Wie seit Jahrzehnten feierten Guildo Horn & die Orthopädischen Strümpfe das Abschlusskonzert ihrer Weihnachtstournee in der Europahalle Trier, der Heimat des Meisters. Seht hier unsere Fotogalerie vom 22.12.2024 – Credit: Simon Engelbert, Photogroove.
Matthias Reim gehört nicht zu den Sängern, die sich auf ihren alten Erfolgen ausruhen. Obwohl der Millionenseller „Verdammt ich lieb dich“ seit dem Solo-Karrierestart 1990 unerreicht ist, bringt er seit dieser Zeit unermüdlich und in steter Regelmäßigkeit neue Alben auf den Markt, die zwar immer einen Hauch Schlager in sich tragen, aber durchaus eine rockige Attitüde liefern. Dazu trägt seit langem eine formidable Band bei, die live immer wieder ein besonderes Erlebnis ist – so auch am 7. Dezember in Trier, wo man für die aktuelle „Zeppelin“-Tour groß aufgefahren hatte.
Die SWT Arena war sehr gut gefüllt, mit einem extrem großen Front of Stage-Bereich, weiteren Stehplätzen in der Halle und Sitzplätzen auf den Rängen. Besonders gefiel mir die prominent angebrachte „Rolli-Tribüne“, bei der die Gäste mit Beeinträchtigungen wirklich mitten im Geschehen waren und mitfeiern konnten.
Das Konzert startete mit „Zeppelin“, dem Titelsong des aktuellen Albums. Um die Stimmung anzuheizen gab es ein Medley älterer Stücke, wobei „Ich hab‘ geträumt von dir“ den meisten Raum einnahm und ordentlich abgefeiert wurde. Der inzwischen 67jährige Künstler ist stimmlich voll auf der Höhe und musste sich keineswegs hinter seiner Band und den Backgroundsänger*innen verstecken. Die Setlist zog sich durch alle Jahrzehnte seines Musikschaffens – und man muss Matthias zu Gute halten, dass er immer wieder neue Lieder kreiert, während es manchen Kollegen ausreicht, von Schlagernacht zu Ballermann-Party zu tingeln. In seinen Ansagen wurde deutlich, wie viel Spaß es dem Nordhessen macht, mit eigenen Songs für ein komplettes Konzert auf der Bühne zu stehen.
Das Publikum war bunt gemischt aus allen Altersgruppen. Es dankte ihm die fulminante Show mit viel Enthusiasmus und schon ab dem vierten Song „Ich hab‘ mich so auf dich gefreut“ stand man auch in den Rängen. Wenn dann der „Trierer Jung“ Michael Brettner, bekannt als Bretti, ein Gitarrensolo einlegte, war kein Halten mehr und er wurde ebenso lautstark abgefeiert wie Matthias Reim selbst.
Im Backgroundchor fand sich neben zwei Sängerinnen zudem auch Julian Reim, der Sohn des Meisters, der inzwischen selbst im Schlagermetier zuhause ist und vor zwei Jahren das Album „In meinem Kopf“ rausbrachte. Vater und Sohn leben mit ihren Familien am Bodensee und haben genügend Zeit, neue musikalische Taten auszuhecken. In Trier bekam Julian im ersten Teil einen Solopart mit dem Titel „Eine Welt entfernt“. Dann übernahm wieder Matthias, der neben den lauten Titeln auch nachdenkliche Stücke wie „Im Himmel geht es weiter“ und „Einsamer Stern“ interpretierte.
Klar – Matthias Reim ist im Schlager verwurzelt. Spätestens wenn die obligatorischen Dancefloor-Keys und der Beat einsetzen, kommt man nicht umhin, dies zu bemerken (sei es nun anerkennend oder bemängelnd). Es gibt kaum einen Musiker, der das Genre Schlager/Deutschrock in den vergangenen drei Jahrzehnten so entscheidend mitgeprägt hat wie Matze. Seine legendäreren, zeitlosen Song dürfen auf keiner Party fehlen und werden von Generationen textsicher mitgesungen. Und live wirken sie noch stärker.
Nach einer Stunde gab es eine kurze Pause. Danach ging es mit „Dieses Herz“ weiter. Wieder gab es Rockschlagermusik vom Feinsten. Selbst der kleine Akustikpart in „Ich bin nicht verliebt (unverwundbar)“, bei dem Matthias selbst zur Gitarre griff, zeigte die Band in wundervoller Spiellaune und schaffte eine heimelige Bühnenatmosphäre. Die Ballade „Wer nie durch Scherben ging“ erzählte von persönlich schwierigen Zeiten. Und dann war es Zeit für das Vater-Sohn-Gespann, die im Duett sehr passend „Pech und Schwefel“ sangen. Den Solosong „Euphorie“ übernahm Julian dann wieder alleine.
Zum Ende des regulären Sets wurde erneut eine geniale Rockshow aufgefahren. Die Gitarren waren stets im Vordergrund und lieferten gemeinsam mit Drums und Keyboard ein starkes Brett ab. „Sowieso (Für dich das Letzte)“ und „Nächsten Sommer“ ließen auch die letzten Fans mitrocken und tanzen.
Der 20minütige Zugabenblock startete um 22.15 Uhr. Da war man schon über zwei Stunden auf der Bühne. Und bis zum großen Finale gab es mit „Hallo, ich möcht‘ gern wissen wie’s dir geht“ und „Du Idiot“ noch zwei Publikumslieblinge. Aber ein Song fehlte noch, der jedes Konzert der aktuellen Tour (und vieler Touren vorher) beenden muss. Matthias machte es spannend, indem er zunächst seinem Gitarristen die Bühne überließ und ihn als Trierer vorstellte: „Das ist deine Stadt, Hier kommst du her. Also mach sie fertig, Bretti“. Dieser ließ sich auch nicht lumpen und zeigte mit einem floydesken Solo sein Könen.
Dann endlich die Erlösung mit „Verdammt, ich lieb‘ dich“ in einer gitarrenlastigen Rockversion. Es ist immer schön, Matthias Reim mit verrauchter Stimme und den bekannten Textzeilen zu hören, wobei er das Stück jedes Mal zu etwas Besonderem macht. Er ist es ebenso wenig leid wie sein Publikum – und das ist ein gutes Zeichen zum Abschluss eines perfekten Konzertabends.
Zeppelin
Medley inkl. Ich hab‘ geträumt von dir
Echte Helden
Ich hab‘ mich so auf dich gefreut
Was ist nur los?
Ich liebe dich
Ganz egal
Der doch nicht
Eine Welt entfernt – Julian Reim
Blaulicht
Im Himmel geht es weiter
Tief in mir
Einsamer Stern
Dieses Herz
Lebenslänglich
Bon Voyage
Ich bin nicht verliebt (unverwundbar)
Wer nie durch Scherben ging
Pech und Schwefel – Matthias und Julian Reim
Euphorie – Julian Reim
Küssen oder so
Sowieso (Für dich das Letzte)
Träumer
Nächsten Sommer
Hallo, ich möcht‘ gern wissen wie’s dir geht
Du Idiot
Verdammt, ich lieb‘ dich
Tausendsassa Olli Schulz war in der Europahalle Trier. Was hat der Musiker nicht schon alles gemacht? Indierock mit Olli Schulz und der Hund Marie, Sidekick für Joko & Klaas, seit zwölf Jahren ein Podcast mit Jan Böhmermann – und seit 2009 die Solokarriere, die beim letzten Album „Am Rande der Zeit“ mit einem Spitzenplatz in den deutschen Charts gekrönt wurde. Dabei ist Olli Schulz einfach grundsympathisch. Schließlich kommt es nicht oft vor, dass ein Künstler seinen Support persönlich ansagt und damit enorm aufwertet. In Trier erschien Olli pünktlich um 20 Uhr auf der Bühne, ließ den Applaus abebben und bat um Aufmerksamkeit für die junge Sängerin Morea.
Natürlich wurde es in der nächsten halben Stunde nochmal laut in der Halle und manche Zuschauer*innen übten sich lieber in Smalltalk, als der sanft und schüchtern auftretenden Interpretin zuzuhören. Schade, denn es wurde wirklich ein wunderschöner Set geboten, der Soul und Jazz im Retro-Style lieferte. Morea sang zunächst allein mit akustischer Gitarre und wurde am Schluss von ihrem Vater per Steel Guitar begleitet. Es war ein berührender Moment, als sie ihn als ihren Mentor vorstellte und die beiden sich nach dreißig Minuten unter großem Applaus verabschiedeten.
