Am heutigen Mittwochabend wurde das 20. Reeperbahn Festival im Stage Operettenhaus Hamburg mit der Opening Show eröffnet. Nach einer Begrüßung durch die Radio- und Fernsehmoderatorin Clara Amfo begann das rund 60-minütige Programm mit einem Rückblick über die 20-jährige Entwicklung des Reeperbahn Festivals. Im Anschluss stellte Ingo Mix, Abteilungsleiter Kunst- und Kulturförderung bei dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, heraus, welchen Wert eine lebendigen Musikindustrie für alle Teilnehmenden darstellt und hob die Bedeutung des Reeperbahn Festivals als „Diplomatie ohne Grenzen“ hervor.
Das Alternative-Pop Quartett Florence Road (IRE) stellte den ersten Live-Act des Abends dar, bevor Festivalleiter Detlef Schwarte die anwesenden 1.200 Gäste auf das diesjährige Motto des Reeperbahn Festivals „Imagine Togetherness!” einstimmte, dass ein Aufruf zu mehr Gemeinsinn und Zusammenarbeit innerhalb des Ökosystems Musikindustrie ist. Herausforderungen durch tiefgreifende Veränderungen wie Digitalisierung, Monopolisierungstendenzen bei zunehmendem wirtschaftlichem Druck stellen besonders für kleinere, unabhängige Akteur*innen oft eine existenzielle Bedrohung dar und können nur mit gemeinsamem Lösungswillen bewältigt werden. Andererseits sind gerade die kleinen Clubs, Labels und Agenturen von enormer Wichtigkeit für die Entwicklungsmöglichkeiten der nächsten Generation musikalischer Talente. Deshalb liegt der Erhalt eines nachhaltigen Musikwirtschaftssystems im gemeinsamen Interesse aller Marktteilnehmenden.
Die Weltpremiere des Kollektivs Future Female Africa mit Sheebah Karungi, Femi One, Die P, Onejiru, Mayonde, Anna Bassy, Nicole Hadfield und mari.ama zeigte mitreißend, wie gut Pop nach wie vor gesellschaftlich relevante Themen transportieren kann, eine Tatsache, die Autorin Liz Pelly mit wissenschaftlicher Analyse zu untermauern wusste. Mit einem Trailer wurden die diesjährigen Anchor-Nominees Wettbewerbs vorgestellt, der am Freitagabend im St. Pauli Theater verliehen wird. Den Anfang machten am Mittwoch die Shows von Sorvina (USA/DEU), Cara Rose (GBR) und RIP Magic (GBR), während Mei Semones (USA), Soft Loft (CHE) und Carpetman (UKR) am Donnerstag im Mojo Club auftreten.
Anschließend überzeugte der stimmgewaltige Singer-Songwriter Calum Scott (GBR) beim ersten seiner beiden Auftritte, bevor Hamburgs Kultursenator Dr. Carsten Brosda eine glühende Rede über das verbindende Element von Kultur und Musik besonders in Zeiten wie diesen hielt, die mit dem Satz „When hope is fading, turn the music louder” eine treffsicher auf das diesjährige Reeperbahn Festival einstimmte. Astronaut André Kuipers berichtete in seiner Keynote, wie unerlässlich internationale Zusammenarbeit im All ist und zog damit eine treffsichere Parallele zur globalen Musikwirtschaft.
Am Mittwochabend begeisterte Surprise Act Nina Chuba bei ihrem von Amazon Music präsentierten Auftritt im Festival Village, Universal Music lud zu ihrem IGNITE Showcase in die Große Freiheit 36, wo Leon Thomas (USA), Jax Jones (GBR), Sebastian Schub (DEU), PARTYOF2 (USA) sowie Alessi Rose (GBR) auftraten. Das Exportförderungsprogramm German Music Talent | Wunderkinder zeigte die ausgewählten deutschen Acts Nilipek., h3nce, David Bay, Vianova und Power Plush.
Das Programm des Reeperbahn Festivals hält in den kommenden drei Tagen jede Menge weitere Highlights bereit. Insgesamt umfassen rund 800 Programmpunkte 450 Konzerte in 75 Spielstätten von 400 Acts aus 30 Nationen, für die erwarteten 5.000 Fachbesucher*innen sind 250 Programmpunkte mit rund 300 Speaker*innen vorgesehen. Die Booking-Quote der diesjährigen Ausgabe beträgt insgesamt 56 % FLINTA* und 44% männlich.
Die Veranstaltung wird gefördert von dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Freien und Hansestadt Hamburg.
Und wieder wird die Reeperbahn zum Nabel der Musikwelt. Es ist schon enorm, wie viele Labels und Promoter mich im Vorfeld des Festivals anschreiben, um ihre Acts zu bewerben. Aber absolut sinnvoll. Über 800 Programmpunkte für 45.000 Fans in unendlich vielen Clubs und Locations, dazu die öffentlichen Open Air Events auf Heiligengeistfeld und Spielbudenplatz, für die man kein Ticket braucht – wer soll da den Überblick bewahren? Man kann sich treiben lassen, hört hier und dort interessante Klänge, besucht die Clubs, wenn gerade keine große Schlange davor steht, oder man sucht gezielt nach bestimmten Genres, hält sich an die Topacts, whatever…
Foto: Robin Schmiedebach Photography / Reeperbahn Festival
Am Mittwoch ließ mich zunächst mal die Deutsche Bahn im Stich und der ICE hatte ganze zwei Stunden Verspätung. Also „Opening Show“ ade. Stattdessen kam ich kurz nach 19 Uhr im Festival Village an und hatte mit jolle gleich eine quirlige Deutschpop-Künstlerin im Ohr. Sie hat ihre Karriere 2020 in einer Hamburger Karaokebar gestartet. Also ein Heimspiel hier, das sie hervorragend nutzte und die Fritz Kola Bühne rockte. Laut und mit viel Pep setzte sie eine erste Duftmarke beim Festival. Die Rap-Parts waren frisch und beeindruckend.
Weiter ging es mit Amy Warning. Wieder auf deutsch, wieder mit Rap. Sie hat 2014 ihr erstes Album veröffentlicht und bewegt sich zwischen Soul, Pop und Reggae. Mit ihrem aktuellen Album „Auszeit“ glänzte sie auf der Village Acoustics Bühne. Einziges Manko: Es ist schwer, sich auf einer kleinen Bühne akustisch durchzusetzen, wenn im Hintergrund stampfende Dancebeats und die verstärkte Musik einer anderen Bühne ertönen. Daran könnten die Veranstalter noch arbeiten, um allen Acts eine reelle Chance zu geben. Amy ließ sich aber nicht entmutigen und das Publikum skandierte mit Ihr „Ich war dabei“.
