Im Jahr 2021 konnten die Broilers aus Düsseldorf mit “Puro Amor” ihr drittes Nummer-1-Album in Folge vorlegen. Wer hätte das gedacht, als Sänger Sammy Amara und Schlagzeuger Andreas Brügge 1992 in der Oi!- und Punkrock-Szene starteten? Die Anfänge waren verhalten, doch spätestens seit “Santa Muerte” ist man an der Spitze deutschsprachiger Rockmusik angekommen und hat sich zu einem wahren Livehammer entwickelt. Die Broilers versprühen eine wahnsinnige Energie auf der Bühne, was man 2022 bei Festivals wie “Rock am Ring” ausgiebig bewundern durfte.
Kein Wunder also, dass mit den “Puro Amor Live Tapes” ein umfangreicher Konzertmitschnitt diese Energie einfängt und uns daran teilhaben lässt. Die Broilers zeigen sich von ihrer besten Seite und halten die Feierlaune am Kochen. Sammy Amara ist ein extrem sympathischer Frontmann und schafft es, die Punk-Atmosphäre in jeden Konzertabend zu retten. “Zurück zum Beton” passt perfekt als Eröffnungssong – und dann gibt es Highlight um Highlight, ruppig und ausdauernd dargeboten. Atmosphärisch ist es ein hervorragendes Konzert mit zum Teil wehmütigen und kritischen Texten. Ein epischer Bläserklang verbindet gekonnt Funk und Punk. So soll das sein!
Die Doppel-CD kommt elegant im Pappschuber. Es gibt ein umfangreiches Booklet mit emotionalem Vorwort und vielen Livefotos, die auch einen Blick hinter die Bühne werfen. Wer die Broilers bisher noch nicht für sich entdeckt hat, sollte diesem Album ein Ohr gönnen. Die “Puro Amor Live Tapes” zeigen die reine Liebe zur Musik und werden hoffentlich noch viele Zweifler überzeugen.
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Es war ein würdiger Start nach zwei Jahren Corona-Zwangspause. Was für eine geile Idee, die DONOTS als Opener quasi am frühen Morgen (geplant war ein Start um 13.40 Uhr) auf die Hauptbühne zu lassen. Dann wurde es aber doch 14 Uhr. Ingo und seine Gang sind ja inzwischen so etwas wie die Patrone und Hausherren des Festivals – ein Status, den sie sich redlich verdient haben. Gerade erst haben die DONOTS angekündigt, dass ihr neues Album “Heut ist ein guter Tag” im Februar 2023 erscheinen wird. Yeah! Und natürlich gab es ein entsprechendes Banner im Bühnenhintergrund: Ein Strauß Blumen für die Fans. Schnell wurde der Albumtitel zum Motto des Tages, denn heute sollte alles passen.
Von den angekündigten Gewittern und Regenschauern war nichts zu bemerken. Es blieb trocken bis zum Schluss und die milden Sommertemperaturen sorgten für das ideale Festivalwetter. Der Ring war mit 90.000 Fans ausverkauft und das Programm sah eine Menge Partykracher für ausgelassene Stimmung vor – so auch bei den DONOTS. Zehn nach vorn treibende Songs zeigten die Feierlaune des Quintetts im Einklang mit seinem Publikum. Die Mischung ging durch die gesamte Karriere, startend mit “Calling” und “Wake The Dogs”, endend mit “Auf sie mit Gebrüll” und “So Long”.
Dazwischen gab es eine Überraschung, auf die viele gehofft aber mit der die meisten nicht wirklich gerechnet hatten: Die TOTEN HOSEN waren auch im Jahr 2022 auf dem RING! Was wären auch das (verschobene) Jubiläum und der Neustart ohne diese Dauergäste? Zunächst spielten die DONOTS selbst “Hier kommt Alex”, doch dann waren plötzlich die Freunde, sprich: Campino und Band, mit auf der Bühne und der Jubel im Publikum grenzenlos. Kann man das noch toppen? Ja – mit einem ÄRZTE Song: Der “Schrei nach Liebe” aus 90.000 Kehlen ließ das Gelände beben.
Es waren, laut Ingo, 888 Tage seit der letzten DONOTS-Show. Die Disziplinen Springen, Rudern und Laufen im Circle Pit funktionierten aber noch. Und wie!