Nach kurzer Umbaupause startete Olli Schulz mit „Wenn die Music nicht so laut wär’“, einem Klassiker von Olli Schulz und der Hund Marie. Er war in Plauderlaune und machte sich erst einmal über die „Schulaula“ als Veranstaltungsort lustig, bevor er nachhörte, ob alle ihr Popcorn bekommen hatten, das im Foyer kostenlos verteilt wurde. Aber es war nicht alles locker-flockig. In „Falsch erzählt“ geht es um Fakenews und sogenannte Influencer bekommen ebenfalls ihr Fett weg („Da bleib ich lieber depressiver Indierocker“).
Mit dem warmherzigen „So schreibt man seinen Song“ hielt Olli ein Plädoyer für die Musik, schwärmte von Musikrichtungen, musikalischen Biographien und der Magie von Plattenläden. Trier war der „kleinste Laden auf der Tour“ und erfreute sich wahnsinnig an den prägnanten Songs mit klarer Botschaft: „Dann schlägt dein Herz“, das wundervolle „Als Musik noch richtig groß war“ und das Leben als Freigeist in „Schrecklich schöne Welt“. Neben diesem Indiepop gab es auch den NDW-geprägten Song „Phase“.
Roadie Lampe, der gerade selbst als Musiker in den Startlöchern steht, ersetzte Ina Müller im Duett bei „Stadtfest in Bonn“. Es gab einige Songs vom aktuellen Album, aber auch weitere Klassiker wie „Rückspiegel“. Im Lauf der Konzerts verwandelte sich die Atmosphäre vom Independent-Songwriting hin zum großen hymnischen Rock, denn auch dieses Metier beherrscht Olli Schulz in großen Songs wie „Einfach so“ und „Wenn es gut ist“.
Humorvoll, melancholisch und tiefgründig war der Set bis zum Zugabenblock, der nach 80 Minuten startete. Hier zog Olli nochmal seine satirischen Register, interpretierte auf Wunsch des Publikums allein an der Gitarre „Koks & Nutten“, feierte den „Phosphormann“ und überließ Lampe die Bühne, der seinen Hit „Immer muss ich alles alleine machen“ zum Besten gab. Am Ende gab es eine grandiose Kissenschlacht zu „So muss es beginnen“ und Olli Schulz war stets darauf bedacht, dass niemand in der Halle zu schaden kam.
Das wundervolle Konzerterlebnis endete um 22.25 Uhr. Der Weihnachtsmarkt in Trier hatte jetzt auch geschlossen, doch alle waren berauscht von der Musik. Der sympathische Außenseiter hatte mal wieder abgeliefert. Fazit: weitermachen!
Setlist – Olli Schulz, Europahalle Trier, 23.11.2024
Wenn die Music nicht so laut wär’
Wachsen (Im Speisesaal des Lebens)
Falsch erzählt
Hamse nich
So schreibt man seinen Song
Passt schon!
Ab jetzt tut’s nur noch weh
Dann schlägt dein Herz
Als Musik noch richtig groß war
Schrecklich schöne Welt
Phase
Stadtfest in Bonn
Bessere Version
Rückspiegel
Einfach so
Wenn es gut ist
Koks & Nutten
Phosphormann
Immer muss ich alles alleine machen (Lampe)
So muss es beginnen
Ein Gemeinschaftsprojekt aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland, das über 25 Jahre hält – das gibt es nicht oft. Manche Politiker könnten sich ein Beispiel daran nehmen und die Fusion der Bundesländer endlich vollziehen. Die Band PASCOW, benannt nach einer Figur aus Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“, wurde 1998 von Sänger Alex und Schlagzeuger Ollo in der Nähe von Birkenfeld gegründet. Im Lauf der Zeit haben sich die Aktivitäten aber ins saarländische St. Wendel ausgedehnt, wo Sänger Alexander den bandeigenen Webshop „Tante Guerilla“ führt. Ollo hingegen ist Geschäftsführer des größten regionalen Konzertveranstalters „Popp Concerts“ in der Region Trier. Die Rufe „Saarland asozial“ aus dem Publikum waren also durchaus positiv gemeint und sind keineswegs eine Beleidigung sondern vielmehr Schlachtruf sowie Ehrerbietung für das angrenzende Bundesland.
So durfte auch bereits um 19 Uhr die Band Christmas aus St. Wendel das Konzert mit deftigem Punk eröffnen. Man hat sich vor allem im Saarland einen Namen gemacht und schon große Acts supportet. Vier Studioalben sind erschienen – das aktuelle Werk von 2020 heißt passend „Hot Nights in Saint Vandal“. Der 30minütige Gig war schrill und laut. Shouter Max Mötherfucker war kaum zu verstehen, so enthusiastisch brüllte er die englischen Lyrics ins Mikro. Auf jeden Fall ein guter Einheizer für die ausverkaufte Halle.
Mit ihrem 70er Jahre Charme ist die Europahalle ohnehin ein seltsamer Ort für ein Punkkonzert. Aber wo soll man noch hin, seit das ExHaus im unendlichen Winterschlaf liegt? Der Mergener Hof ist für PASCOW definitiv zu klein. Dort sollte später die Aftershow-Party stattfinden. Also Europahalle – das Gebäude, das normalerweise für Comedy und Mainstream vorgehalten wird. Diese war ausverkauft und mit Generationen von Punkfans gefüllt. Auch viele Kids konnte ich sehen, zum Teil noch im Grundschulalter, die von den Eltern in die Gegenkultur eingeführt wurden. Gut so!
Zweiter Support waren Berlin 2.0 aus Stuttgart. Erst vor drei Jahren gegründet glänzt hier Ausnahme-Vokalistin Elena Wolf mit ihrer sonoren Stimme. Die Songs waren schnell, rotzig und trotzdem ziemlich melodisch. Dazu kam eine gehörige Portion Hardcore, mit der vor allem die Stücke des aktuellen Albums „Scherbenhügel“ dargeboten wurden. 40 Minuten lang dauerte der wilde Spaß, der mit viel Applaus bedacht wurde.
Pünktlich um 21 Uhr waren dann PASCOW am Start. Und die Lokalmatadoren hatten für ihren Tourabschluss ordentlich aufgefahren. Der Bühnenaufbau lag zunächst hinter einem Vorhang. Als Opener gab es vom Band „Blueprint“ der Rainbirds, das vom Publikum textsicher mitgesungen wurde. Dann fiel der Vorhang zu den Klängen von „Silberblick & Scherenhände“ und gab den Blick auf ein riesiges Bühnenbild frei, das einen Hinterhof zeigte. Auch die Lightshow war grandios und der Sound sowieso. PASCOW sind ganz oben angekommen, wenn ich ihren Gig mit den Konzerten der Vergangenheit im ExHaus vergleiche. Damals war alles noch rau (aber herzlich). Heute wird es zwar weiterhin wild, doch sie unterscheiden sich allein schon damit von den Vorbands, dass man Alex‘ Texte weitestgehend verstehen kann. Ein großes Plus.
Wegen der baulich bedingten Zuschauerbegrenzung der Halle konnte man trotz des Ausverkauft-Status im hinteren Bereich noch locker stehen. So waren auch die anwesenden Kinder in Feierlaune, während es vorn vor der Bühne eine gewaltige Pogo-Party mit Crowdsurfern und Circle Pits gab. Alex nahm das zum Anlass, immer wieder zur Rücksichtnahme aufzurufen. Viele Ansagen kamen aber auch von Ollo, der in Trier deutlich in Erinnerungen schwelgte.
Gastsängerin Hanna Landwehr hatte ich erst am Dienstag als Support von Alin Coen in Neunkirchen erlebt. Damals noch ganz beschaulich und akustisch. Jetzt zeigte sie ihre andere Seite und stieg zu „Königreiche im Winter“ ein, um später immer wieder das Line-up zu bereichern. Stimmlich sehr stark und im Duett mit Alex eine echte Bereicherung. Ihren Solosong „Wunderkind“ absolvierte sie mit Bravour und bot so den einzigen Ruhepunkt in einem ansonsten durchgehen stürmischen 90minütigen Set.
Highlights gab es en masse. „Wenn Mila schläft“ als Klassiker für die Fans der ersten Stunde. „Himmelhunde“ mit einem Statement gegen Trans- und Queerfeindlichkeit. „Mailand“ gegen rechte Parolen und für Anarchie. Violonistin Laura sorgte bei vielen Songs für ungewöhnliche Klänge, die ein wenig an New Model Army erinnerten.
