Das ausverkaufte Palladium feierte am Dienstag Casper, der im Rahmen seiner „Alles war schön und nichts tat weh“-Tour auch in Köln vorbeischaute. Rund anderthalb Stunden lieferte der Rapper live wie gewohnt eine mitreißende Show.
Das Bühnenbild ist in diesem Jahr gesetzt: Ein großer Baum steht links auf der Bühne, direkt am Bühnenrand sind viele Kunstblumen arrangiert. Casper alias Benjamin Griffey springt noch immer voller Energie von einer Seite zu anderen, während er einen Hit nach dem nächsten und zwischendurch den ein oder anderen seltener live gespielten Song auspackt. Rechts hat er eine ganze Band dabei – zu den klassischen Drums, E-Gitarre, Bass und Keyboard gesellen sich Streichinstrumente, Backgroundsängerinnen. Musikalisch war es ein Fest – gerade weil damit alles live war.
Mit seinem fünften Album hat sich der Rapper Zeit gelassen, setzt wieder auf viele Kooperationen mit anderen Musikerinnen und Musikern und trifft mit seiner Musik mal wieder den Nerv der Zeit. Dabei hält sich Casper weniger mit ausschweifenden Ansprachen zwischen den Songs auf, er lässt lieber seine Musik sprechen und blendet passend dazu gegebenenfalls kurze, prägnante Messages zu den jeweiligen Songs ein.
Nach dem Stück TNT, bei dem Gast Tua mit auf der Bühne steht, werden auf der Leinwand Depressionen thematisiert. „Niemand ist alleine“ und „Hier findest Du Hilfe“ inklusive einiger Internetadressen von Hilfsangeboten und Fakten zur Krankheit werden eingeblendet.
In „Billie Jo“ rappt Casper über Kriegseinsätze und Posttraumatische Belastungsstörungen – mit dramatischem Ende. „War will never be the answer“ steht währenddessen auf der Leinwand.
Die Fans feiern Casper auch dafür, vor allem aber wegen seiner Musik. Bis in die letzten Reihen und auch auf der Empore sind alle in Bewegung, textsicher singt ein Großteil der Anwesenden mit. Als Gast ist auch Drangsal dabei. „Keine Angst“ und „Lilablau“ performt der Sänger gemeinsam mit Casper – sehr zur Freude vieler Fans. Beide gestalteten gemeinsam bis Ende 2021 den Podcast „Mit Verachtung“.
Die Show hat aber offenbar Spuren hinterlassen. Das folgende Konzert in Hannover musste krankheitsbedingt abgesagt werden. Casper kündigte per Instagram allerdings bereits zwei exklusive Konzerte in Hannover im Mai 2023 an. Ob die restlichen Konzerte in diesem Jahr stattfinden können, wird sich noch zeigen. Es folgen noch: Berlin am 16. Dezember (für das es auch noch Karten gibt), sowie das „Zurück Zuhause Festival“ 2022 in Caspers Heimat Bielefeld am 17. und 18. Dezember – für letzteres gibt es ebenfalls noch Tickets.
Setlist:
Alles war schön und nichts tat weh
Im Ascheregen
Alles endet (aber nie die Musik)
Mieses Leben/Wolken
Adrenalin
Sirenen
Das bisschen Regen (Die Vergessenen Pt.4)
Euphoria (gekürzte Version)
Keine Angst (mit Drangsal)
Supernova
Jambalaya
Lilablau (mit Drangsal)
20 qm
TNT (mit Tua)
Lass es Rosen für mich regnen (gekürzte Version)
Blut sehen (Die Vergessenen Pt. 2)
Auf und davon
XOXO
Billie Jo
Michael X
Hinterland
Und es ist natürlich nicht nur die Reeperbahn. Jährlich Ende September wird Hamburg seit vielen Jahren zur Musikhauptstadt der Welt. Das merke ich allein schon durch die Frequenz an Promoter*innen, die mir Auftritte ihrer Acts ans Herz legen oder ganz allgemein darauf hinweisen, dass sie in Hamburg zu finden sein werden. Kein Wunder, denn das Reeperbahn Festival ist nicht nur das vermutlich größte Clubfestival der Welt (diesmal mit 40.000 Besuchern und über 400 Konzerten in unzähligen Locations) sondern auch Dreh- und Angelpunkt der Musikindustrie mit einer großen Menge an Fachbesucher*innen, die das Event als große Messe wahrnehmen und neben den Events auch an Vorträgen sowie Diskussionen verschiedenster Art teilnehmen. Das alles in einer Branche, die es so nötig hat wie nie.
Das Reeperbahn Festival hat sogar in den Jahren stattgefunden, als alles still gelegen hat. Klar musste man in den letzten beiden Jahren die Besucherzahl zurückfahren. Das ausgeklügelte Hygienekonzept war aber vorbildlich, wurde europaweit viel beachtet und später auch kopiert. Jetzt ist wieder Normalität eingekehrt. Und das Renommee des Festivals sorgte im Jahr 2022 vier Tage lang dafür, dass die Clubs nicht – wie so oft im Moment – mit gähnender Leere glänzten sondern aus allen Nähten platzten.
