Man hat es gegenwärtig nicht leicht als Comedian. Schaut man auf Özcan Cosars Tourdaten, erblickt man ein Puzzle aus abgesagten, verschobenen und stattfindenden Terminen, gespickt mit den (zumindest im Moment) jeweils vor Ort gültigen Coronaregeln. Hat man sich da durchgekämpft, finden sich ca. 200 Zuschauer in der Europahalle Trier ein, die ein Vielfaches an Publikum fassen könnte. Aber so ist der Geist unserer Zeit: Unsicherheit, Bequemlichkeit und Trägheit allerorten. Dabei hätte man es doch wirklich nötig, mal wieder einen Abend lang herzhaft zu lachen. Und Özcan tat wirklich alles, damit dies gelingen konnte.
Der Schwabe, geboren in Bad Canstatt, ist Komiker, Kabarettist, Podcaster, Schauspieler und Moderator. Seine Eltern lebten vor ihrer Einwanderung in den 70er Jahren am schwarzen Meer. Ihre Eigenarten spielen mehrfach eine tragende Rolle in Cosars Stand-up-Geschichten. Und trotz der türkischen Prägung hört man im Deutsch des Comedians immer wieder den schwäbischen Akzent durchschimmern. Damit spielt der 40jährige sehr lebhaft.
Das Programm dauerte locker 2,5 Stunden mit einer 20minütigen Pause. Bis zum Ende hin hatte sich Özcan Cosar sichtlich verausgabt. Er wollte alles geben und brauchte dafür weder ein aufwändiges Bühnenbild noch technische Effekte. Humor, Schauspiel, Tanz, Bewegung, Spontanität und Kreativität reichen völlig. Dazu ein recht junges Publikum, das sich aus allerlei nationalen Hintergründen zusammensetzt und sich trotzdem in Cosars Erzählungen wiederfindet.
Zunächst geht es natürlich um den Kulturschock Deutschland vs. Türkei. Wo sind die Unterschiede, wenn Özcan eine Frage stellt? Deutsche zeigen artig auf, Türken klatschen wie wild drauf los. Ausländer aller Art bekamen ihr Fett weg. Albaner, Syrer, Rumänen – für jeden hatte der Komiker lieb gemeinte Worte der klischeehaften Einordnung. Es drehte sich um das Schauen von Horrorfilmen, um divergentes Beleidigen, um Verschwörungstheorien („Nikolaus war Türke“), um antiautoritäre Erziehung und um die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen („Mein Kindersitz war meine Oma“). Zum Ende der ersten Halbzeit wurde ein Merksatz von ganz am Anfang klar: Wenn das Licht ausgeht, lachen wir alle gleich!
Nach der Pause gab es eine kurze Irritation, weil der Funksender nicht funktionierte. Özcan machte eine große Show aus dem kleinen Missgeschick und hatte direkt wieder alle Lacher auf seiner Seite. Jetzt drehten sich Cosars Anekdoten um das Nachtleben und die Jagd nach Frauen. Plötzlich waren die kulturellen Unterschiede gänzlich verschwunden. In der Machtlosigkeit gegenüber Türstehern und beim hilflosen Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht sind wir doch alle gleich.
Corona war im Programm kaum ein Thema, aber die eigene Einstellung gegenüber Krankheiten („Ich bin Hypochonder total, meine Frau heißt Sagrotan“). Haarklein erzählte der Comedian von einer Hand-OP mit allen Irrungen und Wirrungen. In der schauspielerischen Leistung war dies der Höhepunkt des Abends. Und Türken im Erste-Hilfe-Kurs dienten als lustiges Anschauungsobjekt.
Ganz zum Schluss echauffierte Özcan Cosar sich mehr als ausgiebig über die Macht der Frauen in allen Kulturen – so wortgewandt, aggressiv und larmoyant, das man ihm kaum folgen konnte. Und plötzlich wurde es ernst und er verurteilte vehement jede Gewalt gegenüber Frauen. Ein nachdenklicher Abschluss eines großartigen Abends.
Das Publikum war aus dem Häuschen und Özcan durfte im Zugabenteil seinen Freund und Kollegen Chris Tall im Publikum begrüßen, der extra den Weg nach Trier auf sich genommen hatte, um eine der wenigen nicht gecancelten Shows zu genießen. Vermutlich brauchte auch er nach 20 langen Monaten das Gefühl einer sich steigernden Show und eines mitgehenden Publikums. Die 200 Menschen in der Europahalle waren jedenfalls der Traum jedes Stand-up-Artisten. Von Anfang an mit im Boot und mit stehendem Applaus zum Abschied.
Alte Bekannte sind die Nachfolgeband der Wise Guys. Nach Auflösung der zeitweise bekanntesten A-cappella-Gruppe Deutschlands konnte Mastermind Daniel „Dän“ Dickopf nicht still sitzen und gründete mit den Kollegen Nils Olfert und Björn Sterzenbach die neue Truppe, die man stilecht „Alte Bekannte“ nannte. Auch dort gab es inzwischen einen Besetzungswechsel: Nils wurde durch Friedemann Petter ersetzt.
In Trier hatten die Wise Guys schon große Erfolge gefeiert. Anfangs noch in der Tufa, dann in der Europahalle, später in der Arena. Für die Nachfolger muss die Europahalle ausreichen – und auch da waren die Vorzeichen denkbar schlecht. Kurzfristig musste man die Hygieneregeln auf 2G ändern, was absolut verständlich ist, aber wohl viele potentielle Zuhörer dazu veranlasste, ihre Tickets zurück zu geben. Überhaupt hört man allenthalben, dass die Vorverkäufe regionaler Konzerte nur bescheiden laufen, was mit der Verunsicherung vieler Mensch verbunden ist.
In der Europahalle hatten sich gestern nur ca. 200 Zuschauer eingefunden. Die vielen Lücken gaben zunächst ein trauriges Bild ab, doch Dän fackelte nicht lange und holte die Leute nach vorn („langsam kann ich meine Lehrer verstehen“). Im Publikum waren auffallend wenig Kinder. Auch das ist eher selten für ein Konzert der Truppe, doch die Stimmung war schon nach wenigen Songs sehr gut und trug das Quintett durch ein gelungenes Konzert. Zwei komplette Stunden plus einer 20minütigen Pause wurden geboten. Eine etwaige Enttäuschung aufgrund der Zuschauerzahl ließ man sich nicht anmerken. Allein Dän klang etwas verschnupft bei seinen Ansagen. Das kann aber auch an einer herannahenden Erkältung gelegen haben.