Zu „Sturm, der durch Erlen zieht“ erzählte Ollo vom Konzert der Ramones, das vor Jahrzehnten just hier in der Europahalle stattgefunden hatte und zu dem die Brüder unbedingt herkommen wollten. Mit ÖPNV war man damals wie heute nicht gesegnet, also lieh man sich das Auto der Eltern und kurvte ohne Führerschein von Gimbweiler nach Trier. Ob sich die Anekdote wirklich so zugetragen hat? Keine Ahnung. Aber auf jeden Fall wäre sie Stoff für ein kultiges Roadmovie.
Im Zugabenblock gab es mit „Nach Hause“ einen Song fürs ExHaus. Ollo fand melancholische Worte: „Für alle, die im ExHaus groß geworden sind und alle, die nicht im ExHaus groß werden konnten“. Es ist eine Schande für Trier, dass dieses so wichtige Jugendkulturzentrum im Dornröschenschlaf liegt und regelrecht verwaist. Dass aber auch die Europahalle den (Konzert-)Geist vom ExHaus atmen kann, zeigten die Zuschauer*innen im wildesten Circle Pit des Abends. Ergänzend gab es „Daniel & Hermes“ als Hommage an alle Kulturschaffenden, die so viele Hindernisse überwinden müssen. „True love will find you“, heißt das Mantra aus dem Song, das vielen nach dem Konzert im Ohr geblieben ist.
Schluss war nach knapp 95 Minuten und 25 Songs. Punkkonzerte sind nicht episch lang, aber prägnant, solide und auf den Punkt. PASCOW haben zum Tourabschluss ein grandioses Statement abgeben, das lange in Erinnerung bleiben wird. Jetzt geht es in ein wohlverdientes Sabbatjahr nach fast zwei Jahren Dauer-Touren. Aber es bleibt zu hoffen, dass die Zeit für ein achtes Album genutzt wird. Deutschland braucht Bands wie PASCOW (und Kettcar und Love A und Turbostaat und die Beatsteaks) zur Zeit mehr denn je!
(Alle Fotos von Simon Engelbert, PHOTOGROOVE)
Setlist PASCOW, Europahalle Trier am 26.10.204
Silberblick & Scherenhände
Toulousi
Jade
Königreiche im Winter
Monde
Diene der Party
Die Realität ist schuld, dass ich so bin
Wenn Mila schläft
Himmelhunde
Herz
Tom Blankenship
Merkel-Jugend
Im Raumanzug
Marie
Mailand
Spraypaint the Walls
Kriegerin
Wunderkind
Sturm, der durch Erlen zieht
Gottes Werk und Teufels Beitrag
Mond über Moskau
Too doof too fuck
Es war ein recht nostalgischer Abend im Trierer Brunnenhof, direkt neben der altehrwürdigen Porta Nigra. KETTCAR waren endlich mal wieder in Trier und schwelgten (wie vermutlich viele Fans) in Erinnerungen ans Exhaus. Das Jugend- und Kulturzentrum wurde 2019 geschlossen und harrt seitdem vergeblich der längst fälligen Sanierung. Ob wirklich was draus wird? Man darf seine Zweifel haben, wenn man sich die marode Finanzsituation der ältesten Stadt Deutschlands anschaut.
Mit Blick aufs Publikum am 28. August waren da viele Menschen anwesend, die in den Jahrzehnten zuvor regelmäßig das Exhaus bevölkert und sicherlich ihre ganz eigene Geschichte mit Bands wie KETTCAR mitgebracht haben. Und es hatte viel Wahres, wenn Marcus Wiebusch rückblickend sagte, dass die Auftritte im Exhaus – beispielsweise ihr drittes Konzert ever als Support von TOMTE – Meilensteine in der Karriere der Band gewesen sind. Das ging den Anwesenden natürlich runter wie Öl und schaffte ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Hamburg und Trier.
Marcus und Reimer waren in bester Erzähllaune und kabbelten sich von Beginn an mit ihren Ansagen wie ein altes Ehepaar. Start war bereits um 20 Uhr ohne Vorgruppe, das die Location in der Altstadt ein Ende für 22 Uhr vorschrieb. Diese zwei Stunden wurden aber perfekt genutzt. Für Musik – aber auch, um über den Mut der Stadt zu staunen, im Wohnhaus von Karl Marx einen 1-Euro-Shop zuzulassen. Da der Brunnenhof auch in Rufweite der Karl-Marx-Statue liegt, wird der alte Herr sicher ein wenig über diese Bemerkung geschmunzelt haben.
Wiebusch erzählte gern von seiner Mama und ihrem vermeintlichen Einfluss auf die Band. Ihr wart lange nicht in Trier? Man hat euch nicht gefragt? Dann wart ihr vermutlich nicht gut genug. „Klarheit vor Harmonie“ benannte Marcus das Familienmotto. Und als es um den Song „München“ ging, wurde nochmal die Mutter herangezogen. Sollen wir so politisch werden? Ja, seid der Sand im Getriebe der Welt!
Ich liebe die fantastischen Ansagen. Mal voll skurriler Geschichten, wenn Marcus vom Proberaum unterm Swingerclub erzählt und wie er sich manchmal vorgestellt hat, dort „Balu“ auf der Minibühne zu singen, oder melancholisch, wenn es zu „Landungsbrücken raus“ immer wieder heißt: „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung“. Ja, alte Hansestadt – bewahre dir diese Hoffnung.
Was die Setlist angeht, will ich gerne auf meinen Bericht zum Konzert in Saarbrücken hinweisen. Das ist gerade mal vier Monate her und auch damals stand das aktuelle Album „Gute Laune ungerecht verteilt“ im Mittelpunkt. Lest HIER die komplette Review.
Kaum eine Band schafft es, über Jahrzehnte textlich so scharf und tiefgründig zu bleiben wie KETTCAR. Oft kommen mir deren Album wie eine Sammlung von Sinnsprüchen vor, ohne dabei irgendwie platt zu wirken. Darum hier jetzt mal eine etwas andere Setlist zum Konzert am 28.8.2024 im Brunnenhof Trier mit mir ganz subjektiv wichtigen Textzeilen wiedergeben:
Es gibt keine coole Lösung, wenn man selber das Problem ist (Auch für mich 6. Stunde) Nicht schlafen bevor wir hier heute Nacht das Meer sehen (Benzin und Kartoffelchips) Guten Morgen, Liebe meines Lebens (Rettung) Und da sah ich das Heer der leeren Flaschen auf dem Balkon verteilt (Balkon gegenüber) Nein, Werk und Autor bleiben jetzt mal schön beisammen (Kanye in Bayreuth) Du gehst tränenreich in eine höhere Liga (48 Stunden) Mein Herz ist ein totgeschlagenes Robbenbaby (München) Er nahm seinen alten Ford Granada und ward nie mehr gesehen (Sommer ’89) Frieden ist wenn alle gleich sind (Balu) Du weißt nicht wie das ist, wenn man immer eine Maske trägt (Der Tag wird kommen) Zeig mir einen dem das egal ist und ich zeig euch einen Lügner (Money Left to Burn) Zu erkennen, dass man glücklich ist, ist Kunst (Anders als gedacht) Lieber peinlich als authentisch (Kein Außen mehr) Wie aus romantischen Komödien entsprungen (Ankunftshalle) In deinem ausgesuchten Leben, vollgestopft mit Privilegien (Ein Brief meines 20-jährigen Ichs) Es ist auch nur die Angst, die bellt, wenn ein Königreich zerfällt (Im Taxi weinen) Ein letztes mal winken und raus (Landungsbrücken raus) Und nicht alle in Hamburg woll’n zu König der Löwen (Einkaufen in Zeiten des Krieges) So lang die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende (Ich danke der Academy) Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, ist es nicht normal (Deiche) Und am besten auf dich reimt sich immer noch mich (Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt)
Die altehrwürdige PORTA NIGRA in Trier wurde wieder zur wundervollen und atmosphärischen Kulisse für ein Open Air der Spitzenklasse. Seht hier unsere Fotos von Danger Dan bei PORTA HOCH DREI, 17.6.2023 in Trier, Porta Nigra. Credit: Simon Engelbert – Photogroove
Auch in 2023 wurde vor der altehrwürdigen Porta Nigra in Trier wieder eine der schönsten Kulissen Europas bespielt. Das war in der Vergangenheit stets ein optischer und akustischer Genuss und die Reihe „PORTA HOCH DREI“ hat sich seit Jahren fest in der ältesten Stadt Deutschlands etabliert. Traditionell wurde die „DREI“ im Titel der Open-Air-Reihe nicht so ernst genommen, denn von Mittwoch bis Samstag sollten gleich vier Topacts die Bühne stürmen, bevor am Sonntag das Philharmonische Orchester des Trierer Theaters sein traditionelles Picknick-Konzert gibt.