Okay. Das konnte auch mal nervig sein, wenn die Schlange zu lang war, um noch mit guten Chancen zum gewünschten Konzert eingelassen zu werden. Doch die Menschen waren gelassen. Man blieb entspannt und stillte seinen Konzerthunger am Ende einfach da, wo noch Platz war. Notfalls open air auf dem Heiliggeistfeld oder dem Spielbudenplatz, wobei letzterer sogar dem Publikum ohne Bändchen offen stand, also den Menschen, die einfach ein wenig Festivalluft atmen wollten. Auf jeden Fall ein feiner Zug der Veranstalter!
Zum Programm und den Highlights:
Die größten Überraschungen gab es gleich zu Beginn. Ich nenne mal Kraftklub, die als Überraschungsgäste des Festivals dezent die komplette Reeperbahn mit ihrer Bühne blockiert haben und dann auch drastisch eskaliert sind. Gastauftritte von Casper und Bill Kaulitz inklusive.
Vorher hatte schon das „Opening“ im Stage Operettenhaus für Furore gesorgt, als plötzlich Udo Lindenberg, der frisch gebackenen Ehrenbürger der Hansestadt, auf der Bühne stand. Den hatte nämlich Jan Delay bei seinem Opening-Auftritt kurzerhand im Schlepptau. Überhaupt war das Opening ein Megaevent mit Momenten zum Jubeln, zum Träumen und zum Innehalten. Abgesehen von den oben genannten Herren war die Eröffnung dabei übrigens fest in Frauenhand. Somit setzte das RBF durchaus ein Zeichen, war doch in den letzten Monaten viel Kritik an männerlastigen Events wie „Rock am Ring“ laut geworden. In Hamburg hatte man fast das Gefühl, Carolin Kebekus hätte das Booking übernommen – so viele weibliche Acts waren zu finden.
Die Frauenpower startete mit der wundervollen Ellie Goulding, die neben ihren Songs auch eine bewegende Rede zum Zustand der (Musik)Welt hielt. Natürlich konnte man den Ukraine-Krieg nicht verschweigen. So trat die Rapperin Alyona Alyona auf, die 2019 den ANCHOR Award gewonnen hatte und leitete über zu einer bewegenden Rede von Natalia Klitschko, die in ihrer Keynote von den Auswirkungen des Krieges auf die Kultur berichtete, aber auch von der Stärke, die ein unterdrücktes Land im kulturellen Austausch gewinnt. Es folgten Performances von Zoe Wees, dem Cast des Musicals „Hamilton“, das in Kürze ebenda im Operettenhaus starten wird, und von besagtem fulminantem Duo Jan & Udo.
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Gerade aus dem Veranstaltungssaal getreten, konnte man dann Kraftklub mitten auf der extra gesperrten Reeperbahn entdecken. Was für eine Show, die allen Menschen rundum sagte: „Wir sind hier. Das Festival ist gestartet.“ Da passte ein Song wie „Ich kann nicht singen“ natürlich wie die Faust aufs Auge. Nicht schön, aber selten, war die Devise. Oder besser: Authentisch, rau und bodenständig. Zu „Wenn du mich küsst“ erschien plötzlich Casper als Feature-Gast auf der Bühne und später gab sich auch Bill Kaulitz von Tokio Hotel die Ehre, der ein Teil der ANCHOR-Jury 2022 war.
Jetzt konnte das Festival richtig losgehen und Highlight reihte sich an Highlight.
Da wäre ClockClock, definitiv die Band der Stunde. Mit „Brooklyn“ (einem Feature bei Glockenbach) und seinem Megahit „Sorry“ sprengt der Pfälzer Bojan Kalajdzic momentan jede Radioplaylist. Im glanzvollen Spiegelzelt zeigte er zudem eine große Nähe zum Publikum und legte einen absolut sympathischen Set hin.
Anaïs, deutsche Nachwuchskünstlerin mit belgischen Wurzeln, stellte den Mojo Club auf den Kopf. Sie traf in Klang und Text einen emotionalen Nerv, den andere oft genug verfehlen. Eine echte Powerfrau mit betörender Präsenz.
Der britische Rapper Loyle Carner gab schließlich das offizielle Eröffnungskonzert des Festivals im STAGE Operettenhaus vor 1.200 Zuschauern. Neben den Konzerten in der Elbphilharmonie sicher das größte Einzel-Event des Festivals.
Zum Abkühlen gab es dann mittwochs noch Charles Watson im Bahnhof Pauli. Solche Clubkonzerte sind das Salz in der Festivalsuppe. Dieser Mann der leisen Töne war ganz allein mit Gitarre auf der Bühne und lieferte einen melancholischen Abschluss des Mittwochs.
Tags drauf gaben sich die Schweden von Mando Diao im Saturn, dem großen CD-Laden am Hauptbahnhof. die Ehre und lieferten einen kleinen Acoustic Gig zu zweit. Auch wenn Gustaf Norén nicht mehr dabei ist, macht Björn Dixgård doch einen klasse Job am Mikro. Seine tiefe Stimme ging durch Mark und Bein. Es gab neue Stücke wie „Stop The Train“ und zum krönenden Abschluss den Superhit „Dance With Somebody“ in einer genial reduzierten Version.