Foto: Robin Schmiedebach Photography / Reeperbahn Festival
Im Bahnhof Pauli, einer Untergrund Location, die einem echten U-Bahnhof nachempfunden ist, spielte Paula Dalla Corte ein einstündiges Set mit großer Bandbesetzung. Die Indie-Künstlerin ist durch „The Voice of Germany“ bekannt geworden und hat sich mit dem Song „Good Girl Killer“ eine ordentliche Fanbase erarbeitet. Auch in St. Pauli wurde sie abgefeiert. Die Stimme etwas rauchig, womit sie auch beeindruckend tiefe Töne perfekt trifft. Auftreten und Style melodramatisch mit weitgreifenden Gesten und starker Bühnenpräsenz. Es war definitiv ein Genuss, sie auf der Bühne zu erleben, und für mich das Highlight des ersten Tages.
Foto: Robin Schmiedebach Photography / Reeperbahn Festival
Auf der Bühne am Spielbudenplatz hatten sich inzwischen Judi & Cocho als „Bavarian Export“ eingefunden. Es gibt häufiger solche Mottobühnen und hier wurde das Line-up von Bands aus Bayern gestellt, was man am Mundart-Akzent des Sängers leicht feststellen konnte. Die Musik ging in Richtung Jeremias und AnnenMayKantereit. Verlebt raue Vocals und Partystimmung. Damit hatte man das Publikum auf seiner Seite. Eigentlich sind Julian Deller und Johannes Winkler vor allem ein Indie-Duo, doch hier wurde man von einer formidablen Band begleitet. Ein perfekter Spätsommerabend mit einer Temperatur von noch 15 Grad nachts um 23 Uhr sorgte zudem für entspannte Stimmung und Feierlaune.
Zum Abschluss gab es im Krimi-Theater Imperial eine besondere Überraschung. Ana Lua Caiano ist fest in Jazz, Fado und portugiesischer Folklore verwurzelt. Doch wie sie das darbot, war überwältigend. Allein auf der Bühne mit unzähligen Instrumenten und Loop-Station. Live nahm sie ihre Tonspuren auf und stellte das Ergebnis zu Songs zusammen. Dabei war sie immer in Bewegung und lieferte mit elektronischen Mitteln, viel Pathos, enormem Stimm- und Körpereinsatz sowie mitreißender Energie eine überwältigende Performance ab. Auch komplett a cappella, nur von einem Tambourin begleitet, riss sie das Publikum quasi von den Sitzen. Ein grandioses Konzert, das mal wieder zeigte, wie vielseitig das Reeperbahn Festival sein kann.
Foto: Robin Schmiedebach Photography / Reeperbahn Festival
In den Donnerstag bin ich schon um 13 Uhr mit einem Besuch im East Hotel gestartet. Dort fand ein Panel der Reeperbahn Konferenz statt. Das Festival ist ja auch ein Treffen von ca. 4.500 Delegates aus der Musikbranche, die an einem informativen Programm teilnehmen können. In diesem Fall waren dort zwei großartige Sängerinnen am Start, um zum Thema „Stairway to Heaven or Highway to Hell – Künstler*innen auf der unternehmerischen Reise in die Zukunft“ zu sprechen. Zum einen Inéz, die vor allem durch die Kollaboration „Zukunft Pink“ mit Peter Fox bekannt geworden ist, und Deutschpop-Künstlerin Wilhelmine. Die beiden gaben gute Einblicke in ihre Arbeit, Irrungen und Wirrungen der Karriere, Marketing und Social Media, Abhängigkeiten und Freiheiten, einschneidende Erlebnisse und vieles mehr.
Im Bahnhof Pauli stand mit Gregor Hägele wieder ein Künstler auf der Bühne, dem „The Voice of Germany“ die erste große Bühne bot. Die Casting-Flügel hat er definitiv abgelegt und lieferte hier eine rasante Rockshow mit Songs seines neuen Albums. Viel Deutschrock, aber auch einige Balladen. Zwischen zeitlich begab er sich nur mit Gitarre in die Menge und schuf bewegende Momente inmitten des Publikums. Zum Song „Paracetamol“ schnappte er sich den anwesenden Florian Künstler, um den Mitsing-Refrain zu üben. Mit Songs wie „Sophie“ und „Ich liebe mich“ übertrug er seinen Vibe mühelos auf die Anwesenden.
Foto: Christian Hedel / Reeperbahn Festival
Singer/Songwriterin Soffie hatte die Fritz Kola Bühne im Sturm erobert. Sie war allein auf der Bühne und begleitete sich elektronisch. Spätestens mit der Hymne „Für immer Frühling“ wussten die Anwesenden, wer da vor ihnen stand. Seit sie dieses Stück Anfang des Jahres bei TikTok hochgeladen hat, ist es zum ultimativen Protestsong gegen Rechts geworden. Toleranz und Mitmenschlichkeit sind der Sängerin ein großes Anliegen.
Zurück im Bahnhof Pauli bot Kati K Deutschrock mit leichten Techno-Vibes. Als Sängerin und Influencerin macht sie seit 2015 mit Gesangsvideos über Beziehungstipps auf sich aufmerksam. Doch keine Sorge, es wurde nicht zu esoterisch oder kopflastig. Die Münchnerin bot ein solides Rockkonzert mit emotionalen Ausflügen (Pianoballade „Weißes Kleid“) und einem von den Prinzen entliehenen Song, im Original „Alles nur geklaut“, den sie mit einem Text übers Fremdgehen füllte.
Auf der Village Acoustics Bühne dann Jule Gelhar, ein frisches Hamburger Talent mit ihrem erst fünften offiziellen Auftritt. Das merkte man der Künstlerin aber nicht an, die ihre EP „Im Regio weinen“ in einer Mischung aus Indie und Punk präsentierte. Allein mit Klampfe sang sie auf deutsch – akustisch, laut, rotzig, schnell und mit tollen Texten. Vor allem ihr Stück zum Thema Sexuelle Gewalt war beeindruckend und hinterließ Spuren.
Foto: Robin Schmiedebach Photography / Reeperbahn Festival
Anna B Savage stand barfuß auf der MOPO-Bühne und sang mit ihrer hervorragenden, klassisch anmutenden Stimme und viel Pathos zur akustischen Gitarre. Die in Irland lebende Engländerin ist ein wirkliches Ausnahmetalent der Independent-Szene. Sie war ständig in Bewegung, aber auch manchmal ganz in sich versunken. Ihre Stimme ging durch Mark und Bein, musste sich aber leider gegen dumpfe Techno-Beats aus dem Hintergrund durchsetzen. Wieder schade, dass man diese Überschneidungen in der Lautstärke nicht in den Griff bekam. Bewundernswert, dass Anna sich davon nicht aus der Ruhe bringen ließ.