Das Programm konzentrierte sich auf das neue Album „Bunte Socken“, dessen Titelsong direkt als Zweites geboten wurde. Den Anfang machte aber das Erkennungslied „Wir sind alte Bekannte“, das schon begeistert mitgesungen wurde.
In der ersten Konzerthälfte stammten die meisten Ansagen von Dän. Er freute sich über viele Dinge: Dass die alten Bekannten in der ältesten Stadt Deutschlands auftreten („das passt“), dass man endlich wieder vor echten Menschen spielen darf und (wenn man pessimistisch auf aktuelle Corona-Zahlen schaute) dass man „noch“ vor echten Menschen spielen darf. Es war allerdings kein Frust über die 2G-Regel zu hören. Alle Sänger seien zweimal geimpft und täglich getestet („Hier stehen 15G“). Das Lamentieren der Ungeimpften konnte Dän nicht nachvollziehen und fand auch harte Worte dagegen. „Manchmal kommen wir uns vor, wie das Streichquartett auf der Titanic. Nur zu fünft.“
Neuling Friedemann Petter gab einen hervorragenden Einstieg. Er ist um einiges jünger als die restlichen Bandmitglieder und sorgte für frischen Wind. Sein erstes Solo „Du hast mich in dich verliebt“ wurde begeistert aufgenommen. Bariton Ingo Wolfgarten ist zur Freude des Publikums in die Eifel gezogen und hat dort ein Tonstudio gebaut. Ihre Erfahrungen damit gaben Alte Bekannte mit dem Cover „You’re In The Eifel Now“ (Original: Status Quo) zu Gehör. Danach gab es mit „Billig Jeans“ zum naheliegenden Song von Michael Jackson ein weiteres Cover.
Es muss aber nicht immer alles lustig sein. „Solang’ ich noch was fühle“ ist ein ernster und zugleich optimistischer Song. Solche Balladen haben mir schon bei den Wise Guys immer gut gefallen. Friedemann brachte mit „Watch Over You“ ein berührendes Arrangement von Alter Bridge mit ein. Und damit es zum Ende der ersten Halbzeit nicht allzu sentimental wurde, gab es noch „Powerfrau“, einen Klassiker der Wise Guys.
Für die zweite Konzerthälfte hatten sich die Sänger in Schale geworfen und erschienen im Anzug. Es gab spannende thematische Titel über den perfekten Mann (der ähnlich häufig wie ein Einhorn und der Weihnachtsmann vorkommt), das Kleinkind in der Terroristenrolle und den ewigen Kampf Ausschläfer vs. Frühaufsteher.
Friedemann bekam eine Lehrstunde in 80er-Jahre-Musik mittels eines Medleys aus Titeln wie „Sweet Dreams“, „Shout“, „Easy Lover“ und „Don’t You“. Er revanchierte sich mit dem Wise Guys-Stück „Sing mal wieder“ und einer fulminanten Gesangsstunde für das Publikum, dessen Stimmen zum Schluss gar dreistimmig ertönten.
Für den letzten regulären Song „Tattoo“ wurde spontan die kleine Leonie auf die Bühne geholt – vielleicht 5 oder 6 Jahre alt -, die im Vorfeld durch ihre Tanzkünste aufgefallen war, und wibbelte den Song perfekt mit.
Im Zugabenblock kamen die Fans der Wise Guys mit Titeln wie „Thank you for travelling with Deutsche Bahn“ und „Jetzt und hier“ auf ihre Kosten. Es war ein besonderes Konzert unter besonderen Umständen. Wollen wir hoffen, dass die Alten Bekannten und Popp Concerts im nächsten Jahr wieder ein ausverkauftes Haus vermelden können.
Obwohl die Band aus Trier seit 2012 existiert, wurde sie vor rund drei Jahren gewissermaßen neu gegründet. Ursprünglich war THE CANYON BEHIND HER als reine Akustik-Band geplant. In den ersten Jahren gehörten vor allem Cover-Songs zum Repertoire, aber es entstanden auch viele eigene Songs. Im Zeitverlauf folgten einige regionale und überregionale Auftritte. Musikalische Mitstreiter kamen und gingen.
Für Thomen (Gitarre), als letztes verbliebenes Gründungsmitglied, war TCBH immer eine Herzensangelegenheit. Und vor rund drei Jahren kam die Idee auf, aus der Akustik-Band eine vollwertige Rockband zu machen. Thomen und Thommy (Schlagzeug) kannten sich bereits lange und hatten vorher in einer anderen Band zusammen Musik gemacht. Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber mit Jacky (Bass) und Carmen (Gesang) wurde die Band in den letzten zwei Jahren auf bestmögliche Weise komplettiert.
In der ersten Jahreshälfte 2021 hat die Band ihr Debüt-Album aufgenommen. Es trägt passenderweise den Titel „The End Of Waiting“, enthält insgesamt neun selbst geschriebene Songs und erscheint am 24. September 2021 als digitale Veröffentlichung.
Markenzeichen des Releases ist Carmes gefühlvolle Stimme. Sie gibt Songs wie „What You Need“ oder der Ballade „Dedicated“ das gewisse Etwas mit. Man muss aber keine Sorge haben, dass es hier nur ruhig und schmachtend zugeht. Im Gegenteil: Die Gitarrenfraktion rockt ordentlich durch die Mitte und hat viel kraftvolle Musik zu bieten. Zudem ist das Zusammenspiel der Rhythmusgruppe (Jacky und Thommy) sehr stimmig, sei es im episch-progressiven „Tightropes“ oder im Hardrock-Kracher „Until The End“.
Man spürt, dass Thomen schon durch die harte Schule regionaler Cover-Auftritte gegangen ist. Er weiß, wie man das Instrument so malträtiert, dass die Menge selbst dann mitgeht, wenn sie sich lieber an Bier und Stehtisch festhalten würde. Und mit seinen drei Mitstreitern hat er eine respektable Rockband auf die Beine gestellt, von der man hoffentlich noch viel hören wird – auch über die Region Trier hinaus.
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Beim TrierPop-Festival am Samstag, den 24.07.2021 präsentierte sich die Trierer Musikszene vor der Arena Trier. Mit dabei waren die Rockbuster 2019-Gewinner Graustufe West mit mitreißendem New Wave und Synth-Pop, die regionalen Shootingstars Schatzi und die Indierock-Band Straws.