Sebastian Madsen ist ja neuerdings solo unterwegs und veröffentlicht in Kürze sein Debüt. Gebucht wurde er als Ersatz für einen ausgefallen Act erst zwei Tage zuvor. Um so besser war seine Performance. Multiinstrumentalistin Anne de Wolff begleitete ihn und seine Band. Es gab Songs wie „Sei du selbst“, das normalerweise von Drangsal gefeatured wird, und „Baby, ich liebe dich“ in einer schönen Version für Klavier und Violine.
Annie Chops ist mir schon 2021 äußerst positiv aufgefallen. Und diesmal legte sie noch einen Zahn zu! Open Air auf der Spielbude verzauberte sie ihr Publikum mit einer fulminanten One-Woman-Show. Gitarre und Loop Station waren am Start – dazu eine mitreißende Performance. Annie ist leidenschaftliche Straßenmusikerin. Und so machte sie halt die Bühne zu ihrer Straße und brachte die Reeperbahn zum Tanzen. Von Soul bis Hip Hop war alles dabei und es gab erstmals zwei deutschsprachige Stücke: „Eins durch zwei“ und „Verlieben zählt nicht“. Stand ihr gut!
Danach feierten KLAN im Bahnhof Pauli einen ordentlichen Abriss mit fettem Sound. Stimmung, Spaß und gute Laune vor vollem Haus. Stefan und Michael Heinrich haben es vom Kirchenchor über das Straßenmusikerdasein bis zum profilierten Musikerduo geschafft und man muss sie im Auge behalten. Das Duo ist gekommen, um zu bleiben.
Zu nächtlicher Stunde ging es in die St. Michaelis Kirche, den berühmten „Hamburger Michel“. Dort spielte die Band HUNDREDS mit dem Ensemble Berlin Strings. Die Atmosphäre in diesen heiligen Hallen ist ohnehin immer ganz besonders. Die Akteure erzeugten einen wundervollen Sound zwischen atmosphärischem Elektropop und knallharten Techno Beats. Das hat der ehrwürdige Michel vermutlich noch nicht oft erlebt.
Auch freitags gab es nach einigen kleineren Konzerten wieder ein Highlight im Michel: Manuel Bittorf aka Betterov hatte sich eine illustre Schar von Gästen eingeladen. Neben einem klassischen Ensemble gab es an den Vocals auch Novaa, Paula Hartmann, Fil Bo Riva und den sensationellen Olli Schulz. Vor allem die gefühlvollen Momente schlugen voll durch. Olli Schulz stimmte extra für Manuels Papa, der großer Springsteen-Fan ist, „No Surrender“ an. Und zum Schluss traf er mit „Als Musik noch richtig groß war“ den Nerv aller Anwesenden.
Dann ging es zu dem ersten von zwei Konzerten in die Elbphilharmonie. Was für ein Haus, was für eine Kulisse, was für ein Sound! Die britische Soul und R&B Künstlerin Joy Crookes, die gerne mal mit Amy Winehouse verglichen wird, legte einen gefühlvollen Set hin und war stets in gutem Kontakt zum Publikum, das durchweg an ihren Lippen hing. Sie trat selbstbewusst, aber gar nicht divenhaft mit großer Band auf, konnte aber ganz zum Schluss allein am Piano die meisten Herzen für sich gewinnen.
Tags drauf waren es die belgischen Klangkünstler Warhaus, die die Elbphilharmonie beseelten. Maarten Devoldere hat mit seiner rauchigen Stimme, die stets ein wenig an Nick Cave erinnert, früher schon der Band Balthazar vorgestanden. Jetzt gab er dem Bandprojekt Warhaus ein Gesicht, das mit endlosen Klangcollagen und verspielten Instrumentalpassagen überzeugte. Zum Ende hin gab es per Loop-Verstärkung ein Soundgemälde epischen Ausmaßes, bei dem Künstler und Publikum nur die Luft anhalten konnten, bevor riesiger Jubel losbrach.
Damit ging für mich ein phänomenales Festival zu Ende. Ich will aber nicht die Berliner Künstlerin Wilhelmine unerwähnt lasen, die zuvor im Club „Uebel und gefährlich“ ein einstündiges Konzert gab. Ihre anfängliche Unsicherheit überspielte sie mit viel Energie und war mega sympathisch. Songs wie „Komm wie du bist“, „Meine Liebe“ und „Das Mädchen mit der Latzhose“ zeugten von Popmusik, die etwas sagen möchte. Durch authentische Ansagen gelang ihr das mit Bravour.
Das Reeperbahn Festival lebt von seiner Vielfalt. Ironischer Schlager, Pop, Soul, Indie auf der einen Seite, Alternative Rock, Rap und Metal auf der anderen. Für jeden ist etwas dabei und Überraschungen gibt es viele. Vermutlich kann sich jeder Besucher seine eigene Geschichte von Highlights und Neuentdeckungen spinnen – und das ist gut so. Das Herz der Musikwelt schlägt jeden September für vier Tage in Hamburg. Vom 20.09.2023 bis 23.09.2023 ist es wieder soweit. „Early Bird Tickets sind“ bereits erhältlich!