Im Schmidtchen gab es jetzt eine Lesung, an der ich unbedingt teilnehmen wollte. Die Journalist*innen Daniel Drepper und Lena Kampf haben zum Thema „Gewalt und Missbrauch in der Musikindustrie“ recherchiert und das Buch „Row Zero“ verfasst, wobei die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann Auslöser ihrer Arbeit waren. Was sie zu berichten hatten, war gleichwohl erschütternd wie ernüchternd. Die juristische Handhabe gegen geschilderte Taten von Nötigung und Gewalt ist schwierig, solange Aussage gegen Aussage steht und die Beweisführung zu allem, was backstage und in Hinterzimmern geschieht, kaum möglich ist. Begriffe wie Druck und Machtgefälle stehen hier gegen die Unschuldsvermutung. Es entwickelte sich eine spannende Diskussion mit den Anwesenden und die Zeit war viel zu schnell vorbei.
Foto: Robin Schmiedebach Photography / Reeperbahn Festival
Die Village Acoustics Bühne war jetzt mit Revelle besetzt. Die Wahlberlinerin aus der Nähe von Wien ist mittlerweile fester Bestandteil der Deutschpop-Playlisten. Sehr quirlig, sympathisch und frisch nahm sie die Anwesenden mit auf eine 45minütige Reise durch luftige, meist fröhliche Popsongs, die sie sehr reduziert interpretierte. Revelle singt glasklar und hat emotionale Lyrics zu bieten. Damit traf sie den Nerv des Publikums und man spürte „Nur Liebe“. Man sah ihr die Freude über den Auftritt merklich an und die halbe Stunde verging wie im Flug. Sie versäumte es nicht, auf die Flutkatastrophe in Niederösterreich hinzuweisen und eine Spendenaktion für eine befreundete Familie zu starten. So gab es im Anschluss die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen und Unterstützung zu leisten.
In der Großen Freiheit 36 ein weiteres Konzert, auf das ich mich sehr freute: Das Comeback von JULI, meinen Helden aus Anfang der 2000er. Der Club war brechend voll, aber gut organisiert kam man ohne Warteschlange vor die Bühne. Es war ein absolut magischer Moment, als die ganze Freiheit zum Eröffnungsstück „November“ minutenlang „Und es ist Juli“ sang. Eine sichtlich bewegte Eva Briegel und eine jubelnde Menge waren das Ergebnis dieses Liebesbeweises. Der Gig wurde zum perfekten Happening für Nostalgiker und neue Fans. Eine mitreißende Setlist bot „Elekrisches Gefühl“, aber auch ganz neue Stücke und natürlich Klassiker wie „Geile Zeit“ und „Perfekte Welle“. Gerade bei letzteren Songs bat Eva die Social-Media-Generation, ihre Handys wegzulegen und den Moment zu genießen. Das gelang dann auch tatsächlich und man sah nur ganz wenige erleuchtete Bildschirme. Stattdessen eine riesige Party, die 80 Minuten andauerte und mit einer Zugabe endete. JULI hatten alles gegeben und bewiesen, dass das 20jährige Jubiläum des Debütalbums nicht zu seliger Ruhe, sondern zu Rastlosigkeit und neuer Energie führt.
Foto: Robin Schmiedebach Photography / Reeperbahn Festival
Im Imperial-Theater sollten die Mighty Oaks den krönenden Abschluss für meinen zweiten Festivaltag bilden. Hier hatte sich eine riesige Menschenmenge in geordneter Schlange eingefunden, um an diesem ganz besonderen Event teilzunehmen. Der Amerikaner Ian Hooper, der Engländer Craig Saunders und der Italiener Claudio Donzelli haben sich vor über zehn Jahren in Hamburg gefunden und seitdem ganz dem Folk verschrieben. Sie wollten unbedingt wieder im Imperial spielen, weil dort beim RBF ihr großer Durchbruch begann. „Seid ihr sicher?“, fragten die Veranstalter. „Ja.“ Allerdings, wie Ian jetzt zugab, hatte man das Theater größer in Erinnerung. Für die Anwesenden war es ein Fest. Ian mit launigen Ansagen auf deutsch. Der harmonische Satzgesang im Trio. Alte und neue Hits, perfekt vorgetragen. Das neue Album „High Times“ ist gerade erschienen und führt definitiv in neue musikalische Höhen. Ein begeistertes Publikum trieb das Trio von Song zu Song und die 75 Minuten waren viel zu schnell vorbei. Entspannte, harmonische Songs, ein reduziertes Album – akustisch und (wie Ian sagte) „a little bit durcheinander“ waren die Mighty Oaks brillant auf der Bühne. Zur Zugabe stellte man sich zu dritt vors Mikro und brachte die Einheit als Band perfekt zum Ausdruck. Ein wundervoller Abschluss für Tag zwei.
Heute Nacht ging das 18. Reeperbahn Festival zu Ende. Rund 49.000 Besucher*innen erlebten ein internationales Programm mit 475 Konzerten von 400 Bands und Künstler*innen aus über 40 Ländern und 180 Talks, Podcasts, Screenings, Ausstellungen und interaktive Angebote. Für die rund 4.000 Fachbesucher*innen standen über 350 Programmpunkte aus Sessions, Networking-Events, Showcases sowie Award-Verleihungen bereit.
Bei der diesjährigen Ausgabe präsentierte sich die internationale Musikwirtschaft mit starker Beteiligung u.a. aus USA, UK und Japan endgültig zurück auf dem Reeperbahn Festival, um im direkten Austausch des „People’s Business“ Musik Geschäfte zu machen, neue Talente zu entdecken und Netzwerke zu erweitern.
Entscheider*innen und Visionär*innen diskutierten die Frage, wie sich die Musik- und Kulturindustrie aufstellen muss, um zukunftsfähig zu bleiben. Die Erkenntnis der Notwendigkeit zu Veränderung fand übergreifende Zustimmung, da eine nachhaltige und diverse Musikwirtschaft von Konsument*innen und Publikum inzwischen zunehmend eingefordert und vorausgesetzt wird und somit im direkten wirtschaftlichen Eigeninteresse der Branche steht.
