Endlich wieder ein Konzert in der Garage, dem angesagten Liveclub in der saarländischen Landeshauptstadt. Die Zeit von Schnelltests und Masken scheint zumindest vorerst vorbei und man freut sich wieder auf echte Musik in dichter Atmosphäre und einer wogenden Zuschauermasse. Was könnte da besser passen als Gig Nummer 2610 auf der “Never Ending Tour” des britischen Punk-Folk-Künstlers? Tatsächlich kann man auf seiner Homepage das Listing aller Konzerte seit Nummer 1 am 18. September 2004 nachlesen. Ich kenne sonst keinen Künstler, der das so akribisch mitzählt. Selbst in 2020 und 2021 gab es keine Pause sondern eine Reihe von akustischen Livestreams aus seinem Privathaus, die natürlich in der Agenda mitgezählt werden. Chapeau für einen solchen Enthusiasmus – und natürlich war es schön, den charismatischen Frontmann endlich wieder hautnah zu erleben. Das ließen sich die Fans in der voll besetzten Garage jedenfalls nicht entgehen.
Den Anfang machte aber die Band Pet Needs. Der Grundstock des Vierers wurde gelegt, als Gitarrist George auf dem Sofa seines Bruders Johnny in Colchester landete, nachdem er einen Job in einer Tankstelle in den Midlands für die schillernden Lichter von Nord-Essex aufgegeben hatte. Sie hatten keinen Plan, aber sie hatten Gitarren. Und damit und mit ihrem aktuellen Album “Fractured Party Music” konnten sie hier vollends überzeugen und dem Publikum in einer guten halben Stunde mit acht Songs ordentlich einheizen. Selten habe ich einen solchen Leadsänger gesehen, der nicht für den Bruchteil einer Sekunde stillstehen kann und seine ganzen Emotionen rundum in energetische Vocals und eine unendliche Agilität umsetzt. Das wurde von den Punkfans in der Garage mit soliden Mitsing-Parts und begeistertem Applaus honoriert: “Punk Isn’t Dead; It’s Just Up For Sale” lautete das ironische Motto. Dass dem nicht wirklich so ist, kann man auf dem Studio-Output von Pet Needs jederzeit nachvollziehen (HIER unsre Review).
Dann aber war es Zeit für Frank Turner und seine Sleeping Souls. Er startete mit “Four Simple Words” und hatte das Publikum umgehend an seiner Seite, dass die Anweisung “I Want To Dance” mit viel Energie füllte. Passend zum Titel des aktuellen Albums “FTHC” (Frank Turner Hardcore) gibt es nach Ausflügen in Folk- und Songwriter-Gefilde wieder die aggressive und rohe Seite des Musikers zu erleben. Für ein solides Punkkonzert war das allemal das Beste und er brachte das Publikum langsam aber sicher zurück in alte Zeiten, wo man in einem großen Circle durch die atmosphärisch beleuchtete Halle tanzen konnte.
Nach dem mitsingkräftigen “Glory Hallelujah” gab es einen akustischen Part, in dem Frank seiner Band und den Fans eine Verschnaufpause gönnte, die er selbst anscheinen nicht nötig hatte. In solchen Momenten erkennt man die Vielseitigkeit des Sängers, dessen folklastige Songs mit emotionalen Momenten ebenso zu ihm gehören wie die ausgelassene Feierstimmung.
Die Freude anlässlich der großen Punkparty war dem Sänger genau so anzusehen wie dem Publikum, das jederzeit kräftig mitging. Es war ein Gig ohne Ruhepause mit 21 Songs im regulären Teil und vier Zugaben. “I Still Believe” beendete das Konzert mit den richtigen Worten: “Now who’d have thought that after all, something as simple as rock ‘n’ roll would save us all”. Dieses Credo entließ die Zuschauer nach einem famosen Abend in die Saarbrücker Nacht.
In den letzten Jahren waren es vor allem ruhige Klänge, die uns Singer/Songwriter Frank Turner bescherte. So stand noch 2019 “No Man’s Land” im Mittelpunkt – ein Album, das er 13 Frauen widmete, die nur aufgrund ihres Geschlechts zum Teil vollkommen unbekannt sind. Ein Album im Stil der alten amerikanischen Haudegen mit leichten Country-Einflüssen und wenig Folkrock (HIER unsere Review).
Damals war die Welt noch in Ordnung. Und als sie aufhörte, sich in der Maschinerie aus Livekonzerten zu drehen, begann er mit einer wöchentlichen Reihe von akustischen Livestreams von seinem Haus aus, die er “Independent Venue Love” nannte und mit denen er Geld für von der Pandemie kommerziell bedrohte Veranstaltungsorte sammelte. Ein gänzlich neuer Track in dieser Reihe war “The Gathering”, ein Song über die Sehnsucht nach der Rückkehr von Livemusik.
Mit “FTHC” erscheint nun ein Album, das sich wieder der aggressiven und rohen Seite des Musikers widmet. Nach dem elektronischen und folklastigen Material der letzten Jahre gibt es – vor allem in der ersten Albumhälfte – eine Rückkehr zum Punk. Der Albumtitel “FTHC” steht für “Frank Turner Hardcore” und impliziert gar eine retrograde Hinwendung zum Hardcore-Punk von Million Dead, doch so krass kommt es dann doch nicht.
Während “Non Serviam” noch heftig reinhaut, “My Bad” mit dem Hardcore-Genre flirtet und “The Gathering” durch seinen starken Sprechgesang besticht, gibt es daneben einige solide Punk-Nummern vom Feinsten.
Ruhiger wird es mit dem beeindruckenden Song “Miranda”, der in bewegenden Worten die Geschichte von Turners Vater erzählt, der inzwischen als Transgender-Frau lebt, womit Turner sich erst versöhnen musste. Die Ballade “A Wave Across The Bay” ist Turners Freund Scott Hutchison gewidmet, dem Sänger der Band Frightened Rabbit, der im Mai 2018 Suizid begangen hatte. Auch “Fatherless“” zählt zu den Kernstücken des Albums, denn hier geht’s um ein Trauma aus seiner Kindheit.
Der abschließende Spoken-Words-Song “Farewell To My City” verhandelt eindringlich Turners Umzug aus der Metropole London an die Küste von Essex – nach immerhin 7300 Tagen, die er in der Stadt gelebt hat. Wie eine Mini-Autobiografie funktioniert dieser Recap-Song, der letztlich in die Einsicht mündet, dass es an der Zeit ist, die Sachen zu packen und weiterzuziehen.
“FTHC” ist ein Hardcore-Album, ein Punk-Album, ein sehr persönlicher, reflektierender Einblick in ein bewegtes Leben. Ein Album für den Blick in die Vergangenheit und zugleich ein Neustart. Genau richtig in der heutigen Zeit des Umbruchs.
Auf der Deluxe CD gibt es außerdem noch sechs Bonus-Songs:
Diese vier Buchstaben versprechen Großes: Frank Turner steuert in großen Schritten auf sein mit Spannung erwartetes neues Album “FTHC” zu, das am 11. Februar 2022 bei Xtra Mile Recordings/Polydor erscheinen wird. Es handelt sich dabei um den Nachfolger zu “No Man’s Land” aus dem Jahr 2019, zu dem Turner auch den dazugehörigen Podcast „Tales From No Man’s Land“ gelauncht hatte.
Nun also schlägt der Brite mit FTHC ein weiteres Kapitel seiner unvergleichlichen Karriere auf, die ihm in Großbritannien bereits vier Top-5-Alben bescheren sollte. Auch in Deutschland mischten vier seiner Alben bereits die Top-25 auf – und gingen z.T. sogar in die Top-10 (Positive Songs for Negative People, 2015). Dank inzwischen rund 3.000 Konzerten vor gut 2 Millionen Menschen ist der 40-Jährige auch für seine umwerfenden Live-Shows bekannt, die in der Heimat zuletzt sogar das Wembley-Stadion oder die O2 Arena füllen sollten.
Nachdem er mit „The Gathering“ den allerersten Song von FTHC präsentiert hatte, legte er schon im Herbst mit „Haven’t Been Doing So Well“ ein weiteres Kernstück nach – und kündigte zuletzt eine massive Tournee zur Albumveröffentlichung an, die inzwischen auch um etliche Deutschland-Dates erweitert wurde. Während er seine legendären „Lost Evenings“ im vergangenen Jahr im Londoner Roundhouse gespielt hatte, quasi als Fortsetzung seiner „The Gathering“-Shows und etlicher UK-Festival-Slots im Sommer, wird er mit etwas Verspätung sein viertägiges Mini-Festival im September 2022 erstmals nach Berlin bringen! Die Fans dürfen auf ganz unterschiedliche Sets gespannt sein …
Besonders die schon letztes Jahr veröffentlichte Single „Haven’t Been Doing So Well“ dürfte vielen seiner Fans aus der Seele sprechen: „Echt aufregend, endlich die neuen Sachen zu veröffentlichen, an denen ich in diesen grausamen letzten anderthalb Jahren gearbeitet habe“, kommentierte Turner die Veröffentlichung. „Das war für viele Menschen eine schwierige Zeit, besonders mental – auch für mich – wirklich extrem belastend, und ich finde es wichtig, diese Dinge ganz offen anzusprechen. Dieser Song handelt von Ängsten und den Problemen, die damit einhergehen.“ Zugleich ist „Haven’t Been Doing So Well“ ein Paradebeispiel für Turners Ansatz, wenn er komplexe und schwierige Gefühle in etwas Ausgelassenes, Reinigendes verwandelt – weshalb diese jüngste Punk-Hymne ganz sicher zu den Live- und Mitsing-Highlights der kommenden Konzerte zählen wird.
