Stefanie Heinzmann bietet Pop für die Seele und Soul für die Massen. Um das zu erkennen, hat sie vier Jahre ins Land gehen lassen und einige Selbstzweifel überwinden müssen. Die inzwischen 30jährige Künstlerin, die 2007 Stefan Raabs TV-total-Castingshow (übrigens im Finale vor Gregor Meyle) gewann, legt mit „All We Need Is Love“ ihr fünftes Studioalbum vor. Und zeitweise sah es so aus, als wolle sie aufgeben: „Ich war einfach sehr, sehr müde“, sagte sie in Interviews. „Soll ich vielleicht doch Hebamme werden? Oder Schreinerin?“ Stefanie ruhte, wühlte und forschte so lange, bis sie die Zukunft wieder weit offen sah. Und sie entdeckte dann die Magie der Musik neu für sich. Gut so!
Das neue Album bietet kraftvolle Songs wie den Opener „Not Giving It Up“, der oben genannte Erfahrung in Worte fasst. Voller Power und voller Seele. Dann gibt es Hymnen wie den Titelsong und das energische „Shadows“, gefolgt von der stimmstarken Ballade „Home“.
Stefanie Heinzmann erzählt abgeklärt davon, wie sie mit Erwartungshaltungen umgeht und wie sie ihren eigenen Weg gefunden hat. Wunderschön und autobiographisch erklingt der optimistische Song „Mother’s Heart“, der mit Unsicherheiten aufräumt und das Menschsein in den Mittelpunkt stellt.
Auch wenn es stellenweise sehr ruhig und stimmungsvoll wird, hat doch jeder Song seine emotionalen Ausbrüche und man stellt sich die Sängerin am Mikro tanzend vor. Ihr Mantra „Every Day’s A Good Day“ funktioniert und verdeutlicht ihre optimistische Grundhaltung. Das laut und funky produzierte Album vermittelt jede Menge Lebensfreude.
herrH alias Simon Horn gehört zu neuen Generation junger und moderner Kindermusiker und hat sich im Laufe der letzten fünf Jahre mit unzähligen Auftritten und vier eigene Alben deutschlandweit einen Namen gemacht. Das Genre wurde im gewissermaßen in die Wiege gelegt, denn auch sein Vater Reinhard Horn ist schon lange erfolgreich als Kindermusiker unterwegs. Aktuell veröffentlicht herrH sein fünftes Studioalbum „Wenn ich groß bin“ mit 15 neuen Songs fürs Kinder- und Familienwohnzimmer.
Vom Hip-Hop-Opener „High Five” bis zum verträumten Abschlusstitel „Wolkenbilder“ bietet das neue Album viel Abwechslung und jede Menge Anregung für kindliche Lachmuskeln und Gehirnzellen. Da kann sich die ganze Familie beim „TSHV -Turn- und Singverein“ oder in der „Kinderdisco“ ordentlich auspowern, gemeinsam mit „26 Buchstaben“ das Alphabet lernen oder sich „100.000 Fragen“ stellen. „Tierisch“ verpackt lauter tierische Redensarten in einem mitreißenden Bewegungssong und mit dem Titelsong „Wenn ich groß bin“ können sich die Kids in bunte Zukunftsträume verlieren.
Gemeinsam mit seinem Produzenten Jonathan Walter macht herrH dabei Ausflüge in ganz unterschiedliche Musikstile. Mal dominieren Synthieklänge und es wird gerapt wie in „Boah das nervt“, dann wieder erfinden sie für den Ohrwurm eine nette Popmelodie oder machen sogar mit „Hugbard von Gelegentlich“ einen Ausflug ins Mittelalter. Und auf der „Weltreise“ geht es auch musikalisch gechillt um die Welt.
Auch auf „Wenn ich groß bin“ bietet herrH also wieder Kindermusik, wie sie sich moderne Familien wünschen. Das Album ist musikalisch vielfältig, thematisch auf Augenhöhe mit den Kindern und unterhaltsam für Kleine und Groß – mit Ausnahme vielleicht von rebellische Teenagern, aber die haben ja sowieso ihre eigene Musik auf den Ohren. Und wer die Songs auch mal live erleben will, hat dazu auf zahlreichen KinderMitmachKonzerten in ganz Deutschland Gelegenheit – Termine gibt’s unter www.herrH.com.
Seit 40 Jahren gibt es nun TOTO – die Band voll mit Smashhits und Evergreens. Wenn man so will eine fortwährende Tour: 40 mal mit der Erde um die Sonne. Ein schöner Titel für die Jubiläumstour, die sie 2018 auch nach Amsterdam führte, wo der vorliegende Mitschnitt entstand. Ich habe das Konzert in Luxemburg gesehen und muss sagen, dass es ein (von kleineren Durchhängern abgesehen) durchweg einzigartiges Konzerterlebnis war.
Seit Anfang letzten Jahres sind die sechsfachen Grammy-Gewinner aus Los Angeles bereits vor hunderttausenden Fans in Europa und Nordamerika aufgetreten. Die Tournee wird dieser Tage in Japan fortgesetzt und im Sommer folgen die nächsten Shows in Deutschland. Der neue Konzertfilm mit fantastischen Livebildern erscheint in etlichen Formaten und Bundles – unter anderem als DVD, Blu-ray, DVD & 2CDs, Blu-ray & 2CDs sowie digital und in den klassischen Tonträgerformaten 3LP (180g, Heavyweight) und 2CD.
Zur Review liegt mir die 2CD-DVD-Version vor und das macht durchaus Sinn. So schön das Konzert auch ist – man wird es sich höchstens in größeren Abständen zu Gemüte führen. Da lob ich mir doch die zwei Live-CDs mit hervorragendem Sound, die in meinen CD Player momentan Dauerrotation fahren.
Aufgezeichnet wurde „40 Tours Around The Sun“ am 17. März 2018 im ausverkauften Ziggo Dome von Amsterdam, wo TOTO vor über 18.000 Fans auftraten: Neben ihren größten Hits wie „Africa“, „Hold The Line“ und „Rosanna“ spielte die Band auch diverse heimliche Highlights und Fan-Favoriten aus ihrem Backkatalog, die sie nur äußerst selten live präsentieren. Zudem kam das Publikum in den Genuss von zwei neuen Songs, die TOTO erst kurz davor für ihr dazugehöriges Greatest-Hits-Album „40 Trips Around The Sun“ eingespielt hatten.
Joseph Williams macht seine Sache hervorragend als Leadsänger. Da muss man sich keine Sorgen machen. Und die Bühnenshow ist wirklich spektakulär mit farbenfrohen Bildern.
Ein weiteres Highlight der Video-Veröffentlichungen ist das exklusive „40 Tours Featurette“, das ein aktuelles Interview mit den Bandmitgliedern Steve Lukather, David Paich, Steve Porcaro und Joseph Williams beinhaltet.
TOTO ist eine der wenigen Bands aus den Siebzigern, die sich selbst komplett treu geblieben ist, was ihnen immer neue Fans bescheren sollte – seit inzwischen vier Jahrzehnten. Und weiter geht’s!
Stellen wir uns vor: Kontrabässe interpretieren einen Welthit wie Queens „Don’t Stop Me Now“. Was sich zunächst etwas unwirklich und unglaubwürdig anhört, wird deutlicher, wenn man sich der unglaublichen Bandbreite dieses Instruments zwischen Zupfen und Streichen bewusst wird. Ja – Bässe werden unterschätzt. Immer. Und man stellt ihre Relevanz erst fest, wenn sie fehlen. Musikalische Höhen hingegen können die Instrumente selbst kompensieren. Dadurch wirken The Bassmonsters in ihrem Sound wie ein vollwertiges Streichorchester, bei dem die rhythmischen Elemente im Vordergrund stehen.
The Bassmonsters machen den Weg zum Ziel und weben in Demut vor den Großen einen bunten Klangteppich aus Kammermusik und Rockmusik. Hinter jedem Instrument steht ein international renommierter Kontrabassist – es sind elf Musiker mit Profil, Charisma und anziehender Präsenz: Claus Freudenstein, Thomas Hille, Lisa De Boos, Ricardo Tapadinhas, Philipp Stubenrauch, Szymon Marciniak, Stephan Bauer, Emilio Yepes Martinez, Hagai Bilitzky, Petru Iuna und Andres Martin ließen im fruchtbaren Miteinander ein gemeinsames Projekt entstehen, das den Kontrabass von bisher unbekannter Seite präsentiert.