Den Anfang machte am Mittwoch, 14.6.2023, der Mann der Stunde: Peter Fox. Eigentlich muss man ihn gar nicht vorstellen, doch es sind immerhin 15 Jahre vergangen, seit sein erstes Soloalbum „Stadtaffe“ durch die Decke ging. Pierre Baigorry ist im Hauptberuf einer von inzwischen nur noch zwei Frontmännern der Berliner Reggae-Crew SEEED. Doch solo konnte er 2008 den Erfolg der Band gar noch toppen, hatte er doch ein Konsensalbum vorgelegt, das in allen Generationen seine Fans fand. Aber Peter Fox stieg der Erfolg nicht zu Kopf. Er kehrte nach einer umjubelten Tour brav zu SEEED zurück und teilte sich die Bühne wieder mit den Kollegen. Lange sah es so aus, als würde „Stadtaffe“ ein Einzelstück bleiben, doch nach 15 langen Jahren meldete sich Peter Fox wieder zurück. Wie groß die Vorfreude im Land war, zeigten die euphorischen Reaktionen auf die vorab veröffentlichte Single. „Zukunft Pink“ hielt sich im Oktober letzten Jahres insgesamt fünf Wochen auf Platz 1 der Offiziellen Deutschen Singlecharts – und im Mai 2023 folgte endlich das zweite Album mit dem schlichten Titel „Love Songs“.
Fotocredit: Simon Engelbert
Die ersten vier Songs beim ausverkauften Open Air vor der Porta Nigra in Trier waren dann auch neue Stücke, die viel sanften Groove in sich trugen. Peter Fox und sein Publikum waren in Topform. Er hatte eine formidable Band mit zwei Backgroundsängerinnen dabei und spätestens als die vertrauten Klänge von „Kopf verloren“ erklangen, wurde die Stimmung noch besser – keiner musste sich mehr Sorgen machen, dass das alte Album zu kurz kommt. Ein erstes Highlight war „Schwarz zu blau“, das ungewöhnliche Liebeslied an Berlin. Und der Song schlug in vielerlei Hinsicht gekonnt die Brücke von Trier nach Berlin. Nicht nur, dass sich jetzt eine Reihe von SEEED Songs im Set fanden. Peter Fox machte die Bühne vor der Porta kurzerhand zu einem Liveclub. Das Bühnenbild sah eine Galerie im Hintergrund vor und hier versammelte sich eine große Gruppe von Tänzer*innen. Neben der professionellen Tanzgruppe aus Berlin, die die Tour begleitet, darf sich in jeder Stadt auch eine regionale Tanzgruppe unter die Profis mischen. Fortan gab es bis Konzertende Party vor und hinter der Bühne.
Die Stimmung war hervorragend und das Publikum ging über 90 Minuten lang euphorisch mit. Man konnte sich von der Stimmung tragen lassen, wozu nicht nur die geniale Show beitrug, sondern auch das effektvoll beleuchtete Weltkulturerbe Porta Nigra. Es macht jedes Jahr wieder Spaß, auf diesem Platz zu feiern. Songs wie das mit viel Groove versehene „Stadtaffe“, die Bewegungs-Hymne „Schüttel dein Speck“ und ein grandios performtes „Zukunft Pink“ trugen ihr Übriges dazu bei. So hält man ein Publikum am Tanzen!
Im Zugabenblock gab es neben dem orchestralen Klassiker „Alles neu“ auch ein entspanntes „Haus am See“ in der 2023er Version, die ein beseeltes Publikum in die Nacht entließ. Peter Fox hatte zu „Toscana Fanboys“ noch bemerkt, dass er sich in das Flair von Trier verliebt hat und sich hier sehr wohl fühlt. Dem will man dann auch nichts hinzu fügen.
Fotocredit: Simon Engelbert
Am Donnerstagabend sah es ganz anders aus vor der Porta. Das Konzertgelände war nun nämlich bestuhlt und lockte mit dem Liedermacher und Weltmusiker Hubert von Goisern (benannt nach seinem Geburtsort in Oberösterreich) ein ganz anderes Publikum an, das im Schnitt eine Generation älter war als am Vortag. Der Mann, der sich dem sogenannten „Alpenrock“ verschrieben hat, steht seit mehr als drei Jahrzehnten auf den Bühnen Europas – und erfindet sich dabei immer wieder neu. So hat das aktuelle Album „Zeiten & Zeichen“ eine breite Palette sehr unterschiedlicher Musikrichtungen zu bieten, womit wohl manche Zuschauer*innen nicht gerechnet hatten. Als nämlich „El Ektro“ als Techno-Hymne mit stampfenden Bässen erklang, gab es einzelne Menschen, die sich in den hinteren Publikumsbereich zurückzogen. Das sollte aber die Ausnahme bleiben.
Hubert von Goisern ist als Person grandios und er hatte hervorragende Mitstreiter bei sich, an allen voran die Sängerin und Multiinstrumentalistin Maria Moling, die eine enorme Bereicherung für die Show war. Oft gelang es Hubert im Duett mit Maria, eine wundervolle Atmosphäre zu erzeugen. Dabei störte es gar nicht, dass sich die erste Konzerthälfte unumwunden den neuen Songs von „Zeiten & Zeichen“ widmete, sind hier doch einige Perlen versteckt. „A Tag wie heut“, das gejodelte „Eiweiß“, „Novemberpferde“ und „Brauner Reiter“ nahmen das Publikum mit auf eine Reise in Huberts Welt. Da fanden sich sehr rockige Klänge, Elemente der neuen Volksmusik – auch mal mit Akkorden und Flöte – und durchaus sphärische Stücke.
Fotocredit: Simon Engelbert
Das Publikum hing dem Sänger vor allem an den Lippen, wenn es politisch wurde und er zum Beispiel vom jüdischen Schriftsteller Bedřich Löwy erzählte, der das Libretto zu Franz Lehárs Operette „Giuditta“ schrieb und 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Vom Band erklang Tenor Andreas Schager mit dem Stück „Freude, das Leben ist lebenswert“ und dazu gab es eine eindringlich gerappte Geschichte, die das Lied durch die schweren Zeiten der Judenverfolgung bis in die Gegenwart führte. Es ist fantastisch, wie von Goisern diese Elemente zu einem Paradestück künstlerischen Schaffens verbunden hat.
Es gab Lieder zu Klimawandel und Umweltzerstörung und den mit bewegenden Trompetenklängen versehenen Gospel „Sinner Man“, der hier ganz schlicht „Sünder“ hieß und mit klaren Worten in die Neuzeit geführt wurde. Im Duett mit Maria konnte Hubert beeindruckend zeigen, wie man hymnisch jodelt. Stücken wie dem „Kohler Jodler“ hätte man ewig zuhören können. Doch auch an rhythmischen Gassenhauern, die die Zuschauer*innen in der zweiten Konzerthälfte in Fahrt brachten, wurde nicht gespart.
Ein langer Zugabenblock startete nach 90 Minuten und es gab ein Stück aus von Goiserns weltmusikalischer Zeit, als er vermehrt in Ägypten (Asyut) und Westafrika aufgetreten ist. Das brachte ebenso wundervolle Klänge vor die Porta wie das bekannte Stück „Weit, weit weg“, das im Zusammenspiel mit Maria Moling an neuen Facetten gewann und sehr emotional vorgetragen wurde. Das Generationen verbindende Konzert endete nach über zwei Stunden – und ich muss sagen, dass ich sehr überrascht war. Hubert von Goisern hat doch um einiges mehr zu bieten als den Alpenrock, in dessen Schublade er so gern gesteckt wird.