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Während die UK-Tour schon diesen Monat beginnt, kann man sich auch hierzulande bald wieder auf seine legendären Live-Sets freuen – höchste Zeit, wo doch das für 2020 ursprünglich in Berlin geplante „Lost Evenings“-Festival abgesagt werden musste: Nach dem Startschuss in Bremen am 18. April spielen Frank Turner & The Sleeping Souls im Rahmen der massiven The Never Ending Tour Of Everywhere 2022 (Support: Pet Needs) zwar nicht „everywhere“, aber doch eine ganze Reihe von Shows in Deutschland. Im November kehrt er dann für zwei weitere Exklusiv-Shows zurück und tritt in Münster auf. Alle Daten unter dem Text.
Für seine diversen Livestream-Aktivitäten während der Lockdown-Phasen, mit denen er insgesamt rund 300.000 britische Pfund für kleinere Venues in Großbritannien erspielte, wurde Turner kürzlich erst ein Preis verliehen: „Outstanding Achievement for Grassroots Music Venues“, verliehen vom Music Venue Trust UK.
The Never Ending Tour Of Everywhere 2022 – Deutschland-Dates
18.04. – Bremen, Aladin Music-Hall
19.04. – Dortmund, FZW
21.04. – Hannover, Capitol
22.04. – Stuttgart, Im Wizemann (Halle)
23.04. – Saarbrücken, Garage
24.04. – Leipzig, Werk 2
26.04. – Heidelberg, Halle 02
11.05. – Nürnberg, Löwensaal
(Support: Pet Needs)
15.-18.09. Frank Turner presents: Lost Evenings V@Columbiahalle, Berlin
15.09. A Career Spanning Acoustic Set
16.09. Love Ire & Song vs. England Keep My Bones
17.09. New Songs Punk Rock Set
18.09. Greatest Hits
Außerdem im November: Grand Münster Slam Weekender (mit Donots)
Mit seinen jüngsten Singles “Haven’t Been Doing So Well” und “Miranda” hat Frank Turner wieder einmal gezeigt, was seinen Ansatz als Musiker so einzigartig macht: Der Brite, der kurz vor Silvester seinen 40. feiern konnte, nimmt komplexe Gefühle und schwierige, sehr persönliche Themen – und verwandelt sie in eingängige, ganz klar lebensbejahende Songs. Während sonst eigene Erfahrungen und Geständnisse zumeist den Kern der Stücke bilden, widmet er seine neueste Single einem verstorbenen Wegbegleiter: Mit „A Wave Across A Bay“ verneigt sich Turner vor seinem langjährigen Freund Scott Hutchison von Frightened Rabbit, der sich 2018 das Leben nahm.
„A Wave Across A Bay“ beginnt mit Franks Beschreibung einer letzten Begegnung der zwei Freunde im Jenseits – worin schon eine gewisse Ironie steckt, wenn man bedenkt, dass keiner der beiden ein solches Zusammentreffen für möglich hält (bzw. gehalten hätte), „schließlich sind wir beide Atheisten.“ Danach entwirft der Engländer ein bewegendes Bild von den letzten Momenten im Leben seines Freunds, in denen dieser endlich auch jenen Frieden findet, den er zuvor so lange vergeblich gesucht hatte. Trotz des Schmerzes findet sich Frank Turner schließlich mit Scotts Entscheidung ab und kann sie akzeptieren.
„Ich vermisse meinen Freund Scott immer noch – jeden einzelnen Tag“, holt Frank Turner aus. „Sein Tod hat so ein gewaltiges Loch in so vielen Leben hinterlassen. Ich habe ihm zu Ehren dieses Stück geschrieben, um an ihn zu erinnern … und es war echt schwierig, es zu schreiben und aufzunehmen. Trotzdem glaube ich, dass es diesem Mann zumindest ein kleines bisschen gerecht wird.“
Scotts jüngerer Bruder Grant hat der neuen Single „A Wave Across A Bay“ bereits seinen Segen gegeben. Frank Turner spielte das Stück bereits im Jahr 2020 erstmals live (im Rahmen eines Sets, das durchweg aus Frightened Rabbit-Coverversionen bestand). Schon der Livestream von dieser ersten Performance generierte Spendengelder, die an Tiny Changes gingen, die von der Familie Hutchison ins Leben gerufene Wohltätigkeitsorganisation, die sich für psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen einsetzt. Die Familie des Verstorbenen hatte die Organisation gegründet, um dabei zu helfen, allen Kindern „die Möglichkeit zu geben, als Erwachsene ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.“
Ab sofort digital verfügbar, kann der neueste Vorbote auch als 7“-Vinylsingle bestellt werden. Gewinne aus dem Verkauf der 7“ gehen ebenfalls an Tiny Changes. Als B-Seite der Single fungiert Franks Cover des Frightened Rabbit-Songs „Modern Leper“, das er im Mai 2017 zusammen mit Scott im Rahmen einer Xtra Mile/OB1-Session aufgenommen hat. Exklusive Fotografien von Frank und Scott zieren nicht nur das Backcover der Single, sondern auch das B-Seiten-Label.
Die neue Single „A Wave Across A Bay“ ist auch auf dem kommenden Album „FTHC“vertreten, das am 11. Februar erscheint. Es erscheint als CD, Deluxe-CD, LP, Picture Disc und Kassette.
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Während die kommenden Dates in England, Wales und Schottland zuletzt pandemiebedingt schon wieder vertagt werden mussten, sind die Deutschland-Konzerte bislang noch nicht davon betroffen. Nach dem Startschuss in Bremen am 18. April spielen Frank Turner & The Sleeping Souls im Rahmen der massiven The Never Ending Tour Of Everywhere 2022 (Support: Pet Needs) zwar nicht „everywhere“, aber doch eine ganze Reihe von Shows in Deutschland. Im September bringt Turner dann auch endlich seine legendären „Lost Evenings“ erstmals nach Berlin. Im November kehrt er schließlich für zwei weitere Exklusiv-Shows zurück und tritt in Münster auf.
The Never Ending Tour Of Everywhere 2022 – Deutschland-Dates
18.04. – Bremen, Aladin Music-Hall
19.04. – Dortmund, FZW
21.04. – Hannover, Capitol
22.04. – Stuttgart, Im Wizemann (Halle)
23.04. – Saarbrücken, Garage
24.04. – Leipzig, Werk 2
26.04. – Heidelberg, Halle 02
11.05. – Nürnberg, Löwensaal
15.-18.09. Frank Turner presents: Lost Evenings V@Columbiahalle, Berlin
Mit der Single „The Gathering“ (übrigens auch der Name seiner eigenen limitierten Bier Edition) kehrt der britische Folk-Punker Frank Turner wieder mehr zu seinen musikalischen Wurzeln zurück. In dem neuen Song sind Jason Isbell an der Gitarre und Dominic Howard (Muse) am Schlagzeug zu hören. 2019 erschien Frank Turners letztes Studioalbum „No Man’s Land”, das einzigartige Geschichten von Frauen vertonte, die aufgrund ihres Geschlechts viel zu oft übersehen werden. Mit seinen letzten vier Alben schaffte Frank Turner es auf Anhieb in die Top 3 der UK-Charts.
“Because we’ve been waiting and wondering/Practising and praying / Saving and slavering/Gathering ourselves for the gathering”
Frank Turner wollte nicht einfach nur den nächsten Lockdown-Song schreiben. Im letzten Jahr hat er sich immer wieder an neuen Songs versucht, hat sie wieder umgeschrieben und versucht sich von dem Thema, das gerade präsent und auch zukünftig omnipräsent sein wird, zu entfernen. Aber jemanden, der sich so stark mit Live-Musik identifiziert, ist es eigentlich unmöglich, sich nicht auf die Konzert- und Festivalabsagen zu beziehen. Hat er doch selbst etliche digitale Live-Gigs aus seinem Wohnzimmer heraus gespielt und damit über 250.000 GBP zusammen bekommen, die dazu genutzt wurden, Grassroot Venues in UK zu unterstützen, die ansonsten keine Chance gehabt hätten, die Krise zu überstehen. Und somit schließt sich auch der Kreis mit seiner neuen Single „The Gathering“, die Positivität vermitteln will, die Rückkehr zur Normalität. „It’s about that moment when you come together in a room full of people, and you lean on a stranger and sing along with the chorus and get the words wrong”, so Frank selbst.
Produziert von Rich Costey (Biffy Clyro, Foo Fighters), mit dem Frank bereits auf „Tape Deck Heart“ zusammengearbeitet hat, gibt es mit Dom Howard (Muse) einen Gast am Schlagzeug, sowie ein spektakuläres Gitarren-Solo von Jason Isbell, das in Los Angeles und Nashville aufgenommen wurde. Dem neuen Track vorausgegangen sind einige tiefgreifende Veränderungen im Leben des Stars, der sein geliebtes London in Richtung englische Küste (Essex) verlassen hat, gefolgt von seiner Eheschließung nach Veröffentlichung des 2019 erschienen Albums „No Man’s Land“. Frank sagt selbst darüber: “The biggest thing for me about the lockdown experience was about identity,”. I am the guy who tours, this is who I’ve been since I was sixteen. This is the longest period of time I’ve slept in the same bed continuously since I was seven.”
Und das soll sich diesen Sommer ändern, Frank wird auf einer einigen Outdoor-Shows – leider erst mal nur in England – zu sehen sein mit denen er die Rückkehr der Live-Musik zelebrieren möchte. Aufgrund der Pandemie war es ein katastrophales Jahr für die Musikindustrie, Frank Turner möchte abhängig von den dann gültigen nationalen Regelungen und natürlich unter Einhaltung dieser entweder in teilweise oder in ganz gefüllten Venues das machen, was er am liebsten macht: live seine Musik präsentieren. So sagt er: „At a time when the pandemic has wreaked havoc all across the live music industry, I feel like it’s important to get back to the basics – playing live music to entertain a crowd. This summer, with Xtra Mile and friends, I’m taking the punk approach – do it yourself, find a way. I can’t wait.” Frank wird als Headliner der Shows zu sehen sein, mit Support Acts seines Labels Xtra Mile, wie z.B. Johnny Lloyd, Skinny Lister, PET NEEDS, Ducking Punches, Non Canon, Deux Furieuses, BERRIES und Guise, und nicht zu vergessen Samantics. Das Lineup kann an den jeweiligen Veranstaltungen variieren.