Für die nachfolgende Generation hielt das Programm des Reeperbahn Festivals zahlreiche Angebote mit zielgruppengerechten Themen bereit, u.a. mit dem digitalen Jugendfestival TINCON, zu dessen Auftakt am Mittwoch Reeperbahn Festival-CEO Alexander Schulz gemeinsam mit den TINCON-Gründer*innen Tanja und Johnny Haeusler die insgesamt 3.000 teilnehmenden Schüler*innen begrüßte und dafür warb, sich mit dem KulturPass u.a. eine Vergünstigung beim Ticketkauf für das diesjährige und das kommende Reeperbahn Festival zu sichern.
Beim neuen Recruiting Format Music People vernetzten sich am Donnerstagnachmittag im Festival Village 130 junge Talente, die Interesse an einer Laufbahn in der Musikwirtschaft haben, mit 30 Unternehmensvertreter*innen aus allen Bereichen der Musikindustrie zu Kennenlern-Gesprächen auf Augenhöhe.
Erstmals fand auch die Digital- und Gesellschafts-Konferenz re:publica im Rahmen des Reeperbahn Festivals statt, die künftig mit einer Zweitausgabe in Hamburg vertreten sein wird, zu der alle Besucher*innen des Reeperbahn Festivals Zugang haben.
„Wer hätte gedacht, dass wir im Windschatten des Millerntors eine solche Show mit diesem wunderbaren Zuspruch auf die Beine stellen konnten. Schon in den ersten Stunden kamen Erinnerungen an die erste re:publica in Berlin 2007 auf, bei der wir dachten: ,Das sollten wir wieder machen!‘ Danke an das re:publica- und an das Reeperbahn Festival-Team für das Vertrauen und diese wegweisende Premiere.“
– Andreas Gebhard, Mitgründer und Geschäftsführer der re:publica
INTERNATIONALER MUSIKPREIS ANCHOR AN ICHIKO AOBA VERLIEHEN
Die diesjährige ANCHOR-Jury um Songwriterin und Produzentin BANKS (USA), Produzentin, Songwriterin, Sängerin, Aktivistin und Schauspielerin Tayla Parx (USA), Songwriterin, Sängerin und Produzentin Katie Melua (GBR) sowie Produzent Tony Visconti (USA) besuchte am Donnerstag und Freitag im Gruenspan die Konzerte der sechs Nominees Berq (DEU), Daisy the Great (USA), Hannes (SWE), Ichiko Aoba (JPN), Paris Paloma (GBR) und waterbaby (SWE).
Nach langer Diskussion kam die Jury zu folgendem Schluss, der von Jurypräsident Tony Visconti verlesen wurde: “We, the jury, have chosen a winner who will crossover into several genres. Our winner comes from a long line of historic virtuosos. She also felt the need to compose music for her very specific talents. Our winner transported us to a timeless Japan and created her own universe with her skill and mastery of her art. Her music comforted us, it soothed us, and it brought us to tears. The winner of the 2023 ANCHOR Awards is: Ichiko Aoba!“
Der ANCHOR 2023 ist mit € 20.000,- dotiert, die von Reeperbahn Festivals Produktions- und Sponsoringpartner PRG für die technische Umsetzung der Live- und Tourneebedürfnisse der Gewinnerin aus dem Angebotsportfolio der Full Service Veranstaltungsagentur bereitgestellt werden.
KEYCHANGE INSPIRATION AWARD AN RAPPERIN EBOW VERLIEHEN
Die vom Reeperbahn Festival geleitete internationale Initiative Keychange, die sich für ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis in allen Bereichen der Musik einsetzt, verleiht den Keychange Inspiration Award an Persönlichkeiten, die einen außergewöhnlichen Beitrag zu einer gerechteren Musikbranche leisten. In diesem Jahr wurde die Auszeichnung an Rapperin Ebow verliehen, die seit Jahren gegen Sexismus, Rassismus und Homophobie rappt und damit nicht nur die PoC- und Queer-Community in der Hip-Hop-Szene repräsentiert, sondern auch ein herausragendes Vorbild für die nächste Generation darstellt.
AUSBLICK UND VORVERKAUF FÜR DAS REEPERBAHN FESTIVAL 2024
Das nächste Reeperbahn Festival findet vom 18. – 21. September 2024 statt. Tickets sind ab sofort HIER zur vergünstigten Early-Bird-Rate erhältlich.
Sieben Künstler*innen, Musikunternehmer*innen und Projekte wurden am gestrigen Abend im Rahmen des Reeperbahn Festivals in Hamburg mit dem VIA, dem Kritiker*innenpreis der unabhängigen Musikbranche, geehrt. Mit den Preisen zeichnet der Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT) herausragende Talente aufgrund von Qualität, Neuartigkeit und unabhängig vom kommerziellen Erfolg aus. Moderiert von Nina „Fiva“ Sonnenberg, mit Porträtfilmen aller Nominierter, erstmals in der Geschichte des Preises einem Liveact sowie einer Rede der VUT-Vorstandsvorsitzenden Dr. Birte Wiemann feierte die Independent Branche zum nunmehr elften Mal im Hamburger Schmidts Tivoli.
Beste*r Newcomer*in: Brutalismus 3000
Bester Act: CATT
Bestes Album: CATT – „Change“
Bestes Label: 365XX
Bestes Label: Fun in the church
Bestes Experiment: Senseable Art – „Sprich mit mir“
Best New Music Business: Cyanite
VIA Sonderpreis: Friedel Muders
Einen Doppelsieg konnte dabei die Indie-Pop-Musikerin CATT mit nach Hause nehmen: Sie wurde sowohl als „Bester Act“ als auch für ihr Album „Change“ ausgezeichnet. Zu Tränen gerührt nahm die Künstlerin die Preise von Laudator Michèl M. Almeida entgegen, der das Album mit eingespielt hatte und CATT als Künstlerin ehrte, die dahin gehe, wo ihre Intuition sie hintreibt.
Das Berliner Duo Brutalismus 3000 wurde in diesem Jahr von der Jury zu den Gewinner*innen in der Kategorie „Beste*r Newcomer*in“ gewählt. Über die Preisträger*innen entscheiden sieben Fachjurys, besetzt mit ausgewählten Expert*innen, die repräsentativ für die Vielfalt der unabhängigen Musikbranche ein breites Spektrum an Genres, Hintergründen, Businesserfahrungen und Geschäftsbereichen vertreten. Brutalismus 3000, die selbst nicht vor Ort sein konnten, treten damit in die Fußstapfen der Rapperin Nashi44, die 2022 als Beste Newcomerin ausgezeichnet wurde und in diesem Jahr beim VIA als Liveact auftrat.
