Die norwegische Sängerin Sigrid hat sich mit ihrem 2019 erschienene Debüt „Sucker Punch“ als neues junges Poptalent aus Skandinavien etabliert und seitdem eine erfolgreiche Karriere inklusive ausverkaufter Welttournee hingelegt. Für ihr drittes Studioalbum hat sie sich etwas Zeit gelassen und präsentiert sich auf „There´s Always More That I Could Say“ nun immer noch energiegeladen, aber auch geerdeter und als wachsende Songwriterin.
Auch wenn die ersten Songs ohne konkreten Plan entstanden sind, hat sich doch im Ergebnis ein thematischer Zusammenhang ergeben. So zeichnet des Albums die Phasen einer sich auflösenden Beziehung nach – von fast widerwilliger Verliebtheit im Opener „I´ll always Be Your Girl“ über den Trennungsschmerz in „Kiss The Sky“ bis zur Hoffnung auf einen Neuanfang in „Eternal Sunshine“. Durchweg zeigt sich hier Sigrids Talent, Emotionen in mitreißende musikalische Energie zu verwandeln.
Beim Songwriting wurde Sigrid wieder von ihrem langjährigen Freund und Produzenten Askjell Solstrand unterstützt und das Ergebnis ist musikalisch vielfältig, wobei schnelle Rhythmen und Popsounds dominieren. Diese sind mal rockig wie beim Opener, mal luftig verspielt wie im euphorischen „Jellyfish“, oder auch elektronisch geprägt wie im atmosphärischen „Hush Baby, Hurry Slowly“. Dabei hebt sich der Titelsong „There´s Always More That I Could Say“ als einzige Ballade deutlich ab und beeindruckt mit seiner zarten Verletzlichkeit umso mehr. Er markiert nach der ungezügelten Wut von „Fort Knox“ den emotionalen Tiefpunkt des Albums, bevor „Have You Heard This Song Before“ wieder Aufbruchsstimmung verbreitet. Dass es dabei nicht nur um neue Beziehungen, sondern auch um neue Musik geht, deutet nicht nur der Titel an, sondern auch die Liedzeile „these songs don´t write themselves“.
„There´s Always More That I Could Say“ ist ein überzeugendes Album, mit dem Sigrid konsequent ihren Weg als Sängerin und Songwriterin fortsetzt. Und während sie mit dem Titel einerseits die Grenze setzt, nicht alles von sich preiszugeben, ist er doch gleichzeitig hoffentlich ein Versprechen, dass sie noch viel mehr zu sagen und zu singen hat!
In der aktuellen Staffel von „Sing meinen Song“ beweist Aki Bosse mal wieder, was für eine coole Socke er doch ist. Ohne Popstar-Gehabe und mit schnoddrigem Auftreten gewinnt er auf Anhieb die Herzen der Zuschauer*innen und der übrigen Musizierenden. BOSSE ist ein Star ohne Allüren, nahbar, aber nicht alltäglich, schlau, aber nie verklausuliert, zugänglich, aber nicht anbiedernd, und auch auf lange Sicht ohne Konkurrenz im Spannungsfeld zwischen Deutschpop und Indierock.
Wer einmal erlebt hat, wie dieser Charismatiker auf der Bühne arbeitet und den Menschen seine einzigartige Mischung aus Indie- Rock, Alternative und Pop entgegenschmettert, wie er bei Hits wie „Der letzte Tanz“ oder „Schönste Zeit“ mit dem Publikum verschmilzt, wie er die Massen euphorisiert, der will das wieder erleben und möglichst viele Freunde mitnehmen. Die leidenschaftlichen Live-Performances sind aber nur eine Seite des Künstlers – die Basis dafür schafft er mit seinen liebevoll ausgearbeiteten Alben, die klassisches Singer-Songwritertum in Richtung Pop und Indierock erweitern.
Und so kommt seine erste BEST OF gerade recht. Mit der Compilation „BOSSE 2005-2025“, die zeitgleich zum Start der TV-Sendung veröffentlicht wird, erscheint erstmalig eine Werkschau mit 21 Liedern aus der bisherigen Karriere des Musikers auf einem Album. Bosse hat für diese Compilation viele seiner schönsten Songs zusammengestellt. Er verdichtet komplexe Gefühle in einer Sprache, die nah am Leben ist, ausgestattet mit Refrains, die im Kopf bleiben, ohne ihn zu verkleben. Oft geht es darin um das Überwinden von Widerständen, ein positives Lebenskonzept trotz Selbstzweifeln und die Gewissheit, auch in miesen Zeiten nicht allein zu sein.
In umgekehrt chronologischer Abfolge – von neu nach alt – bietet die Compilation eine schöne Werkschau für Neueinsteiger voller Songperlen aus Akis Feder.
Niedeckens BAP veröffentlichen Single „Südstadt, verzäll nix“ und kündigen neues Album „Zeitreise 81/82“ für den 26. April an – live aufgenommen in den Sartory Sälen in Köln.
Mit der Single „Südstadt, verzäll nix“ kündigen Niedeckens BAP ihr neues Album „Zeitreise 81/82“ für den 26. April an. Vierzig Jahre nach der Erstveröffentlichung ist die Anti-Gentrifizierungshymne so dringlich und aktuell wie zum Zeitpunkt ihres Entstehens.
»Ich weiß noch, wie du als ich e‘ Kind wohr ussochs«, singt Wolfang Niedecken, »Du hatts selvs Format, als du enn Trömmere loochs: irjendwie undefinierbar, jedenfalls nit kalkulierbar, du wohrs unmanipulierbar, wunderbar!«.
Als Niedecken den Song 1980 geschrieben hat, war die Kölner Südstadt gerade zum Sanierungsgebiet erklärt worden. Zum Symbol des Protests gegen diese Entwicklung wurde die Besetzung der ehemaligen Stollwerck-Schokoladenfabrik, »aber die Gentrifizierung war nicht mehr aufzuhalten«, sagt Niedecken.
Über vierzig Jahre später schreitet die Gentrifizierung urbaner Milieus weltweit ungebremst voran, die Mieten in den angestammten Kiezen der Großstädte werden zunehmend unbezahlbar, heterogene Gesellschaften verwandeln sich in homogene: Das kämpferische „Südstadt, verzäll nix“ ist leider so aktuell wie zum Zeitpunkt seines Entstehens. Die heutige BAP-Besetzung überführt den Song kongenial ins Hier und Jetzt, von seiner Dringlichkeit hat das Lied nichts verloren.
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Das Album »Zeitreise 81/82« wird am 26. April veröffentlicht. Aufgenommen wurde es an vier magischen Abenden in den Kölner Sartory-Sälen und es ist viel mehr als ein weiteres Live-Album. Wir hören: den Nukleus eines der zentralen Werke der deutschen Rockmusik, dringlich, relevant, elektrisierend. Niedeckens BAP hat diese Lieder revitalisiert. Für das Hier und Jetzt, die nächste Generation.
In jeder großen Karriere gibt es das ja: die eine prägende Werkphase, auf der alles fußt, was danach kommt. Die Jahre 1981/82 bildeten für BAP die Basis dieser Karriere. BAP erreichte mit dem im Oktober 1981 erschienen dritten Studioalbum »Für usszeschnigge!«, erstmals den ersten Platz der deutschen Charts. Nur ein gutes halbes Jahr später erschien das vierte Album »Vun drinne noh drusse« und verdrängte den Vorgänger von der Spitze der Charts.