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Dieses Album wollte Frank Turner eigentlich schon früher schreiben, doch dann kam ihm die Tagespolitik in Form von Donald Trump in die Quere und es gab mit “Be More Kind” ein Zeitgeist-Album über eine Welt kurz vorm Durchdrehen. Rockig, folkig, elektronisch – endgeil. Kann er das noch toppen? Mit dem schon lange geplanten Konzeptalbum über Frauen, die in der Geschichtsschreibung übergangen wurden, geht er zumindest in die richtige Richtung.
Für „No Man’s Land“ nämlich hat Frank Turner 13 Songs über Frauen geschrieben, die nur aufgrund ihres Geschlechts zum Teil vollkommen unbekannt sind. Und als Band sind diesmal nicht die altbekannten Sleeping Souls dabei, sondern er interpretiert das Album (dem Thema angemessen) mit einem rein weiblichen Ensemble. Als Produzentin ist Catherine Marks mit an Bord.
Die vorgestellten Frauen kommen aus sehr verschiedenen geographischen und historischen Kontexten. Da gibt es die ägyptische feministische Aktivistin Huda Sha’arawi oder die Resusci-Anne (“Rescue Annie”), eine ertrunkene Jungfrau, deren Gesicht als Modell für medizinische Reanimationsübungspuppen genutzt wurde und der schon Michael Jackson in “Smooth Criminal” ein Denkmal gesetzt hat.
Da ist die Serienmörderin aus den tiefen Südstaaten der USA, die ihre Opfer über Kontaktanzeigen in der Zeitung suchte, eine jazzbesessene Erbin, die in der Free-French-Bewegung während des Zweiten Weltkriegs kämpfte, oder ein Vaudeville-Star aus dem Wilden Westen, die von einem Kleinstadt-Banditen erschossen wurde.
Dies sind nur ein paar der vielen faszinierenden Figuren, die lange vom Mainstream ignoriert wurden und jetzt auf „No Man’s Land“ zu Wort kommen. Die erste Single „Sister Rosetta“ ist der einmaligen Sister Rosetta Tharpe gewidmet, eine der wichtigsten und einflussreichsten Musikerinnen der US-amerikanischen Geschichte.
Musikalisch ist die CD für Turner-Verhältnisse erstaunlich homogen gehalten. Singer/Songwriter Stücke im Stil der alten amerikanischen Haudegen mit leichten Country-Einflüssen und ein wenig Folkrock. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem Storytelling – und das muss die akustische Gitarre meist ausreichen. Doch es gibt auch Tracks wie “The Lioness”, bei der die Zurückhaltung ordentlicher Spielfreude weicht.
Frank Turner ist es gelungen, seine Inspiration in 13 musikalische Kleinode umzuwandeln, die hier als Gesamtpaket ihre Wirkung entfalten. Und er scheut sich auch nicht, “The Hymn Of Kassian” über die byzantinische Komponistin Kassia in der Ich-Form zu erzählen. Kann man mal machen – und Frank ist genau der richtige dafür.
Frank Turner gehört wohl noch immer zu den best behütetsten Geheimnissen der Musikindustrie. Im Radio und im Boulevard findet er kaum statt, doch vor allem in Großbritannien und Deutschland fahren seine bisher sieben Studioalben ordentliche Chartplatzierungen ein. Das mag daran liegen, dass jeder, der sich mit dem Songwriter und seiner Musik beschäftigt, umgehend infiziert ist.
Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung von „Songbook“, einer karriere-umspannenden Retrospektive, die auch einige überarbeitete Versionen aus der letzten Dekade enthielt, repräsentiert „Be More Kind“ eine neue thematische und akustische Linie für den 36-Jährigen. Es ist nämlich ein sehr politisches Album geworden.
Eigentlich wollte Turner eine Art Konzeptalbum über Frauen schreiben, die in der Geschichtsschreibung übergangen wurden, dann aber ist ihm ein Mann in die Quere gekommen: Donald Trump. Er sei mit seiner Band – The Sleeping Souls – in den USA auf Tour gewesen, “als die Welt beschloss, gemeinsam durchzudrehen”. So handelt der Song “1933” vom Zustand der Gegenwart. Titel wie “There She is”, “Make America Great Again” und “Brave Face” sprechen für sich – leidenschaftlich und am Zeitgeist orientiert.
“Be More Kind” ist ein resolutes Rockalbum geworden. Folk-Einflüsse? Oh ja! Elektronischer Pop? So wenig wie nötig. Es ist ein dynamisches Album, das Turners Musik auf eine neue Ebene hebt. Hört rein und lasst euch infizieren!
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Es scheint mittlerweile ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass in jedem Jahr erneut der Name zum Programm wird, denn auch heute macht das Wetter allen bereits am Hauptanreisetag des 21. Hurricane Festivals am Eichenring in Scheeßel schwer zu schaffen. Schon am Mittag zeichnet sich eine Art Weltuntergangsstimmung am Himmel ab, heftiger Sturm und Starkregen mit tosenden Gewittern lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten. Vorerst muss sogar die Öffnung der Campingplätze leicht verschoben werden, um die Anreisenden nicht in Gefahr zu bringen, die währenddessen natürlich bekanntermaßen in ihrem sicheren Auto verweilen sollen. Wegen Baumschäden in den Oberleitungen muss sogar der Zugverkehr im Norden komplett eingestellt werden, offiziell wird seitens des Veranstalters deshalb darum gebeten, die Anreise auf den Freitag zu verlegen und möglichst Fahrgemeinschaften zu bilden. Trotzdem sind die katastrophengewohnten und hartgesottenen Hurricane Besucher noch guter Dinge und harren bis zur offiziellen Freigabe der Campingflächen in ihren Autos aus, sofern sie aufgrund der immensen Staus auf allen Zufahrtswegen in Richtung Scheeßel überhaupt schon am Gelände angekommen sind. Glücklicherweise kann dann am Abend wie geplant die energiegeladene Warm-Up-Party in der White Stage beginnen, wo u.a. die unterhaltsamen Blaskapellen-Rapper von Moop Mama oder die Hamburger Punk-Rocker von Montreal mächtig Stimmung machen.
Der Freitag startet mit einer ganz besonderen Festivaleröffnung (14:15 Uhr Green Stage), das #hurricaneswimteam feiert noch einmal zusammen mit zahlreichen Hurricane Mitarbeitern und dem Sänger Christoph Karrasch von CampFM die Festivalhymne aus 2016 “Am sichersten seid Ihr im Auto”. Viele sind in dem schwarzen Hurricane Swim-Team T-Shirt zur Green Stage gekommen, um die verrückten Ereignisse des Vorjahres Revue passieren zu lassen. Dabei blinzelt sogar die Sonne ein wenig durch die Wolken…
Im Anschluss präsentieren uns die sechs Briten von Skinny Lister (15:00 Uhr Green Stage) viele punkige Folksongs ihres dritten Studioalbums “The Devil, The Heart & The Fight”. Sängerin Lorna Thomas heizt ihren Fans schon ordentlich ein, während sich das gesamte Gelände rundherum erst langsam zu füllen beginnt.
In der Zeltbühne geht es ebenfalls folkig zu, der junge Künstler aus Liverpool namens Louis Berry (16:00 Uhr White Stage) performt hier zusammen mit seiner fünfköpfigen Band rockige Songs im Stil von Frank Turner und bringt das Publikum direkt zum mittanzen. Louis Berry´s charakteristische Stimme sowie auch seine mitreißenden Rock’n Roll Songs erinnern stark an Vorbilder wie Johnny Cash und Jerry Lee Lewis und lassen kein Tanzbein mehr ruhig stehen.
Schon perfekt aufgewärmt folgen wir weiter dem Musikgenre zu eben genanntem sympathischen Folkrocker Frank Turner & The Sleeping Souls (17:10 Uhr Green Stage), der uns zunächst auf perfektem Deutsch begrüßt und direkt mit seinem antreibenden Song “Get Better” los legt. Vom ersten Moment feuert er seine Fans an, es bilden sich sogar erste Circle-Pits, in denen wild gepogt wird. Durch seine spürbare Spielfreude und seine ungeheure Präsenz auf der Bühne sind seine Fans vom ersten Moment an bei ihm. Der 40.Geburtstag seines Crew-Mitglieds wird mit einem Stage-Dive und der Unterstützung des Publikums gefeiert, die ihm noch ein kleines Ständchen singen. Bei Frank Turners Aufruf zur “Wall of Hugs” machen alle begeistert mit, und schon liegen sich völlig fremde Menschen in den Armen, tolle Aktion! Natürlich dürfen auch die Gassenhauer wie “Recover” und “Still Believe” in der Set-List nicht fehlen, denn jeder hier will dazu tanzen und singen! Das war wieder einmal ein fantastischer Auftritt, bei dem kein Wunsch offen blieb und das Publikum sogar vergeblich noch eine Zugabe fordert.
Foto: Rainer Keuenhof
Während sich der Himmel zusehends verdunkelt und es leider tatsächlich zu Nieseln beginnt passt der Auftritt der irischen Erfolgsband Kodaline (18:15 Uhr White Stage) aus Dublin prima in unseren Programmablauf. Mit leichter Verspätung und dem Opener “Ready” starten auch ihre Fans textsicher mit regelrechten Chorgesängen und klatschen fleißig mit. Frontmann Steven Garrigan berührt mit seiner großartigen Stimme, seinen Künsten am Piano bei “High Hopes” und überzeugt seine vorwiegend weiblichen Fans mit seinem durchaus charmanten Auftreten. Sowohl die tanzbaren Songs wie “Brand New Day” oder “Way Back When” von ihrem Debütalbum “In A Perfect World”, als auch die wunderschönen Balladen wie “One Day” oder “All I Want”, verwöhnen unsere Ohren mit wundervoller Musik, praktisch jeder Song hat Ohrwurmqualitäten. Bei Kodaline gibt es einfach jedes Mal Gänsehautstimmung, leider ist nur der Sound im vorderen Zeltbereich etwas dürftig, so dass man lediglich im hinteren Bereich die einfühlsamen Melodien in vollen Zügen genießen kann.