Fotocredit: Simon Engelbert
Am dritten Abend vor der Porta gab es dann Silbermond um Frontfrau Stefanie Kloß. Auch hier war wieder ausverkauft und 3.000 Zuschauer*innen gaben sich der Mischung aus poppigen und rockigen Klängen hin. Die Geschichte der Band begann so richtig im Jahr 2004. Mit der Veröffentlichung des Debütalbums katapultierten Silbermond aus dem Stand ganz nach oben. Das lag sicher auch daran, dass ihr Werdegang Inhalt einer Dokusoup des Fernsehsenders Sat1 war. Mehr als eine dreiviertel Million Exemplare wurden vom Erstling seither verkauft und der Titel „Symphonie“ wurde zur Hymne des Jahres 2004. Es folgten ausverkaufte Konzerttourneen, etliche Hits, Preise und Ehrungen und viele weitere Studioalben. Zuletzt „Auf auf“ – und mit Songs dieses Albums wurde das Konzert in Trier auch eröffnet. Viele waren textsicher, was zeigt, dass Silbermond immer noch relevant sind. Dazu beigetragen hat sicher auch Stefanies enorme Medienpräsenz, zeitweise bei „The Voice“, zuletzt in der neuen Staffel von „Sing meinen Song“.
Fotocredit: Simon Engelbert
Mit der Hymne „Meer sein“ ging man dann über zu älteren Stücken und spätestens „Irgendwas bleibt“ brachte die Leute vor der Porta zum gemeinsamen Singen. Und es ist schon ganz besonders, diesen Song vor einem rund 1850 Jahre alten Wahrzeichen zu schmettern. Stefanie Kloß als kleine quirlige Frontfrau nahm die Zuschauer*innen durch ihr mitreißendes Wesen von Anfang an gefangen. Sie erzählte gern Geschichten aus der Anfangszeit der Band, als Familie und Freunde das Musikmachen noch für Zeitverschwendung hielten. Mit dem Song „Verschwende deine Zeit“ ließ Stefanie sich von der Menge auf Händen bis zu einem Podest auf der Mitte des Platzes tragen.
Der Unplugged-Set war sehr emotional und die Sängerin – ohnehin nah am Wasser gebaut – brach mehrfach in Tränen aus. Als sie sich beim Publikum für seine Treue bedankte, aber auch, als sie den neuen Titel „Hey Mama“ für ihre Mutter sang, die nun in zwei Tagen in Pension geht und hoffentlich ihr Leben genießen kann. Anfangs war Stefanie noch allein auf dem Podest, zu weiteren Songs wie „Das Beste“ und „Krieger des Lichts“ kam die Band dazu. Zurück ging es mitten durchs Publikum. Silbermond haben die Nähe zu den Fans nie verloren, auch als die Konzerte immer größer wurden.
Das Wetter vor der Porta Nigra war an allen drei Abenden bisher perfekt und auch an diesem Freitag machte die laue Sommernacht ein wohliges Gefühl. Im Set fand sich als Coverversion der Montez-Song „Engel“, den Stefanie bei „Sing meinen Song“ performt hatte und der perfekt zu ihr passt. Dann gab es ein fulminantes Triple aus „Symphonie“, „Leichtes Gepäck“ und „Durch die Nacht“ – alles Hymnen, die das Publikum chorisch in die Länge zog. So ließ man sich auch zu später Stunde nicht lange bitten, um einen ausgiebigen Zugabenblock abzuliefern. Ein gelungener Konzertabend mit einer hervorragend aufgelegten Band!
Fotocredit: Simon Engelbert
Weiter geht es heute übrigens mit DANGER DAN, bevor dann morgen das Philharmonische Orchester der Stadt Trier den Abschluss macht. Die Bühne mit transparenter Verkleidung (um die Porta Nigra zur Geltung zu bringen) bleibt aber noch stehen und liefert dem Altstadtfest am nächsten Wochenende die passende Kulisse unter anderem für Lokalmatador Guildo Horn. In Trier spielt die Musik!
Die altehrwürdige PORTA NIGRA in Trier wurde wieder zur wundervollen und atmosphärischen Kulisse für ein Open Air der Spitzenklasse. Seht hier unsere Fotos von Hubert von Goisern bei PORTA HOCH DREI, 15.6.2023 in Trier, Porta Nigra. Credit: Simon Engelbert – Photogroove
Die altehrwürdige PORTA NIGRA in Trier wurde wieder zur wundervollen und atmosphärischen Kulisse für ein Open Air der Spitzenklasse. Seht hier unsere Fotos von Peter Fox bei PORTA HOCH DREI, 14.6.2023 in Trier, Porta Nigra. Credit: Simon Engelbert – Photogroove
Ein Gemeinschaftsprojekt aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland, das über 25 Jahre hält – das gibt es nicht oft. Manche Politiker könnten sich ein Beispiel daran nehmen und die Fusion endlich vollziehen. Die Band PASCOW – benannt nach einer Figur aus Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“ – wurde 1998 von Sänger Alex und Schlagzeuger Ollo in der Nähe von Birkenfeld gegründet. Die beiden Brüder sind bis heute die feste Konstante der Band und dieser Tage erschien Album Nummer Sieben, das auch ebenso heißt.
Fotocredit: Simon Engelbert
PASCOW beschreiben den Entstehungsprozess und die Motivation für diesen wie auch frühere Longplayer folgendermaßen: „Uns ist es bei jeder Produktion wichtig, dass wir uns nicht zu stark auf die vorherigen Platten im Sinne einer Wiederholung beziehen. Klar, wir haben unseren Stil und erfinden das PASCOW Rad nicht jedes Mal neu, versuchen aber dennoch, uns bei der Arbeit an neuen Stücken jeweils von den früheren Alben zu lösen.“
Das Ergebnis ist eine starke Mischung geradliniger Tracks. Punkrock mit Metalriffs, ganz ohne Experimente. Es geht von Anfang an in die Gerade und man muss an keiner Stelle abbremsen. 12 Songs, ein Instrumental und ein Rausschmeißer in 36 Minuten. Es wird nicht lange gefackelt. Alex haut seine Vocals mit viel Energie und bisweilen hysterischen Aussetzern raus. Unterstützt wird die Band von drei weiblichen Gästen: Apokalypse Vega von Acht Eimer Hühnerherzen, Nadine Nevermore von NTÄ und der Trierer Sängerin Hanna Landwehr. Die Punkrock-Wurzeln beherrschen das komplette Album. Und auch textlich geht es deutlich zur Sache.
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Der Opener „Himmelhunde“ spricht von Aufbruch und Widerstand. Die expliziten Texte wirken von Anfang an: „Ich werd mit dem gehen, den ich liebe. Leckt mich am Arsch mit all dem anderen Mist.“ Zwei Außenseiter spielen in „Königreiche im Winter“ die tragende Rolle. „Mond“ wettert gegen die Gleichmacherei und das grandiose „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ klagt die Rattenfängermenschen von der AFD an, was in breiter Gesellschaftskritik gipfelt. „Die Unsichtbaren“ zeichnet ein apokalyptisches Bild von Kriegsherren und Flüchtlingen, während die darauffolgende Hymne „Mailand“ die Utopie einer Welt ohne Grenzen und ohne Politiker beschreibt.
Auch „Daniel & Hermes“, „Tom Blankenship“ sowie „Von unten nichts Neues“ widmen sich den Außenseitern und zeichnen pessimistische Bilder, bevor „Vierzehn Colakracher“ nochmal energisch alle Wut rausbrüllt, wobei auch Growls zum Tragen kommen. Ich bin überzeugt davon, dass alle Songs des neuen Albums ein Livepublikum zum Eskalieren bringen werden – und man kann sich getrost auf die anstehende Tour freuen.
PASCOW werden von Album zu Album besser – und „Sieben“ toppt für mich sogar das ebenfalls schon großartige „Jade“ – vielleicht gerade deshalb, weil man auf Ausgeglichenheit pfeift und keine Atempause anhand ruhiger Songs ermöglicht. „Sieben“ soll aggressiv klingen und tut das durch und durch.
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Das Vinyl kommt in nur einer schwarzen Version und wird exklusiv als Indiepool-Release vertrieben. Dafür kommt diese eine Version in einer besonders hochwertigen Aufmachung:
mit Klappcover aus schwerem Karton (350 g/qm)
in Inside Out Optik
plus 16-seitigem Booklet in LP-Größe aus schwerem Offsetpapier und Downloadcode
nur in der Erstauflage mit einem zusätzlichen Schuber
Die CD erscheint als sechsseitiges Digipack mit einem plastikfreien Tray aus Korn, das somit komplett recycelbar ist. Sie ist in Gänze plastikfrei und auch sie hat ein 16-seitiges Booklet. Die Erstauflage kommt ebenfalls exklusiv mit einem zusätzlichen Schuber.
