, aber vor allem immer hoch persönlich.