Gespannt erwarten wir das Konzert des australischen Singer-Songwriters und Multi-Instrumentalisten Xavier Rudd (19:30 Uhr White Stage), der in diesem Jahr eine willkommene Abwechslung zu den Mainstream-Bands darstellt. Der Ausnahmemusiker spielt zum ersten Mal beim Hurricane Festival und spielt diesmal mit Band hier auf. Vielen Hurricane Besucher scheint der Name offensichtlich kein Begriff zu sein, denn das Zelt ist nur etwa halb gefüllt. Der mittlerweile 39-jährige durch und durch
Foto: FKP Scorpio Presse / Dennis Haas
sympathische Musiker und Surfer setzt sich nebenbei weltweit für Frieden, Menschenrechte, Umwelt und Soziales ein, dies spiegelt sich auch in seiner Musik und seinen Texten wieder. In den Songs finden sich Einflüsse aus Rock, Reggae, Folk und Weltmusik, zu denen seine Fans hier beschwingt tanzen. Zu seinen kraftvollen Songs mit Percussion und Didgeridoo werden hier alle zum Tanzen gebracht, auch zu den wundervollen warmherzigen Songs mit Mundharmonika und Gitarrenbegleitung wie “Come let go” oder “Let Me Be” wippen und singen seine Fans mit einem breitem Lächeln im Gesicht mit. Eine herrlich friedliche Stimmung macht sich in der White Stage breit. Beeindruckend sind die ausgeprägten Didgeridoo Sessions inmitten der Songs, die Xavier Rudd´s enge Verbundenheit mit den australischen Aborigines zeigen. Zum Abschluss des großartigen Konzerts hören wir noch ein tolles tanzbares Avicii-Cover von “Wake Me Up”, bei dem die Stimmung noch einmal zum Höhepunkt kommt.
Foto: FKP Scorpio Presse / Christoph Eisenmenger
Ein klares Highlight sind die erstmalig auf dem Hurricane Festival auftretenden US-Punk-Rocker von Green Day (22:00 Uhr Green Stage), die auf ihren zugeteilten 2 1/2 Stunden eine klasse Show abliefern. Der tanzende Hase im Vorwege hat das Publikum schon mit dem Ramones Song “Blitzkrieg Bop” und den “Hey ho let´s go” -Gesängen gut angeheizt, sodass Frontmann Billie Joe Armstrong die Fans von Anfang an fest im Griff hat. Mit “Know Your Enemy” hat die Stimmung sofort den Höhepunkt erreicht, die Fans toben, klatschen und singen lauthals mit, und auch gesamte Bühnenshow wird den Headlinern an diesem Abend absolut gerecht. Für seine Fans das absolute Highlight: drei Personen dürfen nacheinander zusammen mit Green Day performen und als Dankeschön ihren Auftritt mit einem Stage Dive beenden. Für die tolle Performance des Gitarristen gibt es sogar eine Gitarre geschenkt, das ist schon sensationell. Natürlich dürfen auch die Kracher wie “Holiday”, “When I Come Around” und “American Idiot” in der Zugabe nicht fehlen, zum Ende hin gibt es noch eine schöne Akustik-Einlage mit “Ordinary World” und der wunderschönen Ballade “Wake Me Up When September Ends” und “Good Riddance” als Abschluss. Bis auf die etwas in die Länge gezogenen Songs mit den ewigen Hey-Ho-Singsang-Spielchen liefert Green Day eine wirklich großartige Show ab, die den ersten Festivaltag für uns perfekt beendet.
Der Samstag beginnt leider wieder einmal mit Regen, hässlichem Sprühregen, also Schietwetter wie man im Norden zu sagen pflegt. Dementsprechend matschig geht es mittlerweile nicht nur auf den Park- und Campingplätzen, sondern auch auf dem Gelände zu. Bei leichtem Regen und leider noch nicht so üppigem Publikum geht es los mit der Bostoner Indiefolk Band Tall Heights (13:15 Uhr Blue Stage), die vorwiegend Songs aus dem 2016 erschienen zweiten Album “Neptun” für uns spielen. Ihre vorwiegend ruhigen, harmonischen Folksongs sind mittlerweile elektronisch hinterlegt, obwohl der Gesang des Gründungsduos Tim Harrington/Gitarre und Paul Wright/Cello weiterhin im Vordergrund steht und wunderschön anzuhören ist.
Zwar blinzelt die Sonne durch die Wolken, trotzdem finden wir uns im Zelt bei den Berlinern von Pictures (14:30 Uhr White Stage) ein. Die um Frontmann Maze Exler schon 2014 gegründete Band, der es zuvor mit der Alternative/Grunge Band Union Youth bereits zu einiger Bekanntheit gebracht hatte, präsentiert uns mit ihrem aktuellen Debutalbum Songwriter-Rock mit Britpop Vorbildern auf höchstem Niveau. Man merkt sofort, dass die Band kein unbeschriebenes Blatt mehr ist, so konnten sie schon 2015 zwei Songs zum Soundtrack des Films “About A Girl!” beitragen. Sie starten natürlich auch direkt mit dem Ohrwurm “Here I Come”, aber auch andere Songs wie “Fall” und “Down Under The Hill” machen richtig gute Laune und verleiten das Publikum zum mitschwofen. Schade dass nur so wenige den Weg zu dem mittäglichen Konzert gefunden haben, es hat sich definitiv gelohnt! Wer die Jungs noch mal hören und sehen möchte, kann sie im Vorprogramm von Paul Weller im September live erleben.
Foto: Rainer Keuenhof
Zu dem britischen Singer-Songwriter und Alltime-Liebling des Publikums Passenger (15:30 Uhr Blue Stage) braucht man eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren. Diesmal kommt er jedoch nicht mehr als Solo-Künstler, sondern mit vierköpfiger Band zum Hurricane. Kaum erklingen die ersten Töne seiner wundervoll leidenschaftlichen Songs erwärmen sich die Herzen der Fans auf der Stelle, wobei sich passend zu Beginn seines Auftritts die Sonne zeigt. Mike Rosenberg versteht es auf eine intuitive Art das Publikum zu unterhalten, mit kleinen Geschichten erzählt er aus seinem Leben und verbindet mit diese mit seiner handgemachten und ehrlichen Musik. “27” widmet er jedem Einzelnen im Publikum und heizt die Stimmung noch mal ordentlich an. Nicht nur bei seinem Erfolgssong “Let Her Go” oder “I Hate” singt das gesamte Publikum textsicher mit, auch bei seiner Interpretation des Simon & Garfunkel Klassikers “Sound Of Silence”. Einmal mehr hat sich der sympathische Brite heute in die Herzen seiner Fans gespielt und jeden Zuhörer für den Moment verzaubert.
Ein kurzer Abstecher führt uns zu dem aktuell schwer gehypten britischen Rock Duo Royal Blood (17:45 Uhr Green Stage), die mit ihrem Sound aus rotzigem Bass und kräftigen Drums stark an die White Stripes erinnern. Mike Kerr und Ben Thatcher haben auf jeden Fall den nötigen Biss für den Auftritt auf großen Bühnen und können das Publikum mit einem fetten Beat und einer mitreißenden Performance wie bei “Figure It Out” komplett mitnehmen. Da kann man gespannt sein, was von den Jungs noch zukünftig noch so kommt.
Besonders freue ich mich auf das Konzert der achtköpfigen Combo um den in Deutschland geborenen Frontmann Nathaniel Rateliff (19:30 Uhr White Stage) aus Denver, der mit seiner musikalischen Ausrichtung in Richtung Blues-/Folk Rock, Americana und Soul eine der wenigen musikalischen Ausnahmen auf dem diesjährigen Hurricane ist. Den adrett gekleideten Herrschaften mit ihren Hüten ist ihre amerikanische Herkunft absolut anzusehen, dabei wird dem Publikum mit voller Spielfreude schwungvolle handgemachte Musik präsentiert, die kein Tanzbein mehr ruhig stehen lässt. Ein tolles Konzert mit guter “Charakter-Musik”, die richtig Spaß macht und dementsprechend eine sehr ausgelassene Stimmung in der White Stage hervorruft.
Foto: FKP Scorpio Presse / Malte Schmidt
Völlig positiv überrascht bin ich von dem erfrischenden Auftritt des deutschen Newcomers Joris (20:15 Uhr Red Stage), der erstmal 2015 mit seiner Single “Herz über Kopf” für große Aufmerksamkeit sorgte und gleich mehrere Preise abräumte. Er performt auf der Bühne, als wenn er noch nie etwas anderes in seinem jungen Leben gemacht hätte und zieht das Publikum, ob jung oder alt, komplett in seinen Bann. Ob mit einer Klavierballade oder mit seinen treibenden Popsongs wie “Sommerregen” und “Bis ans Ende der Welt” sorgt Joris nicht nur für gute Stimmung, sondern auch für musikalische Abwechslung, indem er seine Songs in verschieden Musikstile taucht, mal als Reggae, mal mit Technobeats, seine Band beherrscht das volle Repertoire. Joris überzeugt auf ganzer Linie, seine Fans sind regelrecht aus dem Häuschen, klatschen und singen lauthals mit. Den krönenden Abschluss des fantastischen Konzerts bildet sein persönlicher Appell gegen den Terror und sein Radio-Hit “Herz über Kopf”, wo die Stimmung schließlich zum Höhepunkt kommt. Nach dem Konzert zeigt sich der sympathische Musiker publikumsnah, gibt Autogramme und macht ausgiebig Selfies mit seinen Fans.