Auch der zweite Tag brachte perfektes Sommerwetter, großen Durst und Sonnenbrandgefahr. Zwar waren leichte Schauer für den späten Nachmittag angesagt, doch die machten einen großen Bogen um den RING. Stattdessen also wieder ausgelassene Stimmung bei 90.000 Fans. Allerdings war der Start diesmal verhaltener als am Vortag. Zu den ersten Bands fanden sich nur spärliche Zuschauertruppen vor der Main Stage ein. Aber logisch – es waren halt nicht die DONOTS, die hier den Einheizer spielten.
Kodaline aus Dublin ließen die Fans an der „Utopia Stage“ bei hymnischen Gitarren schwelgen. Der Sänger Steve Garrigan hat eine bestechend hohe Tenorstimme, die er auch gern in hohe Sphären schweben lässt. Zudem setzt er sich gern ans Piano und spielt verträumte Melodien. Das Ganze war durchaus stadiontauglich und hätte bei Zehntausend Fans vermutlich gut funktioniert – aber nicht am frühen Nachmittag.
Auf Anraten der lieben Daniela von der Werft musste ich mir aber parallel auch Schimmerling auf der „Orbit Stage“ anschauen – und ich wurde nicht enttäuscht. Die Hamburger Band hat sich in einer Bahnhofsbuchhandlung kennengelernt, heißt es. Sänger Shimmoneq stammt aus Bonn. Mit seinen vier Mitstreitern bietet er feinen Indierock, der gerne mal auch deftig zur Sache geht. „Jäger“ richtete sich mit bösem Sarkasmus gegen das Patriarchat und es gab weitere politische Songs – wie auch für die Schwester des Sängers, die mal als Seenotretterin tätig war. Schimmerling waren sichtlich gerührt von den Sprechchören des Publikums und widmeten einen Song kurzerhand der Behörde Frontex mit deutlichen Worten: „Fickt euch ins Knie!“
Auf der Hauptbühne gab es dann die Australier Gang Of Youths und das war eine wahre Freude. Hart und melodisch gingen sie durch ihren Set mit Songs wie „The Man Himself“, „Magnolia“ und „In The Wake Of Your Leave“. Sänger David Leʻaupepe hat eine beeindruckend markante Stimme und er begab sich – was bei RAR sehr selten vorkommt – mitten ins feiernde Publikum, um hautnah an den Fans zu sein. Melodisch wurde der Set an einer Violine begleitet und zum Ende hin gab es ein hymnisches Duett mit dem Publikum. Ein großartiger Gig, der Lust auf ein komplettes Konzert der Band machte.
Dann endlich mal wieder die Sportfreunde Stiller. Der Zeitplan war heute auf den Punkt, also kein Chance, zwischen den Acts zu trödeln. Die Sporties starteten mit „Ich, Roque“, „Komm schon“ und „Alles Roger!“, um das Eis zu brechen. Dann gab es eine wirklich schwermütige Ansage von Peter Brugger, der mit ehrlichen Worten von einer fetten Krise der Band erzählte und dass man kurz vor dem Ende stand. Die Anfrage von ROCK AM RING sei gerade recht gekommen, um dem Trio aus Germering wieder eine Perspektive zu geben – und gemeinsam mit dem Publikum feierte man diese Tatsache per „Applaus, Applaus“. Außerdem wurde eine neue Platte namens „Jeder nur ein X“ für den 16. September angekündigt. Also alles gut im Haus der Sporties und man gab mit „New York Rio Rosenheim“, „7 Tage, 7 Nächte“ und „Kompliment“ eine große Party. Die Sportfreunde existieren nun schon seit 27 Jahren und (kaum zu glauben) seit 25 Jahren sind sie schon am RING am Start. Corona war ein harter Einschnitt für jede Band. Das lange Warten hatte nun endlich ein Ende, wobei der letzte Song die Ungeduld zum Ausdruck brachte: „Wie lange sollen wir noch warten?“
Dann war es aber Zeit, zur „Mandora Stage“ zu wandern, wo samstags die härtere Gangart zum Tragen kam. Kollegin Julia hat diese Bühne mit dem seltsamen Namen kurzerhand zur „Mandalorian Stage“ umbenannt, was eigentlich auch viel mehr Sinn macht. Mastodon gaben sich jedenfalls kriegerisch mit „Pain With An Anchor“, „Bladecatcher“ und „Blood and Thunder“. Fronter Troy Sanders ist schon eine Erscheinung mit Rauschebart und Rauschehaaren. Er hat eine äußerst sonore Stimme – aber wenn er singt, erklingen verlebte Vocals und aggressive Growls.