Beide Alben wurden doppelt mit Platin ausgezeichnet, haben sich bis heute über eine Million Mal verkauft und enthalten mit »Kristallnaach« und »Verdamp lang her« die größten BAP-Hits überhaupt. Beide Alben sind längst zu einem Stück deutscher Rock-Geschichte geworden, sie wirken über Generationen, sind von zeitloser Bedeutung.
31 Songs haben Niedeckens BAP bei den Sartory-Konzerten gespielt, die 21 Lieder aus »Für usszeschnigge« und »Vun drinne noh drusse« wurden ergänzt um »Affjetaut«-Klassiker wie »Ne schöne Jrooß« und Songs aus dem legendären Live-Album »Bess demnähx«. Die Arrangements der meisten Stücke sind fluide bei größtmöglichem Respekt vor den Originalversionen und der damaligen BAP-Besetzung.
BAP sind keine Jukebox ihres eigenen Katalogs, das würde nicht zu einer Band passen, die vor allem an der Gegenwart interessiert ist. Auch die Band ist ein fluider Körper, ein Kollektiv aus BAP-Veteranen wie dem Bassisten Werner Kopal, dem Keyboarder Michael Nass, der Multiinstrumentalistin Anne De Wolff, zu denen sich der vortreffliche Gitarrist Ulrich Rohde, der Saxofonist und Multiinstrumentalist Axel Müller, der Schlagzeuger Sönke Reich, der Posaunist Franz Johannes Goltz und der Trompeter Benny Brown gesellen.
Die deutsche Musikszene ist um eine junge selbstbewusste Songwriterin reicher – Sophia, 2022 bereits mit der goldenen Henne zur Aufsteigerin des Jahres gekürt, veröffentlicht nach mehreren erfolgreichen Singles nun ihr Debütalbum „Niemals allein“. Musik begleitet die gelernte Goldschmiedin aus dem Ruhrgebiet schon ihr ganzes Leben lang und es entstehen schon früh erste eigene Songs. Mit dem Kontakt zum Produzentenduo Achtabahn begann dann in den letzten Jahren ihre professionelle Karriere.
Stilistisch lässt sich Sophias Musik am ehesten dem Genre Deutschpop zuordnen. Mit eingängigen Melodien, deutschen Texte und vielseitigen Arrangements ergibt sich ein rundes Gesamtkonzept für das Album. Da gibt es eher ruhige Pianoballaden wie „Jemand wie ich“ oder „Schmetterling“, mitreißende Titel wie „Scheiss drauf“ oder „Scheinwerfer an“, aber auch jede Menge dazwischen.
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Sophias Themen sind nicht neu, aber sie findet neue und eigene Worte für Gefühle und Situationen, die wir wohl alle kennen. So ertrinkt sie nicht etwa in Liebeskummer, sondern begibt sich auf „Rettungsmission“ für ihr gebrochenes Herz, oder wartet auf die „Sekunde“, die endlich alle Wunden heilt. Für die ganz große Liebe findet sie im Titelsong „Niemals allein“ oder mit „Wenn Kometen fallen“ ebenso überzeugende Worte wie für ihr „Zuhause“, das immer wieder Zuflucht bietet. In jeden Song legt die Sängerin zudem genau die richtigen Emotionen, singt mal voller Begeisterung und dann wieder zart und zerbrechlich.
Als kleinen Bonus hat Sophia noch die Demoversion ihres ersten Songs „Meine Welt“ aus dem Jahr 2015 mit aufs Album gepackt. Hier kann man schön hören, wie die Reise begann, aber auch, wie sich die Künstlerin seither schon entwickelt hat. „Niemals allein“ ist jedenfalls ein überzeugendes und unterhaltsames Debüt – und ich bin gespannt, was wir in Zukunft noch von Sophia hören werden!
Der Bezug der Indie-Rockband Sportfreunde Stiller zum Fußball war dem Trio quasi in die Wiege gelegt. Namensgeber der Band war Hans Stiller, Trainer der Bezirksligamannschaft SV Germering (bei München), in der Peter Brugger und Florian Weber lange Zeit Fußball spielten. Ihre frühen Alben trugen Titel wie „So wie einst Real Madrid“, „You Have to Win Zweikampf“ sowie „La Bum“ und der Song „’54, ’74, ’90, 2006“ (später mit der Jahreszahl 2010 nochmal neu aufgelegt) wurde zur Fußballhymne schlechthin.
Doch auf Dauer geht es nicht gut, wenn sich Musiker über eine Sportart definieren. Das mussten die Sportfreunde schmerzlich erfahren. Seit dem letzten Album sind sechs Jahre vergangen und zwischenzeitlich war von einer längeren Auszeit die Rede. Ein Comeback gab es aber bei Rock am Ring 2022 und dort wurde auch überraschend ein neues Album angekündigt. Es gab eine wirklich schwermütige Ansage von Peter Brugger, der mit ehrlichen Worten von einer fetten Krise der Band erzählte und dass man kurz vor dem Ende stand. Die Anfrage der Festivalmacher sei gerade rechtzeitig gekommen, um dem Trio wieder eine Perspektive zu geben.
Dass „Jeder nur ein X“ also gerade kurz vor der WM in Katar erscheint, mag Zufall sein. Zumindest springt man textlich nicht auf den WM-Zug auf, auch wenn es mit „Hand in Hand“ eine Hymne zum Zusammenhalt gibt, die aber vielseitig einsetzbar ist. „Ich scheiss‘ auf schlechte Zeiten“ erzählt vom Wunsch, endlich wieder was zu erleben, und „Du bist eine Bank“ gibt den Parolen auf manchen Parkbänken einen halbherzigen Sinn.
Es sind 13 Songs über das Leben in seiner unglaublichen Vielseitigkeit. Mal wird’s politisch, mal privat, mal komisch. Der Albumtitel passt dazu. Man sagt: Jeder nur ein Kreuz. Wieder spürt man diese Mehrdeutigkeit, mit der die Band so gerne agiert. Man könnte bei diesem Albumtitel an Wahlen denken. An Wahlfreiheit. Auch daran, dass jeder sein eigenes Kreuz zu tragen hat. Und dann natürlich auch an den schwarzen Humor des Monty-Python-Films „Das Leben des Brian“. Das Interessante aber ist: Jede dieser Assoziationen passt, zur Band – und zur Platte.
Und wie klingt das? Die ungehobelten Gitarrenbretter, mit denen die Sportfreunde zu Beginn ihrer Karriere das Publikum gegen die Wand klatschten, sind weniger geworden. Das Album beginnt stattdessen mit Soundtüfteleien und Akustikgitarre, mit Off-Beats und Bläsersounds. Geblieben aber sind die charismatischen Vocals, die immer leicht hysterisch klingt. Und eine starke Rock-Attitüde zieht sich durch die komplette Tracklist.
Alles in allem ist „Jeder nur ein X“ ein fröhliches und optimistisches Album. Die Sportfreunde sind zurück, so wie sie gegangen sind.
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Dass Wolfgang Niedecken ein Faible für die Musik von Bob Dylan hat ist schon seit Beginn seiner Karriere mit BAP bekannt. Zu dieser Zeit war er oft allein mit Gitarre und Mundharmonika unterwegs, was ihm schnell den Spitznamen „kölscher Dylan“ einbrachte. Er machte dieser Zuschreibung alle Ehre, indem er schon früh kölsche Texte zu Liedern von Dylan verfasste und 1995 ein ganzes Soloalbum mit neu getexteten Dylansongs namens „Leopardefell“ veröffentlichte.