Die Indierocker von Maximo Park (21:45 Uhr Red Stage) beehren uns mit der gewohnt perfekten Inszenierung und einem runden Arrangement aus einer Reihe älterer Songs, sowie einiger Songs ihres brandneuen Albums “Risk To Exist”, welches gerade erst im April erschienen ist. Auf Frontmann Paul Smith ist wie immer Verlass, er bringt seine Fans zum tanzen, springen und mitsingen, alle feiern ausgelassen und werfen fröhlich mit dem vor der Bühne ausgelegten Stroh. Wie immer ist bei dieser großartigen Band eine tolle Stimmung und das Wetter spielt diesmal auch noch mit, geradezu perfekt!
Foto: Rainer Keuenhof
Leider muss man bei Festivals ja stets Entscheidungen treffen, diese ist heute für die Editors (22:15 Uhr Blue Stage) und gegen Linkin Park (23:00 Uhr Green Stage) gefallen, was ich aus den später folgenden Ereignissen tatsächlich noch bereuen würde. Aber die Editors sind fest gesetzt, da sie mich mit ihrer Wahnsinns-Performance jedes Mal wieder vom Hocker reißen. Auch am heutigen Abend bin ich von Tom Smiths Inszenierung regelrecht geflasht, er sieht einfach großartig aus, wenn er sich quer über´s Klavier räkelt und dabei seine Songs noch perfekt performt. Mit expressiver Leidenschaft in Gestik und Mimik sowie absoluter Perfektion lebt er seine düster gewaltigen Synth- und Post-Punk Hymnen, sodass auch im Publikum ordentlich abgerockt wird. Sei es zu “Munich”, “An End Has A Start” oder auch “The Racing Rats” wird mit voller Energie gesprungen und getanzt was das Zeug hält. Den Abschluss dieses unglaublich energetischen Konzerts bildet fast schon aus Tradition einer der großartigsten Editors-Songs “Papillon”, der überraschend mit fetter Pyro-Show endet und frenetisch gefeiert wird. Was ein großartiger Abschluss des zweiten Festivaltages!
Den verregneten Auftakt des letzten Festivaltages am Sonntag bildet für uns der Auftritt der norwegischen Indie-Pop Band Kakkmaddafakka (13:30 Uhr Blue Stage), die mittlerweile schon Dauergäste auf dem Hurricane sind. Ihr aktuelles Album “KMF” ist nun auch schon wieder gut ein Jahr alt, dafür stellen sie uns aber ihre erst vor zwei Tagen erschienene Single “All I Want To Hear” vor. Trotz des bescheidenen Wetters verkünden Sie in ihrer fröhlichen Art, dass sie heute mit uns den Sommer feiern wollen, wonach der Song auch wirklich klingt. Frisch, frech, fröhlich und poppig, bei so viel positiver Energie und guter Laune können sogar die Securities nicht anders als bei “Your Girl” mitzutanzen, so macht nämlich ein Festival auch den Mitarbeitern richtig Spaß! Und Schwupps kommt auch schon die Sonne etwas durch die Wolken… Das Sextett animiert ihre Fans fleißig zu Singspielchen und zum Tanzen, als Finale kommen dann noch zwei ihrer wohl bekanntesten Top-Hits “Restless” und “Forever Alone”, zu der die Stimmung noch mal sichtbar steigt.
Da sogar noch etwas Zeit übrig ist, gibt´s noch einen Song mehr, wobei wir uns aber schon zu dem Ausnahmemusiker Seasick Steve (14:00 Uhr Green Stage) verabschieden, der gerade ein junges Mädel zu sich auf die Bühne eingeladen hat. Der Deep-Blues-Musiker setzt neben seinem Begleitschlagzeug Instrumente wie eine aus einem alten Waschbrett zusammengebauten Gitarre ein und rockt mit einer guten Prise Humor und einer durchaus liebenswerten Art die Green Stage. Auch wenn man ihm seine turbulente Vergangenheit schon ein wenig ansieht, lockt er jeden hier aus der Reserve, denn das hier ist Musik die einem unter die Haut geht. Ab und zu ein guter Schluck Wein aus der Flasche zwischendurch, Sonnenschein und ein Publikum, das ihn regelrecht abfeiert. Ein wunderbar herzlicher Auftritt mit viel Charme und handgemachter, geschichtenerzählender Musik, das gefällt auch seinen Fans, die ihn nach dem Konzert noch mächtig für Autogramme und Fotos umlagern.
Anschließend sehen wir uns erstmalig die US-amerikanische Sängerin mit italienischen Wurzeln namens Laura Pergolizzi alias LP (16:15 Uhr White Stage) an, von der mir bisher überhaupt nur der Titel “Lost On You” ein Begriff ist, mit dem sie 2016 ihren internationalen Durchbruch hatte. Ihre einprägsame aber auch zugegebenermaßen etwas anstrengende Stimme ist gewöhnungsbedürftig, dennoch spielt die Songwriterin, die im Hintergrund auch für andere Künstler tätig ist, durchaus kraftvollen Indie-Pop/Rock, der sich hören lassen kann.
Foto: Rainer Keuenhof
Wir bleiben in der Zeltbühne, da hier gleich im Anschluss aus London stammende Band Archive (17:30 Uhr White Stage) mit einer spannenden Mischung aus elektronisch-psychedelischem Post-Rock und Trip-Hop aufspielt.
Die Gründer Darius Keeler und Danny Griffiths lassen sich immer wieder innovative Beats und Song-Kompositionen einfallen, hierzu gibt es heute aufwändige bewusstseinserweiternde Visuals, die ihre teils wilden Kreationen bestens untermalen. Durchdringende Elektrobeats werden experimentell mit tiefen Basslinien und Bassdrums sowie sphärischen Klängen kombiniert, die richtigen Fans sind jedenfalls begeistert und zu den Beats stets in Bewegung.
Tatsächlich bin ich ein bisschen gespannt, wie sich die ehemaligen Schwedenrocker von Mando Diao (18.15 Uhr Green Stage) nach dem Ausscheiden von Sänger und Gitarrist Gustaf Norén live so machen werden. Aus einer Phase der Neuorientierung ist erst kürzlich ihr im Mai veröffentlichtes Album “Good Times” hervorgegangen, mit dem sie derzeit auf Tour sind. Sie starten energetisch mit dem Opener “Down In The Past” und den ebenfalls recht rockigen “All The Things” vom aktuellen Longplayer. Merkwürdigerweise muss sich Björn Dixgard hier mächtig ins Zeug legen, um die Stimmung im Publikum zum Brodeln zu bringen, an der Performance selbst ist nämlich nichts auszusetzen. Der 70-iger Jahre beeinflusste Songs “Money” oder der aus dem Radio bekannte Hit “Shake” lassen dann doch das Publikum etwas lockerer werden. Als Frontmann Dixgard schließlich das Konzert oberkörperfrei fortsetzt, hebt dies die gesamte Stimmung noch etwas an, obwohl mein Eindruck eines zurückhaltenden Publikums bestehen bleibt. Als Highlight ist der vom ersten Album stammende wundervolle Song “Mr. Moon” zu erwähnen, damit hatte ich heute nicht gerechnet. Als dann jedoch eine Art Elektro-DJ-Set Einlage der Band am Mischpult kommt, bricht der Faden zu den Fans irgendwie vollständig ab. Zum Glück kann die Stimmung dann mit “Dance With Somebody” wieder aufgefangen werden, zu dem dann wirklich auch alle tanzen, singen und die guten alten Hits abfeiern.
Für uns endet das diesjährige Hurricane Festival mit Alt-J (19:15 Uhr Blue Stage), die gerade mit ihrem aktuellen Album “Relaxer” auf Tour sind. Sie tauchen von Anfang an mit “3WW” in ihre neuen Klangwelten ein, die für mich jedoch nicht annähernd an ihre alten glänzenden Songs ihres Debuts “An Awesome Wave” anknüpfen können. Schön, dass wenigstens “Something Good” und “Tesselate” direkt zu Beginn gespielt werden, obwohl auch die live nicht mehr ganz so gut wie früher rüber kommen, da sie musikalisch stark modifiziert wurden. Der aktuell vorherrschende breite Sound wirkt auf mich eher langweilig, da sind mir die ursprünglichen Versionen von “Breezeblocks”, “Matilda” und “Fitzpleasure” einfach lieber. Letztlich fehlt dem Sound eindeutig der zweite Gitarrist Gwil Sainsbury, der 2014 offiziell die Band verließ, dessen Lücke seitdem ausschließlich mit Keyboards aufgefüllt wird. Trotzdem ist ihr Konzert doch ein schöner Abklang eines abwechslungsreichen musikalischen Festivalwochenendes.
Die Besucher konnten aufgrund des doch recht passablen Wetters während des Festivals in diesem Jahr bei 100 Bands der Genres Rock, Indie, Punk, Hip Hop, Alternative bis hin zu einzelnen EDM- und Electro-Künstlern wundervolle Konzertmomente erleben, lediglich der Auftritt von Haftbefehl musste aufgrund einer Flugverspätung und Stau abgesagt werden. Besonders erwähnenswert sind hierbei die herausragenden Konzerte der Nicht-Mainstream-Bands wie Seasick Steve, Xavier Rudd und Nathaniel Rateliff. Für das kommende Jahr wünschen wir uns lediglich noch etwas mehr Rückbesinnung auf die alten Hurricane Tage, wo es ein wesentlich breiteres Angebot von jungen aufstrebenden Bands aus den verschiedensten Musikstilen gab, die das Hurricane Festival einst so besonders machten. Da braucht man nur in die Line-Ups der Festivals aus den benachbarten europäischen Länder schauen, wo wesentlich mehr internationale Diversität geboten wird.