Da erklingt „Child In Time“ in filigraner Stärke und wird zur Liebeserklärung an die Musik. An das tiefe Brummen bei „With Or Without“ gewöhnt man sich schnell – erzeugt es doch in optimaler Lautstärke ein wohliges Gefühl in der Magengegend.
46 Minuten gefüllt nur mit Bassklängen könnten langweilig werden – aber es passiert nicht. Die Musik der elf Bassisten ist so vielseitig, dass es an keiner Stelle Längen gibt. Ein Feuerwerk der tiefen Töne!
Ein „Piano-Best-of“ hat Lang Lang hier abgeliefert. Das wird deutlich, sobald man die ersten Klänge der CD hört, die fast ausschließlich aus bekannten Meisterwerken besteht, die der chinesische Pianist hier ohne Schnörkel und in ihrer ursprünglichen Intention beinahe nahtlos aneinanderreiht.
Mit seinen Aufführungen, Lehrbüchern, Aufnahmen und Ausbildungsprogrammen hat er Millionen von Menschen inspiriert und fast punktgenau am Welt-Klavier-Tag (30.3.), dem 88. Tag des Jahres, veröffentlicht Lang Lang sein neues Album „Piano Book“, eine Sammlung von Stücken, die der Künstler seit frühester Kindheit liebt.
„Piano Book“ ist seine erste Veröffentlichung seit drei Jahren, mit der er klassische Musik einem breiten Publikum nahebringen möchte. Dafür verwendet er Melodien, die jeder kennt, und präsentiert sie in virtuoser Weise. Mancher mag das belächeln – und es stimmt schon: Die Meisterwerke von Bach, Beethoven, Debussy, Chopin und Mozart sollte man natürlich am Stück hören. Doch wir leben in einer kurzlebigen Zeit – und die Aufmerksamkeitsspanne der Jüngeren lässt immer weiter nach. Sehen wir die kurzen Musikstücke also als Teaser. Und wenn diese den einen oder anderen neugierig machen, sich die kompletten Werke anzuhören (meinetwegen per Stream), dann hat Lang Lang sein Ziel doch durchaus erreicht.
Lang Lang reflektiert mit „Piano Book“ auf die Anfänge seines Klavierspiels, auf das, was seine Fantasie beflügelte, und darauf, wie er das Gelernte an eine neue Generation weitergeben kann. Es ist ihm ein großes Anliegen, junge Menschen zum Klavierspielen zu bewegen. Dies tut er mittels eines Fonds für Musikerziehung und pädagogische Programme. Ein hehres Ziel – und so bleibt Lang Lang mit einer „Best-of-Compilation“ wie der vorliegenden CD absolut authentisch. Auch für Laien absolut hörenswert.
Nachdem die acht Musiker mit ihrem im letzten Sommer veröffentlichten Studioalbum „Brot und Spiele“ zum dritten Mal aus dem Stand auf Platz 1 der deutschen Longplay-Charts schossen und auch für den 2015er Vorgänger „Zirkus Zeitgeist“ gerade frisch mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurden, erfüllen sich Saltatio Mortis nun zur Feier des Tages einen langgehegten Traum und veröffentlichen „Brot und Spiele – Klassik und Krawall“.
CD 1 enthält ein Dutzend der bekannten Songs im neuen Gewand. Und das funktioniert hervorragend! „Brunhild“ bleibt weiterhin eine epische Erzählung. Da tut sich nichts im Vergleich zum Original. Doch „Dorn im Ohr“ wird zum eingängigen Kracher, wenn man Bläser und Fanfaren gegen Streicher eintauscht. „Brot und Spiele“ gewinnt ungemein an Härte und das im Original doch recht nervende „Nie wieder Alkohol“ kann hier im Klezmer-Gewand absolut glänzen. „Sie tanzt allein funktioniert auch als schöne Pianoballade und „Europa“ weiß im akustischen Gewand absolut zu begeistern, was zudem zur besseren Textverständlichkeit beiträgt. Also die Klassik-Umsetzung ist bestens gelungen.
Damit Mittelalter-Puristen nicht zu kurz kommen, enthält CD 2 des schön aufgemachten Digipacks einen Livemitschnitt aus Oberhausen. Die Aufnahme liefert rohe, ungefilterte Konzertaufnahmen, auf denen die unbändige Live-Energie ihrer schweißtreibenden Auftritte fast körperlich spürbar ist. Es ist ein energiegeladenes Live-Feuerwerk, das die größte Show der vergangenen Tour hervorragend einfängt. Neben den aktuellen Titeln sind einige Klassiker und länger nicht gehörte Publikumsfavoriten mit dabei – was will man mehr?
Kathy Kelly ist nicht unbedingt das bekannteste Mitglied der Kelly Family – andere Familienmitglieder stehen mit ihren Solo-Projekten deutlicher im Rampenlicht. Als Älteste in der Familienband hatte sie allerdings schon früh viel Verantwortung, übernahm zeitweise die Mutterrolle für ihre jüngeren Geschwister und trug als Produzentin der meisten Alben maßgeblich zum Erfolg der Kelly Family bei. Nach der Trennung der Familienband verfolgte sie verschiedene eigene musikalische Projekte, veröffentlichte u.a. ein Gospelalbum und trat als Opernsängerin auf. Nun präsentiert sie mit „Wer lacht überlebt“ ihr erstes deutschsprachiges Album.
Für dieses Projekt hat sich Kathy den Schlagersänger, Songwriter und Produzenten Uwe Busse als Partner mit ins Boot geholt. Stilistisch lässt sich das neue Album dementsprechend auch dem modernen deutschen Schlager zuordnen. In den 11 Liedern erzählt Kathy Geschichten aus ihrem bewegten Leben, erinnert sich etwa mit „Das Leben ist ein Zirkus“ oder „Mobile Home“ an die Zeit als fahrende Künstlerfamilie oder trauert mit „Du brichst mir das Herz“ einer Jugendliebe hinterher. Und nebenher gibt die Sängerin ihren Hörern auch ein paar Lebensweisheiten weiter, am deutlichsten mit dem Titelsong „Wer lacht überlebt“.
Kathy singt zwar aktuell auf deutsch, ist im Herzen aber eine Weltbürgerin und lässt dies auch auf diesem Album in ihre Musik einfließen. So erklingen spanische Rhythmen in “Torero, Senior und Clochard“ und „China Moon“ ist geprägt von asiatischen Klängen. Auch „Ein Jahr Paris“ beginnt wie ein französischer Chanson, wird danach aber leider vom Schlagerbeat dominiert. „Commander J. J. J.“ , mit dem sich Kathy an coole Zeiten in den USA erinnert, rockt dafür ganz ordentlich. Zuletzt geht die Sängerin mit dem von Sehnsucht geprägten Abschlusstitel „Inchydoney (Das kleine Haus am Meer)“ sogar zu ihren irischen Wurzeln zurück.
Kathy hat dieses Album hauptsächlich für ihre zahlreichen Fans in Deutschland gemacht und dafür hart an ihrer deutschen Aussprache gearbeitet. Dennoch hört man, dass sie nicht in ihrer Muttersprache singt. Ob man den leichten Akzent nun albern oder charmant findet, und ob man sich von ihren Songs berühren lässt, oder sie als zu schlagermäßig und kitschig empfindet, ist letztlich Geschmacksache. Meinen persönlichen Musikgeschmack trifft „Wer lacht überlebt“ nicht unbedingt, aber es ist auf jeden Fall ein mit Herzblut komponiertes und produziertes Werk einer authentischen Künstlerin.
Mit ihrem „Dystopia“-Album haben Megadeth vor drei Jahren bewiesen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Seit ihrer Gründung im Jahr 1983 gelten sie als Pioniere des Thrashmetal in Amerika und später auch in ganz Europa. Kein Wunder, dass sie bis heute in einem Atemzug mit Metallica, Slayer und Anthrax genannt werden – auch wenn es in den Jahren 2002 bis 2004 krankheitsbedingte Auflösungstendenzen gab. Trotz aller Unkenrufe sind Megadeth seit „The System Has Failed“ wieder in alter Frische zurück und haben im vergangenen Jahrzehnt mit „Th1rt3en“, „Super Collider“ und „Dystopia“ megastarke Alben vorgelegt.