Im Jahr 2017 ist Niedecken im Auftrag des TV Senders ARTE zu einer Reise auf den Spuren von Bob Dylan aufgebrochen. Kreuz und quer durch die USA, wo er mit vielen ehemaligen Weggefährten, Fotografen, Journalisten und Musikern gesprochen hat, die kompetent über Bob Dylan’s Amerika Auskunft geben konnten. In der KiWi Musikbibliothek erschien schließlich 2021 ein spannendes Büchlein, das den Titel „Wolfgang Niedecken über Bob Dylan“ trug. Im Booklet zum CD-Release „Dylanreise“ erzählt Niedecken nun von der Tour zu den Originalschauplätzen und von der Arbeit am Buch, das er als Fan für Fans geschrieben hat.
Als es im vergangenen Jahr keine Chance auf BAP-Konzerte gab und alle Pläne in die Tonne gekloppt werden mussten, ergriff Wolfgang die Gelegenheit beim Schopf und konnte auf eine kleine Tour in einer Mischung aus Lesereise und Songwriter-Session gehen. Da vieles davon als Open Air und vor sitzendem Publikum stattfand, konnte man die Locations dann doch ganz ordentlich füllen. Wer es trotzdem verpasst hat, bekommt jetzt mit dem 3CD-Release „Dylanreise“ einen hinreichenden Eindruck.
CD 1 und 2 geben das Programm wieder, das aus Texten aus Niedeckens Buch bestand, zu denen sich dann 16 Songs gesellten, die wahlweise auf Englisch, in kölscher Sprache oder in einer Mischung aus beidem zu Gehör gebracht wurden. Viele hätten vermutlich eine live-CD der Tour erwartet, doch „Dylanreise“ ist tatsächlich ein Studiowerk. Schade eigentlich – aber vielleicht kommt ja noch ein DVD Release.
Die Songs sind allesamt neu aufgenommen – mit Niedecken an Gitarre und Mundharmonika sowie Mike Herting am Piano. Auch gesanglich liefert Herting entsprechende Unterstützung im Backing. Die Songs sind nicht alle von Bob Dylan. „Sinnflut“ ist beispielsweise eine Eigenkomposition aus dem Jahr 1979 und „Leev Frau Herrmanns“ stammt gar aus 1977.
Ganz groß in Sachen Dylan wird es aber mit Stücken wie „The Times They Are A-Changin“, „Wie ’ne Stein (Like A Rolling Stone)“, „Quinn, dä Eskimo“ und „Only A Hobo“. Dazwischen erzählt Wolfgang mit seiner charismatischen Stimme von Kneipengig-Erfahrungen, von seinen Berührungspunkten mit Dylans Musik, von dessen erstem Deutschland-Gig und vielen anderen Anekdoten.
Eine coole Sache übrigens, dass auf CD 3 nochmal alle Songs ohne Zwischentexte auftauchen und noch um drei Bonus-Stücke aus Niedeckens Dylan-Katalog erweitert wurden (unter anderem „Knocking On Heaven’s Door“ und „The Christmas Blues“). Denn sind wir mal ehrlich: Die Scheiben mit den Lesetexten hört man sich auf jeden Fall einmal an. Vielleicht auch noch ein zweites oder drittes Mal. Doch irgendwann will man die Musik genießen und ist genervt, nach jedem Track einmal auf die Skiptaste drücken zu müssen.
Der Digipack mit den drei Silberscheiben ist sehr wertig aufgemacht und enthält Fotos von Niedecken sowie seinem Compagnon Mike Herting an Piano und Backing Vocals. Zudem sind Wolfgangs Liner Notes zu den Hintergründen des Albums sehr informativ. Für Fans von Dylan und Niedecken ist der Release essentiell – für alle Anderen auf jeden Fall empfehlenswert!
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Mit dem sphärischen Start von „The Forbidden Fruits Of Eden“ zieht uns Aurora auf Anhieb in ihre ganz eigene Welt. Das neue Album „The Gods We Can Touch“ führt den Hörer in die spirituelle Mythologie und stellt in jedem Song eine andere Gottheit vor. Dabei glänzt die norwegische Sängerin, die mit vollem Namen Aurora Aksnes heißt, durch eine filigrane Melodieführung und eine Stimme, die an die nordischen Vocals von Björk erinnert.
Mit gerade einmal 25 Jahren hat die Songwriterin und Produzentin bereits drei Vorgängeralben releast. Ihr Track „Runaway“, den sie im Alter von zwölf Jahren schrieb und auf dem Debütalbum veröffentlichte, landete erst kürzlich einen riesigen Erfolg via TikTok bzw. Instagram und konnte so sechs Jahre nach Veröffentlichung unter anderem die Top40 Single Charts in Großbritannien knacken.
Credit: Universal Music
Aurora bietet avantgardistischen Pop, den man kaum nebenbei hören kann. Ihre betörend hohe Stimme nimmt mit süßlichen Klängen gefangen. Dazu kommt ein breites Instrumentarium, das sowohl in atmosphärischen Songs wie „Everything Matters“ als auch in rhythmischen Uptempo-Nummer wie „Giving In To The Love“ funktioniert. Am stärksten klingt Aurora aber, wenn sie mit zerbrechlichen Vocals ein verträumtes „Exist For Love“ singt oder Jagdgöttin „Artemis“ zu Akkordeonklängen ihre Geschichte erzählen lässt.
Über die Inspiration zum alttestamentarisch inspirierten „Heathens“ sagt Aurora selbst: „Vor langer, langer Zeit biss Eva in den verbotenen Apfel, der am Baum des Bösen und des Guten hing. Damit schenkte sie den Menschen den freien Willen. Das finde ich sehr schön, und ich wollte sie und Frauen wie sie ehren, die uns nach und nach die Freiheit in dieser Welt schenken. Eine Freiheit, so zu leben, wie es uns gefällt, zu erforschen und zu probieren. Ich finde, das Leben sollte in all seinen Farben gelebt werden, und deshalb leben wir wie die Heiden.“
So streift Aurora gekonnt durch mystische Welten. Dabei lässt sie sich stilistisch gar nicht erst festlegen. „The Innocent“ führt nach Lateinamerika, „Blood In The Wine“ klingt eindringlich nach epischer Filmmusik und der Abschluss „A Little Place Called Moon“ ist ein fernöstlich anmutendes Wiegenlied. Egal ob die Arrangements elektronisch ausschweifend sind oder der Pop in Form moderner Kammermusik erklingt – jeder Song liefert einen ganz eigenen esoterischen Trip. Leider gelingt es mir nicht, die grau auf schwarz gedruckten Lyrics im Booklet final zu entziffern, doch man muss wohl einfach die schönen Melodien für sich sprechen lassen.
Zur Veröffentlichung als Albumkonzept erklärt die Sängerin: „Die spirituelle Tür zwischen den Menschen und den Göttern ist eine sehr komplizierte Sache. In den richtigen Händen kann der Glaube zur schönsten Sache werden – pflegend und warm. In den falschen Händen kann er zu einem Leuchtfeuer von Krieg und Tod werden. Eine Sache, die mich immer gestört hat, ist die Vorstellung, dass wir unwürdig geboren werden und uns für würdig halten müssen, indem wir die Kräfte in uns unterdrücken, die uns menschlich machen. Nicht perfekt, nicht makellos. Könnten wir diese göttliche Kraft in uns selbst finden, während wir doch an den Wundern der Welt hängen und von ihnen verführt werden? Der Leib, die Frucht und der Wein. Ich glaube, das ist es, was mich an den griechischen Göttern fasziniert. Die Götter der antiken Welt. Vollkommen unvollkommen. Fast zum Greifen nah. Wie Götter, die wir berühren können.“
Aurora hat ein Talent, das sich kaum in Worte fassen lässt. Sirenenhaft erzählt sie ihre Geschichten und führt die musikalischen Botschaften aus der Jahrtausende alten Mythologie in die Gegenwart. Ein durch und durch bezauberndes Album!