Einen Doppelsieg gab es in der Kategorie „Bestes Label“: Hier gewannen 365XX, das aus dem Blog „365 Female MCs“ hervor ging. Es hat das Ziel, FLINTA-Talenten eine passende Plattform und Raum zur kreativen Entfaltung zu geben. Die Auszeichnung ging ebenfalls an das 2015 als Schwesterlabel von Staatsakt gegründete Fun in the church. Laut eigenen Angaben veröffentlicht Fun in the church „Outernational Music For Interplanetary People“ und widmet sich damit dem Überwinden von kulturellen Abständen. Laut den Abstimmungsregeln des VIA gewinnen beide Kandidat*innen wenn es in innerhalb der Jury zu einer Pattsituation kommt. Die Preise wurden den Teams der zwei Labels von den Juror*innen Lars Lewerenz (Audiolith) und Nina Graf (Miu) überreicht.
Knut Schlinger, Fachjuror der Kategorie „Best New Music Business“ und Redakteur des VIA-Medienpartners MusikWoche, zeichnete Cyanite aus. Die Mannheimer Firma bietet ein KI-basiertes Tagging und Suche nach Musik, z.B. in sehr großen Katalogen, als Service an. Die VIA-Trophäe wurde von Jakob Höflich, Joshua Weikert und Markus Schwarzer aus dem Cyanite-Team entgegengenommen.
Zum „Besten Experiment“ wurden in diesem Jahr das Projekt „Sprich mit mir“ gewählt. „Sprich mit mir“ ist ein inklusives Musik- und Videoprojekt, bei dem u.a. mithilfe von Sprachcomputern ein Rap-Song samt Musikvideo entstanden ist. Matthias Strobel, Präsident des Verbandes MusicTech Germany und Fachjuror der Kategorie, würdigte das Projekt als eines, das die Rolle von Technologie als „enabler“ verdeutlicht und überreichte den Preis an das sichtlich gerührte Team des Vereins senseable art.
Den VIA-Sonderpreis für besondere Verdienste für die unabhängige Musikbranche ging in diesem Jahr an Indie-Urgestein Friedel Muders. Er steht im Jahr des 30. Geburtstags des Verbandes exemplarisch für die Unternehmen, deren Interessen der VUT vertritt: Kennzeichnend für VUT-Mitglieder ist neben ihrer Innovationsbereitschaft die Neugier, das trotzen von Widrigkeiten, Unternehmergeist, Flexibilität, Eigeninitiative und Gemeinsinn. VUT-Geschäftsführer Jörg Heidemann überreichte den Preis an den ebenfalls sehr gerührten Muders.
Jana Schiedek, Staatsrätin der Behörde für Kultur und Medien: „Die diesjährigen VUT Indie Awards machen besonders eindrucksvoll deutlich, wie vielfältig und großartig die unabhängige Musikwirtschaft ist. Kein Wunder, dass es in der Kategorie Bestes Label gleich zwei Gewinner gibt. Der VIA im Rahmen der VUT Indie Days ist eine absolute Bereicherung für das Reeperbahn Festival. Die heutigen Preisträgerinnen und Preisträger stehen stellvertretend für die engagierte, liebevolle und oft auch mutige Arbeit ganz vieler Menschen. Im Grunde haben die hier vertretenen unabhängigen Musikunternehmer*innen in ihrer Gesamtheit einen Preis verdient.“
„Wenn ein Award in die elfte Runde geht, sollte man meinen, dass man alles gesehen hat. Dass jedoch mit CATT eine Künstlerin mit gleich zwei Awards nach Hause geht und wir kurzerhand zwei Labels zum ‚Besten Label‘ gekürt haben, unterstreicht einmal mehr die Qualität der Nominierungen und die Agilität der Akteur*innen in der unabhängigen Musikwirtschaft. Ich möchte an dieser Stelle einen Dank an die Jurymitglieder aussprechen, die die wirklich harte Aufgabe hatten, über 500 sehr, sehr gute Nominierungen auf 17 Shortlist-Einträge und diese schlussendlich auf sieben Gewinner*innen herunterzubrechen. Ich gratuliere den Preisträger*innen und auch den Nominierten: Ihr seid es, die den ständig neuen strukturellen Herausforderungen der Branche unbeirrt die Stirn bietet. Solange das so bleibt, schaue ich zuversichtlich in die unabhängige Zukunft“, resümiert Dr. Birte Wiemann, Vorstandsvorsitzende des VUT.
Der VUT dankt insbesondere der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, Merlin und der GVL als Hauptförderer der Awards, dem Reeperbahn Festival, der GEMA, Phononet, allen VUT-Freund*innen und Unterstützer*innen sowie den Medienpartnern ByteFM, DIFFUS, Kaput Mag und MusikWoche. Aufgrund der Großzügigkeit eines Hamburger Musikliebhabers ist der VIA mit 10.000 Euro dotiert.
Und es ist natürlich nicht nur die Reeperbahn. Jährlich Ende September wird Hamburg seit vielen Jahren zur Musikhauptstadt der Welt. Das merke ich allein schon durch die Frequenz an Promoter*innen, die mir Auftritte ihrer Acts ans Herz legen oder ganz allgemein darauf hinweisen, dass sie in Hamburg zu finden sein werden. Kein Wunder, denn das Reeperbahn Festival ist nicht nur das vermutlich größte Clubfestival der Welt (diesmal mit 40.000 Besuchern und über 400 Konzerten in unzähligen Locations) sondern auch Dreh- und Angelpunkt der Musikindustrie mit einer großen Menge an Fachbesucher*innen, die das Event als große Messe wahrnehmen und neben den Events auch an Vorträgen sowie Diskussionen verschiedenster Art teilnehmen. Das alles in einer Branche, die es so nötig hat wie nie.
Das Reeperbahn Festival hat sogar in den Jahren stattgefunden, als alles still gelegen hat. Klar musste man in den letzten beiden Jahren die Besucherzahl zurückfahren. Das ausgeklügelte Hygienekonzept war aber vorbildlich, wurde europaweit viel beachtet und später auch kopiert. Jetzt ist wieder Normalität eingekehrt. Und das Renommee des Festivals sorgte im Jahr 2022 vier Tage lang dafür, dass die Clubs nicht – wie so oft im Moment – mit gähnender Leere glänzten sondern aus allen Nähten platzten.
Okay. Das konnte auch mal nervig sein, wenn die Schlange zu lang war, um noch mit guten Chancen zum gewünschten Konzert eingelassen zu werden. Doch die Menschen waren gelassen. Man blieb entspannt und stillte seinen Konzerthunger am Ende einfach da, wo noch Platz war. Notfalls open air auf dem Heiliggeistfeld oder dem Spielbudenplatz, wobei letzterer sogar dem Publikum ohne Bändchen offen stand, also den Menschen, die einfach ein wenig Festivalluft atmen wollten. Auf jeden Fall ein feiner Zug der Veranstalter!