Der Timetable war ein wenig im Eimer. YOU ME AT SIX starteten nochmal eine halbe Stunde zu spät und mussten ihren Gig verkürzen. Sie standen vermutlich im Stau. Der Auftritt war trotz dieser Widrigkeiten sehr stark. Der Sound komplex und von einem starken Beat getragen. Die Tracks pendelten gerne mal zwischen Pop und Rock, am liebsten aber rockte das Quintett seine breitwandigen Hymnen straight nach vorne und baute enorme Klangwände auf, die trotz aller Elektronik nie nervig wurden. Josh Franceschi sang, schrie und hielt die Fäden in der Hand. Seine Ansagen enthielten die corona-typische Wehmut: Der erste Auftritt in Deutschland seit 2019 – und zugleich der “fucking dream to play the main stage” bei ROCK AM RING. Geschafft!
Die Alternative Rocker WEEZER brachten ihre melodische Seite auf die Main Stage. Gitarrenlastig zwischen Punk und College Rock. Als Intro gab es Van Halens “Jump”, womit die Zeichen auf einträchtiges Springen im Publikum gestellt waren. Die Setlist reichte von “Hash Pipe” über “My Name Is Jonas” bis hin zu “Island In The Sun”. Wer bis dahin noch nicht textsicher war, durfte sich über das TOTO-Cover “Africa” freuen. Sänger Rivers Cuomo interpretierte den Song definitiv besser als weiland Totos Bobby Kimbell. Mit “Buddy Holly” endete ein respektabler Set.
Es folgte die “Band der Stunde”. Måneskin aus Rom sind seit ihrem Sing beim ESC 2021 zu Recht in aller Munde und konnten den Erfolg schnell über Europa hinaus ausdehnen. Recht früh im Set präsentierten sie “Beggin'”, ein Cover der Four Seasons, ihren viralen Hit, der auch in den USA mit Platin ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus gab es “Zitti e buoni”, den ESC-Siegertitel. Und das schon ganz zu Beginn des Sets. Aber die Band war keineswegs “leise und brav”. Es wurde gerockt, was das Zeug hielt, wobei der exzentrische Fronter Damiano David ganz im Mittelpunkt stand und seine Show gekonnt zelebrierte. Alles in allem ein ordentlicher Abriss für die Hauptbühne.
The Offspring aus Orange County in Kalifornien sind nicht mehr die Jüngsten. Sänger Dexter Holland geht auch schon auf die 60 zu, was für die Punkband aber kein Hindernis war. 2021 gab es nach neun Jahren Funkstille mit “Let The Bad Times Roll” einen neuen Longplayer. Die Frage darf gestellt werden: Braucht man so ein Album samt Titel überhaupt noch? Hat der Punk ausgedient? Ja und nein heißt hier die Antwort. Dieses Album kam genau zur richtigen Zeit und zeigte, dass Punkrock in den USA noch nicht am Ende war. Live berufen sich Dexter Holland & Co. auf alte Stärken und zelebrieren ihre Klassiker mit großer Lightshow und Leinwandvideos, die sich dann am frühen Abend (es war inzwischen 19.30 Uhr) auch lohnten. Der Tag ging mit Sonnenschein und Kaiserwetter zu Ende – The Offspring brachten den Lichterglanz vom Himmel zur Bühne.
Jan Delay mit Disko Nr. 1 und die Metalcorer Caliban spielten parallel auf Mandora und Orbit Stage. Schwierige Entscheidung, die dann aber doch zu Gunsten von Jan Philipp Eißfeldt ausfiel. Der Meister des genuschelten Wortes ging direkt in die Vollen und ließ es vom ersten Song an nicht zu, dass das Publikum sich zur Ruhe setze. “Klar”, “Spaß”, “Large” und “Disko” ließen den Funk hoch leben und das Publikum tanzen. Das aktuelle Album heißt “Earth, Wind & Feiern”, was zur Mottoparty einlädt. Von dem gab es dann auch viel Material zu hören. Mit Blechbläsern und weiblichem Backgroundgesang war Einiges aufgefahren und die formidable Lightshow tat ihr Übriges dazu.