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Wenn auch keine Wiedervereinigung der Kultband um den Grafen aus Aachen ansteht, so erfreut man die Fans doch mit einem wunderschön aufgemachten Best-of-Album namens „Lichterland“.
Am 10. September 2016 fand im Rheinenergiestadion in Köln das ultimativ letzte Unheilig-Konzert statt, doch der Hype um die Band ist ungebrochen. Immerhin kommt es selten vor, dass Musiker auf dem Zenit ihrer Karriere Abschied von der Musikwelt nehmen.
Eigentlich stammte die Band aus der düsteren Wave-Gotik-Szene, doch das 2010er Album „Große Freiheit“ und vor allem der Überhit „Geboren um zu leben“ bedeuteten einen Karriereschub in Richtung Mainstream, der ihnen vier Nummer-1-Alben in Folge bescherte.
Umfangreiche Kompilationen gab es schon 2014 und 2017. Jetzt gibt es Nachschub in verschiedenen Varianten:
Die Einzel-CD und die 180gr Vinyl-Doppel-LP im Klappcover warten mit insgesamt 21 Songs auf. Darunter findet sich auch der bisher nur als Demo existierende und jetzt völlig neu erarbeitete Song „Lichtermeer“, der digital und mit brandneuem Video bereits seit 15. Oktober vorab erhältlich ist.
Eine Doppel-CD im hochformatigen Deluxe-Packaging mit gebundenem 36-seitigem Hardcover Buch enthält zusätzlich die CD „Weihnachtslichter“ mit insgesamt 14 Weihnachtsliedern, von denen zwölf unveröffentlicht sind. Beide Alben werden auch digital veröffentlicht.
Das absolute Highlight ist aber das großformatige und auf 6.000 Stück limitierte Box Set. Es beinhaltet neben dem genannten Deluxe-Package auf zwei CDs auch die Audio-Aufnahmen des längst legendären Abschiedskonzertes im Kölner Rheinenergie-Stadion vom 10. September 2016, das bisher nur auf DVD vorlag. Zwei weitere exklusive Items ergänzen diese hochwertige Sammler-Edition. Eine nur in der Box erhältliche Unheilig-Kerze im 3D Logo Design, zum anderen eine 10″ Glow-in-the-Dark-Vinyl mit 4 Tracks des „Weihnachtslichter“-Albums. Sprich diese Scheibe leuchtet im Dunkeln, genau wie das Artwork des Box Sets selbst übrigens auch.
Mir liegt zur Review die 2-CD-Version vor. Ein Hardcover im DVD-Format mit Leuchtturm-Cover und kunstvoller Prägung. Im Booklet gibt es alle Songtexte und viele Porträts des Grafen. Die übrigen Bandmitglieder spielen keine Rolle, aber das war abzusehen.
Mi seiner sonoren Ausnahmestimme singt sich der Graf durch die Singlehits und Livefavoriten der Band, wobei „Astronaut“ (2006), „An deiner Seite“ und „Spiegelbild“ (beide vom 2008er Album „Puppenspiel“) die ältesten vertretenen Stücke sind. „Stark“, das eigentlich aus dem Jahr 2001 stammt, wird in der 2012er Version geboten. Alles in allem bleibt „Lichterland“ also eine Mainstream-Zusammenstellung. Fans dunkler Musik hatten sich zu dieser Zeit ohnehin schon anderen Lieblingen zugewandt.
Das Weihnachtsalbum ist definitiv ein Knaller für Freunde ungewöhnlicher Musik. Klassiker wie „Macht hoch die Tür“ und „Es kommt ein Schiff geladen“ sind kaum wiederzuerkennen. Allein „Leise rieselt der Schnee“ behält seine adventliche Melancholie. Die restlichen Stücke sind selbst geschrieben und verbreiten vor allem beschwingte Festtagsstimmung. Dunkel wird es nur im düster-erzählenden Sprechgesang von „Die zweite Kerze“, „Die dritte Kerze“ und „Die vierte Kerze“. Auf jeden Fall ein schönes Konzept.
Wer bereits alles von Unheilig hat, bekommt mit dieser Edition den neuen Song „Lichtermeer“ und ein durchaus gelungenes Weihnachtsalbum, das den Geist von Unheilig verbreitet und fast ausschließlich neue Songs bietet. Passt!
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Schon mutig, in der Situation der Jahre 2020 und 2021 ein Album mit dem verballhornten Titel „Earth, Wind & Feiern“ auszustatten. Aber wer sollte sowas schon dürfen außer dem Hamburger Jan Philipp Eißfeldt alias Jan Delay, der mit seiner näselnden Stimme schon immer ein Streitpunkt zum Thema Musikgeschmack war? Es wurde ohnehin Zeit. Ist sein letztes Soloalbum „Hammer & Michel“ doch schon ganze sieben (!) Jahre her. Zwischendurch waren allerdings die Beginner wieder aktiv. Es sei ihm also verziehen.
Begleitet von der Band Disko No. 1 feierte Jan mit „Mercedes Dance“ und „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ fulminante Erfolge und schaffte es beide Male auf Platz 1 der deutschen Charts. Funk und Soul mit Dancefeeling. Das war es, was die Musik ausmachte. Auch „Hammer & Michel“ landete an der Chartspitzet, ging aber in eine andere Richtung und zelebrierte die Kehrtwende zum Rock. Damit konnte der Hamburger nicht alle Fans mitnehmen.
Jetzt aber ist die Welt wieder in Ordnung. „Earth, Wind & Feiern“ bietet alles, was man von Eizi Eiz erwartet. Dabei geht er durchaus selbstkritisch vor und liefert in typischer HipHop-Manier im Eröffnungssong „Intro“ einen Rückblick auf die letzten Jahre, sagt Kritisches zum Rockalbum und macht eine Art Corona-Standortbestimmung. Danach aber herrscht souliger Optimismus. „Eule“ featuring Materia besingt die Nacht und geht in die Beine. „King in meim Ding“ bietet Reggae-Rhythmen und den Flow von Rapper Summer Cem. Ebenfalls großartig.
So eingängig und feierwütig geht es weiter. Über Amazons „Alexa“ gab es schon viele Songs, doch Jans launischer Lovesong gefällt mir bisher am besten. „Spaß“, „Zurück“ und „Gestern“ liefern Swing mit Autotunes, werden aber nicht langweilig. „Tür’n knall’n“ und „Saxophon“ erzählen Geschichten aus dem Leben. „Nich‘ nach Hause“ spricht wohl allen aus der Seele, die an die hoffentlich bald kommende Zeit offener Clubs denken.
“Earth, Wind & Feiern” ist voll Bass, Bumms und positiven Vibes. Wie immer schöpft Jan aus fünf Jahrzehnten Popgeschichte. Vor allem aber spielt die Platte im Hier und Jetzt. Es gibt Afrobeats, Disco, Trap und Ska, sogar Stadiontechno und LatinX-Riddims. So bedrückend und komplex die Welt manchmal auch scheinen mag: Ein paar simple Wahrheiten werden nie von ihrer Gültigkeit verlieren. Wenn Hass herrscht, hilft Liebe ganz bestimmt. Und das Wichtigste ist, dass das Feuer nicht aufhört zu brennen. Jan Delay ist zurück, um es am Lodern zu halten.