Zum 35jährigen gibt es zwar nicht das lang ersehnte neue Album, sondern eine Anthologie mit dem Namen „Warheads on Foreheads“, welche die Geschichte des Quartetts um Dave Mustaine gehaltvoll zusammenfasst. Drei CDs (oder vier Vinyl-LPs) umfassen ihre gesamte bisherige Karriere – vom allerersten Studioalbum „Killing Is My Business…“ bis hin zum aktuellen Longplayer, der ihnen erst im Jahr 2017 einen Grammy Award bescherte.
„Vor 35 Jahren habe ich dieser Band den Namen Megadeth gegeben, und die Songs, die auf diesem Album vereint sind, halte ich für die effizientesten Waffen, die wir in unserem Arsenal haben“, kommentierte Dave Mustaine die Zusammenstellung des Albums. „WOF – das ist in der Sprache des US-Militärs ein Begriff für die Zielgenauigkeit. Es geht schließlich immer darum, das geeignete Geschoss für den jeweiligen Auftrag zu finden… und diese Stücke sind alle so gestrickt, dass sie maximale Zerstörung (oder maximales Abwehr- oder Abbremsvermögen) garantieren.“
Megadeth haben das neue entstandene Genre des Thrash-Metal mit ihrem Debütalbum in neue Sphären geführt und sind auch heute noch tonangebend. Die neue Zusammenstellung ist sehr aussagekräftig und gibt einen guten Überblick in chronologischer Reihenfolge. So kann man die musikalische Entwicklung und die Veränderungen in Sound sowie Zusammensetzung der Band (mit der einzigen Konstante Dave Mustaine) sehr gut nachvollziehen. Wer allerdings Raritäten und unveröffentlichtes Material erwartet, wird leider enttäuscht. Für langjährige Fans hat die Compilation höchtens Vollständigkeits-Wert.
Sehr gut ist die Aufmachung im Digipack mit schön gestaltetem Booklet. Und auch das Cover weiß zu gefallen. Für Nostalgiker, die 35 Jahre Megadeth Revue passieren lassen wollen, ist diese Best Of sicherlich genau das Richtige.
Nach 20 Jahren Anlauf kam Thomas Thielen, im Prog einfach nur „t“ genannt, in Oberhausens renommiertem Zentrum Altenberg zum ersten Mal mit seinem eigenen Material auf die Bühne – jedenfalls mit echter Band und komplettem Sound. Wo vorher Skepsis herrschte, nicht zuletzt beim Künstler selbst, wie man die filigran-vielschichtige Musik seiner Alben überhaupt live darstellen solle, herrschte danach eher die Frage vor: „Wieso hat das so lange gedauert?“
Die Show begann mit dem Intro von „The Aftermath of Silence“, dem ersten Track von „Psychoanorexia“. Dominik Hüttermann (keys) interpretierte diese Soundcollage neu, inklusive eines neuartigen Keyboardinstruments namens „Seaboard“, das Tasten aus einer Art Gummi hat, die man mit dem Finger nicht nur drücken, sondern auch gestalten kann: Vibrato, Slides, Lautstärkenvariationen, all das holte Hüttermann aus seinen Fingern heraus. Als die gesamte Band hinzukam und mit einem fetten Akkord ins Programm abflog, sah man im Publikum reihenweise Kinnladen runterfallen: Kristallklar, aber noch druckvoller als auf Thielens Studioalben strömten da perfekt aufeinander abgestimmte Kaskaden von der Bühne.
Der Mastermind selbst kam erst zur zweiten Wiederholung und begann das Gitarrensolo – grinsend, überwältigt, ein bisschen schüchtern. „Aftermath“ hat insgesamt 18 Minuten Spieldauer, und während der gesamten Zeit hatte die Band ihr Publikum auf den Zehenspitzen: In ruhigen Passagen, in denen t im Stile Steve Hogarths in höchsten Höhen flehte und schluchzte, war kein Geschnatter zu hören, kein Bier wurde geholt, aller Smalltalk konnte warten. Man hörte zu, man tauchte ein, und was Thielen als „Film, Reise, Outer Space“ angekündigt hatte, entfaltete eine brachiale Sogwirkung, wie es schien.
Unter enthusiastischem Applaus des gut gefüllten Altenberg ging es sofort über in „Shades of Silver“, einem etwas kürzeren und leichteren Song, der von der Dynamik lebt. Es fiel auch hier auf, dass der Bandkontext den Stücken nichts nimmt, sondern Dimensionen hinzufügt. Jan Steigers Wucht an der Gitarre ließ das rockige Finale noch rockiger werden, und Thomas Nußbaums Drums unterstreichen das noch: Die Band war eine Band, nicht ein Sammelsurium aus Begleitmusikern.
„The Irrelevant Lovesong“, wohl der bekannteste Track von t, pulsierte und bebte. Spätestens hier war wohl auch der letzte Besucher im Saal gepackt: Thielen hatte nachher alle Hände voll zu tun, um CDs zu signieren, Selfiewünsche zu erfüllen, Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Zur Verstärkung hatte er sich klugerweise sein Cover-Modell Johanna mitgebracht: Natürlich waren auch Selfies mit Thielens neuer CD „Solipsystemology“, die am Abend vorgestellt wurde, und dem darauf abgebildeten Modell begehrt.
Vor der Musikshow, die wohl mit „Forget me now“ ihren wuchtigen Höhepunkt hatte, hatte Thielen eine Performance Art-Gruppe eingeladen. Die Idee, statt Monitoren und Beamern auf der Bühne mit Live-Theater die Musik zu unterstreichen, wurde hier phänomenal umgesetzt – allerdings wäre es noch eindrucksvoller, wenn die Performance ins Konzert eingebunden gewesen wäre, statt ihm vorauszugehen. Thielen erklärte das nachher damit, dass die Bühne einfach zu klein dafür gewesen sei – nachvollziehbar.
Die Szene hatte hohe Erwartungen gehabt an ihren Mastermind, von dem sie nie weniger als Perfektionismus gewohnt war: Und so ist es fast eine Überraschung, dass diese Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern eher übertroffen wurden. Thielen sorgte mit Gin-Tasting, Aftershow mit Meet and Greet und der erwähnten Performance Art nicht nur für einen sehr speziellen Rahmen, sondern hat es auch noch geschafft, musikalisch keine Fragen offen zu lassen: In einem sphärischen Programm entführte er sein Publikum über die gesamte Dauer der Show, gab sich gut gelaunt als Entertainer, und er selbst überzeugte als vielseitiger Sänger und feelsaitiger Gitarrist.
Nach „Fechnerstraße“ ist auch das zweite Album „Berlin Dakar“ durch und durch autobiographisch. Vermutlich hat Adesse entdeckt, dass es vor allem seine eigene Geschichte ist, die er den Fans gefühlvoll vermitteln kann. So ist „2031“ ein fiktiver Brief an seine Neffen Henry und Benji, den er rückblickend aus dem Jahr 2031 schreibt. Die Aussagen sind sehr bewegend und schon hier wird – wie an vielen Stellen des Albums – der Tod von Adesses Vater thematisiert, der seine Geschichte stark beeinflusst hat.
Der emotionale Titelsong „Dakar“ beschreibt ihn berührenden Worten die Geschichte des Vaters. Gleichzeitig setzt sich Adesse in vielen Songs mit der eigenen Person auseinander. „Für immer jetzt“ spricht vom Leben in der Gegenwart, „Houston“ von der Entfremdung und „Klick“ vom Social Media-Wahn. Für „Strand“ hat Adesse seinen Entdecker Sido mit an Bord. Es ist ein Song über die Unsicherheiten und Ratlosigkeiten einer Person.
Auch „Berlin Dakar“ funktioniert – wie schon das Debütalbum – als eine Art Konzeptwerk, da es inhaltlich sehr geschlossen ist und eine sentimentale Sammlung von Songs darstellt. Der HipHop spielt nur eine Nebenrolle. Vielmehr ist Adesse ein starker Deutschpop-Künstler mit viel Soul und Anleihen von modernem R’n’B. Damit klingt er an vielen Stellen wie Namika mit männlichen Vorzeichen. Ein aufwühlendes Album mit großem Hitpotential.
Am 18. März war LINA (Lina Larissa Strahl) mit ihrer Tour „Um zu rebellieren“ in der Garage Saarbrücken. Wir bekamen die Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit der jungen Künstlerin – und erstmals nahm ich meine Tochter Miriam zu einem Interview mit. In den Backstageräumen der Garage trafen wir auf die bestens gelaunte Lina und ihren Hund Ilvie.
MHQ: Hallo. Ist es okay, wenn wir uns duzen?
Lina: Ja, klar.