Die starken Regenfälle des Donnerstag setzten zwar dem Gelände sehr zu, jedoch hat der Veranstalter alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um den Boden schnell wieder zu befestigen, sei es mit Schotter, Stroh o.ä. Alles in allem gab es laut der Behörden in Scheeßel und der Polizei keine weiteren nennenswerten Zwischenfälle, wahrscheinlich auch aufgrund des komplett überarbeiteten Sicherheitskonzepts der Veranstalter, denen wir an dieser Stelle ausdrücklich für die Durchführung eines durchweg sicheren Festivals danken möchten. Nicht nur eine erstmalig installierte Sirene auf dem Gelände, sondern auch die Einrichtung “Wo geht´s nach Panama” gab allen Festivalbesuchern ein zusätzliches Sicherheitsgefühl, was in diesen Tagen wirklich viel wert ist auf Veranstaltungen dieser Größenordnung.
Die Aftermovies zum Hurricane Festival 2017 könnt Ihr Euch auf dem offiziellen Youtube Kanal noch einmal hier anschauen.
Das 22. Hurricane Festival wird vom 22. bis 24. Juni 2018 auf dem Eichenring in Scheeßel stattfinden. Der Vorverkauf hat bereits am Montag den 26. Juni 2017 mit einem limitierten Kontingent an Frühbuchertickets begonnen. Tickets sind derzeit nur auf www.hurricane.de erhältlich.
Den echten Durchbruch fürs Massenpublikum hat er immer noch nicht geschafft, aber seit Jahren gehört Frank Turner zu den Lieblingen aller Musikmagazine. Auch bei uns reiht sich CD-Review an Konzertbericht an Interview. Warum das so ist? Einmal macht er fantastische, durch und durch solide Alben, die seine Fans niemals vor den Kopf stoßen, zum anderen ist er einfach ein sympathischer Kerl – Marke “Junge von nebenan”. Das wird auch erkennen, wer sich die DVD “Get Better” zu Gemüte führt.
Seit 2005 ist Frank Turner (nach dem Ende von Million Dead) stetig unterwegs und haut im Jahrestakt neue Alben und EPs raus. Live erlebt man ihn meist mit seiner Band The Sleeping Souls. Zumindest die letzten beiden Werke schafften es in UK auf Platz 2 der Charts. In Europa ist der Erfolg aber noch verhalten – höchster Charteintritt war hier Platz 7 mit “Positive Songs For Negative People”, dem 2015er Album. Um das geht es übrigens auch im Dokumentarfilm. Der Song “Get Better” stammt von genanntem Album und Filmemacher Ben Morse folgte Turner durch die Entstehungszeit.
Ein Jahr lang reiste Morse mit Turner, folgte ihm auf seiner nie endenden Tour und begleitete ihn durch den Entstehungsprozess des Albums. Ehrlich gesagt ist das ziemlich ermüdend. Die Dokumentation besteht hauptsächlich aus Interviews, die während dieser Zeit entstanden – meist mit Frank Turner selbst, aber auch mit seiner Familie, mit Bandmitgliedern und Wegbegleitern. Man muss schon ein großer Fan sein, um den Aussagen durchgehend zu folgen. Zumal es keine deutschen Untertitel gibt. Wer sich aber darauf einlässt, erlebt Turner als bodenständigen Musiker, der nie zur Ruhe kommt und seinen Erfolg selbst kaum fassen kann. Er arbeitet hart – so hart, dass man ihm gerne zurufen würde: Mach doch mal Pause und lehn dich zurück.
Leider gibt es enttäuschend wenig Musik innerhalb der Doku. Höchstens einmal ein paar Schnipsel. Zum Glück findet sich aber im Bonusbereich der Akustik-Set, den Frank zur Premiere des Films spielte. Damit erlebt man dann doch den musikalischen Mehrwert, der während des Films manchmal schmerzlich vermisst wird. Zumindest spürt man, dass sich Morse und Turner recht nahe stehen. Dem Filmemacher gelingt ein einfühlsames Porträt des Musikers, über den man doch recht wenig weiß. Im Zwiegespräch der beiden (ebenfalls im Bonusbereich) kann man dann erleben, wie vertraut sie einander sind und welche Ehrlichkeit zwischen ihnen herrscht.
Fazit: “Get Better” ist ein Film, der vor allem die Menschen beglücken wird, die schon von Frank Turner überzeugt sind. Für alle anderen dürfte die Aneinanderreihung von Interviews nicht der richtige Einstieg sein, um Frank Turner kennen zu lernen. Da empfehle ich doch lieber das aktuelle Album.
Frank Turners Besuche in Köln waren immer geprägt von einzigartigen Momenten in besonderen Locations: Sei es den Musiker betrunken auf der Bühne im 200 Mann Club “Blue Shell” zu erleben, in einer Kirche von einem Priester angekündigt zu werden oder als Support von The Gaslight Anthem im Kölner Underground im Jahre 2009, seinem ersten Konzert überhaupt in Deutschland. In letztere Stätte kehrt er nach sechs Jahren zurück. Dieses Mal als Headliner. Ohnehin hätte der gebürtige Bahrainer die Location eine ganze Woche lang mieten können – vor der Halle campieren dutzende von Fans auf der Suche nach einem Ticket für das Konzert.
Den Anfang macht der Singer/Songwriter “North Alone” aus Osnabrück, welchen man schon als Support von Flogging Molly in der Domstadt dieses Jahr bewundern durfte. Ein Hauch von Irland weht durch die Luft als die Whiskeygetränkte Reibeisenstimme von Sänger Manuel North die Zeilen „There ain’t no new love songs to write“ durch das Mikrofon presst. Begleitet wird er dabei lediglich von Geige und Akustikgitarre.
Nach dem gelungenen Warm-up lässt sich der Mann des Abends nicht lange bitten: Unter Stroboskoplicht und dem Beifall von 300 Frank-Turner-Hardcore-Hooligans betritt der 33-jährige Brite die Bühne und startet den Abend mit Get Better. Das Hauptaugenmerk des Sets liegt, wie nicht anders zu erwarten, auf Turners neuem Album Positive Songs For NegativePeople. Gemeine Fan-Hater würden vielleicht behaupten, dass an neuem Kram ruhig hätte etwas gespart werden können. Doch wer Turners sechstem Meilenstein auch nur eine Durchlaufzeit an Aufmerksamkeit schenkt, bemerkt sofort wie nahtlos sich die teils wuchtigen Songs in das neue Set einfügen. Allen voran Josephine wird von der Menge gebührend gefeiert. Doch auch Klassiker wie Photosynthesise werden mit Sitz-Laolas zelebriert. Turner ist sichtlich gut gelaunt, macht hier und da seine Späße und bringt, bei einer kleinen Verschnaufspause für die Band, mit The Ballad of Me and My Friends doch noch eine kleine Rarität aus seinem Repertoire zum Vorschein. Das Bier fließt, die Menge pogt und springt fröhlich vor sich hin – umso verwunderlicher ist es, als Turner nach I Still Believe plötzlich von der Bühne verschwindet! Ist es denn wirklich schon so spät? Tatsache! Ganze 75 Minuten und 20 Songs sind bereits Vergangenheit von Show Nr. 1781.
Das absolute Konzert Highlight beschert eine der größten Wall of Deaths, die das Underground je gesehen hat. Vor der Bühne entwickelt sich eine Tanzfläche, die für keinen anderen Song als Four Simple Words besser geeignet wäre. “I WANT TO DANCE” ertönt es aus den vorderen Reihen, als Hände, Torsos und Köpfe aufeinander prallen und zu einer tanzenden Bewegung verschmelzen. Da lässt es selbst Turner nicht nehmen sich bei dem Publikum mit einem Crowdsurf zu bedanken und sich anschließend zu verabschieden.
Selten hat klirrende Kälte so gut getan, wie nach diesem Konzert: Konzertgänger wringen ihre triefenden T-Shirts aus, ein Mädchen ist nur noch in der Lage”Luft! Luft!” zu keuchen und auf der Toilette kippen sich die Leute Literflaschen Wasser auf Ex hinter die Binde. Nichtsdestotrotz, die 100 Minuten haben sich mehr als gelohnt und machen Laune auf weitere schweißtreibende Frank Turner – Konzerte.
Zugegeben, als selbsternannter Frank Turner-Fanboy fällt es nicht immer leicht, objektive Rezensionen über den 33-jährigen zu schreiben. Zu oft verfällt man in Lobeshymnen und Floskeln, die im Nachhinein eher einem Heiratsantrag als einer CD-Review ähneln. Glücklicherweise ist bei Turners sechstem Album “Positive Songs for Negative People” keinerlei Gefühlsduselei notwendig. Zu viele Lieder über Verflossene? Zu wenig E-Gitarre? Zu viele Balladen oder sentimentale Experimente à la Broken Piano, wie beim letzten Album? Fehlanzeige!
Der Brite setzt auf Gradlinigkeit, sodass man – vorweg gesagt – das Album ohne Probleme durchhören kann, ohne einmal zu einen Song zu skippen zu müssen. Nach dem eher monotonen Opener The Angel Islington, zeigt Get Better, was bei dem Album, neben der Motivation sich stetig selber zu verbessern, im Mittelpunkt stehen soll – die verdammte E-Gitarre! The Next Storm steht dem in Nichts nach: Das schwungvolle Piano-Intro und simple E-Riffs schreien einem in bester Folk-Punk Manier entgegen: Verbessere dich, stell dich deinen Herausforderungen und zieh bei ein bisschen Gegenwind nicht deinen imaginären Schwanz ein! Beim druckvollen Glorious You ist man sich der Ernsthaftigkeit des Songs nicht sicher. Zum Midtempo und einem herrlichen Faustindieluftstreck-Refrain singt Turner:
I can see you hurting beneath your new red dress Beneath your sharp new shoes and your new tattoos you are directionless
Kritik am momentanen Blankzieh-Lifestyl, wie es Jennifer Rostock vorleben oder aufrichtiges Mitleid gegenüber denjenigen, die im Alltag verloren wirken und sich versuchen anzupassen? Das wird im nächsten Interview herauszufinden sein.