Zwischenzeitlich zelebrierten Caliban Headbanging, Circle Pits und ein aggressiv-freundliches Aufeinanderlosgehen mit klaren Ansagen gegen Nazis und Intoleranz. Während Jan Delay noch den Sonnentag feierte, ging es hier düster zur Sache – auch wenn das Rammstein Cover “Sonne” ertönte. Das Publikum zog mit und der Refrain “Eins – hier kommt die Sonne” wurde textsicher gefeiert. Der Titelsong des neuen Albums heißt “Dystopia” und beschreibt sowohl den Zustand der Welt als auch die Widrigkeiten der Lockdown-Zeit. Das sprach mal wieder vielen aus der Seele. Gut, dass die Zeit von Masken und Impfausweis (vorerst) ad acta gelegt scheint.
Die Broilers zeigten sich auf der Hauptbühne “Utopia Stage” von ihrer besten Seite und hielten die Feierlaune am Kochen. Sammy Amara war ein extrem sympathischer Frontmann und schaffte es, die Punk-Atmosphäre in den Abend zu retten und das Feld für Green Day zu bereiten. Dabei waren die Broilers selbst ein würdiger Headliner. “Zurück zum Beton” passte perfekt als Eröffnungssong – standen doch die Zuschauer feste springend auf der Asphaltfläche. Atmosphärisch war es ein hervorragendes Konzert mit wehmütigen und kritischen Texten. Der epische Bläserklang der Band verband gekonnt Funk und Punk. So soll das sein! Sehr engagiert gab es große Circle Pits, auch und gerade als Sammy – auf sein Alter anspielend – die “Jugendlichen von 40 Jahren” ansprach. Es gab einen Kniefall des Publikums und ausgelassenes Springen. Und natürlich bekamen “Alice Weidel und die ganze Nazischeiße” zum Song “Alice und Sarah” ordentlich ihr Fett weg. So gehört sich das!
Der Rostocker Marteria ist auf “Vollkontakt Tour”. Das mit dem Körperkontakt ist nicht so einfach als Künstler bei ROCK AM RING. Auf der “Mandora Stage” gab es einen lauten Set mit viel Elektronik. Die Produktion von DJ Koze zeigt Wirkung. Daher war es nicht so atmosphärisch wie im Doppelpack mit Casper vor drei Jahren. Immerhin schaffte es der gute Marten, den Anwesenden Frauen mehr Geltung zu verschaffen. Zu “Marteria Girl” sollten alle Girls auf die Schultern ihrer Begleiter. Das klappte sichtlich gut und Marteria konnte den Song allen Girls widmen. Für “El Presidente” gab es hingegen eine komplett neue Strophe, die den Krieg in der Ukraine thematisierte. Verdammt passend! Dass Campino auch noch hier auf der Stage auftauchte, um Zungenküsse mit Marteria auszutauschen und ihre Ossi-Wessi-“Feindschaft” ausgiebig zu zelebrieren, sei nur am Rande erwähnt.
Auf der “Utopia Stage” begann nun das gespannte Warten auf Green Day. Und als die US-Band, die in den 90ern das Revival des Punkrock eingeläutet hatte, endlich auf der Bühne stand, kamen ihre Headliner-Qualitäten voll zur Geltung. Was für eine geile Show! Einziges Manko: Die Zuschauer im hinteren Bereich der großen Fläche konnten nur einen Bruchteil des Sounds genießen, da die entsprechenden Boxen aus unerfindlichen Gründen entweder ausgeschaltet oder sehr leise eingestellt waren. Alles Hadern nutzte nichts – vorne brachten Billie Joe Armstrong und Green Day die Menge zum Kochen. Der Opener “American Idiot” schlug direkt ein, aber es gab auch stille Momente. Was für ein Bild, als Billie die Fans zu “Boulevard Of Broken Dreams” an die Handys bat: Ein Meer aus Lichtern beleuchtete das Festivalgelände und stimmgewaltig wurde der Song mitgegrölt. Der Frontmann war ständig im Kontakt zum Publikum und trieb sein Spiel mit Gesten und Sprechchören. Flammenshow auf der Bühne – dann eine Zuschauerin, die sich am Bass versuchen durfte und das Instrument am Ende gar geschenkt bekam. Tatsächlich in Green Day verliebt haben wir uns, als “Basket Case”, “She” und “When September Ends” erklangen. Das brachte perfekte Stadion- und Festivalatmosphäre mit Gänsehaut und Kribbeln im Bauch. Und zum Schluss gab es ein respektables Feuerwerk, das die Main Stage schließen sollte.