MHQ: Danke. Das ist Miriam, ich bin Andreas von MusicHeadQuarter. Miriam hat bei den Fragen ordentlich mitgewirkt. Sie kennt deine Musik besser als ich und sie darf sich natürlich jederzeit einschalten.
Lina: Okay. Sehr gut.
MHQ: Hast du deinen Hund die ganze Zeit mit auf Tour?
Lina: Ja, Ilvie ist die ganze Zeit mit dabei. Das klappt auch recht gut. Wir sind nicht mit im Tourbus sondern fahren dieses Jahr separat, damit es einfacher ist. So können wir kleinere Strecken fahren und halten nach ungefähr 300 km einfach an. Von Österreich gestern waren es 700 km. Das ist dann blöd für sie, aber ich fand es gar nicht so schlimm.
MHQ: Du bist jetzt seit knapp zwei Wochen auf Tour und in Saarbrücken ist quasi Halbzeit. Kannst du etwas zum Verlauf der Tour sagen? Was dürfen wir für heute Abend erwarten?
Lina: Es ist eigentlich alles sehr angenehm und relativ stressfrei. In der Vorbereitung ist es recht schwierig, so eine Tour zu wuppen. Bei vielen Sachen hat man noch gedacht: Ob das so klappt? Ehrlich gesagt klappt aber alles so richtig cool. Es ist ein tolles Team und jetzt nach zwei Wochen merkt man, dass alles sitzt. Ich habe das Gefühl, dass es jetzt um einiges entspannter ist. Es macht mir sehr viel Spaß und ist, glaube ich, für das Team die bisher coolste Tour. Für euch da draußen wird es vermutlich nicht viel Unterschied machen. Für mich ist jede Tour cool, aber dieses Jahr passiert noch mehr auf der Bühne. Das macht es spannender.
MHQ: Gibt es Rituale vor der Show? Was wirst du jetzt noch tun, bevor die Show losgeht?
Lina: In einer halben Stunde gibt es Essen. Eben habe ich tatsächlich noch eine Stunde geschlafen. Im Moment werden gefühlt alle so nach und nach krank, aber unser separater Bus schlägt sich richtig gut. Da ist noch keiner krank. Ansonsten muss ich natürlich mit dem Hund Gassi gehen, aber so ein richtiges Ritual gibt es nicht. Wir treffen uns alle und machen Videos vorher. Allein beim Essen ist man schon wieder zusammen. Letztes Jahr hatten wir ein Ritual und immer „1,2,3, whoooo“ gemacht. Das haben wir wohl verpasst dieses Jahr. Ich werde das heute mal vorschlagen.
MHQ: Wir drücken dir auf jeden Fall die Daumen, dass du in den nächsten zehn Tagen noch durchhältst und nicht krank wirst.
Lina: Ja, das schaffen wir schon. Ist halt fast immer so, dass man spätestens nach der Tour gefühlt krank ist. Wenn es stressig ist, bin ich meist gesund, und wenn ich dann mal frei habe, werde ich krank.
MHQ: Das Album heißt „Rebellin“, die Tour „Um zu rebellieren“. Am Freitag waren Hunderttausende Schüler in über 100 Ländern auf der Straße, um für den Klimaschutz und eine bessere Zukunft zu streiken. Wärst du mit dabei, wenn du noch Schülerin wärst?
Lina: Ja. Das ist zum Beispiel etwas, wo ich das rebellische Verhalten – also sich dagegen auflehnen, nicht zur Schule gehen und einfach streiken – sehr cool finde. Das macht Sinn. Es ist kein unnötiges Rebellieren, kein unnötiges Streiken für irgendwas, sondern es ist etwas für unsere Zukunft. Tatsächlich hatte ich jetzt keinen einzigen Freitag Zeit, in Hamburg oder Hannover mit dabei zu sein, aber wenn sich die Chance noch ergeben wird, bastele ich auf jeden Fall auch mein Plakat. Ich finde das wichtig und man sollte sich für die Zukunft einsetzen.
MHQ: Ist Greta Thunberg das Bild von einer Rebellin, wie du es dir vorstellst?
Lina: Ja. Ich mag es, wenn man mit Sinn rebelliert. Das ist es auch, was ich in meinen Texten sagen will. Ich glaube, das Mädchen ist ganz schön schlau. Einiges was sie sagt, macht viel Sinn und ist total wahr. Das müssen noch viel mehr sehen, damit es politisch oder gesellschaftlich umgesetzt wird. Es nützt ja nichts, wenn wir alle die Probleme kennen aber keiner macht was. Jetzt fangen die Kleineren unter uns an. Greta hat angefangen und reißt eine ganze Bewegung mit. Das hatte ich so in meinem Leben noch nicht. Auf dem Album habe ich diese politischen Themen nicht angesprochen. Da geht es eher um das rebellieren für sich selbst. Aber unsere Spenden gehen auch an den Umweltschutz.
MHQ: Studentenproteste gab es schon zu verschiedenen Themen, aber globale Schülerproteste bisher noch nicht.
Lina: Ja, die sind ja alle auch noch recht jung, so wie du, Miriam. Es ist eine mitreißende Bewegung. Ich glaube nicht, dass jeder sich total den Kopf zerbrochen hat, aber alle wissen, wofür sie auf die Straße gehen. Sie begreifen es – und das ist wichtig.
MHQ: Deine Karriere hat sehr früh angefangen. Wenn man „Dein Song“ mit einbezieht, bist du schon seit fast sieben Jahren im Geschäft. Was hat dich damals dazu gebracht, dich beim KiKA zu bewerben?
Lina: Ich hab das einfach im Fernsehen gesehen. Da war der Einspieler für „Dein Song“ und ich dachte: Das kann man doch mal machen. Bei DSDS hätte ich definitiv nicht mitgemacht, aber hier hatte ich das Gefühl, es ist was seriöses. Dann habe ich mich angemeldet – ganz unspektakulär.
Miriam: Man muss sich halt trauen.
Lina: Genau. Ich habe es halt auch meinen Eltern gesagt und die waren zuerst gegen die Castingshow. Aber ich habe ihnen das zum Durchlesen gegeben und sie merkten, dass das seriös ist und die Kreativität fördert.
MHQ: Nachdem du mit „Freakin‘ Out“ gewonnen hast, wusstest du da schon, dass du weiter Musik machen und eigene Songs schreiben willst?
Lina: Ja. Ich habe damals den Peter Hoffmann kennen gelernt, der dann mein Produzent war. Inzwischen sind es mehrere Produzenten. Ludi Boberg heißen die beiden. Mit denen schreibe ich auch. Der Peter hatte mich damals schon angesprochen. Sein Studio ist in Hamburg – nicht so weit weg von Hannover. Das hat irgendwie gut gepasst und er ist ein sehr netter Mensch. Silke Grän ist auch seit dem ersten Jahr mit dabei und wir haben am Anfang entschieden, dass wir mit einem Album noch vier Jahre warten, bis ich 18 bin. Damit ich nicht mit 16 mein erstes Album raus bringe und mit 18 denke: Ach du großer Gott. Man hat mir einfach noch Zeit gelassen. Und dann kamen die „Bibi und Tina“ Filme dazwischen. Gleichzeitig habe ich noch die Schule fertig gemacht. Es wäre vielleicht gegangen, aber irgendwas hätte gelitten: das Abi, die Filme oder die Musik. So war es halt eine lange Zusammenarbeit und ich denke, es hat sich bisher gelohnt.
MHQ: Hast du denn schon frühzeitig Songs für das erste Album geschrieben?
Lina: Ja, aber die meisten Songs haben es nicht auf ein Album geschafft. Die ersten Songs, die auch verwendet wurden, habe ich mit 17 zwischen dem dritten und vierten Film geschrieben. Der erste Song fürs Album war „Ohne dieses Gefühl“ im Jahr 2015. Meistens haben wir ein Jahr vorher angefangen, fürs neue Album zu schreiben. In einem Jahr, in dem es gut läuft und die Kreativität da ist, funktioniert das ganz gut. Aber mit Nummer 4 warten wir noch.
Miriam: Konntest du dir damals schon vorstellen, so berühmt zu werden, wie du es heute bist?
Lina: Nein. Ich fühle es ja auch immer noch nicht so. Wenn du das selber bist, ist es ganz skurril, finde ich. Nein, das hätte ich nicht gedacht. Dass es mal so besonders wird, dass Leute Fotos mit mir machen wollen, hätte ich nicht gedacht.