Etwas zeitversetzt gab es auf der „Orbit Stage“ die Indierocker SCHMUTZKI aus dem wilden Süden Deutschlands. Sänger und Gitarrist Beat Schmutz lieferte geile Songs mit Attitüde. „Nazis raus“ wurde schon früh als Parole ausgegeben und die Jungs hatten das Publikum gleich auf ihrer Seite. „BÄM“ vom 2015er Album gab es stilecht mit Fäusten in der Luft. Aktivist Klausi machte eine Tour im Schlauchboot über das Publikum, um Pfandbecher einzusammeln. Schmutz hatte zuvor für die Organisation „Viva con Agua“ geworben und wollte den gemeinnützigen Umsatz ankurbeln. Hat funktioniert: Klausi ertrank unter einem Berg von Becher, die auch aus der Ferne zielsicher geworfen wurden. Zum Ende hin gab es von SCHMUTZKI noch „Zeltplatz Baby“ – die perfekte Festivalhymne. Mission gelungen!
Währenddessen wurde die Hauptbühne umfassend umgebaut. Während Alligatoah vor drei Jahren sein komplettes Wohnzimmer mit auf die Bühne gebracht hatte, musste es jetzt natürlich größer sein. Das hatte zur Folge, dass er quasi seine zweite, musikalische Heimat um sich herum aufbaute: Auf der „Utopia Stage“ gab es eine zweite Bühne im kleineren Format namens „Mega Stage“ – mit allem drum und dran, inklusive verpeilten Roadies. Im Hintergrund als Jahreszahl 2020, womit Alligatoah punktgenau das verlorene Corona-Jahr nachfeierte. Es war ein großer Spaß. Lukas Strobel ist Rapper, DJ, Produzent und Sänger. Seine Stimme driftet fast ins Schlagerhafte ab und sein Wortwitz ist kaum zu bremsen. Da gibt es Schnelligkeit in den Textpassagen und ein wohliges Ärzte-Feeling in den Refrains. Alligatoah ist einfach ein Gesamtkunstwerk, was Kostümierung und Auftreten angeht. Es gab ein Medley der schönsten Lagerfeuerlieder und „Alli-Alligatoah“ wurde als Zwangs-Wunschlied gewählt, bevor das „Trauerfeier Lied“ den regulären Set abschloss. Was? Zugaben am frühen Abend bei ROCK AM RING? Ja, denn Alligatoah hatte seine Show als Festival-Theaterstück aufgebaut und hielt sich an alle Regeln. Es gab Fans, die sich im Vorfeld bewerben konnten, als Sponsoren und die Stagehands fingen zu früh mit dem Abbau an. Es war ein Feuerwerk genialer Ideen!
Danach musste nochmal die „Mandora“ Stage für Fever 333 herhalten. Vor drei Jahren waren sie schon Geheimtipp und die Fangemeinde hat sich noch weiter vergrößert. Die kalifornische Band lieferte eine dynamische Show ganz im Stil von Rage against the Machine und Public Enemy. Frontmann Jason Butler beherrschte den Crossover aus Rap und Metal perfekt und lud die Menge zum Springen und Bouncen ein. Beim letzten Ring-Gig hatte Jason selbst das Dach des FOH erklommen. Diesmal schickte er seinen Bassisten vor und der legte zu aller Überraschung noch ein respektables Stagediving aus luftiger Höhe hin. Der Bass blieb dabei auf dem Dach liegen – ein wenig Verlust ist immer.
PLACEBO begannen ihren Set auf der Hauptbühne mit „Forever Chemicals“. Die erste Ansage erfolgte in deutscher Sprache: „Wir sind Placebo aus London und jetzt wir machen viel Spaß“. Kein Wunder, hatten die beiden Protagonisten doch fast ein Heimspiel. Brian Molko und Stefan Olsdal besuchten eine Luxemburger Schule und sind so etwas wie die geheimen Ehrenbürger des kleinen Landes nahe der Eifel, was man bei den Konzerten dort immer wieder feststellen kann. Songwriter Molko wird wohl nie wirklich fröhliche Songs schreiben. Eine latente Unzufriedenheit und Melancholie ist immer vorhanden. Aber sie erwiesen sich als würdige Headliner. Viele Fans hatten gerade auf diesen Auftritt gewartet. Mit seiner typisch gepressten Stimme und viel Dramatik singt der Frontmann in “Happy Birthday In The Sky” mit eindringlichen und herzzerreißenden Worten vom Verlust. Natürlich gab es auch Mitsing-Klassiker wie „Too Many Friends“ und „For What It’s Worth“. Und eine Überraschung ganz zum Schluss: Das Kate-Bush-Cover „Running Up That Hill“ ist ja momentan wieder in aller Munde, weil es nach seinem Einsatz in der vierten Staffel von „Stranger Things“ die Chartspitze bei Spotify erklomm. Placebo gaben mit viel Verve ihre ganz eigene Version.