Zum Programm und den Highlights:
Die größten Überraschungen gab es gleich zu Beginn. Ich nenne mal Kraftklub, die als Überraschungsgäste des Festivals dezent die komplette Reeperbahn mit ihrer Bühne blockiert haben und dann auch drastisch eskaliert sind. Gastauftritte von Casper und Bill Kaulitz inklusive.
Vorher hatte schon das „Opening“ im Stage Operettenhaus für Furore gesorgt, als plötzlich Udo Lindenberg, der frisch gebackenen Ehrenbürger der Hansestadt, auf der Bühne stand. Den hatte nämlich Jan Delay bei seinem Opening-Auftritt kurzerhand im Schlepptau. Überhaupt war das Opening ein Megaevent mit Momenten zum Jubeln, zum Träumen und zum Innehalten. Abgesehen von den oben genannten Herren war die Eröffnung dabei übrigens fest in Frauenhand. Somit setzte das RBF durchaus ein Zeichen, war doch in den letzten Monaten viel Kritik an männerlastigen Events wie „Rock am Ring“ laut geworden. In Hamburg hatte man fast das Gefühl, Carolin Kebekus hätte das Booking übernommen – so viele weibliche Acts waren zu finden.
Die Frauenpower startete mit der wundervollen Ellie Goulding, die neben ihren Songs auch eine bewegende Rede zum Zustand der (Musik)Welt hielt. Natürlich konnte man den Ukraine-Krieg nicht verschweigen. So trat die Rapperin Alyona Alyona auf, die 2019 den ANCHOR Award gewonnen hatte und leitete über zu einer bewegenden Rede von Natalia Klitschko, die in ihrer Keynote von den Auswirkungen des Krieges auf die Kultur berichtete, aber auch von der Stärke, die ein unterdrücktes Land im kulturellen Austausch gewinnt. Es folgten Performances von Zoe Wees, dem Cast des Musicals „Hamilton“, das in Kürze ebenda im Operettenhaus starten wird, und von besagtem fulminantem Duo Jan & Udo.
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Gerade aus dem Veranstaltungssaal getreten, konnte man dann Kraftklub mitten auf der extra gesperrten Reeperbahn entdecken. Was für eine Show, die allen Menschen rundum sagte: „Wir sind hier. Das Festival ist gestartet.“ Da passte ein Song wie „Ich kann nicht singen“ natürlich wie die Faust aufs Auge. Nicht schön, aber selten, war die Devise. Oder besser: Authentisch, rau und bodenständig. Zu „Wenn du mich küsst“ erschien plötzlich Casper als Feature-Gast auf der Bühne und später gab sich auch Bill Kaulitz von Tokio Hotel die Ehre, der ein Teil der ANCHOR-Jury 2022 war.
Jetzt konnte das Festival richtig losgehen und Highlight reihte sich an Highlight.
Da wäre ClockClock, definitiv die Band der Stunde. Mit „Brooklyn“ (einem Feature bei Glockenbach) und seinem Megahit „Sorry“ sprengt der Pfälzer Bojan Kalajdzic momentan jede Radioplaylist. Im glanzvollen Spiegelzelt zeigte er zudem eine große Nähe zum Publikum und legte einen absolut sympathischen Set hin.
Anaïs, deutsche Nachwuchskünstlerin mit belgischen Wurzeln, stellte den Mojo Club auf den Kopf. Sie traf in Klang und Text einen emotionalen Nerv, den andere oft genug verfehlen. Eine echte Powerfrau mit betörender Präsenz.
Der britische Rapper Loyle Carner gab schließlich das offizielle Eröffnungskonzert des Festivals im STAGE Operettenhaus vor 1.200 Zuschauern. Neben den Konzerten in der Elbphilharmonie sicher das größte Einzel-Event des Festivals.
Zum Abkühlen gab es dann mittwochs noch Charles Watson im Bahnhof Pauli. Solche Clubkonzerte sind das Salz in der Festivalsuppe. Dieser Mann der leisen Töne war ganz allein mit Gitarre auf der Bühne und lieferte einen melancholischen Abschluss des Mittwochs.
Tags drauf gaben sich die Schweden von Mando Diao im Saturn, dem großen CD-Laden am Hauptbahnhof. die Ehre und lieferten einen kleinen Acoustic Gig zu zweit. Auch wenn Gustaf Norén nicht mehr dabei ist, macht Björn Dixgård doch einen klasse Job am Mikro. Seine tiefe Stimme ging durch Mark und Bein. Es gab neue Stücke wie „Stop The Train“ und zum krönenden Abschluss den Superhit „Dance With Somebody“ in einer genial reduzierten Version.
Sebastian Madsen ist ja neuerdings solo unterwegs und veröffentlicht in Kürze sein Debüt. Gebucht wurde er als Ersatz für einen ausgefallen Act erst zwei Tage zuvor. Um so besser war seine Performance. Multiinstrumentalistin Anne de Wolff begleitete ihn und seine Band. Es gab Songs wie „Sei du selbst“, das normalerweise von Drangsal gefeatured wird, und „Baby, ich liebe dich“ in einer schönen Version für Klavier und Violine.
Annie Chops ist mir schon 2021 äußerst positiv aufgefallen. Und diesmal legte sie noch einen Zahn zu! Open Air auf der Spielbude verzauberte sie ihr Publikum mit einer fulminanten One-Woman-Show. Gitarre und Loop Station waren am Start – dazu eine mitreißende Performance. Annie ist leidenschaftliche Straßenmusikerin. Und so machte sie halt die Bühne zu ihrer Straße und brachte die Reeperbahn zum Tanzen. Von Soul bis Hip Hop war alles dabei und es gab erstmals zwei deutschsprachige Stücke: „Eins durch zwei“ und „Verlieben zählt nicht“. Stand ihr gut!
Danach feierten KLAN im Bahnhof Pauli einen ordentlichen Abriss mit fettem Sound. Stimmung, Spaß und gute Laune vor vollem Haus. Stefan und Michael Heinrich haben es vom Kirchenchor über das Straßenmusikerdasein bis zum profilierten Musikerduo geschafft und man muss sie im Auge behalten. Das Duo ist gekommen, um zu bleiben.
Zu nächtlicher Stunde ging es in die St. Michaelis Kirche, den berühmten „Hamburger Michel“. Dort spielte die Band HUNDREDS mit dem Ensemble Berlin Strings. Die Atmosphäre in diesen heiligen Hallen ist ohnehin immer ganz besonders. Die Akteure erzeugten einen wundervollen Sound zwischen atmosphärischem Elektropop und knallharten Techno Beats. Das hat der ehrwürdige Michel vermutlich noch nicht oft erlebt.