MHQ: Wenn du mit Songs deine Karriere beschreiben müsstest, welche wären das?
Lina: Meinst du irgendwelche beliebigen Songs?
MHQ: Oder deine eigenen…
Lina: Ich finde, „Rebellen“ beschreibt es ganz gut. Dass man sich da durchboxen muss, damit man ernsthaft wahrgenommen wird. Trotz der beiden Echo-Nominierungen war ich für die Leute immer noch „Bibi und Tina“ und wurde nicht im Radio gespielt. Deshalb ist es ganz wichtig, immer auf sich zu vertrauen. Darum finde ich auch, dass „Rebellin“ ein toller Albumname ist. Es geht darum, für sich selbst zu rebellieren. Natürlich sage ich da draußen, dass ihr es für euch tun sollt, aber das Album ist auch ein Statement für mich. Ich will als ich selbst gesehen werden und nicht als die Filmrolle von damals. Auf den Konzerten spielt es zum Glück keine Rolle mehr und in Interviews nur manchmal. Manchmal ist das ärgerlich, aber ich bin auch sehr stolz auf die Filme.
MHQ: Ehrlich gesagt, habe ich mich schon gefragt, ob du noch über die Filme reden willst.
Lina: Genau. Eigentlich ist das ja gegessen und schon drei Jahre her. Letztens war ich bei einem Fernsehsender. Es sollte im Interview um die Tour gehen, aber es ging nur um „Bibi und Tina“. Es ist doch nicht so uninteressant, was ich jetzt mache. Ich habe dann die ganze Zeit versucht, meine Antworten ins Musikalische zu lenken. Aber du darfst mich trotzdem was zu den Filmen fragen.
Miriam: Glaubst du, dass du auch ohne „Bibi und Tina“ so berühmt geworden wärst?
Lina: Das ist eine tolle Frage, Miriam, total schön. Ich glaube, es wäre etwas in dieser Art passiert, einfach weil durch „Dein Song“ auch schon viel passiert ist, es hätte nur etwas länger gedauert. Das hat ganz viel mit Glück zu tun. Vielleicht wäre das Glück auch ohne „Bibi und Tina“ da gewesen, aber es hat die Sache auf jeden Fall beschleunigt. Es war der erfolgreichste Familienfilm seit 2005 mit krassen Zuschauerzahlen. Das war so ein Hype und das konnte ja keiner wissen. Detlev Buck hatte beim ersten Teil gesagt: „Wir machen mal den Film. Viel Spaß uns allen. Einen zweiten Teil wird es wahrscheinlich nicht geben.“ Dann war aber bei der Hälfte des Films schon klar, dass es definitiv einen zweiten geben wird, weil sich alles so cool angefühlt hat. Ich glaube, es wär also ähnlich, aber ich habe den Filmen schon viel zu verdanken.
MHQ: Es passiert ja noch einiges in diese Richtung. Der Soundtrack zu den „Bibi und Tina“ Filmen wurde durch Stars wie Johannes Oerding, Sido und The BossHoss neu eingesungen. Es gibt die Musicals. Berührt dich das? Oder lässt dich das kalt?
Lina: Die Musicals hatte ich damals bewusst abgesagt. Die wollten unbedingt Lisa und mich als Darsteller, aber mir war klar, dass ich das nicht machen möchte. Ich wollte meine Musik machen. Hätte ich die Musical-Rolle angenommen, wäre es komplett in diese „Bibi“-Schiene gerutscht und das wollte ich nicht. Es war ein guter Schritt, es nicht zu machen. Problem ist, dass nicht wirklich öffentlich kommuniziert ist, dass die Original-Darsteller nicht mit dabei sind. Auf den Plakaten sind die Darsteller ja auch nur von hinten zu sehen. Das gab schon böse Mails von Eltern, die sich wegen ihrer enttäuschten Kinder beschwert haben, aber ich kann nichts dafür. Ich habe immer öffentlich gesagt, dass ich es nicht bin. Es war eine gute Entscheidung, auch wenn die Musicals vielleicht ganz toll sind.
Miriam: Das zweite Musical ist nicht so toll. Es geht um ein Fest, dass Bibi und Tina organisieren sollen, und es sind genau die gleichen Songs. Ich fand es langweilig.
Lina: Ach so. Ich dachte, die machen einfach das Gleiche nochmal. Tatsächlich habe ich die Musicals nie gesehen. Und das mit dem Soundtrack: Da waren schon coole Leute dabei. Sido zum Beispiel. Hätte ich nicht gedacht. Aber wenn sich so viele dafür begeistern, dann ist es auch cool. Rosenstolz haben damit echt einen Punkt gelandet.
MHQ: Sind Lieder dabei, die dir persönlich was bedeuten?
Lina: Alle bedeuten mir was. Aber in meiner eigenen Musik kann ich sagen, was ich will. Hier war alles fertig und ich habe quasi nachgesungen. Aber in Bibi ist mein Charakter drin. „Up, up, up“ liegt mir immer noch am meisten am Herzen, weil es der Erste war. Und „der letzte Sommer“ ist auch etwas traurig.
MHQ: Kommen wir wieder zu deinen eigenen Songs. Wieviel von dir fließt darin ein?
Lina: Viel! Wen man das Album hört, kann man darauf schließen, dass es um mich geht. Da ist viel von mir selbst drin. Es hat eine Art Tagebuch-Charakter, aber zu persönlich will ich es nicht machen. Es ist ein Tagebuch für die Öffentlichkeit, da hält man sich zurück. Man kann Dinge umschreiben und phantasievoll werden. Dinge, die einen persönlich betreffen oder auch passiert sind. Von daher liegt alles nah an mir dran. Ludi Boberg, mit denen ich zusammen schreibe, kenne ich jetzt auch schon seit sieben Jahren. Das sind gute Freunde und so ist es ein enger Kreis. Dieses Album haben wir noch mit mehreren Leuten zusammen geschrieben, auch mit Leuten aus Schweden. Da ist „Game Over“ entstanden und es war sehr aufregend für mich, mit Leuten zu schreiben, die schon so lange im Geschäft sind. Aber das hat dem Album sehr gut getan.
MHQ: In deinem Song „Hype“ geht es darum, seinen Platz in der Welt und auf der Bühne zu finden. Das klingt sehr autobiographisch.
Lina: Es geht vor allem darum, dass durch Social Media heutzutage ganz viel gehypt und gepusht wird. Gestern hat mich unser Drummer nach einem Song gefragt: Ist der neu? Und ich sagte: Nee, zwei Monate alt. Dass man jetzt sagt, der ist alt, weil er zwei Monate alt ist, ist ja auch nicht normal. Es gibt soviel und man wird gefühlt überschüttet. Auch durch die Technik. Die Fotografen sagen: Jeder, der eine gute Kamera hat, kann jetzt gute Bilder machen. Oder jeder, der Autotune hat, kann irgendwie singen. Ich glaube, es ist schwierig, seinen eigenen Weg zu finden und Qualität hervorzubringen. Es geht darum, dass der ganze Hype auch irgendwann verglüht. Es kann so schnell wieder vorbei sein, darum sind wir alles mit Ruhe und Bedacht angegangen. Man sollte nicht immer für die Masse produzieren, sondern auch für sich selbst. Damit man selbst zufrieden ist. Wenn ich das Album doof fände, würde es mir auch nichts bringen. Dann wäre ich einfach unglücklich. Man hat eine Message, steht zu sich selbst und versucht, sich im ganzen Trubel irgendwie durchzusetzen. Den normalen Weg zu gehen.
Miriam: Was hat dich zu dem Song „Limit“ inspiriert? Ist dein eigenes Leben gerade so anstrengend?
Lina: Das ist alles sehr ironisch gemeint. Die Sachen, die ich da aufzähle, sind ja nicht wirklich anstrengend. Bei anderen Menschen ist das gar kein Problem. Es sind die kleinen Dinge im Leben, über die man sich dann ärgert. Und darin bin ich einfach sehr gut. Gestern bin ich über eine Türschwelle gestolpert, die es gar nicht gab. Von daher: Man könnte auch „Lina am Limit“ sagen. Es ist einfach sehr lustig gemeint.
MHQ: Deine Fans interessiert es sicher, wann Album Nummer 4 erscheint, aber dafür ist es vermutlich noch etwas früh. Wird es vielleicht eine live CD oder eine DVD deiner aktuellen Show geben?