Gleich zwei Tage in Folge war Felix Lobrecht mit seinem Comedy Label StandUp 44 in Trier. Beide Male ausverkauft! Das verwundert nicht, füllt der Instagram Star mit fast 1 Mio. Followern doch inzwischen die größten Arenen. Sein Podcast „Gemischtes Hack“, den er zusammen mit Tommi Schmit betreibt, gehört zu den meist gehörten in Deutschland. An diesen Erfolgsquoten muss man sich heutzutage messen lassen.
Wenn Lobrecht dann die Bühne betritt, versteht man, woran es liegen kann: Locker und flockig zieht er das recht junge Publikum in seinen Bann und fängt zunächst mit dem beliebten Bashing des Auftrittsortes an, das viele Stand-up-Comedians so gern betreiben. Sollte man damit werben, die älteste Stadt Deutschlands zu sein? Hm. Erinnert die Location vor der Arena mit Blick auf Baumarkt und Parkdeck an eine Formel 1-Boxengasse? Sicherlich. Aber das ist nun einmal der Pandemie geschuldet und es zeugt nicht gerade von Wertschätzung für die Veranstalter, die ihr Bestes tun, um seiner Komikertruppe Auftritte zu ermöglichen. Dass er dann noch den Sponsor (Volksbank Trier) niedermacht – geschenkt. Das war dann auch egal.
Auf jeden Fall nahm Felix gut Fahrt auf, lästerte über die Frau, die mit einem Schild den Tour-de-France-Unfall verursacht hat und kam schließlich zum aktuellen Lieblingsthema Corona: Zuschauer Maxi musste als Paradebeispiel herhalten, weil er zugegeben hatte, eine Infektion überstanden zu haben, als Student noch bei seiner Mutter zu leben und überhaupt viel Privates (mehr oder weniger gewollt) preisgab.
Warm-up beendet. Der erste Comedian war dran. Im Prinzip sind die StandUp 44-Shows auch nicht mehr als jeder Comedy Slam im kleinen Club. Neben dem Gastgeber treten drei weitere Künstler an. Jeder hat ca. 20-25 Minuten Zeit für seinen Auftritt. Es gibt am Ende keine Abstimmung und der Eintritt ist höher. Das sind schon die größten Unterschiede.
Als erster Gast auf der „Happy Summer Sunshine Tour 2021“ war Daniel Wolfson am Start. Der Philosophiestudent betreibt mit Kawus Kalantar den Podcast „Chips und Kaviar“. Mit viel Charme erzählte er aus seinem Alltag, berichtete von den WhatsApp-Abenteuern seines Vaters, den Möglichkeiten der Anmache im Club und gab Anekdoten eines Besuchs beim Urologen zum Besten. Deftig, aber durchaus amüsant.
Weiter ging es mit Kawus Kalantar. Der Sohn iranischer Einwanderer – aufgewachsen in Bremen (Neue Vahr Süd) – ist für viele Fans ein alter Bekannter, war er doch Support auf der letzten Lobrecht-Tour. Er berichtete aus der Zeit „als Merkel noch hässlich war“, freute sich über seine erste Freundin und erklärte, ob und wie Sex im Hochbett funktioniert.
Damit war die erste Hälfte der Show durch, aber es gab keine Pause. In Pandemie-Zeiten verzichtet man auf solche Gewohnheiten. Kinan Al bezeichnet sich selbst als „Araber aus Neukölln“. Kein Wunder, dass er viel zu berichten hat – über das Zusammenleben in der Parallelwelt, wo jeder den besseren Hummus anbietet, und über sein Touren in Deutschland („Cottbus ist hässlicher als Syrien nach dem Krieg“). Es geht um Impfstoffe – „Biontec rules“ – und emotionale Intelligenz (das politisch korrekte Wort für „Dummheit“). Einen Moment der Stille gab es, als er vom Tod seines Vaters erzählte, der am COVID-Virus verstorben ist. Es war spürbar, wie sehr Kinan seinen Vater vermisste und wie wichtig es war, die Erinnerung mit dem Publikum zu teilen.
Als Letztes hatte Felix Lobrecht seinen eigenen Slot und startete den redseligen Rundumschlag ohne Punkt und Komma aber mit viel Inhalt. Wie perfekt man entspannen kann, wenn man sich nachts Hitler-Dokus anschaut. Wie Freunde reagieren, wenn er seine Haustür bei deren Weggehen zweimal abschließt. Wie seine Oma besoffen tanzt und wie Sprüche-Ingos jede Unterhaltung zur Comedyshow machen können. Und da liegt Felix‘ größte Stärke: Er kann jede Banalität genussvoll ausschlachten. Und seine Mimik und das bisweilen spitzbübische Grinsen machen auch den Zuschauern große Freude.
Nach gut 100 Minuten war schon Schluss. Das ist jetzt nicht imposant, aber gut genug für einen kurzweiligen Abend. Auf jeden Fall ist die Erkenntnis gewachsen: Jedem dieser fantastischen Vier würde man auch ein komplettes Abendprogramm lang zuhören wollen.
Eine Fotoerlaubnis gab es nur für Felix himself, daher fällt die Galerie etwas kleiner aus als gewohnt (alle Fotos: Simon Engelbert):
ARENA OPEN AIR SOMMER 2021: pandemiegerechte Open Air Shows auf dem Vorplatz der Arena, Trier
Folgende Acts dürft ihr noch erwarten:
24.7.21 TRIER POP FESTIVAL mit Graustufe West, Schatzi & Straws
25.7.21 Long Distance Calling
29.7.21 Antilopen Gang
31.7.21 Funny van Dannen
1.8.21 Thomas Kiessling & Frank Rohles
5.8.21 Till Reiners
6.8.21 SONDASCHULE
8.8.21 Wolfgang Niedecken liest und singt Bob Dylan
10.8.21 CAMPINO Lesung “Hope Street”
12.8.21 Fatoni & Edgar Wasser
13.8.21 VERSENGOLD
14.8.21 “Girls To The Front” mit Hoboken Division (FR), Francis of Delirium (LUX) und Hanna Landwehr (TR)
15.8.21 Elmar Frank (DE HOFNARREN) liest „Eine spannende Geschichte von Fridolin“
…richtet sich an die breite Öffentlichkeit, um auf die dramatische Lage der Veranstaltungswirtschaft aufmerksam zu machen. Alle Bereiche der Veranstaltungswirtschaft in Deutschland vereinigen sich zu einer übergreifenden Interessen- und Arbeitsgemeinschaft und initiieren die „Night of Light“.