Schließlich MUSE, die heiß erwarteten Headliner. Ihre aktuelle Arena-Show mit dem Titel „Will Of The People“ hatte just hier am RING Premiere. Den entsprechenden Song gab es dann auch direkt als Einstieg – ebenfalls als Livepremiere. Die Show startete mit brennenden Symbolen im Bühnenhintergrund und Matthew Bellamy trat mit seinen Kollegen für einen Song in kantigen Masken auf. Musikalisch gab es die ganz große Bandbreite progressiver Rockmusik mit viel Elektronik aber auch einem deutlich angezogenen Härtegrad. Riffs von Rage Against The Machine und Slipknot brachten das Publikum zum kollektiven Ausrasten. Zwischen wilden und ganz entspannten Circle Pits war alles drin. Inzwischen gab es die eingangs erwähnte Maske im Großformat auf der Bühne, eine riesige Hand, die eine Lichtershow kreierte, und dazu immer wieder gewaltige Pyro. Die beeindruckende Lightshow wurde immer weiter ausgebaut. Aus einer Konfettikanone schossen große Fäden ins Publikum, die sich dann aber am Stahlseil der Geländekamera aufhingen und wie helle Dementoren über dem Publikum schwebten. Ein krasser Effekt – auch wenn er nicht beabsichtigt war. Zwischenzeitlich wurde es sphärisch und elektronisch mit durchaus floydesken Passagen. Bellamy kam im Neonanzug über den Laufsteg nach vorne und baute sich mitten in hohen Lichtsäulen auf. Ein genialer Effekt! Der Set brachte natürlich „Supermassive Black Hole“ aber auch Überraschungen wie Matthews Solotitel „Behold, The Glove“. Die Zeit hymnischer Gitarren war längst wieder angebrochen und im Zugabenblock gab es „Kill Or Be Killed“ einen ganz neuen Song vom nächsten Album. Dann erklang Ennio Morricones berühmtes Thema aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, das Matt selbst an der Mundharmonika anstimmte, und ein gigantisch-fantastisches Konzert endete mit „Knights Of Cydonia“.
Wer jetzt noch nicht genug hatte, musste schnell zu Casper rüberhüpfen, der die „Mandora Stage“ in eine richtige Blumenwiese verwandelte. Tiefgehende Lyrics sind sein Markenzeichen und wie stets war er hyperaktiv in Bewegung. Neben seinen eigenen, sehr atmosphärischen Stücken gab es auch Songs aus den Marteria-Sessions wie „Adrenalin“ und „Supernova“. Zudem hatte sich der Rapper den Songwriter Drangsal auf die Bühne geladen, um mit ihm zusammen „Keine Angst“ zu performen. Trotz der späten Stunde und heraufziehender Kälte herrschte eine geile Stimmung und das Mega-Feuerwerk zum Schluss, das noch meilenweit zu sehen war, toppte die Glitzerfünkchen vom Vortag bei weitem!
Das war Tag 2 bei ROCK AM RING 2022 mit den Shows von Alligatoah, Casper, den Deftones, RIN, Baroness, Gang of Youths und Kodaline. Seht hier unsere Fotogalerie von Samstag, 4.6.2022 – ROCK ON!
Retromäßig wie die Märchen-Hörspiele meiner Kindheit kommt das Cover von „Nie verliebt“, dem Debütalbum der Schauspielerin und Musikerin Paula Hartmann. Dann gibt es aber keine einschläfernde Erzählerstimme, sondern elektronische Klänge zur Stimme von Paula, die ihre erzählenden Lyrics mit expliziten Texten vorträgt.
Paula Hartmann ist eine Künstlerin voller Facetten. Die 20-jährige Berlinerin entdeckte bereits im Alter von sechs Jahren ihre Faszination für die Welt der Schauspielerei, ganz ohne das Zutun der eigenen Eltern. Die Mutter Bänkerin, der Vater Arzt. Ihre Tochter Paula sucht dagegen schon früh das Rampenlicht in anderen Welten, sei es bei großen TV-Produktionen oder bei der Mini-Playbackshow im Urlaub. Und sie fühlt sich wohl in dieser Welt, lernt aber auch ihre herausfordernden Seiten kennen: „Unterbewusst war mir aber bei jedem besuchten Konzert klar, dass ich irgendwann mit meiner eigenen Musik auf einer Bühne stehen muss“, reflektiert die mittlerweile in Hamburg lebende Sängerin.
Der Umzug von der größten in die zweitgrößte deutsche Großstadt löste Hemmungen. Hier lernt sie Freunde kennen, mit denen sie ihre Leidenschaft ausleben kann, macht bald nur noch Musik, schreibt und singt für deren Hip-Hop Tracks und lernt so irgendwann den Musikproduzenten Biztram kennen. Seither arbeiten die beiden akribisch an ihrem Debütalbum und kombinieren musikalisch verschiedene Welten: Von Oldschool Hip-Hop Samples bis hin zu modernen Trap Elementen, die von eingängigen Popmelodien mit Auto-Tune Charakteristik zusammengehalten werden, Paula Hartmanns Musik offenbart so viele Seiten wie sie selbst.