Lina: Wir sind noch nicht dran, ein viertes Album zu schreiben. Diesmal wollen wir uns mehr Zeit lassen. Dieses Jahr kommt definitiv kein Studioalbum raus, aber vielleicht was anderes. Aber das will ich noch nicht verraten.
MHQ: Wirst du auch weiter schauspielern oder hast du das erstmal auf Eis gelegt?
Lina: Ich werde auch noch einen Film drehen – zu 98 %. Es ist noch nicht ganz sicher, ob er wirklich noch dieses Jahr gedreht wird. Aber da gibt es auch noch einige Überraschungen und ich will nicht fünf Sachen gleichzeitig machen. Ich will ja auch noch studieren dieses Jahr – aber ich glaube, das schaffe ich auch schon nicht mehr. Mein Herz geht in der Musik auf, aber wenn es passt und der Regisseur Potential sieht, dann werde ich auch weiter schauspielern. Ich freue mich auf das Projekt, auch wenn der Fokus in den letzten Jahren auf der Musik lag.
Miriam: Es gibt ja auch den Song „Ohne dich“. Machst du das gerne? Liebeslieder ein bisschen anders schreiben?
Lina: Ich glaube, das ist eine Frage der Leichtigkeit. „Ohne dich“ ist ja schon fast sarkastisch. Ich schreibe, als wäre es mir völlig egal, aber das ist es nicht. Wenn du einen solchen Song schreibst, bist du schon ganz gut drüber weg. Wenn man noch sehr traurig wäre, würde es einem schlechter gehen. Es ist ganz wichtig, dass man den Punkt im Leben findet, wo man wieder lachen kann.
MHQ: Vielen Dank, dass du dir soviel Zeit für uns genommen hast. Wir wünschen dir eine tolle Show!
Im Anschluss durften wir eine fantastische Show in der Garage erleben – mit kreischenden Mädels, die ganz vergessen hatten, dass man nach einem Song auch klatschen kann. Die Setlist war bunt gemischt durch drei LINA-Alben und brachte als Überraschung eine wundervolle Version von „Freakin‘ Out“ mit LINA allein am Piano.
Wir danken Dennis Schnell von „add on music“ für die Vermittlung des Interviews und Silke Grän für die herzliche Betreuung vor Ort.
Songs wie „Total Eclipse Of The Heart“, „Holding Out For A Hero“ und „It’s A Heartache“ machten sie weltberühmt. Ihre aktuellen Hits finden nicht mehr im Radio statt, doch die 67jhährige zeigt auch im „Rentenalter“ noch, dass sie stimmlich locker mit der Jugend mithalten. Auf dem 17. Studioalbum ist ihre Stimme kraftvoll wie eh und je.
Nicht ungewöhnlich für eine Musikerin ihres Kalibers, hat sie sich gleich einige Superstars mit an Bord geholt: Francis Rossi von Status Quo singt mit ihr zusammen den Song „Someone’s Rockin‘ Your Heart“, Sir Rod Stewart rockt als Duettpartner im Song „Battle Of The Sexes“ und Sir Cliff Richard hören wir mit Bonnie im Song „Taking Control“. Die wunderbare Ballade „Seven Waves Away“ wurde eigens für sie von Sir Barry Gibb geschrieben. Neben soviel Adel bleibt Bonnie dennoch die uneingeschränkte Königin.
Natürlich darf man sich nichts weltbewegend Neues erwarten. Bonnie Tyler singt den gewohnt-soliden AOR und tut gut daran, sich nicht auf irgendwelche Spielchen einzulassen. Bonnie sagt über das Album: „Ich fing im April 1969 mit dem Singen an und sang 7 Jahre lang 6 Tage die Woche bevor Roger Bell mich entdeckte. Er kam aus London nach Wales, um sich einen männlichen Sänger, von dem er gehört hatte, anzuhören. Aber da es in dem Club zwei Etagen gab, betrat er den falschen Raum und hörte mich stattdessen singen. Das war der Anfang meiner wundervollen Reise. Ich habe auf der ganzen Welt performt und liebe es immer noch, auf der Bühne zu stehen, um meine fantastischen Fans zu unterhalten. Die Zeit war reif wieder ins Studio zu gehen und nach 50 Jahren als Performerin wusste ich, dass ich etwas ganz Besonderes abliefern müsste. Genau das habe ich getan. Die neuen Songs auf ‚Between The Earth And The Stars‘ klingen unglaublich.“
Musikalisch findet die Sängerin eine gute Balance zwischen Rock und Pop mit geringen Country-Anteilen. Das Ergebnis ist erstaunlich abwechslungsreich und kompromisslos. Dies und die unverkennbare Stimme, die von Beginn an ins Ohr geht, machen es zum eindrucksvollen Spätwerk
Viele Musikfans sehen in Purple Schulz immer noch den charismatischen Sänger, der in den 80er Jahren als „Ich will raus“-Schreihals der Popmusik Gehör verschaffte und mit Titeln wie „Verliebte Jungs“ auch nach dem Ende der Neuen Deutschen Welle deutschsprachige Pophits prominent im Radio platzierte. Andere wissen aber, dass er bis heute sensationell gute Konzerte gibt, auch im neuen Jahrtausend einige spannende Studioalben veröffentlicht hat und viel mehr als der Geheimtipp sein sollte, den er für viele Musikfreunde bislang darstellt.
Man muss nur die Neuinterpretation des Hits „Sehnsucht“ hören. Reduziert auf das Wesentliche vermittelt dieser Song, der das Album eröffnet, noch mehr Gänsehaut als mit dem bekannten Synthie-Gewabbel. Und andere Hits wie „Kleine Seen“ und „Immer nur leben“ gewinnen deutlich in der modernen Version, die bodenständig und mit handwerklicher Kraft um die Ecke kommt.
„Nach wie vor“ ist kein typisches „Best Of“, sondern eine Anthologie von Purples stärksten Liedern. Songs wie „Der Stand der Dinge“ und „Durch Ruinen“ waren keine Hits, aber es waren Titel, die dem Sänger bis heute viel bedeuten. Das wird auch der unbedarfte Hörer merken. Es gibt mit „In dieser Nacht“ eine überraschende Jazznummer, während „Schwalben“ wunderschönen Gitarren-Folk bietet. Und zum Abschluss erklingt das schwergewichtige „Der Wal“ als episches Kunstwerk. Purple weiß, wie man Atmosphäre schafft.
Bei „Immer nur leben“ muss ich nicht nur bei den Konzerten, sondern auch zuhause vorm Player ein Tränchen verdrücken. Mein neues persönliches Highlight aber ist „Bis ans Ende meiner Lieder“, das im Original von Udo Jürgens stammt. Startend mit den bekannten Klängen von Supertramps „Take A Long Way Home“ entwickelt sich der Song zum authentischen und gefühlsstarken Mottosong dieses Albums. Zum Glück hat Purple es nicht als Albumtitel genommen, sonst würde man schon über Abschied grübeln.
Es ist gut, dass Purple „Nach wie vor“ Musik macht und wundervolle Konzerte gibt, die mir den Glauben an die Popmusik zurück geben. Schaut euch eine seiner Shows an. Ich schwöre: Wer deutschsprachige Musik mag, wird begeistert sein!
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Mit Hunderten Konzerten vor Zigtausenden Zuschauern in zahlreichen Ländern gehören Echoes zu den erfolgreichsten Pink Floyd-Tributebands. Dabei machen sie dem Original nicht nur musikalisch, sondern auch mit bombastischen und extrem aufwändigen Liveshows alle Ehre. Davon sollte man sich am besten live überzeugen. Wenn gerade kein Konzert in der Nähe ist, tut es aber auch die DVD „live from the dark site“.
Das Konzert der deutschen Band um Oliver Hartmann wurde 2018 beim „Rock Of Ages Festival“ in Seebronn mitgeschnitten. Und es war ein ganz besonderes Ereignis, denn als Gäste waren mit Claude Leonetti (Lazuli), Midge Ure, Michael Sadler und Geoff Tate einige Hochkaräter dabei.
Das Septett bietet ein 135minütiges Best-of-Set seiner Lieblingsband mit einer famosen Rockshow angereichert um oben genannte Solisten und ein Streichquartett.
Wunderschön der Start mit „Shine On You Crazy Diamond“. Sehr atmosphärisch „Wish You Were Here“. Geoff Tate bereichert „Welcome To The Machine“ sehr charismatisch und mit „High Hopes“ erfährt eines meiner Lieblingsstücke eine herausragende Würdigung durch die Akzentuierung von Claude Leonetti.