KRAMSKY aus Trier, Deutschlands ältester Stadt und Geburtsort von Karl Marx, sind bereits seit 2013 unterwegs. Zunächst als HERR BERLIN, ab 2016 haben sie sich in KRAMSKY umbenannt. Das aktuelle Album trägt den Titel „Metaego“ und bietet Indierock, Post-Punk und New Wave mit deutschen Texten. Eine respektable Mischung.
Das Quartett wiederholt sich nicht gern. Keiner der zehn Songs gleicht dem anderen – und doch klingt das Album mit seinen intensiven Texten wie aus einem Guss. Schrammelnde Gitarren, punkiger Sprechgesang. Meistens mit Hau-drauf-Attitüde, aber auch mal melancholisch wie in der Ballade „Insgesamt“ oder dem nachdenklichen Abschluss „Pläne“.
Im Gesamten beeindrucken aber die Geschwindigkeit und das Nach-vorne-preschen des 36minütigen Albums. Es sind düstere, verbittert klingende Texte. Jimi Berlin an den Vocals, Gitarrist Jo Philippi, Bassist Florian P. Stiefel und Schlagzeuger Michael Kreft legen hier ein kraftvolles Album vor, das definitiv aus der Masse heraussticht.
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Es gibt feste Regeln, wenn man ein Konzert von Götz Widmann in Trier besucht: Er steht mit Gitarre auf der Bühne. Die Zuschauer sitzen (ohne Stühle) auf dem Boden der Location. Das war im ExHaus immer so, das in den vergangen Jahren Veranstaltungsort der denkwürdigen Widmann-Konzerte war, und das ist in der TUFA so, die leider als Ausweichstätte herhalten muss, so lange das ExHaus renoviert wird.
Vom Ambiente her passte das Jugendzentrum ExHaus zwar besser zu der derben Kost, die Götz seinen vor allem jugendlichen und jung gebliebenen Zuschauern präsentiert, doch auch in der TUFA kam das studentische Liedermacher-Flair gut rüber und der Funke sprang schnell über.
Götz ist das Enfant Terrible unter den deutschen Liedermachern und hat seinem Ruf mal wieder alle Ehre gemacht. „Tohuwabohu“ heißt das aktuelle Album und der Name ist Programm. Die neuen Song sind ein chaotischer Rundumschlag von Babydinosauriern über die altbekannten Themen wie „Hanf und Hopfen“ sowie nachhaltigen Alkoholismus bis hin zu einem Liebeslied an Europa.
Unberechenbar wie immer schüttelte er mit einer frappierenden Leichtigkeit und derben Worten eine Sensation nach der anderen aus dem Ärmel. Politisierend, schimpfend, schreiend, frustriert – und stets mit einem rauen, tiefen, versoffenen Gesang, wie er dies seit zwanzig Jahren zelebriert und schon vorher in Duoform bei Joint Venture bis zur Ekstase ausgelebt hat.
Götz Widmann war in der Tufa Trier in Bestform. Mit „Schwanger“ brachte er die Leute nicht nur kurz zum Lachen, es gab auch eine kichernde Damen-Fraktion, die überhaupt nicht mehr zu bremsen war. Die Pointen saßen wie KO-Schläge und er sprach den Anwesenden aus dem Herzen. Beispielsweise wenn er skandierte „Beim Fußball hass ich Holland wie die Pest“ oder seinen Klassiker „Zöllner vom Vollzug abhalten auf der A4“ zum Besten gab.
Treffsicher wie immer kam er genau mit dem richtigen Statement zur richtigen Zeit um die Ecke. Der Trost für alle Anwesenden: 140 Millionen Samenzellen haben sich auf den Weg gemacht, und ihr habt es geschafft – ein Saal voller Sieger. Macht Sinn, wenn man es so überlegt, denn die Chance, dabei zu sein, ist wie ein 6er im Lotto.
Nach einer Stunde gab es eine Pause, die Götz nutzte, um am Bühnenrand CDs zu verkaufen. Für 20 Minuten angekündigt hat sie gut 45 Minuten gedauert. Das war dann doch sehr lange und ein kleiner Wermutstropfen für das ansonsten sehr gute Konzert. Okay – er wollte allen Anstehenden gerecht werden und seine Autogramme hinterlassen, aber keiner wäre böse gewesen, wenn er irgendwann gesagt hätte: Nach dem Konzert geht’s weiter.
Im zweiten Teil wurden die Songs noch verruchter und auch persönlicher. Klassiker aus seiner Solokarriere und von Joint Venture („Scheiß auf deine Ex“) und die schaurige Ballade vom „sitzend pinkeln“. Götz hat ein großes böses Maul und niemand ist vor ihm sicher, doch er kann auch große Emotionen, z.B. wenn er Anekdoten vom früheren Tourleben in der Nähe von Heidelberg erzählt und seiner Lieblingskneipe „Maria“ ein Trauerlied widmet.
Es war ein anstrengendes Konzert ob der langen Pause und dem gezwungenen Ungemütlich-auf-dem-Boden-sitzen, doch es war es allemal wert, den umtriebigen Liedermacher in Trier zu erleben. Bis zum nächsten Mal!
Nachdem Wincent Weiss im Februar 2018 mit seiner Akustik-Tour noch in der kleineren Europahalle weilte und das Trierer Publikum mit einem Sitzkonzert verwöhnte (HIER unser Bericht zum Konzert in der Europahalle Trier 2018), musste jetzt die Arena dran glauben. Die fünffache Zuschauermenge mit Stehplätzen im Innenraum – ein fantastisches Liveerlebnis – eine gigantische Show. Das Publikum vereinte alle Generationen und viele Kinder freuten sich auf ihr erstes Konzerterlebnis, während die Mädelsfraktion in Windeseile die vorderen Reihen stürmte und sich dort mit Bannern und Pappschildern breit machte. Zum Glück gab es eine lange erste Reihe, denn die Produktion sah einen langen Laufsteg vor, der mitten ins Publikum führte.