Dabei ist Paula Hartmann schon mit wenigen Veröffentlichungen bereits gelungen sich vom deutschen Einheitspop zu emanzipieren: Ausgehend von ihrer Debütsingle „Nie verliebt“, gefolgt von „Truman Show Boot“ bis hin zu der Doppel-Track Veröffentlichung „Fahr uns nach Hause“ zeichnet Paula mit ihrer Musik und mit ihren Texten ein in sich geschlossenes Bild vom Durcheinander der Gefühle, der Sehnsucht nach Liebe und Nächten im Rausch. „Wir sind jung was soll uns schon passieren?“ fragt Paula- und der Zuhörer fragt sich unweigerlich wieviel Trotz und wieviel Zweifel in dieser Frage steckt, ehe er bemerkt, wie tief er sich bereits in dieses Labyrinth gewagt hat.
Die Texte erzählen moderne Märchen in der Großstadt. Paulas Stimme steht stets im Vordergrund und ist sehr emotional. Häufig im Sprechgesang oder mit Autotune versehen schafft sie eine heimelige Atmosphäre und liefert dreißig kurzweilige Minuten, in denen sie auch mit Duettpartner Casper voll Stärke auftreten kann.
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Auch auf ihrem vierten Album spielt LEA ihre größte Stärke voll aus. Sie singt wundervolle melancholische Balladen zu sanften, zerbrechlichen Pianomelodien. So liefert sie ein insgesamt sehr ruhiges Album. Man könnte die Idee haben, das würde auf Dauer langweilig, doch keineswegs: LEA ist eine wundervolle Geschichtenerzählerin. Sie fasst Momente, Gedanken und Stimmungen in Worte, schafft dabei kleine Aphorismen und philosophische Nachdenklichkeiten, wie das kaum einer anderen Deutschpop-Künstlerin gelingt.
Nehmen wir die Bilder aus dem Titelsong mit seinem „Fluss aus Tränen“, die so anschaulich und nachvollziehbar sind. Das Gleichnis vom Sprung, nackt in den „Swimmingpool“, mit dem LEA offen ihre Zurückhaltung besingt. „Sommer“ zeichnet das Bild einer ersten Liebe, die man nach einem kurzen Strohfeuer aus den Augen verliert und manchmal immer noch vermisst. „4-Zimmer-Wohnung“ als Verweis auf die Eifersucht gegenüber einem langjährigen Freund, der jetzt mit einer Anderen zusammenzieht.
Natürlich sind es vor allem Herz-Schmerz-Songs, doch es ist der offene Umgang mit den stillen Gefühlen, der das Album so authentisch macht. Eindringlich (wie in „Sag nicht sorry“), verliebt (wie in „Tausendmal“) oder wehmütig (wie in „Fast“). Die Melancholie kumuliert in der wundervollen Eröffnungszeile von „Schwarz“: „Ich trag Schwarz bis es was Dunkleres gibt“.
Drei Songs enthalten prominente Features. „Küsse wie Gift“ singt LEA mit der jungen Kollegin LUNA, die musikalisch perfekt mit ihr auf einer Wellenlänge liegt und die schon als Support auf der Sommertour mit dabei war. Für „Schwarz“ ist Rapper Casper mit im Boot. Und „L & A“ zelebriert die besondere Verbindung zu Antje Schomaker als Hymne der beiden Künstlerinnen auf ihre Freundschaft: „Für immer L & A“.
„Das Album ist in den letzten anderthalb Jahren entstanden, in denen ja kein Stillstand geherrscht hat, auch wenn es sich erst so angefühlt hat – es geht immer weiter“, sagt LEA zur Entstehung. „Auf dem neuen Album sind Themen, die es vorher bei mir nicht gab, weil die Atmosphäre anders war. Das Songwriting hat viel zu Hause stattgefunden; sehr fokussiert, mit dem Rechner auf dem Flügel, in Skype-Sessions mit dem Team, mit dem ich auch schon fast alles für ‚Treppenhaus‘ gemacht habe. Diese Menschen sind mir so wichtig geworden. Wir sind alle so tief im LEA-Kosmos, dass wir unsere ganze gesammelte Liebe in FLUSS stecken konnten – auch deshalb ist nicht mehr jeder Song nur aus meinem Leben. Es geht auch um Erfahrungen von anderen, um einen Rückblick auf unsere Zwanziger; um Gefühlswelten, Perspektiven, Lebensabschnitte, Veränderung, neues Terrain und Erinnerungen.“
Ein besonderer Song ist LEAs Eltern gewidmet. In „Dicke Socken“ singt sie vom Nach-Hause-kommen und vermittelt heimelige Bilder voll Nostalgie. „Der Song ist eine Liebeserklärung an meine Eltern, die immer hinter mirstehen. Berlin ist heute mein Zuhause, aber mein Elternhaus ist Heimat. Ein Rückzugsort, an dem ich auftanke und mal nicht unterwegs sein muss.“
Übrigens sind nicht alle Stücke pianolastig arrangiert. Unter den 14 Tracks finden sich auch einige durchproduzierte Stücke, die mit elektronischen Klangspielereien versehen sind. Doch für Puristen der reinen LEA-Lehre gibt es als Anhang fünf dieser Songs als „Piano Sessions“. Man kann sich also ohne Weiteres sein persönliches Pianoalbum zusammenstellen.