Ab der zweiten Hälfte fängt das Album ein wenig an zu plätschern. Songs wie Out of Breath oder Love Forty Down sind sicherlich solide Songs, aber kein Muss für eine Top 20 Wunschsetlist. Track Nummer zwölf, die einzige richtige Ballade lässt einen dann doch Pipi in die Augen steigen: Song For Josh ist ein Live-Tribut an Josh Burdett, ein beliebter Security des “9:30 Club” in Washington, D.C., der sich am 1. September 2013 das Leben nahm. Für viele Musiker war Josh ein sehr guter Freund und Bekannter, umso heftiger traf sie es, als sie die Nachricht von seinem Ableben erfuhren.
Abgesehen von dieser einen Ausnahme ist “Positive Songs for Negative People” so geradlinig, wie ein Horizont zu dem man schaut, wenn die Melancholie einen überkommt und man sich fragt: Was will ich noch in meinem Leben erreichen? Was hätte ich im Nachhinein besser machen können? Soll ich es nochmal mit der verflossenen Liebschaft probieren oder nicht? Auf diese Fragen bedarf es keiner Antwort, sondern nur drei Anweisungen: Mund abwischen! Weitermachen! Besser werden!
Nachdem sein Album Positive Songs For Negative People vergangenen Freitag in Deutschland erschienen ist, kündigt der Folk-Barde Frank Turner eine Tour durch die kleinen Hallen der Republik an. Mal alleine, mal mit den Sleeping Souls, seinen Dauerbegleitern.
Alle Jahre wieder ist es soweit: Frank Turner, seines Zeichens moderner Musikbarde und einer der bekanntesten englischen Folksänger der frühen Neuzeit, öffnet seine Box mit alten Raritäten, Demos, Covern und B-Seiten, um seinen musikhungrigen Fans das Warten auf das neue Album zu verkürzen. “The Third Three Years” heißt das gute Stück und ist – wie nicht anders zu erwarten – die dritte Auskopplung dieser Albumreihe. Ganze 25 neue und alte Stücke werden aus drei Jahren Schaffenszeit wieder einmal eindrucksvoll festgehalten.
Den Beginn macht das Queen Cover “Somebody To Love”, welchen man auch auf seinen Konzerten live bewundern durfte. Es ist ohnehin kein Geheimnis, dass Turner ein großer Anhänger von Freddie Mercury & Co. ist. Der wohl beste Song des Albums kommt mit “Hits & Mrs.” direkt im Anschluss daher, der durch einen eingängigen Refrain besticht. Natürlich hat das Album, wie es meist bei solchen Songansammlungen ist, auch seine schwächeren Momente. Gerade zur Mitte dämpfen die etwas belanglosen Cover “Pancho & Lefty” (Townes Va Zandt) und “Big Foot” (The Weakerthans) die insgesamt zufriedenstelle Qualität der Platte.
Trotzdem dürfen Glanzstücke wie die Live-Version von “The Ballad of Me and My Friends” in Twin City sowie das großartige Springsteen-Cover “Born To Run” hier nicht unerwähnt bleiben. Gerade wenn man denkt, dass langsame Stücke der Platte ihren Reiz nehmen, reißt der Brite das Ruder um.
Ob das jetzt ausreicht, bei dieser Ansammlung eine Kaufempfehlung auszusprechen? Eingeschränkt. “The Thrid Three Years” kommt als klassicher Fankauf daher. Das Album bietet zwar einige große Momente, dazu kommt eine Anhäufung von Songs des neuen Album, die sich anhören, als hätte man ein Mikrofon in eine riesige Halle gestellt und einfach in einem Durchlauf alles heruntergerasselt. iTunes Session lässt grüßen. Sicherlich, wo gehobelt wird, da fallen auch Späne. Trotzdem hatte man sich ein wenig mehr erwartet als ganze neualte Songs in einer etwas minderen Qualität und einigen guten bis sehr guten Coversongs. Dabei muss man noch einmal betonen, dass dies hier meckern auf hohem Niveau ist. Die fetten Jahre von Frank Turner in Stadien (mit fester Überzeugung) liegen ohnehin noch vor ihm. Daher kann man sich bestimmt noch über ein viertes, fünftes und sechstes Album dieser Art freuen. Langweilig wird es mit dem Mann aus Winchester ohnehin nicht.
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Vom Tellerwäscher zum Millionär? Vom Straßenmusiker zur festen Folk-Instanz? Ganz so geradlinig ist die Karriere von Frank Turner nicht verlaufen. Der ehemalige „Million Dead” Frontmann und Vorzeige-Punk macht nun seit mehreren Jahren mit seiner Solo-Karriere die Hallen und Arenen weltweit unsicher. Momentan scheint auch nichts diesen Höhenflug zu stoppen, nicht einmal anhaltende Rückenprobleme oder wütende Anrufe von Ex-Freundinnen, die sich über seine Songs beschweren. Musicheadquarter-Redakteur Marc Brüser hatte die Möglichkeit Frank Turner vor seinem Konzert in Köln zu treffen (alle Fotos: Rainer Keuenhof).
Frank, erstmal vorweg: Wird man dich heute wieder im Rollstuhl erleben müssen, wie es beim Reading Festival der Fall war?
Frank: Das war aber auch nur ein Song muss man da hinzufügen. Die Aktion war als Running Gag gedacht, da doch viele Zeitungen und Magazine über meine Rückenprobleme berichteten. Ich hab gedacht es wäre eine ganz nette Anspielung auf meinen derzeitigen gesundheitlichen Zustand. Es ist einfach so bitter. Ich war nachdem die Sache aufgefallen ist beim Doktor. Er hat mir den Rat gegeben die nächsten drei Monate zu pausieren. Leider ist für genau die nächsten drei Monate eine Tour durch Europa und die USA geplant. Außerdem muss man immer im Hinterkopf behalten, dass ich eine gewisse Verantwortung gegenüber meiner Crew und meiner Band habe. Sie haben diese Zeit für die Tour geblockt, sie jetzt hängen zu lassen wäre einfach mehr als unfair ihnen gegenüber. Dank der Physiotherapie, die ich jetzt regelmäßig mache, fühle ich mich gut soweit. Gitarre spielen wird mir leider immer noch verboten.
Dein letztes Album „Tape Deck Heart” wurde dieses Jahr im April veröffentlicht. Insgesamt ist das Album doch eher etwas ruhiger und nachdenklicher ausgefallen. Inwiefern hat das auch einen Einfluss auf die Tour hinsichtlich der Stimmung und Atmosphäre?
Frank: Erstmal ist es immer wichtig, dass die Songs des neuen Albums gut in das Raster der letzten Setlist hinein passen. Es ist ja nicht so, dass wir ausschließlich neue Songs spielen. Ich selbst hasse es auch auf Konzerte von Bands zu gehen, die nur das neue Zeug spielen, deshalb achte ich immer darauf ein paar alte Songs mit aufzunehmen.
„The Way I Tend To Be” ist einer der interessantesten Songs der neuen LP. Vor allem das Video hatte sehr viel Raum für mögliche Interpretationen. Aber mal im Ernst: Was steckt hinter der Idee mit dem „Löcher graben”?
Frank:(lacht) Darauf haben mich einige Leute schon angesprochen. Keine Ahnung, ob ich dir das erzählen soll, es ist doch eigentlich schön solche Dinge offen zu lassen. Wir haben für das Album einen Pitch ausgeschrieben. Ich mochte diese Interpretation des Videos wirklich gerne. Gerade deshalb will ich es dir eigentlich gar nicht erzählen.
Willst du denn meine Interpretation hören?
Frank: Klar, gerne.
Ich denke, dass das Video sehr, sehr gut mit dem Text zu verbinden ist. Wenn du eine Sache erreicht hast, willst du sie gar nicht mehr, kapselst dich davon ab, bis du merkst was du an ihr hattest. Das müssen nicht zwingend Beziehungen zur Freundin und deinen Mitmenschen sein, so etwas sind auch persönliche Ziele und dergleichen.
Frank: Damit bist du gar nicht mal so verkehrt, verdammt richtig sogar. Dennoch denke ich, dass gerade Kunst etwas sein soll, was nicht klar definierbar ist. Das ist gerade das Interessante an dem Lied.
Wenn man sich das Album so anhört, fällt einem auf, dass sehr viele Liebeslieder vertreten sind. Hast du eigentlich mal Feedback von den Frauen bekommen und wenn ja, wie fiel es aus? Ich kann mir schwer vorstellen, dass „Tell Tale Signs” so unglaublich gut bei der Dame angekommen ist.
Frank: Ja, da haben mich einige in Bedrängnis gebracht, vor allem „Substitute”, was schon etwas älter ist. Die Sache ist die: Die ganzen Liebeslieder auf „Tape Deck Heart” handeln von ein und derselben Person, nur aus verschiedenen Blickwinkeln. Und ja, die Frau mag mich nicht wirklich, aber darüber darfst du einfach nicht nachdenken, wenn du kreativ bist und Songs schreibst. Als ich mit den Dropkick Murphys in Australien war, bekam ich mitten in der Nacht einen Anruf. Es war circa 4 Uhr morgens. Ich nahm ab und hörte nur eine wutentbrannte Stimme brüllen: „You motherfucker! You fuckin’ asshole!”. Das war dann nicht so schön, aber da muss man halt durch.