Sieben – Tour 2023
01.02.23 Marburg, KFZ – The Bloodstrings
02.02.23 Jena, Kassablanca – The Bloodstrings
03.02.23 Erlangen, E-Werk – The Bloodstrings
04.02.23 Saarbrücken, Garage – N.T.Ä. & Überraschungsgäste *
15.02.23 Reutlingen, Franz K – Wonk Unit *
16.02.23 Leipzig, Conne Island – Wonk Unit *
17.02.23 Hannover, Faust – Wonk Unit *
18.02.23 Hamburg, Markthalle – Wonk Unit *
19.02.23 Hamburg, Markthalle – duesenjaeger selber +
25.02.23 Saarbrücken, Garage – Bubonix +
30.03.23 Bremen, Schlachthof – Mobina Galore
31.03.23 Düsseldorf, Zakk – Mobina Galore *
01.04.23 München, Technikum – Mobina Galore
02.04.23 CH-Zürich, Dynamo – Mobina Galore
04.04.23 Karlsruhe, Substage – Mobina Galore
05.04.23 Köln, Gloria – Mobina Galore *
06.04.23 Dresden, Tante Ju – Maffai *
08.04.23 Berlin, SO 36 – Maffai +
09.04.23 Berlin, SO 36 – WAUMIAU *
* = ausverkauft
+ = Zusatztermin
Tickets bekommt ihr bei Tante Guerilla.
Lange musste das Trierer Publikum auf den Auftritt von Chris de Burgh warten, der dann endlich am 27. Oktober 2022 stattfand. Die Arena war leider nicht komplett gefüllt, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Der 74jährige Sänger stand ganz allein auf der Bühne und präsentierte einen bunten Querschnitt durch seine Karriere, der besondere Schwerpunkte auf die beiden Konzeptalben „Moonfleet & Other Stories“ sowie auf das aktuelle Werk „The Legend of Robin Hood“ legte.
Pünktlich um 20 Uhr erschien der Ire auf der Bühne und wurde von Beginn an umjubelt. Alterserscheinungen? Kein Thema! Ohne Pause dauerte der reguläre Set bis genau 22 Uhr (perfektes Timing) und im Anschluss gab es noch einige Zugaben.
Zu Beginn zeigte er seine Qualitäten zunächst am Klavier. Von dort performte er „The Hands of Man“ mit gewohnt sonorer Stimme und zeigte dann mit „Go Where Your Heart Believes“, dass auch die hohe Stimmlage nichts an ihrer Strahlkraft eingebüßt hat. Zum dritten Song wechselte Chris an die Gitarre und es gab mit „Missing You“ den ersten Smashhit des Abends, gefolgt von dem rockigen „Waiting for the Hurricane“.
Der Bann war schon längst gebrochen und das Publikum in Feierlaune. Der Songwriter führte elegant und charmant durch den Abend, nutzte die ganze breite der Bühne, wechselte die Instrumente und bisweilen gab es auch Musik von der Reserve. Die Tour war ursprünglich mit kompletter Band geplant, doch die mehrmalige Verschiebung machte dem einen Strich durch die Rechnung. Jedenfalls kann Chris de Burgh einen solchen Abend locker solo gestalten – und wenn es den Arrangements dienlich ist, werden einzelne Passagen einfach vom Band eingespielt.
Die Trierer Zuschauer waren immer gut dabei und „Sailing Away“ funktionierte als ausgiebiger Mitsing-Klassiker. Dann erzählte Chris schelmisch von den Vorhängen in Hotels, die immer einen Tick zu kurz sind, und führte dies pantomimisch vor. Aber das war natürlich nur die Überleitung zu einem anderen Geheimnis: den Frauen. Wer versteht die Frauen? Keiner meldete sich, aber der Sänger versuchte eine Annäherung mit den Balladen „Suddenly Love“ und „Woman’s Heart“.
340 Lieder hat Chris de Burgh nach eigenen Angaben inzwischen geschrieben – und doch oder gerade deshalb hegt er große Bewunderung für Songwriter wie die Beatles, die Eagles und Elvis. Um dem Tribut zu zollen, gab es ein kleines Medley mit Stücken wie „Here Comes The Sun“ sowie „Hotel California“ – und dann wurde „Always on My Mind“ komplett gespielt.
Im Anschluss ging es stimmungstechnisch in eine Taverne und zu den „Moonfleet“-Geschichten des britischen Autors John Meade Falkner. Diese Story um Schmuggler und die Jagd nach einem Diamanten hat de Burgh im Jahr 2010 vertont. Jetzt gab es einige Ausschnitte daraus, wobei der Meister sich bei Songs wie „My Heart’s Surrender“ von einem eingespielten Orchester begleiten ließ, was die Ausrichtung sehr musicalmäßig machte, und das starke „The Storm“ in Form eines Shanty-Songs mit Folkrock-Charakter darbot. Die geheimnisvolle Stimmung war jedenfalls greifbar und das schummrige Bühnenlicht tat sein Übriges dazu.
Zur Halbzeit gab es mit „Another Rainbow“ einen Song für einen verstorbenen Freund und dann ein kurzes orchestrales Zwischenspiel zum Durchschnaufen. Der Sänger verließ aber nicht etwa die Bühne für eine Pause, sondern spielte direkt weiter. Mit viel Pathos interpretierte er „The Road to Freedom“ und den erzählenden Song „The Snows of New York“, der von zwei Brüdern aus Irland berichtete, die sich trennen mussten, weil einer nach Amerika ging.
In Argentinien geboren ist Chris de Burgh dennoch stolz, durch und durch Ire zu sein. Und in einer jetzt wahrhaft politischen Rede bekamen viele ihr Fett weg. Die Situation in Großbritannien hatte er bereits kurz angedeutet und dann den Mantel des verschämten Schweigens darüber gelegt. „Zum Glück bin ich Ire!“ Aber der Song „Cry No More“ war dann doch ausschlaggebend für eine Tirade. Ursprünglich war er für die syrischen Flüchtlinge in Europa geschrieben und Chris dankte Deutschland mit ehrlichen Worten für die Grenzöffnung vor einigen Jahren. Doch jetzt legte er das Augenmerk auf die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und ging hart mit Putin ins Gericht („Fahr zur Hölle!“). Außerdem versprach er, trotz seiner großen Popularität in Russland nie wieder dort aufzutreten. Wort! Der Song „Cry No More“ wurde dann sehr emotional dargeboten.
Im Anschluss ging es zur zweiten großen Geschichte des Abends: Der Legende von Robin Hood. Tatsächlich ist das ein Musical von Chris de Burgh und Dennis Martin, das zunächst in Fulde aufgeführt wurde und ab Dezember 2022 im Theater Hameln bewundert werden darf. Aus den Musicalsongs hat Chris ein weiteres Konzeptalbum kreiert, das vor rund einem Jahr erschien.
Wie ein Bänkelsänger erzählte der Songwriter einzelne Episoden aus der Geschichte, beginnend mit „The Tale of Robin Hood“. „The Man with the Double Face“ berichtete von den Intrigen um die Hauptfigur, „Home From the War“ ließ ihn als gebrochenen Mann von den Kreuzzügen heimkehren und „We’ve Got the Money“ stellte die Party nach, wenn Robins Bande mal wieder die Reichen bestohlen hatte. Der Eindruck der Songs war sehr gut – und wer alles hören will, sollte entweder nach Hameln fahren oder sich zumindest das Album (HIER unsre Review) zulegen.
Mit den ersten Standing Ovations des Abends wurde der Klassiker „Borderline“ bedacht, den Chris wundervoll schmachtend am Piano gespielt hatte. Und eins lässt sich auch hier wieder sagen: Selbst bei den höchsten Tönen musste er nichts überspielen. Chapeau dafür!
Ohnehin war jetzt Zeit für die Klassiker und das Publikum (vor allem die Frauen) versammelte sich zur großen Stehparty vor der Bühne, um den Senior-Sänger (der übrigens noch locker für 60 durchgehen würde) anzuhimmeln und seine Hits wie „The Lady in Red“, „Don’t Pay The Ferrymen“ und „High in Emotion“ abzufeiern. Die erste Lady, die nach vorne stürmte, hatte dabei stilecht eine rote FFP2-Maske an. Es geht nichts über gute Vorbereitung.
Im Zugabenblock – wie gesagt schon nach 22 Uhr und damit nach zwei Stunden hingebungsvoller Soloperformance – gab es „Where Peaceful Waters Flow“ und ein weiteres Cover: das allseits bekannte „Pretty Woman“ von Roy Orbison. Damit aber die Zuschauer*innen nicht mit fremden Klängen aus der Arena gehen sollten, schloss „The Legacy“ aus der Robin Hood Story den denkwürdigen Abend ab.