Die Bühne war zu Beginn noch verhangen und kurz vor 20 Uhr startete Bengio, der Sänger/Songwriter aus Fulda. Er bot eine Mischung aus Pop und HipHop. Vor allem emotionale Songs, die er mit sanfter Stimme vortrug. Dazu durfte er ein großes Banner am Bühnenvorhang hissen, drei Instrumentalisten mitbringen und den Laufsteg für seine Performance nutzen. Das ist nicht selbstverständlich für einen Support und man sollte es Wincent hoch anrechnen, dass er Bengio diese Möglichkeit gibt. Vermutlich weiß er selbst, was eine solche Unterstützung bedeutet. Es ist gerade mal drei Jahre her, dass Max Giesinger den damals 23jährigen Wincent Weiss mit auf Tour nahm, der mit dem Radiohit „Musik sein“ erste Erfahrungen gesammelt hatte. Und damit begann das Märchen des Sängers aus Bad Oldesloe (HIER unser Bericht zum Konzert in der Garage Saarbrücken 2016).
Bengio beendete seinen 35minütigen Set mit dem Song „Irgendwas“, den er gemeinsam mit Yvonne Catterfeld aufgenommen hat und der dann doch vielen Zuschauern vage bekannt vorkam, und der aktuellen Single „Fan von dir“, die ordentlich abgefeiert wurde. Bengio war ein durchaus starker Support – und er wird bestimmt noch länger in Erinnerung bleiben.
Der Umbau dauerte bis um 21 Uhr und pünktlich ging es los mit Wincent Weiss, der sich allein mit Gitarre im vorderen Teil des Laufstegs einfand. Ein stiller, sehr heimeliger Beginn – und der perfekte Moment für erste Mitsing-Einlagen des Publikums. Doch dann ging es noch während des Songs in die Vollen und man konnte ahnen, was einen erwarten würde: Pyro mit Knalleffekt und ein Konfettiregen leiteten „Kaum erwarten“ ein. Wincent begrüßte das Publikum vom Bühnenrand, ein Hüpfer über unsere Fotografen Alexander Moell, um den ich dabei schon ein wenig Angst hatte (HIER die Konzertfotos aus Trier 2019), und wie der Blitz stand Wincent schon zum dritten Stück „Hier mit dir“ mitten in der Menge und räumte das Feld vom Mischpult her auf.
Was für eine Energie in dieser Show! Immer in Bewegung – hautnah zu den Zuschauern und voller Power beim Gesang. Dazu hatte er eine formidable Liveband mit dabei. Vor allem Gitarrist Benni Freibott ragt kongenial heraus und bietet seine eigene Instrumentalshow mit fulminanten Soli und perfekten Gesangseinlagen in den Höhen. Wer die Karriere von Wincent Weiss verfolgt hat, der sich in drei Jahren und zwei Alben vom One-Hit-Radiowunder zum Arenen füllenden Star gemausert hat, erkennt, dass dieser alles richtig macht und einen erfolgreichen Karriereplan verfolgt. Ob gewollt oder nicht – es gibt keine halben Sachen. Und diese Hammershow, die allen lange in Erinnerung bleiben wird, ist ebenso Teil dieser Erfolgsgeschichte wie ein solcher Gitarrenheld. Hinzu kommt Wincents frisches Auftreten, der hier sichtbar sein Ding macht.
Im ersten ruhigen Moment erzählte er vom lange zurückliegenden Trier-Erlebnis mit einem Freund im Südbad. Ein Raunen ob dieser Anekdote. Dann Europahalle und gleich beim dritten Besuch in der Arena. So schreibt man Trier-Geschichte. „Einmal im Leben“ tauchte die Arena wieder in Regenbogenfarben. Wincent scheint bunte Farben und Konfetti zu lieben. Bei „Unter meiner Haut“ war er schon wieder mitten unter den Fans und danke ihnen dafür, ihm schon nach zwei Alben solche Konzerte zu ermöglichen. Sehr authentisch und sympathisch.
„Weck mich nicht auf“ war dann eigentlich ein Weckruf für alle, die in emotionale Gefilde wegzudriften drohten. Rockige Power, ein Gitarrensolo, Flammenpyro bis hin zu dem Moment, in dem Wincent selbst an den Armen in Flammen stand. Das waren Show-Momente! Danach wurde es wieder ruhiger. Zunächst mit dem anklagenden „1993“ gerichtet an seinen Vater, den er nie kennen gelernt hat, dann „Herzschlag“ akustisch vorgetragen für die kleine Schwester, die er so oft vermisst, wenn er auf Tour ist. Im Glanz Tausender Handylichter waren das sehr romantische Momente. Der Akustikset auf dem Laufsteg wurde fortgeführt mit einem Medley bekannter Deutschpop-Titel wie „Chöre“, „80 Millionen“, „Holz“, „Vincent“, „Pocahontas“, „Tausend Tattoos“ und „Cordula Grün“. Spätestens bei letzterem sang die komplette Halle lautstark mit.
Im Anschluss wieder Publikum-Action: „365 Tage“ ließ alle in die Hocke gehen und auf Zuruf springend abfeiern. Zu „Was machst du nur mit mir“ konnte erst die Band auf dem Laufsteg Übungen im Synchrontanz vollziehen, bevor das Publikum zum ultimativen Stopptanz aufgefordert wurde. Es folgte Wincents erster große Hit „Musik sein“ und der Sänger kletterte (vermutlich zur Freude der Security) die eingefahrenen Tribünenwände hoch zum sitzenden Publikum. Agil und sportlich – schließlich sollte jede und jeder Anwesende ihn hautnah erleben dürfen.
Wer bis dahin noch keine Berührung ergattert hatte, durfte jetzt bei „Frische Luft“ sein Glück versuchen, als Wincent sich crowdsurfend durch die Menge bewegte. Kein Rock-Klischee, das er nicht gekonnt bediente, bis hin zu den riesigen Luftballons, die nun zum letzten Abfeiern vor dem Zugabenblock ins Publikum geschossen wurde.
Kann man diese Fete noch toppen? Als Zugabe lieferte Wincent ein Hardrock-Medley von Songs seines ersten Albums, bei dem die Instrumentalfraktion nochmal ihr ganzes Können zeigen durfte. Damit hatte er zum Schluss vermutlich sein komplettes Repertoire aus zwei Alben gespielt. Auch eine Leistung!