Aber es war noch nicht die Zeit, in Auto, Zelt oder Hotel zu entschwinden. Auf der zweiten Hauptbühne gab es ja noch das Late Night Special von SCOOTER. H.P. Baxxter ist es schon lange gewohnt, vor großem Publikum zu spielen, aber dass Techno und der elektronische Dancefloor solche Massen anzogen, war dann doch eine Überraschung. Keiner wollte nach Hause. Klar: Man hatte lange genug auf Livekonzerte verzichtet. Also jetzt Samples, leicht bekleidete Tänzerinnen, eine wirklich ordentliche Pyroshow und Songs von “God Save The Rave” über “Nessaja” und “How Much Is The Fish?” bis hin zum ultimativen “Endless Summer” mit dem unvermeidlichen “Hyper, Hyper”. Mottosong war definitiv “FCK 2020” als ein “Fick dich” an die Corona-Jahre. Und zu “Fire” war die Hütte ordentlich am brennen. Scooter am Ring? Aber ja doch!
Als Fazit des ersten Tages bleibt zu sagen: Das Line-up war besser als sein Ruf. Viel Partymucke, was dem feier-, tanz- und springwütigen Publikum gerade recht kam. Das im Vorfeld stark kritisierte Cashless-System hat gut funktioniert und sorgte dafür, dass die extrem langen Schlangen vergangener Jahre ausblieben. Auch gut! Und die Wettervorhersagen hatten zum Glück gelogen. Es war den ganzen Tag über trocken mit leichter Sonnenbrand-Gefahr. So ist es auch für Tag 2 angesagt. Mal sehen.
60 Jahre Festivalgeschichte wollen gebührend gefeiert werden. 35 Jahre Rock am Ring sowie 25 Jahre Rock im Park verlangen Jubiläumspartys, die es krachen lassen! Das lässt sich am besten mit einem Line-up verwirklichen, das den Höhepunkten der Zwillingsfestivals gerecht wird.
Mit System Of A Down, Green Day und Volbeat wurden drei der erfolgreichsten, modernen Rockbands exklusiv für Rock am Ring und Rock im Park vom 5.-7. Juni verpflichtet.
System Of A Down gelten als wichtigste Alternative-Metal-Formation aller Zeiten. Die raren Auftritte der US-Rockband mit armenischen Wurzeln sind Garanten für spektakuläre Konzerte. Green Day, die erfolgreichste Punkrock-Formation der Gegenwart, kehren nach sechs Jahren mit neuem Studioalbum zurück zum Nürburgring und nach Nürnberg. Die dänischen Metal-Heroen Volbeat sind der dritte Top-Headliner der Jubiläumspartys.
Das Jubiläumsprogramm bietet schon jetzt zahlreiche Schwergewichte der härteren Gangart, zu denen Billy Talent, Broilers, Korn, Disturbed, Deftones, The Offspring, Heaven Shall Burn, Powerwolf, Of Mice & Men, Motionless In White und August Burns Red gehören.
Mit Trailerpark, Weezer, Bilderbuch, Wanda, Alan Walker, Trettmann, Yungblud und Bosse konnten zudem Top-Acts aus den Genres Urban, Indie und Elektronischer Musik an den Start gebracht werden.
Wie bereits in den Vorjahren können die Besucher von Rock am Ring ihr Festivalticket sowie Camping- & Parkingticket unabhängig voneinander erwerben. Bei Rock im Park bleibt es bei einem Kombiticket, das alles einschließt.
Das Frühbucher Weekend Festival Ticket bei Rock am Ring kostet 149,00 Euro inkl. VVK-Gebühr. Der Festpreis für eine Camping- und Parkingkarte (General Camping) beträgt am Ring 50,00 Euro inkl. VVK-Gebühr. Bei Rock im Park beträgt der Frühbucherpreis für das Kombiticket (Weekend Festival Ticket – General Camping) 199,00 Euro inkl. Camping, Parking und VVK-Gebühr.
Die Frühbuchertickets sind bereits nahezu ausverkauft. Sobald das limitierte Kontingent erschöpft ist, erhöht sich der Ticketpreis in der zweiten Preisstufe für ein Weekend Festival Ticket bei Rock am Ring auf 174,00 Euro inkl. VVK-Gebühr. Das Camping- und Parkingticket (General Camping) beträgt am Ring 50,00 Euro inkl. VVK-Gebühr.
Bei Rock im Park sind die Kombitickets in der zweiten Preisstufe für 224,00 Euro inkl. General Camping, Parking und VVK-Gebühr erhältlich.