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Ursprünglich sollte das neue Album von Selig bereits Mitte Oktober des vergangenen Jahres erscheinen. Anfang Mai nahm Jan Plewka am VOX-Konzept „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ teil und präsentierte in diesem Rahmen zusammen mit Christian Neander die erste Single „Alles ist so“, ein klares Statement gegen den Klimawandel. Im Anschluss entstand die Dokumentation „Selig-Story“, in der Jan Plewka den Weg seiner Band Revue passieren ließ und berichtete, wie sie sich trennte, nach zehn Jahren wieder zusammenfand und welche Rolle seine Frau dabei spielte. Selig arbeiteten mit ihrem langjährigen Weggefährten Franz Plasa in den Hamburger HOME-Studios fleißig an der endgültigen Fertigstellung des Albums und alles schien gut.
Im September informierte das Label dann über eine Verschiebung der Veröffentlichung in den März 2021. Nicht weiter schlimm, Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Die Wartezeit überbrückte die Band mit einer vier Songs starken „Live Takes“-EP. Im Wochentakt präsentierten Selig einen neuen Song nebst Video. Zusammen erzählen die vier Clips eine gemeinsame Geschichte, denn jeder von ihnen folgt einem der vier Bandmitglieder. Wir beobachten Jan Plewka in einem Hotelzimmer, wie er an Liebeskummer leidet, treffen Schlagzeuger Stephan „Stoppel“ Eggert im Weinladen, begleiten Gitarrist Christian Neander auf seinem Weg über die Berliner Oberbaumbrücke und lassen uns von Bassist Leo Schmidthals mit auf eine psychedelische Reise nehmen.
Nun hat die Wartezeit endlich ein Ende. „Myriaden“, das achte Studioalbum des Hamburger Quartetts, darf in das Licht dieser aus den Fugen geratenen Welt blinzeln. Kein Wunder, dass sich ein starker gesellschafts- und klimapolitischer Ansatz wie ein roter Faden durch die Texte zieht, den Jan Plewka so erklärt: „Wir haben Briefe an die Regierung geschrieben, sind aufgetreten, als Berlin blockiert wurde, und gehen eigentlich zu jeder Fridays-for-Future-Demo. Als wir dann mit der Arbeit an dem Album begannen, ging es in unserem Proberaum kaum um andere Themen als die Klimakatastrophe und den aufkommenden Faschismus“. Auch der Albumtitel kann als deutlicher Hinweis auf die Adressaten dieser Themen interpretiert werden. Myriaden kommt aus dem altgriechischen und steht meist für eine unzählbare Menge. Die Myriade hält sich aber auch in Metaphern wie „die oberen Zehntausend“.
Zwei Jahre lang haben Selig an dem Album geschrieben. Am Ende hatten sich 96 Songs, Ideen und Skizzen angesammelt, von denen es Zwölf auf „Myriaden“ geschafft haben. Die bisherigen Singleauskopplungen ließen bereits erahnen, dass sich die Band musikalisch dabei auf durchaus ungewohntes Terrain wagt. Gleich zu Beginn wirft der Opener „Süßer Vogel“ einen beschwingten Rückblick auf eine sorglose Jugendzeit. Das Stück versprüht ein wenig ZDF-Hitparaden-Flair (was nicht despektierlich gemeint ist). Es folgt das beschwörende und düstere „Alles ist so“ mit einem allerdings hoffnungsvollen, fast schon euphorischen Ausklang. Der wunderschöne Titelsong beginnt eher verhalten und schwingt dann das Tanzbein, bevor es mit „Spacetaxi“ erstmals gewöhnungsbedürftig wird. Das Stück ist… nun ja, spacig und erinnert an die (Vorsicht! Wortspiel!) seligen NDW-Zeiten Anfang der 1980er Jahre.
„SMS K.O.“ ist dagegen eher unspektakulär, bevor „Angesicht zu Angesicht“ jede Menge Flitter, Drama und Bombast bietet. In „Selig“ ist die Band erstmals komplett von der Leine gelassen und zelebriert dreckigsten Rock mit Punkeinschlag. Wenn wir wieder auf Konzerte gehen dürfen, dann werden wir bei diesem Stück schwitzen, gröhlen und unser Bier auf Ex trinken. Selig sei der Augenblick! „Paradies im Traumrausch“ blubbert so psychedelisch vor sich hin wie eine Lava-Lampe. „Postkarte“ weckt Erinnerungen an den Selig-Klassiker „Regenbogenleicht“, inklusive Vinylgeknister und einem Traum aus Gitarre, Geige und Cello. Es folgt der vielleicht einzige typische Selig-Song auf dem gesamten Album: „So lang gewartet“, ein hymnisches Stück Popmusik. „Zeitlupenzeit“ kommt als fluffig-leichter Kopfnicker um die Ecke, bevor „Du“ den Albumreigen beschließt. Eine Ode an die Liebe, die nur etwas durch den Peter Maffay-Gedächtnisrefrain geschmälert wird. Im Ergebnis ist „Myriaden“ ein überaus abwechslungsreiches und spannendes Album, mit dem die Hardcore-Fans jedoch vermutlich erstmal Berührungsängste haben werden.
Textlich geht Jan Plewka dabei gewohnt in die Tiefe: „Es geht wieder mal um alles: um Planeten, Displays, unendliche Weiten, Reisen in den Space, die Sicht von oben, Weiblichkeit, mystische Geschichten, Nostalgie, Gedenken an die, die von uns gegangen sind, und darum, den Augenblick zu sehen. Und natürlich geht es auch um die Höhen und Tiefen der Liebe.“ „Myriaden“ ist ein Aufruf für mehr Engagement, aber auch für mehr Empathie und Miteinander. Es ist politisch und gleichzeitig so menschlich, wie es auch Selig schon immer waren. Die Band benennt zwar klar und deutlich, was ihr gegen den Strich geht, aber das Album kommt dabei nicht wütend oder gar resigniert rüber. Denn es schwingt immer die Hippie-Hoffnung mit, dass wir das Ruder noch herumreißen können.
Alles, was man so sehr vermisst, wird besonders wertvoll. Das gilt im Fall von Volbeat für Fans und Band gleichermaßen: Es ist das hautnahe Liveerlebnis. Bei Rock am Ring 2020 hätte es so sein sollen. Leider Fehlanzeige. Die Hoffnung steht auf Juni 2021 – doch mit großen Fragezeichen. So muss man sich mit einem formidablen Livealbum aushelfen. „Rewind, Replay, Rebound – Live in Deutschland“ heißt das gute Teil.
Der Titel bezieht sich zum einen auf das aktuelle Album der dänischen Band mit Sitz in Kopenhagen, zum anderen auf die besondere Liebe zu dem Land, in dem sie so große Erfolge feiert: „Das deutsche Publikum nimmt schon immer einen besonderen Platz in unserem Herzen ein. Die Fans haben uns von Beginn an großartig unterstützt, und sie tun es noch. Mittlerweile sind wir zu ihren Fans geworden“, sagt Fronter Michael Poulsen. Deutschland ist ihre zweite Heimat geworden.
Der vorliegende Mitschnitt auf 2 Silberlingen wurde an verschiedenen Konzertorten der 2019er Tour aufgenommen – damals, als die Welt noch in Ordnung war. Stuttgart, Köln und Hamburg sind dabei. Bei zwei Songs wurde gar geschummelt, denn sie stammen aus Prag bzw. Denver.