Die letzte emotionale Ansage ging an eine Freundin, die sich nach fünf Jahren Beziehung von ihm getrennt hatte und für die er den Song „Pläne“ geschrieben hat. Großaufnahmen zeigten ihn mit Tränen im Gesicht. Also auch an Wincent Weiss gehen die persönlichen Momente nicht spurlos vorüber. Und zum furiosen Ende der 2-Stunden-Show gab es „Feuerwerk“. Und – ja! – mit echtem Feuerwerk in der Arena. Das kontrollierte Abschießen von Feuerwerkskörpern in der Arena habe ich auch noch nicht erlebt. Ein explosives Ende einer beeindruckenden Show. Man mag sich nicht vorstellen, wie Wincent das noch steigern will. Beim nächsten Besuch in der Region wird die Arena vermutlich nicht mehr ausreichen.
Wincent Weiss – Setlist, Arena Trier, 28.11.2019
Irgendwie anders
Kaum erwarten
Hier mit dir
Einmal im Leben
Jemanden vermissen
Unter meiner Haut
Weck mich nicht auf
1993
Herzschlag
Medley (deutsche Songs)
365 Tage
Was machst du nur mit mir
Musik sein
Frische Luft
An Wunder
Es war ein toller Ausklang für das diesjährige Festival im kultigen Amphitheater Trier, veranstaltet von Popp Concerts. Das Aushängeschild des deutschen Reggae himself, Tilmann Otto aka Gentleman, gab sich die Ehre.
Recht unterschiedliche Musikrichtungen gab es im Jahr 2018: Wir haben schon über Chris de Burgh und Amy Macdonald berichtet, außerdem über die „Nacht der Spielleute“ mit drei Mittelalter-Bands. Tag 4 aber sah den entspanntesten Abschluss vor, den man sich vorstellen kann.
Als Support war die Band Indianageflüster am Start, quasi Lokalmatadoren aus dem Hunsrück. Das Quintett spielte Indierock mit Rap-Einlagen. Allein das ist schon recht speziell, doch wirklich erstaunlich war der Einsatz eines Cellos, das dem bisweilen recht sphärischen Klangteppich eine ganz besondere Note verlieh. Bisher wurde eine 5-Track-EP mit dem Titel „Stille Post“ veröffentlicht. Ein Album ist noch für das laufende Jahr geplant. Der ungewöhnliche Sound ließ auf jeden Fall aufhorchen und Songs wie „Laut“ und das orientalisch angehauchte „Mariohbama“ kamen beim Publikum gut an. Nach einem 30minütigen Set und dem rap-lastigen Abschluss gab es ordentlichen Achtungsapplaus.
Der Umbau für Gentleman ging schnell vonstatten. Ungewöhnlich war aber, dass er nicht direkt selbst auf die Bühne kam, sondern das Feld zunächst für zwei soulige Songs seinen Backgroundsängerinnen überließ. Das zeigte, wie sehr sich der Künstler aus Köln-Sülz selbst zurücknehmen kann. Das zog sich durch den kompletten Abend, der immer wieder Raum für die Band und begleitende Künstler ließ: Gentleman ist ein Mann ohne Eitelkeiten.
Als international gefeierter Star der Reggae-Szene steht er auf dem Zenit seiner Karriere und ist durch seine zahlreichen Jamaikaaufenthalte und Kollaborationen mit unterschiedlichsten jamaikanischen Musikern tief verwurzelt in der Kultur der Karibikinsel. Gentleman hat in seiner über 20jährigen Bühnenkarriere schon in etlichen Ländern gespielt und manche Pionierarbeit für sein geliebtes Genre geleistet. Das wissen die Fans zu schätzen – und fast 3.000 davon feierten ihn in Trier ordentlich ab. Zu Beginn war es noch etwas träge bei den üblichen Mitmachübungen, doch die Songs von Revolution und Freiheitskämpfern zeigten Wirkung – ebenso wie der Gruß an den einsamen Ordner im Hang. Gentleman freute sich über die „unfassbar geile Location“ und vergaß auch nicht, Triers Status als älteste Stadt Deutschlands zu erwähnen: „Wann ist ne Stadt ne Stadt? Wenn die Musik anfängt!“
Die Musik von Gentleman war bisweilen schon poplastiger, als er ein „MTV unplugged“ ablieferte und bei „Sing meinen Song“ mitmischte. Die momentane Tour aber feiert die Rückkehr zu purem Reggae mit Stücken wie „Sin City“, „To The Top“, „Superior“ und „Runaway“ – immer auf die Vollen, nur ab und zu unterbrochen durch ein leises Piano oder eine Beatbox-Einlage.
Gentleman war nah am Publikum. Er suchte den Kontakt, nahm ein Bad in der Menge, lobte den Fan Sebastian aus der ersten Reihe, der auffiel, weil er auch die kompliziertesten Textzeilen mitsang. Und Gentleman war sich auch nicht für ein spontanes Duett zu schade, das dann viel besser ausfiel, als man erwartet hätte. Ganz sympathisch grüßte er seine Eltern, die an diesem Abend im Publikum waren. Und er machte fortwährend Werbung für die Organisation „Viva con Agua“, die mit mehreren Leuten vor Ort war, um leere Pfandbecher als Spenden einzusammeln und so den Bau von Trinkwasserbrunnen in armen Ländern zu ermöglichen.
Solche Gesten zeugen davon, dass Gentleman in seinem ganzen Auftreten sehr stimmig ist. Er nimmt die Menschen mit, feiert Party, hat aber auch Zeit für nachdenkliche Töne. Das Konzert in Trier war ein großartiges Ereignis und seine Musik passte perfekt zu dem Sommerabend, der von den Temperaturen nicht ganz so heiß war wie die Tage zuvor. Für das Schwitzen sorgte Gentleman mit einer energiegeladenen Performance, die alle mitriss. Ein schöner Abschluss für ein geniales Festival.
Ein neues Konzept von Popp Concerts, das sich sehr vielversprechend anlässt: Die „Trierer Nacht der Spielleute“ präsentierte gleich drei hochkarätige Szenebands, die sich hier zu einem ordentlichen Happening versammelt hatten. Die Vorzeichen konnten nicht besser sein! War doch die Vollmondnacht des Blutmondes angesagt, die viele Mittelalter-Bands so gern besingen. Zudem heißt das neue Album von Saltatio Mortis „Brot und Spiele“. Wo präsentiert man so etwas besser als im wundervollen Ambiente einer alten römischen Kampfarena?