„Another Brick In The Wall“ wird abgefeiert bis hin zum schmachtenden „Hey You“ durch Midge Ure. Ein Genuss! Und „Comfortably Numb“ glänzt nicht nur durch hervorragende Soloeinlagen, sondern auch durch die Vocals von Altmeister Sadler. „Run Like Hell“ bietet dann den grandiosen Abschluss mit allen Gästen auf der Bühne.
Es gibt viele großartige Floyd-Coverbands. Echoes brauchen sich da nicht zu verstecken. Mit „Barefoot To The Moon“ hatten sie vor über drei Jahren ein sensationell reduziertes Meisterwerk vorgelegt. Jetzt zeigen sie, dass auch der Bombast bei ihnen regieren kann.
In den vergangenen zwei Jahren hatten wir zweimal über das Programm „Schmitzenklasse“ berichtet – und eigentlich wollte ich es damit fürs Erste gut sein lassen. Doch meine Tochter war anderer Meinung: „Papaaaa, bitteeee, der ist immer so lustig“, waren ihre Worte, als sie das Plakat sah. Stimmt, dachte ich, klein und klein gesellt sich gern. Also das Töchterlein geschnappt und auf in die Saarlandhalle. Die größte Eventhalle im Saarland war ausverkauft – beste Voraussetzungen also für einen vergnüglichen Abend.
„Wer viel zu sagen hat, muss schneller reden.“ Mit diesem Motto-Shirt stürmte der Komiker auf die Bühne. In Windeseile erzählte er vom Konzept der Schmitzeljagd-Show, die ihn quasi von Hinweis zu Hinweis durch ein vom Publikum maßgeblich gestaltetes Programm führen soll. Und sogleich ging er auf Tuchfühlung zu den Zuschauern, machte Witze über seine etwas geringe Körpergröße und hetzte von Reihe zu Reihe. Dabei nahm er Namen auf, Begriffe – und lernte zudem Grundbegriffe der saarländischen Mundart.
Okay. Mit einer Schnitzeljagd im ursprünglichen Sinne hatte das nur wenig zu tun. Dafür ist Ralf zu sehr Impro-Mann. Zum Einstieg belustigte er das Volk mit Handfotos vom Smartphone seiner Mutter. Und dann ging es in die erste Übung: Die Zuschauer versorgten ihn mit Dialekten und möglichen guten bzw. schlechten Gefühlen, außerdem mit einem Handlungsort. Sandra aus Homburg schlug „Puff“ vor und durfte dann prompt auf die Bühne. Sie wurde (etwas einseitig) Dialogpartnerin für Gestalten wie einen verliebten Sachsen und einen schüchternen Hessen.
Als genialer Imitator ließ Ralf den Kollegen Paul Panzer die Nachrichten sprechen, begleitet von Otto und Mario Barth als Korrespondenten. Dann war wieder Szenenspiel angesagt: Eine Lovestory wurde nachgespielt und Lorena sollte die entsprechenden Geräusche machen. Auch wenn dies bisweilen recht misslungen klang, zeigte sich die wahre Klasse der Schmitzschen Komik: Er kommentierte und korrigierte, dass es eine wahre Freude darstellte. Wie der Blitz war die erste Stunde vergangen und es gab eine Erholungspause.
Der zweite Teil brachte ein falsches Versprechen: „Es muss keiner mehr auf die Bühne“, stand auf dem T-Shirt. War natürlich gelogen, wie sich schnell herausstellte. Schmitz‘ Katze ist ein beliebtes Thema in Ralfs Wortschwall – und so gab es einige Anekdoten aus dem Leben mit der Katze Hildegard. In der Pause durfte das Publikum Fragen aufschreiben, die jetzt in ein Spiel „Mann und Frau streiten auf der Arbeit über die Ehe“ eingebaut wurde. Verblüffend, wie passend die zufällig ausgewählten Zettel ins Geschehen passten: „Wenn alle Männer gleich sind, warum brauchen manche Frauen so lange, um den passenden zu finden?“, hieß es da beispielsweise. Oder auch: „Können Fische Pupsen?“
Interessant aber, wenn man Gelegenheit hat, die ernste Seite eines Komikers kennenzulernen. Aus dem hinteren Hallenbereich wurde nach einem Sanitäter gerufen. Ralf reagierte sofort, ließ das Saallicht einschalten und verfolgte das Geschehen vom vorderen Bühnenrand. Es war zu sehen, dass er sich ernsthaft Sorgen machte. Nach zehn Minuten ließ er sich hinter der Bühne Bericht erstatten, teilte dem Publikum mit, dass eine Frau einen Kreislaufzusammenbruch hatte, es ihr aber besser gehe. Dann setzt er die Show ebenso souverän fort, wie er die Unterbrechung gemeistert hatte. Kompliment.
RTL-Zuschauer wissen, dass Ralf mit „Take me out“ neuerdings eine ungewöhnliche Datingshow moderiert. Diese konnte natürlich nicht 1:1 in die Show einfließen, aber Ralf erfreute die Saarländer mit einer ganz besonderen Form des Speed-Datings. Dann durfte Michelle aus Ottweiler auf die Bühne. Ein Glücksgriff für Ralf, der der jungen Saarländerin im Interview nicht nur einen breiten Dialekt entlockte, sondern auch viele Alltagsinformationen. Diese baute er dann in eine musikalische Hommage ein, gesungen in den zufällig ausgewählten Musikrichtungen spanische Folklore, Marsch und Kuschelsong. Das Geschehen fand in einem Pyrofeuerwerk seinen Abschluss und Ralf verließ um 22.40 Uhr die Bühne.
Im Zugabenblock gab es die immer wieder gern gesehene Marionetten-Impro: Zuschauer Marvin bewegte Ralf zu seiner Lieblingsbeschäftigung – dem Zocken. Eine weitere Glanzleistung. Abende mit Ralf Schmitz sind definitiv empfehlenswert. Und keiner verläuft wie der andere. Einstudierte Abläufe sind nun wirklich nicht sein Ding. Wer den Comedian live erleben will, hat hier regional noch zwei Möglichkeiten: Für die ganz Spontanen heute, 17.3.2019, in der Conlog-Arena Koblenz, und dann am 15.11.2019 in der Europahalle Trier.
Die Wahl-Hamburgerin hat es schon auf ihrem Debüt verstanden, atmosphärische Songs zu schaffen, die in keine Schublade passen. Pop, Folk, Indie, Rock und orchestrale Anwandlungen verbinden sich zu einer eigenständigen Melange, die zu keinem Zeitpunkt langweilig wird.
Ein Leben, das allzu geradlinig verläuft, taugt nicht für gute Geschichten. Darum dürfen wir uns wohl glücklich schätzen, dass bei Vivie Ann eigentlich immer alles drunter und drüber geht. „When The Harbour Becomes The Sea“ heißt die Essenz, die sie aus dem Chaos ihres Lebens destilliert hat. Es geht darin genau um diese turbulenten Momente – wenn der sichere Hafen zur stürmischen See wird, der feste Boden unter den Füßen zu tobenden Wellen und endloser Tiefe.
Als Tochter zweier Musiker hat die 27jährige Singer/Songwriterin schon einiges erlebt. Es heißt, sie habe schon als Kind backstage im Keyboard-Case geschlafen, während ihr Vater auf der Bühne stand. Um ihre Unabhängigkeit zu wahren, sammelt Vivie Ann das Geld für ihre Produktionen per Crowdfunding – und auch beim zweiten Album hält sie alle Fäden in der Hand.
Der Opener „Cold Water“ erzählt von genau so einem oben erwähnten Hafen-Sturm-Moment. Nach der melancholischen Strophe bricht der Refrain mit unerwarteter Euphorie hervor. „I’d do it all again, I’d do it all again“ singt der Chor und dieses Motto zieht sich weiter durch das Album. Auch in „Obsolete Majesty“, „Anytime“ und „Glow“ erzählt Vivie Ann kleine Dramen aus ihrem verworrenen Leben – jedoch immer mit einer selbstbewussten Attitüde. Als hätte sie sich auf die Fahne geschrieben, ja zu sagen zu all dem Chaos, den kleinen und großen Kapriolen des Schicksals, der manchmal schmerzhaften Überemotionalität.