Auch freitags gab es nach einigen kleineren Konzerten wieder ein Highlight im Michel: Manuel Bittorf aka Betterov hatte sich eine illustre Schar von Gästen eingeladen. Neben einem klassischen Ensemble gab es an den Vocals auch Novaa, Paula Hartmann, Fil Bo Riva und den sensationellen Olli Schulz. Vor allem die gefühlvollen Momente schlugen voll durch. Olli Schulz stimmte extra für Manuels Papa, der großer Springsteen-Fan ist, „No Surrender“ an. Und zum Schluss traf er mit „Als Musik noch richtig groß war“ den Nerv aller Anwesenden.
Dann ging es zu dem ersten von zwei Konzerten in die Elbphilharmonie. Was für ein Haus, was für eine Kulisse, was für ein Sound! Die britische Soul und R&B Künstlerin Joy Crookes, die gerne mal mit Amy Winehouse verglichen wird, legte einen gefühlvollen Set hin und war stets in gutem Kontakt zum Publikum, das durchweg an ihren Lippen hing. Sie trat selbstbewusst, aber gar nicht divenhaft mit großer Band auf, konnte aber ganz zum Schluss allein am Piano die meisten Herzen für sich gewinnen.
Tags drauf waren es die belgischen Klangkünstler Warhaus, die die Elbphilharmonie beseelten. Maarten Devoldere hat mit seiner rauchigen Stimme, die stets ein wenig an Nick Cave erinnert, früher schon der Band Balthazar vorgestanden. Jetzt gab er dem Bandprojekt Warhaus ein Gesicht, das mit endlosen Klangcollagen und verspielten Instrumentalpassagen überzeugte. Zum Ende hin gab es per Loop-Verstärkung ein Soundgemälde epischen Ausmaßes, bei dem Künstler und Publikum nur die Luft anhalten konnten, bevor riesiger Jubel losbrach.
Damit ging für mich ein phänomenales Festival zu Ende. Ich will aber nicht die Berliner Künstlerin Wilhelmine unerwähnt lasen, die zuvor im Club „Uebel und gefährlich“ ein einstündiges Konzert gab. Ihre anfängliche Unsicherheit überspielte sie mit viel Energie und war mega sympathisch. Songs wie „Komm wie du bist“, „Meine Liebe“ und „Das Mädchen mit der Latzhose“ zeugten von Popmusik, die etwas sagen möchte. Durch authentische Ansagen gelang ihr das mit Bravour.
Das Reeperbahn Festival lebt von seiner Vielfalt. Ironischer Schlager, Pop, Soul, Indie auf der einen Seite, Alternative Rock, Rap und Metal auf der anderen. Für jeden ist etwas dabei und Überraschungen gibt es viele. Vermutlich kann sich jeder Besucher seine eigene Geschichte von Highlights und Neuentdeckungen spinnen – und das ist gut so. Das Herz der Musikwelt schlägt jeden September für vier Tage in Hamburg. Vom 20.09.2023 bis 23.09.2023 ist es wieder soweit. „Early Bird Tickets sind“ bereits erhältlich!
Die Essenz des Reeperbahn Festivals ist die gemeinsame Suche von Publikum und Musikwirtschaft nach den besten neuen internationalen Talenten. Der Wettbewerb ANCHOR – International Music Award, der 2021 zum sechsten Mal im Rahmen des Reeperbahn Festivals verliehen wurde, spiegelt diese Suche anhand einer internationalen Jury, die die Konzerte der sechs Nominees besucht und sich anschließend nach oft hitziger Diskussion auf den Gewinner-Act festlegt, besonders gut wider.
Wie schwer die zu treffende Entscheidung mitunter sein kann, wird durch Namen bisheriger Wettbewerbs-Teilnehmer*innen, wie C (GBR), Celeste (GBR), Parcels (AUS), Shame (GBR), ÄTNA (DEU), Tamino (BEL), Alyona Alyona (UKR) und vielen mehr überdeutlich.
Ein Drehteam hat die ANCHOR-Jury und Nominees 2021 im Vorfeld und während des Reeperbahn Festivals für eine Dokumentation begleitet. Moderiert von Conchita Wurst aka Tom Neuwirth (AUT) gibt die Doku in rund 90 Minuten einen hautnahen Einblick in die Arbeit der Jury um Tony Visconti (USA), Tayla Parx (USA), Emeli Sandé (GBR), Yvonne Catterfeld (DEU), Tom Odell (GBR) und Jacob Banks (GBR) und stellt die Wettbewerbs-Teilnehmer*innen May The Muse (DEU), Florence Arman (GBR/AUT), Lie Ning (DEU), OSKA (AUT), PVA (GBR) und Yard Act (GBR) vor. Die ANCHOR-Dokumentation wird ab jetzt über unseren Reeperbahn Festival YouTube-Kanal international ausgestrahlt!
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In drei Wochen wird das 16. Reeperbahn Festival eröffnet und über vier Tage wieder zum Dreh- und Angelpunkt des internationalen Musikgeschehens – live in Hamburg, St Pauli.
Für alle Festivalbesucher*innen steht ein umfangreiches Angebot von 300 Konzerten in rund 35 Spielstätten bereit, bei dem sich über die Hälfte der rund 250 auftretenden Künstler*innen und Acts aus internationalen Namen wie RY X (AUS), Daughters of Reykjavík (ISL), Working Men‘s Club (GBR) oder Suzane (FRA) zusammensetzt.
Für die Fachbesucher*innen bieten rund 150 Programmpunkte aus Formaten wie Sessions, Matchmakings und Networkings mit über 300 Speaker*innen, u.a. Lyor Cohen (YouTube/Google, Global Head of Music, USA) und Michael Krause (Spotify, General Manager Europe, DEU), Gelegenheit zu direktem Austausch und der Erweiterung bestehender Netzwerke.
Die ANCHOR-Jury 2021 besteht aus Emeli Sandé (GBR), Jacob Banks (GBR), Tayla Parx (USA), Tom Odell (GBR), Tony Visconti (USA) und Yvonne Catterfeld (DEU) und besucht die Shows der sechs Nominees:
Florence Arman (AUT/GBR), PVA (GBR), Yard Act (GBR), OSKA (AUT), May The Muse (DEU) und Lie Ning (DEU).
Im Filmprogramm stellt u.a. Regisseur Edgar Wright (GBR) seinen Film „The Sparks Brothers” (GBR/USA) vor.