Am Anfang hatte Chris de Burgh sich mit viel Ironie im Namen des Publikums drei Fragen gestellt: Lebt er noch? Kann er noch singen? Hat er noch Spaß auf der Bühne? Alle kann man getrost mit „Ja“ beantworten. Der Meister aus Irland ist immer noch ein großer Entertainer, Geschichtenerzähler, Songwriter, Sänger – und lebt seine Profession mit viel Elan auf der Bühne. Er darf gerne wieder kommen, ob mit oder ohne Band.
Vier Herzenmenschenen haben sich zusammengetan, um ihre Herzensmusik zu spielen und damit ein Herzensprojekt zu unterstützen. Das Konzert fand am 5. August 2022 im Innenhof des “Palais am Balduinsbrunnen” statt. Hier seht ihr unsere Fotogalerie.
Manchmal gibt es Konzerte, die so ganz anders verlaufen, als man sich das vorgestellt hat. So hatte ich keine Idee davon, was mich bei einem Konzert von Roman Lob erwartet. Der Sänger aus Düsseldorf hat vor zehn Jahren Deutschland beim Eurovision Song Contest in Baku vertreten. Damals war er gerade 21, hatte die von Stefan Raab konzipierte Show „Unser Star für Baku“ gewonnen und belegte beim ESC immerhin einen respektablen achten Platz (ja – wir waren nicht immer die Letzten im Wettbewerb).
Roman Lob lebt immer noch am Rhein, ist Sänger der Kölschrockband StadtRand und erwartet just sein zweites Kind, wie wir im Lauf des Abends erfahren durften. Außerdem ist er immer mal wieder musikalisch in der Region Trier unterwegs. Und so kam auch dieser ganz besondere Abend zustande: Vier Herzenmenschenen haben sich zusammengetan, um ihre Herzensmusik zu spielen und damit ein Herzensprojekt zu unterstützen.
Das Konzert fand im Innenhof des „Palais am Balduinsbrunnen“ statt. Der Palais e.V. ist ein Träger der Kinder- und Jugendhilfe und mit dem Erlös der Veranstaltung werden Kinder, Jugendliche und deren Familien in besonderen Notlagen und bei unverschuldeten finanziellen Engpässen unterstützt. So hatten sich zu diesem Benefizkonzert gut 150 Zuschauer im beschaulichen Innenhof inmitten von Trier eingefunden und genossen die atmosphärische Umgebung.
Punkt 20 Uhr ging es los und Keyboarder Marco Lehnertz sowie Schlagzeuger Stefan Schoch nahmen ihre Plätze auf der kleinen Bühne ein. Marco ist bekannt als Keyboarder von Jupiter Jones, StadtRand sowie den Coverbands „Dynamite Funk“ und „We Rock Queen“. Bisher habe ich ihn nur spielen gehört, umso überraschter war ich von seiner Stimme und der Performance des Gregor Meyle-Songs „Niemand“. Vocals in deutscher Sprache stehen dem Eifeler sehr gut und es war ein gelungener Start in einen fantastischen Abend. Drummer und Perkussionist Stefan ist vor allem durch seine Mitwirkung in der Thomas Schwab Band und beim Erfolgskonzept JUST SING bekannt.
Beide hätten den Abend vermutlich locker allein gestalten können, doch natürlich wurde Roman Lob als Star des Abends erwartet und stürmte zu den Klängen seines eigenen Songs „After Tonight“ vom Debütalbum „Changes“ die Bühne. Ein stimmlich brillanter Einstieg, der davon künden sollte, was vom Rest des Abends zu erwarten war. Interessant dabei: Marco und Roman wechselten sich an den Vocals ab und beide waren großartig. Wenn Marco sang, blieb Roman meist on stage und sorgte für Stimmung. Auch das machte ihn ungeheuer sympathisch.
Die Konzeptidee war: Wir gehen zusammen auf die Bühne und interpretieren unsere Lieblingslieder. Einfach und genial! Dabei gab es eine Menge Überraschungen. Marco kam mit einem melancholischen „Fields of Gold“ und dem doch recht unbekannten „Pinguine“ – im Original von Schauspieler Tom Beck. Auch Roman wartete mit spannenden Songs auf: Da gab es das soulige „Immer noch“ des Schweizers Seven und zwei akustisch filigran arrangierte Stücke des Norweger DJs Kygo („Higher Love“) sowie des kanadischen Rappers Drake („Hold On, We’re Going Home“).
Roman erzählte von seiner Nervosität, weil er in den nächsten Tagen zum zweiten Mal Vater wird. Er verteilte Schnaps an einen Zuschauer, weil dieser nicht freiwillig im Konzert war, und probierte sich im Trierer Platt: „Quant, datt dir hei seid“. Auch Marco war zu Späßen aufgelegt und spielte auf Wunsch des Publikums „Wir sagen Danke schön“ der Flippers von seinem Handy ein.
Das war aber ein musikalischer Ausreißer, denn mit „Keine ist wie du“ (wieder von Gregor Meyle) und „Zuhause“ (Fynn Kliemann) legte Roman zwei melancholische Glanzlichter hin, was Marco mit „Schönste Zeit“ von Bosse konterte. Inzwischen war der Trierer Carlos Wagner am Saxophon zur Band gestoßen und verfeinerte die Klänge mit grandiosen melodischen Einlagen. Außerdem tauschte Stefan immer häufiger die Percussion gegen ein Akkordeon, was zu der Anekdote führte, wie seine Eltern ihn früher zum Akkordeon-lernen zwangen. Beide waren anwesend und sonnten sich kurz im Applaus.
Dann war es Zeit für Kölschrock, aber auf die ruhige Art. Von StadtRand sang Roman Lob zunächst die Ballade „Wenn do laachs“, die er für seinen Sohn Jakob geschrieben hat, und dann den ungewöhnlichen Karnevalssong „Hin un widder“, der keineswegs auf Partystimmung ausgelegt ist sondern an die fehlenden Menschen erinnern soll, die uns „von oben zuschauen“. Roman nutze die Gelegenheit, um Werbung für die Weihnachtstour von StadtRand zu machen, die beispielsweise am 16.12. in Bitburg spielen werden.
Weiter ging es mit dem Hit „Save Tonight“, den Marco interpretierte, und einer ganz speziellen Version von „You’ve Got The Love“ (Florence + The Machine) von Roman. Außerdem war es wieder an der Zeit, dass Marco die Zuschauer mit deutschen Songs zum Träumen und Feiern brachte. Es gab „Still“ von Jupiter Jones und dann mit „Ein Kompliment“ der Sportfreunde Stiller einen ausgiebigen Mitsingteil. Das Publikum blieb nur noch selten auf den Sitzen – es wurde getanzt und im großen Chor mitgesungen. Inzwischen kam die Lightshow der Kulturkarawane bestens zur Geltung und man hatte allerorten Kerzen entzündet und elektronische Teelichter aufgestellt. Die Atmosphäre war traumhaft.
Nach kräftigen zwei Stunden Konzertlänge kündigte Roman im Anschluss an Johannes Oerdings „Schön“ seinen ESC-Song „Standing Still“ an, den man auch nach zehn Jahren noch erstaunlich gut im Ohr hat. Als letzte Zugabe gab es wieder einen Oerding-Song, diesmal (für die regionalen Musiker sehr passend) „Heimat“, gesungen von Marco.
Die Zuschauer spürten, dass sie Zeuge eines ganz besonderen und so nicht mehr zu wiederholenden Konzertabends geworden waren und verblieben noch lange bei Wein und Bier in der lauschigen Sommeratmosphäre des Palais. Es war ein Abend fürs Herz und für viele vermutlich unvergesslich. Eine Neuauflage im nächsten Jahr? Auf jeden Fall wünschenswert!