Das heutige Konzert in Köln ist bereits das Zweite in diesem Jahr. Im April spieltest du im Rahmen der Promo-Tour zu „Tape Deck Heart” eine Show in der Kulturkirche, einer Konzerthalle, in der auch Messen stattfinden. War es nicht für dich ein wenig merkwürdig als Mensch mit einer anti-religiösen Einstellung an so einem Ort zu spielen?
Frank:(lacht) Ja das ist so eine Sache gewesen. Erstmal bin ich nicht anti-religiös, was ich auch schon über den Song „Glory Hallelujah” gesagt habe. Zu diesem Thema hatte ich auch schon einige lebhafte Diskussionen. Zum Beispiel hat mir mal ein Konzertbesucher, da haben wir mit den Toten Hosen gespielt, am Tag darauf geschrieben, dass er diesen Song ein wenig respektlos findet und sich komplett isoliert von der Konzertmenge gefühlt hat. Das ist natürlich nicht meine Absicht, aber ich will dir mal eines sagen: Ich musste zur Kirche jeden verdammten Sonntag gehen, bis ich zehn Jahre alt war. Da hat sich auch niemand um meine Meinung geschert, „So, welcome to my fucking world!”. Die Leute sollen glauben, was auch immer sie wollen.
Zumal Religion auch in eine komplett andere Richtung gehen kann. Musik oder Fußball…
Frank: Eben! Jeder soll glauben was er will, nur auf meinen Shows muss ich mir da nicht von anderen Leuten reinreden lassen. Zurück zur Kulturkirche: Es war auf jeden Fall ein schöner Ort, um zu spielen. Ich habe schon im Vorfeld gehört, dass die Leute unbedingt „Glory Hallelujah” hören wollten. Das wäre meiner Meinung nach ein echter „Arschlochzug” von uns gewesen, zumal der Priester der Kirche ein echt netter Kerl ist und sich die ganze Zeit mit uns Backstage unterhalten hat.
Viele Musiker haben dich zu deiner Anfangszeit mit auf Tour genommen, der erste war Chuck Ragan auf seiner Revival Tour quer durch die USA. Welche anderen Künstler waren sehr relevant für deinen Erfolg und den Verlauf deiner Karriere?
Frank: Relevant ist vielleicht das falsche Wort. Social Distortion, die Dropkick Murphys oder eben Chuck Ragan haben mir alle bei meinem Werdegang sehr geholfen. Es ist wichtig sich gegenseitig zu unterstützen. Chuck hat zum Beispiel quasi im Alleingang dafür gesorgt, dass meine Karriere in den USA voran gegangen ist. Das waren auch die ersten Konzerte im Ausland, bei denen mehr als 20 Leute vor Ort waren. Genau so haben mich The Gaslight Anthem 2009 unterstützt. Mein erstes Deutschland-Konzert war mit ihnen hier in Köln, im „Underground”. Daher ist es auch immer wichtig für mich Einfluss darauf zu haben, wen ich mit auf Tour mitnehme, weil ich denke, so sollte es genau sein: sich gegenseitig zu helfen, zu pushen und gemeinsam etwas zu erreichen! Ich war einmal Support von The Offspring und meinte zu Noodles nach der Tour: „Vielen Dank, dass ihr mich mit auf eure Tour genommen habt.” Er meinte darauf nur: „Dank nicht mir, mach einfach dasselbe mit anderen Bands auf deiner Tour.”
Dein Management hat also hinsichtlich solcher Dinge gar keinen Einfluss?
Frank: Natürlich haben sie auch Ideen. Es herrscht bei uns immer ein reger Austausch, aber immer auf einer gemeinsamen Ebene. Ich finde es witzig, wie manche Leute sich ihr Bild von der Musikindustrie machen: das böse Management gegen die armen Künstler. So ist es einfach nicht.
Darauf wollte ich aber auch gar nicht hinaus.
Frank: Ich weiß, aber es gibt immer wieder solche Leute, was ich echt unterhaltsam finde. Letztendlich habe ich da meistens das letzte Wort, weil es schließlich ja auch meine Show ist. Ich meine, ich habe viele Freiheiten, aber auf diese Aspekte lege ich wirklich besonders viel Wert. Da gibt es auch die Ticket- und T-Shirt Preise. Manche Leute verstehen nicht warum gewisse Merchandising Produkte einen entsprechenden Preis haben. Ich mein, ich versuche die Preise da wirklich niedrig zu halten, nichtsdestotrotz sind die Merchandising-Artikel mein Haupteinkommen. Zudem kommen noch Steuern hinzu oder wie heute, dass die Location 20 % der Verkäufe für sich behält. Da wundern sich die Leute über T-Shirt Preise von 20,00 €. Es ist einfach nicht ganz so einfach die Preise zu erklären, man muss das Gesamtbild vor Augen haben. So etwas macht mich auch ein wenig wütend, denn viele Menschen denken, ich hätte mich damit nicht auseinander gesetzt, dabei denke ich über nichts anderes, ehrlich. Oh mann, jetzt steigere ich mich ein wenig sehr in die Sache rein (lacht).
Absolut kein Problem. Besser du hast etwas zu erzählen, als wenn das Thema in drei Sätzen abgehandelt ist. Könntest du dir vorstellen so einen Job für andere Bands zu machen?
Frank: Hm, vielleicht. Momentan ist nur einfach keine Zeit dazu, aber es ist auf jeden Fall ein interessanter Gedanke. Auf jeden Fall würde ich dann eher kleinere Bands machen. Lucero, die heutige Vorband, wären zum Beispiel sehr cool dafür. Ich habe mir gestern ihr Logo sogar auf meinen Arm stechen lassen, weil sie eine meiner absoluten Lieblingsbands sind. Ich mag es einfach in Musik involviert zu sein, dass Leute meine Meinung hören wollen und man zusammen etwas erreichen kann. Das spornt einen an.
Vor allem hast du wirklich Erfahrung von dem Geschäft: Angefangen als Straßenmusiker, über Pubs zu Clubs, zu Hallen bis hin zur Olympia-Eröffnung.
Frank: Da sagst du was. Zwar hast du absolut recht damit, trotzdem habe ich immer noch das Gefühl von dem ganzen Zeug einfach keine Ahnung zu haben und, dass ich irgendwie mit mehr Glück als Verstand in meine Karriere hineingestolpert bin. Aber besser so als anders herum!
Welch schöne Abschlussworte. Vielen Dank für das Interview!
Ein großer Dank geht auch an Veronika Müller von Universal Music und Anne Riedel von FKP Scorpio, die uns dieses Interview ermöglicht haben.
Die dürren Jahre sind vorbei! So könnte auch der Name des neuen Albums von Frank Turner heißen. Waren die ersten beiden Alben „Sleep Is For The Weak” und „Love Ire & Song” auf musikalischer Ebene weitaus simpler gestaltet, konnte man ab „Poetry of the Deed” doch einige deutliche Veränderungen des britischen Musikbarden heraushören. Dies ist vor allem der Unterstützung der großartigen Sleeping Souls zu verdanken, die ihm seit Jahr und Tag auf der Bühne und im Studio zur Seite stehen.
Auf Turners fünftem Album musste man sich jedoch vorweg die Frage stellen: Ist der Output den Mr. Turner an den Tag legt, nicht ein wenig zu intensiv? Zur Info, sein Debütalbum „Sleep Is For The Weak” erschien 2007. Seitdem veröffentlichte der Brite nahezu im Jahrestakt EPs und Alben. Könnte da Quantität vor Qualität gehen? Mit Nichten!
Bereits der Opener und gleichzeitig erste Single „Recovery” zählt zu Turners besten Songs, die je veröffentlicht wurden. Erinnern tut er ein wenig an „The Real Damage” vom oben genannten Debütalbum. Dazu fällt einem direkt die Bandbreite auf, mit der die Souls Turner unterstützen. Während „Losing Days” eher einen zum Nachdenken über das Älter werden stimmt, dreht „Plain Sailing Weather” mal so richtig auf. Turner beginnt mit einer Gitarre, bis sich die gesamte Power des Mannes aus Winchester, voll entfaltet. Wo denn auch bitte eher, als bei einem Liebeslied über Beziehungsängste? Sehr gutes Ding.
Zur zweiten Hälfte nimmt das Album an der Vielfalt und Power ein wenig ab. Jedoch muss man da ein Meisterwerk klar außen vor lassen. Ich erkläre es in vier simplen Worten: „I Want To Dance”. „Four Simple Words”, das absolute Highlight der Platte, hat es sogar verdient hier zitiert zu werden:
“I want to dance
I want lust and love and a smattering of romance.
But I’m no good at dancing,
And yet I have to do something,
Tonight I’m gonna play it straight I’m gonna take my chance,
I want to dance”
Das sind zwar weitaus mehr als vier Wörter, dennoch bewirken sie ca. 10 Sekunden später, dass sich Wälle des Todes auf einander zu bewegen, dass zig Leute aus einer Bewegung heraus riesige Kreise laufen und dass Ellenbogen endlich mal wieder für das eingesetzt werden, wozu der Herrgott sie geschaffen hat. Man darf sich auf spektakuläre Momente bei den Konzerten freuen, wenn der Song gespielt wird. Ein weiterer eher unkonventionellerer Song findet man in „The Fisher King Blues”, der hier ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf.
Leider ebbt das Album im Anschluss wieder ab. „Polaroid Picture” bleibt noch als Powerballade etwas länger in den Ohren, „Anymore” und „Oh Borther” schon wetaaus weniger. Bei „Broken Piano” muss ich leider kurz innehalten und meine Gehörgänge langsam an die Kopfstimme von Frank Turner gewöhnen lassen. Mehr Graus, als Schmaus, bedauerlicherweise.
Dennoch: Auch beim fünften Album findet sich weitaus mehr erfreuliches beim Liedermacher, Geschichtenerzähler und letztem Rebell mit Akustikklampfe wider, verglichen mit seinem letzten Werk „England Keep My Bones”. Mehr Geschichten, weniger England. Danke dafür Frank!