So pendelt das Album zwischen leisen, intimen Momenten und wilden, explosiven Ausbrüchen, manchmal sogar innerhalb des selben Songs („Windmills“). Dass Vivie eine große Stimme hat, zeigt sie spätestens in „Loverboy“, einem Song der durchaus auch als Bewerbung für den nächsten Bond-Song aufgefasst werden könnte. Auf dem abschließenden „No End“ mündet schließlich alles in einem großen E-Gitarren Chaos. Aber Chaos ist ja die beste Inspiration.
Zwischen Pop und Rock schafft die Künstlerin eine jederzeit wundervolle Atmosphäre. Dazu passt auch das Cover, das den Moment des stürmischen Aufbruchs aus der Ruhe heraus perfekt einfängt. Es ist Vivie Ann augenscheinlich ein Anliegen, ihre Alben zu Gesamtkunstwerken zu machen und dem Format eine neue Bedeutung zu geben. Das ist ihr hervorragend gelungen: Nicht der einzelne Song zählt, sondern das Zusammenspiel.
Mit „4 Wheel Drive“ haben sich vier Musiker, die sich lange kennen und bereits in den unterschiedlichsten Konstellation zusammen gespielt haben, den lange gehegten Herzenswunsch eines gemeinsamen Quartetts erfüllt: Nils Landgren (tb, voc), Michael Wollny (p), Lars Danielsson (b) und Wolfgang Haffner (dr). Die Zusammenarbeit erfolgt auf Augenhöhe, doch es sind besondere Momente, wenn Nils Landgren seine charismatische Gesangsstimme erklingen lässt und eindeutig die Führung übernimmt.
Hier haben sich vier Größen des europäischen Jazz zum Quartett vereinigt, die sich seit Jahren kennen und schätzen. Bekanntlich kreuzten sich die Wege der Musiker bereits des Öfteren in verschiedenen Konstellationen. In Reinform gab es diese vier aber noch nie. Gemeinsam nehmen sie als großartige Solisten und Teamplayer Fahrt auf.
Neben je einer Eigenkomposition der Protagonisten haben sich Landgren, Wollny, Danielsson und Haffner außerdem auf vier Kreativkräfte der Musikgeschichte verständigt, deren Vorlagen sie interpretieren: Paul McCartney, Billy Joel, Phil Collins und Sting.
McCartneys „Maybe I’m Amazed“ wird zur heruntergedimmten Jazzballade. Von sämtlichem Beiwerk befreit und durch Wollnys präpariertes Klavier transformiert, entwickelt sich Billy Joels „She’s Always A Woman“ zum geheimnisvoll-entrückten Liebeslied. Das Genesis-Stück „That’s All“ deuten die Musiker zu einer instrumentalen Soundcollage um. Und Stings Songthema über das Loslassen findet bei „If You Love Somebody Set Them Free“ eine musikalisch treffende Entsprechung durch die Freiheit des Jazz, besonders wenn das Stück in Landgrens druckvolle Posaunenimprovisation mündet.
Musik auf der Überholspur rahmt das Album ein: Wollnys rasantes Paradestück, der Opener „Polygon“ und das abschließende, von Danielsson geschriebene Titelstück „4WD“, bei dem er Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ im Hinterkopf hatte.
Das Album bietet Jazz vom Feinsten und wildert immer wieder im Pop. Es gehört zum Entspanntesten, was ich seit langem gehört habe. Spätestes wenn Nils Landgren in Track 2 mit den Lyrics zu „Another Day In Paradise“ einsetzt, ist der Genuss perfekt. Ich bin gespannt auf die Live-Umsetzung!
Fast hatte man schon vergessen, dass Subway to Sally einst die Speerspitze des Mittelalter-Rock und Folk-Metal bildeten. Kontinuierlich gab es neue Alben und man denkt mit schaurigem Wohlgefühl an die „Engelskrieger“, das „Kreuzfeuer“ und die keineswegs subtilen Mördergeschichten aus „Mitgift“ zurück. Auch nach fünf Jahren Pause – im März 2019 – liefert die Band um Frontmann Eric Fish und die neue starke Violinistin Ally Storch ein gelungenes Sammelsurium aus harten Klängen und morbiden Geschichten. Bisweilen etwas inhomogen, da alles wie eine Aneinanderreihung einzelner Ideen klingt – doch auf jeden Fall wird die Sammlung von musikalischer Größe zusammengehalten.
Subway to Sally sehen „HEY!“ als ein Fanal der Zeitenwende. Und das im doppelten Sinne: zum einen markiert die Rückkehr der Band nach geschlagenen fünf Jahren den Anbruch einer neuen Schaffensphase. Zum anderen spiegeln die Songs den Zustand unserer ins Wanken geratenen Welt zwischen Konsumterror („Messias“) und Fanatismus, Wachstumsprognosen und Untergangsszenarien („Bis die Welt auseinanderbricht“) so bissig und direkt wieder, wie es seit langem nicht mehr der Fall war – allerdings mit verändertem Fokus. War der Meilenstein aus dem Jahre 2003 noch eine düstere Abrechnung mit Missständen und ein Versuch, sich in Grenzsituationen hineinzuversetzen, so ist „HEY!“ ein Weckruf an alle verschlafenen Zeitgenossen, endlich aktiv zu werden, aber auch eine Aufforderung zum Tanz: Subway To Sally feiern das Leben – im Angesicht der Apokalypse.
So gibt es neben den bekannten Metalklängen und atmosphärischen Balladen auch intensive elektronische Momente und (in „Selbstbetrug“) gar HipHop-Passagen. Das zeigt, dass die Band nicht stehen bleibt und in sich selbst ruht, sondern gegenüber anderen musikalischen Einflüssen durchaus aufgeschlossen ist.
Der Eröffnungssong „Island“ widmet sich der nordischen Sagenwelt, „Imperator Rex Graecorum“ vertont einen lateinischen Text aus der Zeit mittelalterlicher Kreuzzüge. „Königin der Käfer“ erzählt eine wortgewaltige Schauergeschichte. „Am tiefen See“ bildet eine gänsehauterregende Fortsetzung zu „Die Rose im Wasser“, deren Emotionalität durch den Gastgesang von Syrah noch verstärkt wird. Aus unterschiedlichen Richtungen nähert man sich der Jetztzeit an und mündet in aufrüttelnden Titeln („Alles was das Herz will“, „Aufgewacht“) sowie pessimistischer Gesellschaftskritik („Bis die Welt auseinanderbricht“, „Ausgeträumt“).
Das Album feiert 27 Jahre Subway To Sally. 27 Jahre auf einer Reise, die immer in Richtung neue Ufer ging, ohne nach Trends zu schielen. Eingängig, metallisch, elektronisch.
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Momentan sind einige starke Frauen mit neuen Releases unterwegs. Ich habe hier Alben von Avril Lavigne und Dido, von der wundervollen Vivie Ann und von Altmeisterin Bonnie Tyler vorliegen. Doch den Vogel schießt eine 22jährige Newcomerin aus Norwegen ab: Sigrid Solbakk Raabe aus Ålesund, die sich vor zwei Jahren mit dem Hit „Don’t Kill My Vibe“ feste in den Playlisten etablierte.
Seitdem sind drei EPs erschienen und jetzt endlich der erste Longplayer „Sucker Punch“. Der ist so vielseitig, dass ich aus dem Staunen nicht mehr heraus komme. Die junge Sängerin strotzt vor Energie und vereint unterschiedliche Stilrichtung, sodass man sie in keine Schublade stecken kann. Der Titelsong ist ein elektronischer Knaller nach Art von Robyn. „Sight Of You“ könnte mit seinen hymnischen Anleihen auch von Coldplay stammen.
Sigrid macht fröhliche Popmusik, die auf Anhieb begeistert. Dabei ist sie in ihrer Virtuosität ganz weit vorne. Schon beeindruckend, wie genau sie „Mine Right Now“ intoniert und die rhythmischen Betonungen setzt. Die Songs sind genial abgemischt, wahlweise mit orchestralen Elementen oder Rap-Einlagen, mal gefühlvoll leise, dann wieder herausschreiend laut. Unbekümmert wechselt sie von Lovesongs zu Dancehall-Krachern.
Bei allem, was hier geboten wird, war „Don’t Kill My Vibe“ nur ein Teaser. Wer die Musik von Robyn mag und zu schätzen weiß, was skandinavische Songwriterinnen zu bieten haben, sollte Sigrid definitiv ein Ohr gönnen. Ihr werdet es nicht bereuen. Anspieltipp: „Dynamite“, das Sigrids Stimme zu feinen Pianoklängen ganz in den Vordergrind stellt. Großartig!
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