Dass es ein zusammengestückeltes Konzert ist, fällt aber an keiner Stelle auf. Die Band weiß ihr Publikum in jeder Arena in gleicher Weise mitzureißen. Und das enthusiastische Publikum hört sich überall gleich an.
Die Reise geht über 15 Volbeat-Jahre, wobei der Schwerpunkt auf den drei letzten Erfolgsalben liegt. Immer noch düster und metallisch, aber mehr erzählend – im besten Tarantino-Sinn. Der hardrockende Retrofaktor kommt dabei live hervorragend rüber. Und die Fans grölen auch Cashs „Ring Of Fire“ begeistert mit. Insgesamt 27 Hits und Klassiker erfreuen das Fanherz. So geht purer Rock’n’Roll.
Das Album gibt es physisch als 3LP „Live in Deutschland“, als 2CD „Live in Deutschland“ und als Bonus für alle, die das aktuelle Album noch nicht im Schrank haben: 2CD „Rewind, Replay, Rebound“ + Best of „Live in Deutschland“ mit 16 von 27 Songs des Livealbums.
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Mit ihrem aktuellen Album „Kompass zur Sonne“ haben In Extremo im Mai ihr 13. Studioalbum veröffentlicht und direkt Platz 1 der Albumcharts erobert. Jetzt legt die Band eine „Extended Version“ des Albums nach und bringt ein Doppelalbum mit insgesamt 32 Songs (inkl. Livealbum) auf den Markt. Dazu gibt es den neuen Song „Ewig sein“ als Single.
“Kompass zur Sonne” gehört definitiv zu den stärksten Werken der Band. Das Album liefert ein optimistisches Motto in wirren Zeiten. Schmissige Refrains, dazu Dudelsack, Leier und Schalmei zu bisweilen harten Gitarrenriffs. So lassen wir uns gern Geschichten erzählen über „Troja“ und das „Narrenschiff“. Eine Überraschung ist sicherlich „Wer kann segeln ohne Wind“ – ein schwedisches Traditional, das stilecht vom Amon Amarths Johann Hegg eingegrowlt wird.
Neben den 14 Songs der ursprünglichen Ausgabe vom Mai wird mit dem wunderbar brachialen Rockstück „Ewig sein“ ein völlig neuer Song präsentiert, der sich flott und eingängig in die Tracklist einfügt. Von „Wer kann segeln ohne Wind“ gibt es zusätzlich eine Variante ohne den Vokalbeitrag von Johan Hegg und bei der ergreifenden Klavier-Version von „Schenk nochmal ein“ greift niemand geringeres als Götz Alsmann in die Tasten.
Die größte Freude dürfte den Fans aber die Bonus-CD bereiten, denn sie enthält den kompletten In Extremo-Auftritt beim „Wacken World Wide“-Festival, das Ende Juli, Anfang August 2020 wegen der Corona-Pandemie online als Live-Stream über die Bühne gehen musste. Auch wenn kein Publikum dabei sein durfte, legte die Band doch einen begeisternden Gig hin.
Was ich etwas nervig finde: Man hat beim Livealbum wie in einer zweitklassigen Pro7-Show ein jubelndes Publikum vom Band eingespielt. Das sorgt zwar für Live-Feeling am CD-Player, entspricht aber nicht der objektiven Wahrheit. In Zeiten der Pandemie muss es auch mal ungewöhnliche Livealben geben – ohne Publikum – so wie beispielsweise Nick Cave das vorgemacht hat. In Extremo tun sich und ihren Fans hier keinen Gefallen, finde ich. Aber zur Ehrenrettung sei gesagt: Wenn man die Hintergründe nicht kennt, hört sich das Publikum sehr echt an.
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In ihrer beeindruckenden Karriere hat Joy Denalane es immer geschafft, das Publikum mit emotionalen, authentischen und lebensnahen Songs in den Bann zu ziehen. Mit „Let Yourself Be Loved“ hat sie jetzt ihr definitives Soul-Statement aufgenommen. Es geht um Liebe – ganze vier Songs tragen sie schon im Titel. Nicht nur romantische Liebe, auch um die Liebe zu Freunden, Familie und zu sich selbst. Ein musikalisches Statement, auf dem Denalane souverän alle Stränge ihres bisherigen Wirkens zusammenführt.
Zum ersten Mal veröffentlicht eine deutsche Künstlerin ein Album beim legendären Motown Label. Und dessen Einfluss ist deutlich hörbar. Die Sängerin aus Berlin-Schöneberg klingt, als sei sie in Detroit musikalisch sozialisiert worden. Ihre deutschsprachigen Stücke der letzten Jahre haben mir ausgesprochen gut gefallen, doch wenn man jetzt die englischsprachigen Songs hört, muss man ihr zugestehen, dass sie sich hinter Soul-Größen wie Aretha Franklin und Diana Ross nicht zu verstecken braucht.
Die jazzigen Arrangements, oft mit Bläsern versehen und rhythmisch sehr prägnant, laden zu einer nostalgischen Reise in die Zeit der großen Melodien und der großen Stimmen ein. Joy Denalane hat ihren Traum eines echten Soulalbums mit Herzblut und viel Enthusiasmus umgesetzt. Das Ergebnis klingt stilistisch absolut gelungen und alle Songs atmen den Geist von Motown – Mission erfüllt!
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Was haben Lewis Capaldi und Ed Sheeran gemeinsam? Neben der Herkunft aus Großbritannien sicher die Tatsache, dass sie optisch wie der nette Typ im Pub nebenan wirken. Und dass sie einfach unheimlich intensive und tiefgehende Singer-/Songwriter-Musik machen.
Capaldi ist einer der absoluten Shootingstars der letzten Jahre und hat mit seinem Album “Divinely Uninspired To A Hellish Extent” Musikgeschichte geschrieben! Jetzt hat der Brite eine neue EP veröffentlicht: Auf „To Tell The Truth I Can’t Believe We Got This Far“ präsentiert Lewis Capaldi eine Auswahl an Live-Favoriten.
Ganz vorne mit dabei sind die beiden UK-Nummer 1-Hits „Someone You Loved“ und „Before You Go“. Herz-Schmerz-Balladen voller Melancholie und tiefer Emotionen. Die einfachen Arrangements wirken in den Liveversionen noch ein Stück intensiver. Egal ob er seine Songs vom Dach des Capital Records Gebäudes in Hollywood in die Nacht schmettert oder das Publikum bei den BRIT Awards 2020 betört.
„Forever“ gibt es in einer akustischen Version live aus Edinburgh und „Hollywood“ sowie „Headspace“ als Ergebnis einer balladesken Studiosession. Besonderes Schmankerl ist aber Capaldis zunächst verträumte, dann aber zunehmend aggressive Version des Soundtrack-Hits „Shallow“, den er mindestens so energetisch interpretiert wie Lady Gaga im Duett mit Bradley Cooper.
Wer den Schotten erst neu für sich entdeckt, der liegt mit dieser digitalen EP zum Einstieg ganz gut. Die vorläufige Essenz einer einzigartigen Karriere.
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Wer die Karriere von Wincent Weiss verfolgt, der sich in drei Jahren und zwei Alben vom One-Hit-Radiowunder zum Arenen füllenden Star gemausert hat, erkennt, dass dieser alles richtig macht und einen erfolgreichen Karriereplan verfolgt. Ob gewollt oder nicht – es gibt keine halben Sachen.