Am Nürburgring ist eine Frühanreise für alle Käufer eines Camping- und Parkingtickets ab Mittwoch, 3. Juni 2020, 12:00 Uhr mittags ohne Zusatzgebühr gewährleistet. Weiterhin gibt es das Rock´n´Roll Camping, Caravan Camping, Green Camping, das exklusive Rock am Ring Experience Camp sowie die VIP Weekend Packages.
Für Rock im Park sind die zusätzlichen Möglichkeiten wie Weekend Festival Ticket inkl. Green Camping, Backstage Camp, Seaside Backstage Camp, Zeppelin Stage Camping, Caravan Camping sowie VIP Upgrade Tickets verfügbar.
Weitere detaillierte Informationen rund um Rock am Ring und Rock im Park, Ticketing sowie die allgemeinen Geschäftsbedingungen finden sich unter www.rock-am-ring.com und www.rock-im-park.com.
Davon, dass der Punk nicht tot ist, konnte man sich gestern Abend in der Arena Trier mal wieder eindrucksvoll überzeugen. 7000 Fans der Broilers sorgten für ein ausverkauftes Haus – und es war ein bunt gemischtes Publikum. Dabei heißt die aktuelle Tour „Es gibt keine Hymnen heute“. Musikfans, die hofften, dass sich die Broilers auf ihren Mainstream-Erfolgen ausruhen werden, mussten also enttäuscht werden. Zwei Nummer-1-Alben in Folge können zwar in Versuchung führen, doch es besteht keine Gefahr, dass die Broilers den sanften Weg der Toten Hosen gehen. In ihrem neuen Werk „(sic!)“ steckt wieder mehr Power. Und die lassen sie auf der aktuellen Tour ordentlich raus.
2014 war die Arena zum Tourabschluss an Silvester gut gefüllt. Etwas mehr als zwei Jahre später kann man ausverkauft vermelden. Die Broilers versteckten sich zunächst hinter einer großen Zielscheibe als Vorhang, der pünktlich um 21 Uhr fiel. Als Intro wurde der Klassiker „Vanitas“ gespielt. Dann ging es laut zur Sache mit einem Querschnitt durch die Bandgeschichte, dessen Schwerpunkt zunächst auf den aktuellen Alben lag. Der Sound war stellenweise recht dumpf und die Bühne recht spartanisch für eine Band dieser Größenordnung ausgestattet. Es scheint den Broilers egal zu sein, ob sie in einem Kellerclub oder vor 7000 Leuten spielen. Das macht sie sehr sympathisch und verleiht den Konzerten Authentizität.
Etwas Glamour durfte aber trotzdem sein. Eine große LCD-Leinwand im Hintergrund machte das Geschehen auch für die weit entfernten Reihen sichtbar und eine dreiköpfige Bläserfraktion sorgte für einen bisweilen breitwandig angelegten Sound. Auf der Bühne war ordentlich Euphorie spürbar. Frontmann Sammy Amara zeigte sich gesprächig und berichtete von der Band-Beziehung zu Trier: In einer Zeit, da Bassistin Ines noch nicht zur Band gehörte, Schlagzeuger Andi aber sehr verliebt in die Hübsche war, hatte man sie in der Jugendherberge Trier besucht, wo sie auf Klassenfahrt weilte. Nette Anekdote.
„Die Beste aller Zeiten“ und „In 80 Tagen um die Welt“ luden zum Feiern ein. Als Wunschlied aus dem Publikum wurde „Lofi“ spontan in die Setlist aufgenommen. Zu „Wie weit wir gehen“ forderte Amara das Publikum auf, die jeweiligen Lieblingsmenschen auf der Schulter zu tragen und das Konzert wurde ein Lied lang quasi auf zwei Ebenen fortgesetzt. In den Ansagen hielt Amara sich sehr zurück, sprach explizit von „Fremdenangst“ und nicht von „Fremdenhass“. Vielleicht um die neuen Nazis nicht mehr aufzuwerten, als das mancherorts von allein passiert. Deutlich sind aber die Texte der Broilers, auch wenn manche Lyrics bis zur Unverständlichkeit vernuschelt waren. Egal – das Publikum sang textsicher mit.