Den Anfang machten aber Feuerschwanz aus Erlangen. Für mich die Überraschung des Abends. Inhaltlich wird das Konzept vor allem von zwei Themen beherrscht: Met und Miezen. Doch musikalisch geht es trotz dieser politischen Unkorrektheiten ordentlich zur Sache. Die Geigerin Stephanie Pracht muss sich jovial „Johanna von der Vögelweide“ nennen lassen. Nun ja. Ihren Qualitäten an der Violine tut das zumindest keinen Abbruch.
Das neue Album der süddeutschen Band wird den gehaltvollen Titel „Methämmer“ tragen und am 17.8. erscheinen. Vorher gibt es gar noch einen Auftritt in Wacken. Läuft also. Das Publikum spielte von Beginn an mit. Auf die Frage „Wo nach gelüstet euch heute Nach?“ kam von den vielen Insidern der Jubelruf „Blöde Frage, Saufgelage!“ und man feierte den gleichnamigen Song heftig mit.
Bald schon erschien auch ein leichtbekleidetes Mädel, „Mieze“ genannt, das zu einigen Songs mittanzte und das Publikum animierte. Beispielsweise wurde das Volk in eine rechte und linke Seite geteilt, die zu einem Hupen-Laut aufeinander zu rennen und sich umarmen sollten. Zunächst aber wurde zu „Schubsetanz ist Rittersport“ ein hübscher Pogo aufs Parkett gelegt. Doch auch die anschließende Umarmung klappte gut.
Durchaus harte Metalklänge wurden mit Folkrock durchmischt. Das wird auch auf dem nächsten Album so sein, wie die ersten neuen Songs bewiesen. „Unser Gott heißt Alkohol“, wurde das Motto von „Methämmer“ nochmal klargestellt. Dazu gab es Klassiker wie „Metnotstand im Märchenland“ und „Krieger des Mets“. Als Pendant zu Thors Hammer wurde eine Keule mit Bierfass geschwungen. Soll keiner sagen, dass der Band nichts zum Thema mehr einfällt.
Selbst kritische Songtexte wurden lustig verpackt, als „Mieze“ zum Song „Ketzerei“ am vorderen Bühnenrand angekettet wurde, um die schlimmen Finger des Christentums zu besingen. Sie tanzte aber fröhlich lasziv mit und alles wirkte halb so wild. Das ist dann auch das Motto von Feuerschwanz: Alles halb so wild, so lange genug Met am Start ist. Dem wurden sie voll gerecht. Musikalisch aber fand ich den Auftritt sehr überzeugend. Das hätte gerne über die 40 Minuten des Slots hinaus gehen dürfen.
Ein starker Auftakt für das Amphitheater Open Air 2018 in Trier: Am Mittwoch gab sich Chris de Burgh die Ehre und stand ganz allein mit seiner Gitarre auf der Bühne, um dem Publikum Hits aus allen Epochen seiner langen Karriere darzubieten. Und am Donnerstag verzauberte Amy Macdonald die Zuschauer mit ihrem schottischen Akzent und herzerfrischender Bodenständigkeit.
Am 15. Oktober wird Chris de Burgh schon 70 Jahre alt. Das sah man ihm nicht an, als er mit leger geöffnetem Hemd und Windjacke die Bühne betrat. Das Auftreten ist ebenso sportlich, wie man das von dem unwesentlich älteren Reinhard Mey kennt. Und dann ein Set – solo vorgetragen allein mit Gitarre oder wahlweise am Piano. Ähnliches durfte ich eine Woche zuvor bei Ed Sheeran erleben. Der beglückt damit 80.000 vor allem jüngere Leute. Chris de Burgh muss sich mit 1.900 Zuschauern gesetzteren Alters begnügen. Aber er hat Spaß daran und das Publikum dankte ihm am Ende für viele emotionale Momente.
Es war ein Sitzkonzert – zumindest zu Beginn. Chris de Burgh zeigte sich zunächst sichtlich überwältigt vom Ambiente des römischen Amphitheaters. Eine Kultstätte für Altertumsforscher aber auch für Konzertgänger. Denn wenn Popp Concerts alljährlich zum Amphitheater Open Air rufen, wird für viele Musikrichtungen das Richtige geboten. Folk und Pop begeisterten die Zuschauer aus dem Mund von Chris de Burgh. Mangels Schlagzeug ließ er schon früh den Rhythmus vom Publikum mitklatschen. Das gelang gut.
„The Moonfleet Overture“ wurde als Intro gespielt. „Road To Freedom“ war der erste Song. Schon an dritter Stelle gab es mit „Missing You“ einen Klassiker zum Mitsingen. Zu „Waiting For The Hurricane“ ließ der Barde erstmals die Gitarre an der Seite und setzt sich ans Piano. Chris hielt guten Kontakt zum Publikum und war zum Scherzen aufgelegt. Haben die deutschen Fußballer in Russland zuviel Wodka getrunken? So lautete die Ansage zu „Moonlight And Vodka“. Dann erzählte er von einem Traum, in dem ein Römer ihm im Amphitheater ein kühles Bier bringt. Bei den herrschenden Temperaturen war er mit diesem Traum nicht allein – aber seiner ging letztlich in Erfüllung.
„A Woman’s Heart“ besang Chris als das größte Geheimnis von allen. Dann wandte er sich der aktuellen Platte „A Better World“ zu, aber nicht ohne eine Seitenhieb auf die USA, wo die Welt anscheinend verrückt geworden ist. Ein folkiges „Shipboard Romance“ durften wir hören. Dann „The Hands Of Man“ und schließlich das autobiographische „Where Would I Be“. Der akustische Set brachte mehr Folk- als Rocksongs. Das passte gut zur abendlichen Atmosphäre in Trier. Ganz romantisch und abenteuerlich kamen dann auch Stücke vom „Moonfleet“ Album hinzu – Geschichten über Schätze und Piraten, die Chris de Burgh gekonnt erzählte.
Schließlich gab es für ein jubelndes Publikum „Borderline“ und der Sänger konnte schon nach einer Konzertstunde stehende Ovationen der Zuschauer empfangen. Ob er damit gerechnet hatte? Seine Interpretation am Piano war jedenfalls so berührend und auch pathetisch, dass es die meisten nicht auf den Sitzen hielt. Um die Situation danach etwas aufzulockern, gab es einige witzige Instrumental-Cover wie „Here Comes The Sun“, „Hotel California“ und „Pretty Woman“, bevor mit „Revolution“ der Song gespielt wurde, der eigentlich als „Borderline“-Fortsetzung gedacht ist.