Songliste – Benefiz Sommer Open Air, 5.8.2022
Niemand (Gregor Meyle) – Marco
After Tonight (Roman Lob) – Roman
Fields of Gold (Sting) – Marco
Immer noch (Seven) – Roman
Pinguine (Tom Beck) – Marco
Higher Love (Kygo) – Roman
Hold On, We’re Going Home (Drake) – Roman
Für immer ab jetzt (Johannes Oerding) – Marco
Keine ist wie du (Gregor Meyle) – Roman
Zuhause (Fynn Kliemann) – Roman
Schönste Zeit (Bosse) – Marco
Wenn do laachs (StadtRand) – Roman
Hin un widder (StadtRand) – Roman
Save Tonight (Eagle-Eye Cherry) – Marco
You’ve Got The Love (Florence + the Machine) – Roman
Fury In The Slaughterhouse sind aus der Region Trier einfach nicht wegzudenken. Wie oft durften wir sie hier schon live erleben und dabei den Aufstieg von der kleinen Rockband aus Hannover hin zur Kultband mitfeiern? Den Anfang machten sie vor vielen Jahren mit der Tour zum zweiten Album „Jau!“ (1990) im beschaulichen Dörfchen Zerf. Und danach war kein Halten mehr. Sehr gut erinnere ich mich noch an die Show in der St. Wendeler Disco FLASH, als es nach dem Ende der Setlist noch einen Reigen von Stones-Covers gab, weil die Band einfach nicht mit Spielen aufhören wollte. Oder an den Nachmittags-Auftritt bei Rock am Ring, als die für viele doch noch recht unbekannte Truppe das Publikum schon im hellen Tageslicht zum ausgelassenen Feiern brachte. Die meisten Auftritte waren sensationell – und das sind sie bis heute.
Nach Bandauflösung 2008 war erst einmal Schicht im Schacht und die Brüder Wingenfelder schafften sich ein zweites Standbein mit Soloprojekten und als Duo. Dabei wurde viel auf Deutsch gesungen und das funktionierte besser, als manche Fans gedacht hätten. Doch insgeheim hofften alle auf eine Reunion – und die gab es zum 30jährigen Jubiläum im Jahr 2017. Zunächst beschränkt auf Hannover, dann aber zum Glück mit großer Tour, die FURY vor die Porta Nigra in Trier und (mit akustischem Set) nach Neunkirchen führte. Wenig später sollte als zweite altrömische Kultstätte in Trier das wundervolle Amphitheater bespielt werden, doch aus hinreichend bekannten Gründen dauerte es noch bis ins Jahr 2022, bis die beiden ausverkauften Shows endlich starten konnten.
Ich war am zweiten Abend dort und erlebte ein ausgelassenes Publikum, das schon beim Support Deine Cousine kräftig mitging. Selten nimmt eine Vorband die wartende Menge so mit, wie das Frontfrau Ina Bredehorn gelang. Mit wildem Punkrock war sie durchgehend in Bewegung, nutzte die komplette Bühne und den Laufsteg für einen wilden Tanz, um ihre Botschaft auf den Weg zu bringen: Für Feminismus und Diversität. Gegen alle Arschlöcher, beispielsweise den Betriebsarzt, der sie bei einer Untersuchung in den Po grabschte. Mit viel Attitüde sang, schrie und lamentierte sie sich durch 45 gehaltvolle Minuten. Ihrer Begeisterung über das stilvolle Ambiente und die mitreißende Kulisse ließ sie freien Lauf und trieb die hervorragende Band zu immer neuen Höchstleistungen an. Die Zuschauer*innen waren voll dabei, was die Sängerin zur Aussage verleitete: „Ach, man bekommt ja so viel zurück.“ Aber das war auch nicht übertrieben. Deine Cousine hatte die Menge locker um den Finger gewickelt und versprach, mit der neuen Verwandtschaft am Merch-Stand ausgiebig zu quatschen. Handynummern auszutauschen und Familienfotos zu schießen. Wie viele jetzt wirklich mit ihrer Nummer nach Hause gegangen sind? Keine Ahnung. Aber zum Ende des Fury-Sets war Cousine Ina immer noch am Stand und im regen Austausch. Mission Support: mehr als gelungen!
Überpünktlich waren dann Fury In The Slaughterhouse um 20.40 Uhr auf der Bühne und starteten mit „Good Day To Remember“. Der erst im Mai 2022 als Single veröffentlichte neue Song war der perfekte Opener. Viele der Anwesenden mittleren Alters waren doch vor allem aus nostalgischen Gründen vor Ort und wollten ihre Erinnerungen an die einstige Lieblingsband auffrischen. So gab es bereits als zweiten Song die Mitsingnummer „Milk And Honey“. Falls es überhaupt einen Bann gab, war er jetzt gebrochen. Ja – Fury sind spielfreudig und mitreißend wie eh und je.
Die Stücke vom aktuellen Werk „Now“ (2021, HIER unsre Review) fügen sich übrigens gut in die Setlist. Das beschaulich-melancholische „Letter To Myself“ passt hervorragend zum Hit „Radio Orchid“. Der Song “1995” gibt einen erzählerischen Einblick in die wundervolle Zeit, als Fury es auch in den USA zu einem kleinen Stückchen Ruhm geschafft hatten. Mit “All About Us” und “Replay” zeigen sie epische Momente, die in jedes Stadion passen. Fury haben sich auf ihre Tugenden besonnen. Sie bieten große Hymnen, erzählen Geschichten und schwelgen in Gitarrenmelodien. Alles, was zur Jahrtausendwende verloren schien, ist plötzlich wieder da und fügt sich ins Konzertgeschehen.
Bewegung kam aber vor allem bei den großen Songs in die Menge. „Then She Said“ wurde nicht von Kai sondern von Thorsten Wingenfelder interpretiert und kam mit schönen akustischen Klängen. Meinen All-time-favourite „Trapped Today, Trapped Tomorrow“ widmete Kai zielsicher der Deutschen Bahn und hob die Textzeile „sorry my train won’t stop at your station“ süffisant hervor. Überhaupt kam der Humor nicht zu kurz. Dafür war vor allem Gitarrist Christof Stein-Schneider zuständig, der gerne mal seinen Cannabis-Konsum ins Spiel brachte, das Publikum aufforderte, ihn ans Wechseln des Gitarrenkabels zu erinnern und mehrmals mit einem auffordernden „Stößchen“ dem Biergenuss frönte, Die Kabbeleien zwischen ihm und Frontmann Kai gehörten schon immer zum guten Ton in der Band und gingen auch konsequent weiter, wobei das Publikum munter mitspielte: „Kaaabel!“
Musikalisch war alles erste Sahne. Die Band ist wieder perfekt aufeinander eingespielt, als hätte sie nie pausiert. „Cry It Out“ lieferte einen ordentlichen Kracher. Songs wie “This Will Never Replace Rock ‘n’ Roll” feierten auf unnachahmliche Art den Wert der Musik und scheuten sich auch nicht “Sympathy For The Devil” zu zitieren. Und zum Abschluss des Hauptsets gab es nach gut 90 Minuten ein wunderschön sentimentales „Time To Wonder“, bei dem viele Anwesende Tränen in den Augen hatten.
Das geniale Ambiente des Amphitheaters kam jetzt durch die Beleuchtung immer besser zur Geltung. Wie froh kann Trier, die älteste Stadt Deutschlands, über ihre wundervollen Open-Air-Kulissen sein. Der Zugabenblock begann ungewöhnlich elektronisch. Solche Beat-Stampfereien ist man sonst nicht von Fury gewöhnt. Doch „Riding On A Dead Horse“ entwickelte sich zum Ende hin und schloss als lauter Rock-Kracher. Wem das zu turbulent war, der bekam ein partytaugliches „Kick It Out“ gleich hinterher, das mit rauen Vocals von Christof begonnen wurde.
Schon in der Pause vor der zweiten Zugabe begann die Menge „Don’t Forget These Days“ zu skandieren. Darauf musste man allerdings noch warten. Erst gab es das spielfreudige „Drug Addicted In The Jailhouse“ – doch dann war endlich die ersehnte Hymne dran und Kai brauchte kaum noch selbst zu singen. Das Publikum hörte ohnehin nicht mehr auf und holte mit den Klängen des Refrains“Won’t Forget These Days“ die Band zur dritten Zugabe zurück. Nach über zwei Stunden Konzertlänge gab es ein beschauliches „Down There“ zum Runterkommen – und man konnte sich beseelt durch die antiken Gemäuer zurück zur Stadt machen.
Fury In The Slaughterhouse hatten mal wieder bewiesen, dass sie nicht zum alten Eisen gehören. Sie sind auch keine Coverband der eigenen Klassiker, wie so viele andere 90er Jahre Stars. Stattdessen integrieren sie das aktuelle Album perfekt in den Set und zeigen sich hier in alter Qualität. Die Band hat sich wiedergefunden. Das wird den Nostalgikern und Fans alter Stunde gefallen – und sie werden hoffentlich auch einige junge Musikhörer hinzugewinnen, die den Wert handgemachter Musik zu schätzen wissen.