Die Broilers zeigten sich von ihrer besten Seite und hielten die Feierlaune am Kochen. Trier hat sich als Veranstaltungsort bewährt. Normalerweise finden Konzerte solcher Art im Ex-Haus statt, doch für die Broilers ist das Jugendzentrum schon längst zu klein geworden. Sie schafften es aber, die Punk-Atmosphäre in die Arena zu retten. Sehr engagiert gab es zu „Held in unserer Mitte“ einen großen Circle Pit rund ums Mischpult, das Amara liebevoll als „Affenfelsen“ bezeichnete. Und spätestens zu den Klängen von „Meine Sache“ wusste der Letzte, warum sich der Weg zu den Broilers mal wieder gelohnt hatte. Das gut zweistündige Konzert lief friedlich und ohne besondere Vorkommnisse statt. Keine Bengalos im Publikum. Raucher wurden umgehend ermahnt. Punk wird solide. Aber gefeiert wird trotzdem!
Lange war es ungewiss wie die Zukunft des größten Festivals Deutschlands Rock am Ring aussehen mag. Dass die Knappheit des Geldes ein immenses Problem für den Nürburgring ist, stellt längst kein Geheimnis mehr dar. Die Politik rund um den ehemaligen Ministerpräsidenten Beck hatte die Sorgen der Ausrichter unendlich vieler Autorenn- und Musikveranstaltungen nicht gerade gemindert. Glücklicherweise konnte man sich am Ende irgendwie einigen, so dass die 28. Ausgabe von Rock am Ring pünktlich am Freitag starten konnte.
Angereist wird bereits am Sonntag auf den altbewährten C2 Zeltplatz, der einem schon so viele schlaflose Nächte durch Parties, Musik und die Zeltplatzterroristen gebracht hat. Letztere sind zum ersten Mal übrigens nicht vollzählig angereist, da ihnen Rock am Ring allmählich zu viele Regeln beinhalte. Im späteren Verlauf des Berichts wird sich herausstellen warum so manche Regeln doch ihre Berechtigung haben und trotzdem eine gewisse Anarchie ständig präsent ist. Ansonsten ist alles beim Alten: Nachbarn begrüßt man anprostend mit Dosenbier, wahlweise „Turmbräu” oder „5,0″, verabredet sich zu Bierpong oder zu einem Ründchen Flunkyball. Ja, es könnte alles idyllisch sein – doch plötzlich, ein lauter Knall wenige Meter neben uns! Was war das? Rauchbomben? Schnellfeuerwaffen? Nein, nur ein China Böller, den unsere Nachbarn aus Kaiserslautern auf ihrem Grill angezündet haben. Puh, noch mal Glück gehabt. Vorerst…
Am Abend stehen schon die ersten Konzerte auf dem Programm. In einem kleinen Gästehof mit Eventzelt geben sich KMPFSPRT, Kapelle Petra und die einzigartigen Kassierer die Ehre. Wer Letztere noch nie zuvor hautnah erleben konnte, bekommt seinen ersten Kulturschock, noch bevor das Festival überhaupt anfängt. „SAUFEN, SAUFEN, JEDEN TAG NUR SAUFEN!” schallt es aus hunderten durstiger Kehlen. Schnell fliegen die Klamotten von Frontmann Wolfgang Wendlandt, dem wohl dicksten Punkrocker auf diesem Festival, und er steht wie Gott ihn schuf vor den ca. 1500 Leuten. Es wird gelacht, getrunken und sich aufs niveauloseste artikuliert. Alles ganz lustig soweit, bis mehrere Leute das unglaubliche Bedürfnis verspüren auf Traversen klettern zu müssen, die senkrecht aus dem Boden herausragen, sodass die Band ihr Programm unterbrechen muss. Schade eigentlich, bis dahin waren „Blumenkohl am Pillemann” oder „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist” doch recht unterhaltsam. Zurück auf C2 geht das feuchtfröhliche Zündeln mit „Pyrotechnik ist kein Verbrechen!” – Gegröle weiter. Andere verziehen sich lieber ins Zelt, da die morgigen Bands weitaus mehr wert sind, als ein Feuerchen unter Ringrockern.
Der Freitag beginnt mit strahlendem Sonnenschein und wunderbaren 25 Grad im Schatten. Man öffnet entspannt das erste kühle Blonde, spielt Flunkyball – und sieht wie die Nachbarn aus Kaiserslautern eine gesamte Mülltonne in ein riesiges offenes Feuer werfen. Zum Glück hat die Security in diesem Jahr weniger Nachsicht mit Leuten, die Raketen als Artillerie benutzen oder halt mit Müll den gesamten Zeltplatz abfackeln wollen. Daher geht es nach dieser Aktion für den Großteil der Truppe nach Hause mit einem weinenden und einem betrunkenen Auge.