Hier konnte auch ich mich zuhause fühlen, der ich doch vor allem in den 80ern zu Zeiten von „The Getaway“ und „Man On The Line“ einer großer Fan des Iren war. Damals gab es noch rockigere Klänge, die spätestens mit „The Lady In Red“ dem soften Chris de Burgh wichen. Dieser Titel wurde natürlich auch gespielt. Und das als einziger im Playback mit elektronischen Klängen. Warum? Natürlich damit der alte Haudegen und Herzensbrecher einen Ausflug zu den Damen im Publikum machen und ein paar Tänzchen aufs Parkett legen konnte. Spätestens jetzt war aus dem Sitz- ein Stehkonzert geworden. Und viel (vor allem weibliches) Volk stürmte den Platz direkt vor der Bühne.
Chris de Burgh hat ein treues Publikum. Und das weiß, was es bekommt: Eine gesunde Mischung aus alten und neuen Songs. Bei den älteren Titeln wie „Sailing Away“ gibt es ein paar Schwierigkeiten in den Höhen. Das bringt Chris aber nicht davon ab, munter zwischen Brust- und Kopfstimme zu wechseln. Und er kann es sich erlauben. Die Highlights „Don’t Pay The Ferryman“ und „High On Emotion“ folgten erst kurz vor dem Zugabenblock. Und auch die Rocksongs kommen gut zur alleinigen Gitarrenbegleitung. Chapeau!
Nach 100 Minuten Konzertlänge beendeten atmosphärische Zugaben wie „Where Peaceful Waters Flow“ ein eindrucksvolles Konzert. Es waren selige Gesichter, in die man blicken konnte. Und viele sollten ja am nächsten Abend direkt wieder kommen.
Amy Macdonald zog gut 3.000 Leute, die im Schnitt auch jünger waren als am Vorabend. Zudem war es ein Stehkonzert und es gab einen Support: Die 26jährige Antje Schomaker hatte ihr Debüt „Von Helden und Halunken“ mitgebracht. Die junge Frau vom Niederrhein hörte sich mit ihren selbst geschriebenen Songs unaufgeregt und doch emotional an. Ihre bisweilen lapidar wirkende Stimme klang wie das weibliche Gegenstück zu AnnenMayKantereit. „Bis mich jemand findet“ drückte enorme Lebensfreude aus. Und der Song „Gotham“ ist einfach genial, wenn Antje zwischen tiefer Stimme und hohen Tönen switcht. „Irgendwohin“ erklang als neuer Song für die beste Freundin und „Auf und davon“ rührte zu Tränen als Stück für eine Freundin mit Depressionen. Am 17. Oktober wird Antje Schomaker mit ihrer Band im ExHaus Trier spielen. Und dafür rührte sie ordentlich die Werbetrommel. Wer ihren Gig im Amphitheater gesehen hat, ist sicher auf den Geschmack gekommen.
Als Amy Macdonald die Bühne betrat, war vom ersten Ton an Stimmung angesagt. Die Haare plötzlich blond – das war schon sehr überraschend – dazu blaue Boots. Die Schottin ist eine traumhafte Erscheinung und dabei so bodenständig, wie man als weltweit erfolgreiche Sängerin nur sein kann. Ihre in manchmal schwer verständlichem Schottisch vorgetragenen Ansagen hörten sich an, als sei man zu später Stunde an der Theke in einem schottischen Pub. Verdammt – hat das Spaß gemacht!
Und hinzu kam natürlich wundervolle Musik zu einer lauten Rockband. Dabei hatte Amy meist ebenfalls eine Gitarre in Händen. Sie begann mit dem Titelsong des aktuellen Albums „Under Stars“. Es folgten die stimmungsvollen Titel „Spark“ und „Youth Of Today“, bevor es schon an vierter Stelle den Hit „Mr. Rock And Roll“ gab. Jetzt war der Damm gebrochen und alles sang lauthals mit. Amy erklärte, es sei schon sehr heiß für jemanden aus Schottland. Bei ihnen begänne man ab 15 Grad zu schwitzen. Und jetzt weit mehr als das Doppelte. Dann amüsierte sie sich über die zahlreichen Zaungäste in den Weinbergen: „Man will dabei sein, aber nichts zahlen.“ Das kenne sie auch aus Schottland.
Zu „Slow It Down“ wollte Amy einen Zuschauerchor formieren. Doch Totenstille im Publikum. Sie machte sich ernsthaft Sorgen, ob man ihren Akzent in Trier nicht versteht. Doch dann interpretierte sie das Schweigen zugunsten des Publikums als höfliches Zuhören. Wer weiß? Zumindest klappte der Mitsing-Refrain bei „Slow It Down“ letztendlich hervorragend. Danach kam mit „4th Of July“ eine Liebeserklärung an New York.
Das Amphitheater schien auch Amy zu imponieren. „Ihr habt noch nicht gekämpft. Gut so!“ Sie freute sich über unzählige schottische Flaggen („mehr als bei mir zuhause“) und verwies auf die Fußballtrikots, die sie extra im schottischen und deutschen Design hat anfertigen lassen. „We are Scheiße together“, so hob sie die beiden Mannschaften spielerisch auf ein Level und hatte das Gelächter auf ihrer Seite. Beeindruckend und unterhaltsam.
Musikalisch bot die 30jährige Schottin einen Rundumschlag aus vier hervorragenden Alben. Und den Song „Woman Of The Word“ aus dem Soundtrack der Disney-Komödie „Patrick“, an dem sie mitgewirkt hat. Überhaupt singt Amy mit starker Stimme und großer Überzeugungskraft. Die Band ist glanzvolles Beiwerk, aber sie braucht das nicht, wie die Ballade „It’s Never Too Late“ zu Pianobegleitung eindrucksvoll bewies. Und endlich kam auch „This Is The Life“, der Über-Hit, bei dem ordentlicher Jubel ausbrach.
Nach 95 Minuten war das Konzert zu Ende und alle lauschten beseelt den hymnischen Klängen von „Let’s Start A Band“, das man gut mit „This Is The Life“ verwechseln kann. Die Schottin hat es allein gezeigt. Die Liebe zwischen Deutschland und Schottland ist ungebrochen. Daran wird auch der Brexit nichts ändern können.