Zur Umsetzung:
Wenngleich fortschreitende Impfkampagnen das allmähliche Wiederaufleben des internationalen Bühnenbetriebs ermöglichen, ist nach wie vor deutlich, dass live aufgeführte Musik noch einen langen Weg vor sich hat, bis ein Zustand wie vor der Pandemie wiederhergestellt ist.
In den vergangenen Tagen kam es in einigen Hamburger Betrieben bereits zur Anwendung einer 2G-Option, die auch für das bevorstehende Reeperbahn Festival geprüft wurde. Da die Gesamtstruktur des Festivals jedoch vom Zusammenspiel vieler stark unterschiedlicher Spielstätten geprägt ist, ist eine Durchführung des Festivals in 2G zum jetzigen Zeitpunkt nicht umsetzbar.
Das Reeperbahn Festival 2021 findet daher in einer 3G-Umsetzung statt und ist für geimpfte, genesene und getestete Festival- und Fachbesucher*innen zugänglich. Einher mit dieser Regelung geht die eingeschränkte Kapazität der Veranstaltung, weshalb in einigen Kategorien nur noch wenige Tickets zur Verfügung stehen. Tickets für Fachbesucher*innen sind allumfänglich im Ticketshop erhältlich.
Wie bereits im vergangenen Jahr erfolgt die Umsetzung des Reeperbahn Festivals 2021 erneut in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und den teilnehmenden Spielstätten, für die jeweils individuelle Schutzkonzepte zum Tragen kommen.
Für alle, die in diesem Jahr nicht vor Ort sein können, gibt es auf der Streamingplattform erneut ein umfangreiches Angebot. Konkrete Details der Umsetzung finden sich in den FAQ.
Nach knapp 1,5 Jahren im Ausnahmezustand ist die kollektive Ermüdung in Sachen rein digitaler Zusammenkünfte, ob für Besprechungen oder Kulturgenuss, allerorten spürbar. Umso stärker wächst die Sehnsucht nach einer Form der Normalität, die endlich wieder echte Kontakte ermöglicht. Dank niedriger Inzidenzen, fortschreitender Impfkampagne und zahlreicher Testmöglichkeiten rückt diese Aussicht aktuell in greifbare Nähe — und erlaubt somit der Kultur die Rückkehr auf die Bühnen. Gute Voraussetzungen also, die zuversichtlich stimmen, dass auch das Reeperbahn Festival mit seiner 16. Ausgabe einen weiteren Schritt in Sachen Annäherung an die Normalität darstellen wird.
Vom 22. bis 25. September verwandelt sich St. Pauli erneut zum Epizentrum der Musikwelt, bei dem Musikfans und Fachbesucher*innen gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Das gewohnt vielfältige Angebot an Livekonzerten präsentiert in rund 35 Spielstätten (davon drei Open-Air-Bühnen) Newcomer*innen und etablierte Acts, während wir die Konferenz-Teilnehmer*innen nach der rein digitalen Umsetzung in 2020 in diesem Jahr endlich wieder live vor Ort begrüßen dürfen. Dies alles geschieht selbstverständlich in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und gemäß der im September geltenden Verordnungen. Genauere Details zum konkreten Stand der Planungen werden im Laufe der kommenden Monate an dieser Stelle bekannt gegeben.
Doch nicht nur Fans, Fachbesucher*innen und Festivalausrichtende dürstet es nach der Begegnung von Angesicht zu Angesicht — auch unzählige Künstler*innen freuen sich, endlich wieder live mit ihrem Publikum in Kontakt zu treten:
″I think I echo a similar sentiment as my fellow artists that having to be without live music for the better part of two years was incredibly challenging on every level. But more than anything it was the loss of the special energy that only happens when you have people together experiencing something unique. Having played Reeperbahn Festival before, and having an absolute blast, there is something so energetic and fun and different about it that it feels so right to be the moment when I get to return to performing. Hard to even describe how much I’m looking forward to it.“ (William Fitzsimmons)
Eröffnet wird das 16. Reeperbahn Festival mit dem Reeperbahn Festival Opening am Mittwoch, 22. September, im Stage Operettenhaus. Für die einstündige Eröffnungsshow mit hochklassigen Live-Acts sowie Keynotes und Talks zu branchenrelevanten und gesellschaftspolitischen Themen werden erneut prominente Gäste aus Kultur und Politik erwartet. Am Festival-Samstag, 25. September, kürt die Jury um Präsident Tony Visconti im St. Pauli Theater den/die Gewinner*in des ANCHOR – Reeperbahn Festival International Music Award. Begleitet wird die diesjährige Ausgabe des Reeperbahn Festivals von den Medienpartnern ARTE Concert und NDR.
MUSIKPROGRAMM
Auch in diesem Jahr liegt der Fokus des diesjährigen Live-Angebotes auf einer breiten Abbildung hauptsächlich europäischer Acts und Künstler*innen. Zu den bisherigen Highlights 2021 zählen u.a. die Rapper Mavi Phoenix (AUT), Goldroger (DEU), die Indie-Elektroniker Weval II (NLD), Pop-Act ILIRA (CHE), Songwriter*innen Antje Schomaker (DEU), Dillon (DEU/BRA) und William Fitzsimmons (USA), die Retro-Rock Institution Kadavar (DEU) sowie Indie-Pop-Bands wie JEREMIAS (DEU) und Die Höchste Eisenbahn (DEU). Die Übersicht aller bisher bestätigten Live-Acts findet sich HIER.
Zu den rund 35 Spielstätten zählen mit der ARTE Concert Stage im Festival Village auf dem Heiligengeistfeld, der Spielbude sowie dem N-JOY Reeperbus auf dem Spielbudenplatz drei Open-Air-Bühnen.
Ein weiterer Spielort ist die Elbphilharmonie, in der fünf Konzerte stattfinden. Am Freitag, 24. September, spielen RY X (AUS) und die ANCHOR-Gewinner*innen 2020 ÄTNA x NDR Bigband (DEU), während dort am Samstag, 25. September, Alice Phoebe Lou (ZAF), Niklas Paschburg (DEU) sowie erneut RY X (AUS) auftreten werden. Alle Informationen rund um die Zugangsberechtigungen zu den diesjährigen Konzerten in der Elbphilharmonie finden sich HIER.
“My first Reeperbahn Festival experience was in the Jazz Cafe playing to a handful of people. I was amazed by the energy of the city and the different concerts we stumbled on. It felt like I was finally dipping into the music scene of Europe and that I was a part of something exciting. 7 years later, much deeper into my musical life, I feel honoured to be playing in the epic Elbphilharmonie. It gives me the feeling that all of these years of working hard as an independent artist have paid off, and it’s the perfect opportunity to put on a unique show with more instruments and different arrangements to mark this special occasion.” (Alice Phoebe Lou)