Nebenbei steht am Nachmittag ein ganzer Haufen großartiger Bands auf der Bühne, wie zum Beispiel Imagine Dragons auf der Center Stage. Zwar passt das Wort „Rock” nicht wirklich zu der Gruppe aus Las Vegas, dennoch werden sie vom Publikum bei jedem Radiohit ordentlich abgefeiert. Musikalisch sieht es auf der Alternastage dann doch deutlich härter aus. A Day To Remember betreten am frühen Abend die Bühne und zum ersten Mal in diesem Jahr erlebt die Alternastage ein richtiges Erdbeben. Luft wird verprügelt, die ersten blutüberströmten Gesichter taumeln Richtung Zelte der Sanitäter, aber mit einem Lächeln auf den geschwollenen Lippen. Verabschiedet wird sich standesgemäß mit „The Downfall Of Us All” bei dem das Publikum noch einmal alles gibt. Ja, der Freitag ist von den Bands her das qualitativ beste und vielseitigste Line-Up. Dies untermauern auch Wax auf der Clubstage, die derzeit mit ihrem Hit „Rosana” in sämtlichen Radiostationen weltweit zu hören sind. Die richtigen Pfunde lassen aber noch auf sich warten. Neben den Broilers (Award für das aggressivste und härteste Festival-Konzert des Rings, dagegen sehen ADTR wie ein Haufen von Anfängern aus) und Bullet For My Valentine, gibt es auf der Alternastage Trailerpark-Musik par excellence: Die Begründer des NuMetal Limp Bizkit und KoRn geben sich heute nacheinander die Ehre. Die Weichkekse beginnen direkt mit ihrem Klassiker „Rollin’”. Fred Durst, in weißem Hoodie und Gandalf Bart, lobt das Publikum ein ums andere Mal für seine Gesangseinlagen, vor allem bei „Behind Blue Eyes”. Wes Borlands heutiges Outfit könnte von dem Herrn der Finsternis dieses Mal höchst persönlich geschneidert worden sein: Mit einer neonweißen Maske, blau/braunen Augen und pechschwarzen Zähnen hämmert er ein Riff nach dem anderen heraus. Manches 16-jährige Mädchen wird deshalb wahrscheinlich noch tiefste Albträume von ihm haben. Die vorderen Reihen quittieren dies eher mit einer minütlichen Wall Of Death. Als KoRn mit „Freak on a Leash” ihr Set beenden, sind die meisten so dermaßen im Arsch, dass sie sich nur mit Mühe und Not zu ihren Zeltplatzen schleppen. Dort geht die Party bis in die frühen Morgenstunden weiter.
Wes Borland als Dämon aus der Hölle
Das Ringwetter ist ja geprägt von Regen. Am Samstag ereilte einen die lang erwartete Sintflut bei Papa Roach auf der Centerstage. Das bringt jedoch Jacobi Shaddix nicht aus der Ruhe in den Fotografengraben zu gehen und das wohl schönste Foto des gesamten Festivals von sich machen zu lassen. Danke für diese Pose.
Jacoby Shaddix hautnah am Samstag auf der Centerstage
Kaum sind Papa Roach vorbei, legt sich auch der Regen wieder. Eine kurze Pause an Marios Pizza, gefolgt von einem nahrhaften Knoblauchbaguette, schon ist man wieder bei seinen Kräften, um in die vorderste Reihe bei Biffy Clyro zu marschieren. Diese verwöhnen die Menge mit einem Best-Of der letzten beiden Alben „Opposites” und „Only Revolutions”. Tocotronic gehen anschließend ein wenig unter, Stimmung will bei den Hamburgern einfach nicht wirklich aufkommen, trotz einer grandiosen Setlist. So endet ihr 45-minütiges Konzert ein wenig abrupt mit „Drüben auf dem Hügel”. All diese Nachmittagsbands kann man als einen kleinen Vorgeschmack empfinden, auf das was einen am Abend erwartet. Als man es sich gerade gemütlich macht mit einem Bier auf der „Scheiiiiß Tribüne”, bekommt man eine SMS, dass eine Berliner Band gerade auf der Clubstage ihr einziges Deutschlandkonzert in diesem Jahr geben wird. Und zack, schon steht man in der ersten Reihe der Beatsteaks. Eine gelungene Überraschung!