2019 war ein ganz besonders Jahr: Mit dem Ende März veröffentlichten zweiten Album „Irgendwie Anders“ konnte der Popstar seine Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre ohne Unterbrechung fortsetzen. Das Album schoss direkt auf Platz 2 der Deutschen Album-Charts, die Singles „Kaum Erwarten“ und der jüngst veröffentlichte Track „Einmal im Leben“ avancierten zu Dauerbrennern in den Radiocharts und Playlisten.
Zum Album muss man nicht mehr viel sagen. Ich habe zwei Kids im frühen Teenie-Alter. Klar also, dass es seit einem Jahr Dauerbrenner im Auto und im Wohnzimmer ist. Den Mehrwert bietet jetzt eine live-CD mit 11 Titeln. Das ist natürlich kein kompletter Konzertmitschnitt, aber die Scheibe enthält die Highlights von einer formidablen Tour. Wincent hat die Arenen der Republik im wahrsten Sinn des Wortes abgefackelt – „Feuerwerk“!
Leider wurden seine sympathischen Ansagen raus geschnitten, aber man spürt die Energie des Konzerts, das bei der ausverkauften Show in der Barclaycard Arena in Hamburg zum Tourabschluss aufgezeichnet wurde. Der effektvolle Start mit „Kaum Erwarten“. Das anklagende “1993” gerichtet an seinen Vater, den Wincent nie kennen gelernt hat. Der Stopptanz mit dem Publikum zu “Was machst du nur mit mir”. Hits wie „Musik sein“, „Frische Luft“, „An Wunder“ und zum Abschluss „Feuerwerk“. Er ist einfach ein perfekter Entertainer. Johannes Oerding als Special Guest ist ein zusätzliches Highlight.
Als Fazit muss ich sagen, dass mir ein komplettes Livealbum (am liebsten mit DVD) natürlich lieber gewesen wäre. Doch ein halbes Konzert ist besser als nix. Die Songauswahl ist jedenfalls sehr gelungen. Wer das Album schon im Besitz hat, überlegt sich natürlich, ob er es ein zweites Mal kaufen muss. Elf Titel einzeln als Download kosten fast soviel wie die Doppel-CD. Das ist halt die Krux mit solchen Aktionen. Wer aber das Album noch nicht besitzt, hat jetzt keinen Grund mehr zu zögern.
Der junge schottische Sänger und Songwriter Lewis Capaldi ist einer der erfolgreichsten Newcomer des Jahres 2019. Mit seiner Single „Someone You Loved“ eroberte er im Frühjahr schon die Spitze der UK-Charts und auch bei uns hält sich der Hit hartnäckig in den Playlists vieler Radiosender. Sein im Sommer erschienenes Debütalbum „Divinely Uninspired To A Hellish Extent” kommt nun passend zum Weihnachtsgeschäft nochmal als Extended Edition mit drei zusätzlichen Songs heraus.
Wer Lewis Capaldis Album kennt, weiß, dass der Schotte keine Gute-Laune-Musik macht, sondern in seinen Songs vielmehr allen Schmerz verarbeitet, den er in seinem jungen Leben jemals erfahren hat. Jeder einzelne Titel ist voll tiefer Emotionen, und die meisten erzählen vom Zerbrechen einer Beziehung – allen voran natürlich das herzzerreißende „Someone You Loved“, aber auch „Bruises“ oder „Hollywood“ beklagen das Ende einer großen Liebe. Ein wenig Hoffnung mischt sich noch in das flehende „Grace“, und „Fade“ ist der verzweifelte Versuch, etwas eigentlich schon Verlorenes noch festzuhalten. In „One“ nimmt Lewis dann allerdings mal die Rolle des Trösters ein, der von den Fehlern eines vorherigen Liebhabers profitiert.
All diese Songs funktionieren mit einfachen Arrangements, die Lewis Gesang in den Vordergrund stellen, der mit seiner unglaublich intensiven Emotionalität einfach tief berührt. Auch die neuen Stücke fügen sich perfekt ins Gesamtkonzept ein. „Before You Go“ ist eine Herzschmerz-Ballade mit gefühlvoller Gitarrenbegleitung, in der sich Lewis wünscht, seine Fehler wieder gut machen zu können, und mit „Leaving My Love Behind“ wendet er sich verzweifelt an eine geliebte Person, die im Begriff ist, ihn zu verlassen. Der etwa schwungvollere Abschlusstitel „Let it Roll“ schließlich ist ein Appell, bedingungslose Liebe einfach anzunehmen und zuzulassen.
Man kann Lewis Capaldi vielleicht mangelnde stilistische Abwechslung vorwerfen – aber wer sich von seinen Liedern berühren lässt, wird sich daran kaum stören. Und wer selbst Liebeskummer hat oder auch einfach nur mal einen melancholischen Tag, kann sich in Lewis Songs fallen lassen wie in ein schönes warmes Bad. Eine kleinen Punktabzug gibt es allerdings für die Gestaltung des Booklets. Winzige rote Schrift auf schwarzem Grund spiegelt vielleicht die Grundstimmung der Albums, trägt aber leider nicht zur Leserlichkeit der Lyrics bei, die durchaus lesenswert sind.
Das Album „Athen“ hat Max Herre auf eine Reise geschickt: im Kopf, im Studio und auch in dem Kurzfilm, der das Album begleitet und einige seiner zentralen Momente in Bilder fasst. Die Bucht von Vathy, das Haus eines Familienfreundes, der verlassene Flughafen. Die Auseinandersetzung mit dem Vater und der Mutter, die Biografie des Onkels aus Athen, die Begegnung mit dem ältesten Sohn und die Beziehung mit der Frau seines Lebens. „Athen“ ist eine ganz und gar einzigartige Platte: weil sie sich aus Erinnerung speist und dabei radikal frisch klingt.
Der Rapper, Singer/Songwriter und Produzent hat gemeinsam mit seiner Frau Joy Denalane Soul und Seele in den deutschen HipHop gebracht. Voll Wehmut denkt man oft noch an Freundeskreis‘ „A-N-N-A“ zurück, das die ursprüngliche Band des Stuttgarters in den Rap-Himmel katapultierte. Er ist kein Freund von Schnellschüssen. Nach dem letzten Freundeskreis-Studioalbum ließ er sich fünf Jahre Zeit für das erste Soloalbum. Das letzte (dritte) Solowerk erschien vor sieben Jahren: Auf „Hallo Welt“ verband ein wegweisender Musiker und Texter sein eigenes Erbe mit den Zeichen der Zeit.
„Athen“ aber scheint sein bisher persönlichstes Album zu sein. Und er bringt die nachdenklichen und autobiographischen Texte mit seiner näselnden, entspannten Stimme so intensiv an den Hörer, dass man nur chillen und ihm nachhorchen möchte. Mit melancholischer Erzählstimme berichtet er von Reisen und Ereignissen, erzählt Anekdoten und beschreibt Momente, die sein Leben verändert haben. Die atmosphärischen Melodielinien gehen weniger stark ins Ohr als Max‘ Gesangsstimme, aber sie schaffen das musikalische Ambiente, um seine Lebenswelt zu beschreiben. Die leisen Töne machen ihn aus – eine Mischung aus Rap, Soul und Funk.
Dass es mal wieder einige Features gibt, muss man wohl gar nicht erwähnen, denn nicht nur das „MTV unplugged“ zeigte seine Vernetzung in der Popwelt. Dabei sind unter anderem Trettmann, Megaloh, Yonii und natürlich seine Liebste Joy Denalane am Start. „Das Wenigste“ beschreibt ein Paar, das einen langen Weg zurückgelegt hat und noch immer Seite an Seite geht.
In der zweiten Albumhälfte wird es politisch. Für den Anti-Nazi-Song „Dunkles Kapitel“ hat er eine illustre Riege von Rapkollegen mit dabei. „Sans Papiers“ beschreibt eindringlich den Flüchtling ohne Identität im fremden Land. Das Double „Fälscher“ und „Konny Kujau“ beschäftigt sich auf spannende Weise mit Realitäten und Originalitäten.
Max Herre bietet Popmusik für Erwachsene. „Athen“ ist ein Gesamtkunstwerk – vom Albumcover bis hin zu den Videos.
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Wir müssen uns wohl daran gewöhnen, dass erfolgreiche YouTuber beim Fan-Nachwuchs eine solche Vorarbeit leisten, dass ein Debütalbum ohne Umschweife direkt auf Platz 1 chartet. So unlängst geschehen bei Shirin David, die als Rapperin und Sängerin einen YouTube-Kanal betreibt, dem 2,5 Millionen Abonnenten folgen.
Barbara Shirin Davidavicius (so heißt die junge Künstlerin bürgerlich), ist als Tochter einer litauischen Mutter und eines iranischen Vaters in Hamburg geboren. Was man nach den ersten Höreindrücken nicht unbedingt glaubt: Sie hat eine Ausbildung in Gesang, Schauspiel und Tanz, spielt zudem Klavier, Geige und Oboe. Erfolgreich wurde sie aber nicht allein durch diese musikalischen Qualitäten, sondern durch ihr freizügiges Auftreten in den sozialen Medien.
Wenn es nur eine Figur ist, die sie darstellt, tut sie dies ziemlich authentisch. Der Albumtitel „Supersize“ bezieht sich doch recht deutlich auf ihre Oberweite und das Cover zeigt sie den Käufern unverblümt nackt.
Man täte ihr jedoch Unrecht, würde man den Erfolg auf Äußerlichkeiten reduzieren. „Supersize“ ist ein hervorragend produziertes Rap-Album mit gutem Flow und einer starken Rapperin. Die erinnert an die seligen Zeiten von Sabrina Setlur (Schwester S.) in den 90ern, die den weiblichen deutschsprachigen Rap hoffähig gemacht hat. Nicht von ungefähr ist eines der bekanntesten Shirin-Videos ein Cover von „Du liebst mich nicht“.
Der enorme Bekanntheitsgrad trägt es mit sich, dass Xavier Naidoo als Feature mit an Bord ist („Nur mit dir“) und damit Setlurs ehemaliger Backgroundsänger. Auch der kongolesische Rapper Maître Gims steht als Duettpartner zur Verfügung („On Off“). An allen Titeln hat Shirin selbst mitgeschrieben – sieben sind inzwischen als Singles erschienen.
Der Gesamteindruck ist besser, als ich befürchtet hatte. Etwas Soul und R’n’B würzen die soliden Rapsongs, die sehr poppig daherkommen und sich den üblichen Themen der Influencerin widmen (Spoiler: Männer kommen nicht immer ganz gut weg).
Größtes Manko ist in meinen Augen die CD-Verpackung. Die kommt nämlich genauso nackt an wie die Künstlerin. Tracklist aufgedruckt, ein Aufkleber mit den nötigen Credits, sonst nix. Kein Cover, kein Booklet – nada. Schade, denn wenn man die Promofotos sieht, hätte es hier doch einiges anzuschauen gegeben. Und die Lyrics sind wirklich nicht so, dass man sie verstecken müsste.
„Norman Fucking Rockwell!“ ist ein verbaler Ausbruch, den man der stets melancholisch angehauchten Sängerin in dieser Form nicht zugetraut hätte. Doch keine Sorge: Stilistisch bleibt sie sich auch auf dem sechsten Studioalbum absolut treu. Warum sollte sie sich auch ändern? Die getragenen Vocals passen perfekt zu den zerbrechlichen Songs voller filigraner Details.
Psychedelisch, verträumt und romantisch hangelt sie sich von Stück zu Stück, wobei die Melodien fast ineinander fließen. Einige Songs erzählen vom Ende der Welt oder vom Ende einer Beziehung, andere vom neu Verlieben und vom Älterwerden. An allen Stücken hat Lana del Rey mitgeschrieben, mit Ausnahme von „Doin’ Time“, das von der Band Sublime stammt und auf Gershwins Arie „Summertime“ aus „Porgy and Bess“ basiert.
Wenn man sich Zeit nimmt für das Album, wird man immer wieder Neues entdecken – auf die Gefahr hin, ganz in die düstere Welt der Lana del Rey hinein gezogen zu werden. Die Musik ist definitiv nichts für fröhliche Autofahrten, doch für die herbstlichen Kaminabende mit einem Glas Rotwein, die zwangsläufig in Kürze kommen werden, ist es bestens geeignet. Ich habe selten ein Album erlebt, das durchgängig solche Atmosphäre schafft.
Auf dem Albumcover sieht man die Sängerin übrigens mit dem Enkel von Jack Nicholson. Namensgeber für das Album ist der US-amerikanische Maler und Illustrator Norman Rockwell. Er wurde verachtet, weil seine düsteren Bilder nicht dem heiteren Zeitgeist entsprachen. Damit schlägt sich der Bogen zu Lana del Rey, die mit ihrem morbiden Charme kokettiert. „Norman Fucking Rockwell!“ jedenfalls ist ein Meisterwerk!
Bekannt wurde Aurora Aksnes durch ihr Lied „Running With The Wolves“. Der Erfolg ihre Debütalbums „All My Demons Greeting Me As Friends“ im Jahr 2016 war überwältigend. Ihre Musik traf einen Nerv bei Außenseitern, Lichtwesen und selbst im Mainstream, was ihr endlose Touren und TV-Auftritte bescherte.
„Infections Of A Different Kind – Step 1“ erschien dann überraschend im Herbst 2018, „A Different Kind Of Human – Step 2“ komplettiert die Saga. Während Teil 1 gleichzeitig Verhängnis und Verderben, Erhabenheit und Begierde miteinander verwob, lassen die neuen Songs keinen Zweifel mehr daran, dass Aurora entweder erleuchtet oder schlichtweg außerirdisch ist.
Auroras Stimme erinnert mich ungemein an die ihrer Landsfrau Maria Mena. Auch im Stil der Produktion erkenne ich Anleihen an deren Album „Growing Pains“. Hinzu kommen die Koloraturen und die schnellen vokalen Läufe. Allein die elektronischen Elemente drängen sich bisweilen sehr in den Vordergrund. Das ist schade, wird aber in den ruhigen Stücken wie „Dance On The Moon“ schnell wieder wett gemacht.
„Daydreamer“ ist wundervoll rhythmisch verziert und baut sich zur großartigen Hymne auf. „Hunger“ erklingt in einer gewöhnungsbedürftigen Gesangslinie wie bei den großen Werken von Björk. Und Songs wie „Soulless Creatures“, der Titelsong „A Different Kind Of Human“ und der Abschluss „Mothership“ sind so sphärisch verspielt und ganz auf Auroras Stimme zugeschnitten, dass man ihr das außerirdische Konzept ohne Zweifel abnimmt.
Aurora legt hier ein absolut ungewöhnliches Album vor. Sie verlässt die ausgetretenen Pop-Pfade und macht ihr Album zu einem filigranen Erlebnis voller spannender Ideen. Alles klingt wundervoll mystisch und skandinavisch. So beschert sie uns eine betörende Reise in ihre ganz eigene Welt.