Überraschungskonzert der Beatsteaks auf der Clubstage
Die Sonne geht allmählich unter, ein Schwarz erfüllt den Himmel, wolken- und sternenlos. Dann der erste konzentrierte Lichtstrahl von der Bühne, mitten in die Menge. „Where are my voodoo people? WHERE ARE MY VOODOO PEOPLE?!?!” Es hämmert aus den Boxen und The Prodigy beginnen ihr Set. Danach gibt es kein Halten mehr. Alles was ich eben über die Broilers geschrieben habe: Vergesst es! Menschenmassen verschmelzen zu einer riesigen Welle, die ständig in Bewegung ist. Man will gar nicht wissen wie viele Leute sich in diesen 90 Minuten verletzt haben und zugleich eines der wohl besten Konzerte ihres Lebens gesehen haben. Während der Hälfte des Sets wechselt man ein weiteres Mal auf die Alternastage. Nicht etwa wegen der Leistung von The Prodigy, die war großartig, sondern um den Abend mit der Freundin gemütlich bei The Killers ausklingen zu lassen. Nach „When You Were Young” inklusive Feuerwerk macht man sich bereit für den letzten Tag und der beginnt mit…
REGEN. Das ist das erste was einem in den Sinn kommt, wenn man sein Zelt aufmacht und sich diesen Rotz von Wetter angucken muss. Die Stimmung ist dementsprechend bedeckt. Zwar werden immer noch Leute an irgendwelchen Gegenständen festgetapet, es wird weiter das Kartenspiel „Kings” gespielt, aber die Motivation bei allen Mitstreitern den langen Hügel von C2 aus zum Festivalgelände zu besteigen, hält sich doch eher in Grenzen. Scheißegal, geht man halt alleine nachmittags dorthin. Mit Dosenbier bewaffnet macht man sich auf die Reise. Heute beherrscht der Hip Hop die Alternastage. So spielen nacheinander Die Orsons, Blumentopf, A$AP Rocky und zeigen, dass es auch eine Daseinsberechtigung für Sprechgesang auf dem Ring gibt. Andernorts zerschmettern gerade Bullet die Clubstage. Ein kleiner Mann, vielleicht 1,50 m, jedoch mit einer wahnsinnigen Stimme, welche selbst Brian Johnsons Gesang in den Schatten stellt, kann die halbvolle Clubstage für sich begeistern.
Am Abend gibt es eine Premiere. Green Day dürfen, zum ersten Mal in ihrer Bandgeschichte , den Ring headlinen. Für diese Ehre haben sie sich etwas Besonderes ausgedacht und holen gleich mehrere Leute auf die Bühne, um mit ihnen Songs zu singen.
Lassen sich ordentlich feiern: Green Day als Abschlussact am Sonntag auf der Centerstage
Den glorreichen Abschluss macht jedoch die wohl bekannteste Dancehall-Combo Deutschlands. Seeed zeigen wie Blumentopf und A$AP Rocky heute Mittag, wie wichtig die Vielfalt von Genres auf Festivals ist und sichern sich den Platz für den besten Sonntags-Act, zum Einen wegen der großartigen Setlist – „Dancehall Caballeros” direkt zu Beginn, wie geil ist das denn bitte? – bis hin zu Mitmach-Aktionen wie dem Harlem Shake, inklusive „Kleidungsstücke rumwirbeln”. Ein absolut würdiger Abschluss.
Sicherlich werden viele Festivalisten über gewisse Aspekte etwas zu meckern haben: Beispielsweise waren die Ordner, was das Organisatorische anging nicht immer auf der Höhe. Außerdem hörte man immer wieder die gleiche Leier: „Rock am Ring ist voll scheiße geworden. Da spielt jetzt sogar der schwule Panda, was soll das?”.
„Kommerz am Ring” hin oder her, das was Marek Lieberberg und sein Team dieses Jahr veranstaltet haben, überzeugte weitgehend auf ganzer Linie. Ein großer Pluspunkt war wie immer das gut ausgesuchte Line-Up, bis hin zur Sicherheit auf den Zeltplätzen. Wie es auch weiter geht mit der Ringplanung in den nächsten Jahren, 2013 war eine hervorragende PR für die Location.