LEA ist stilistisch absolut besonders. Die Vocals schwanken zwischen zerbrechlich und stark. Ihre sanfte Stimme, das filigrane Pianospiel und die intelligenten Texte beherrschen auch das vierte Studioalbum dieser Ausnahmekünstlerin.
Hier seht ihr den Mitschnitt zum „Live in 360 Grad“ Release-Konzert:
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Mit Recht bemängeln viele Fans, dass das nicht mehr „ihr“ Sido ist. Dieser im Mainstream verhaftete Superstar, der von Fernsehsendung zu Fernsehsendung tingelt und neuerdings als Coach bei The Voice of Germany von sich reden macht. Mag sein, dass Paul Hartmut Würdig in der Gesellschaft angekommen ist. Statt Maske nun also öffentliche Statements, die vom breiten Publikum gehört werden. Aber ist das nicht schon länger so? Vielleicht seit er Aggro Berlin verlassen hat, aber spätestens seit er die Maske abgelegt hat und veritable Massenhits wie „Der Himmel soll warten“ (2010), „Bilder im Kopf“ (2012) und „Astronaut“ (2015) schreibt. Das Flirten mit dem Deutschpop gibt es also schon lange – und das neue Album „Ich & keine Maske“ ist die konsequente Weiterentwicklung.
Es ist das achte Soloalbum und sehr persönlich ausgerichtet. „Wie Papa“ richtet sich selbstbeweihräuchernd sowohl an den Nachwuchs als auch an die Mitbewerber in der Rapwelt. Diesbezüglich ist alles beim Alten. „Junge von der Straße“ klingt berührend autobiographisch und beschreibt (vielleicht) den kleinen Paul in seiner Herkunftswelt. In die gleiche Kerbe schlägt „2002“, das einen Blick auf die Zeit vor der Solokarriere wirft.
„Leben vor dem Tod“ und „Beste Zeit“ zeigen die Aufbruchsstimmung der jungen Jahre und „Papu“ ist eine Hommage an den einflussreichen Großvater, der anscheinend eine große Bedeutung für Sido hatte. Nicht rührselig, sondern konsequent ehrlich. Im Hier und Jetzt angekommen dürfen wir auf „Jedes Geheimnis“ die an Sido gerichteten Kinderfragen erleben und ihn als guten Papa bewundern.
Natürlich gibt es massenweise Features: Beka, Monchi, Apache, Samra, Kool Savas, Nico Santos und Casper – um nur einige zu nennen. Der obligatorische Popsong „Pyramiden“, diesmal mit Johannes Oerding an der Melodie, folgt ganz zum Schluss.
Ein starker Beat und perfekter Flow in den Texten machen dieses Album ebenso aus wie die Vorgänger. Hier macht keiner Sido was vor. Er ist allerdings auf einer neuen Stufe angekommen. Schadet ja nichts, wenn die Lyrics neuerdings mehr Sinn haben.
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Momentan ist Marten Laciny – besser bekannt als Marteria oder Marsimoto – mit seinem Kumpel Casper live unterwegs und bricht alle Rekorde, vor allem was die Ticketverkäufe im europäischen Ausland angeht. Hier aber liegt uns der Mitschnitt seines wahr gewordenen Traums vor: Ein Auftritt im Ostseestadion, der Heimat des FC Hansa Rostock, dem auch die Treue des gebürtigen Rostockers Marteria gehört.
Natürlich bietet der Rapper alles auf, was nötig ist, um vor dieser Kulisse zu bestehen. Und man sieht ihm die Freude zum Tourabschluss deutlich an. Es ist ein gänsehauterzeugendes Ereignis mit bekannten Titeln aus der kompletten Marteria- und Marsimoto-Ära. „Roswell“ und „Aliens“ finden sich zu Beginn. Das geniale „Endboss“ gefolgt von dem nicht weniger fetten „Scotty beam mich hoch“, um beim SF-Thema zu bleiben.
„El Presidente“ und „Marteria Girl“ dürfen nicht fehlen. Und für „R.O.S.T.O.C.K.“ werden etliche ehemalige Weggefährten zum gegenseitigen Abfeiern auf die Bühne geholt: Gabreal, Pussi, Mas Massive und Homez sind mit am Start. Damit wird die Marteria-Karriere ordentlich bedacht und das Stadion ist mit Zehntausenden Feierwütigen auf seiner Seite.
Teil zwei des Sets findet seine Steigerung in einigen Marsimoto-Songs, bevor Casper die Bühne entert und gemeinsam mit Marteria „Champion Sound“, „Supernova“ und „Adrenalin“ performt. Natürlich darf auch „Lila Wolken“, die Nummer 1 mit Miss Platnum, nicht fehlen, um das emotionale Finale einzuläuten.
Marteria fährt hier alles auf, was ihn ausmacht, und holt Rostock ins heimische Wohnzimmer. Vielleicht der beste Livemitschnitt eines deutschen Solo-Rappers bislang.
Indiepop aus Deutschland – die Muttersprache als lyrisches Mittel. Bosse hat es sich von Anfang an nicht leicht gemacht. Der in Braunschweig geborene Musiker hat das Zeug zum großen Songwriter und steht seit langem auf einer Ebene mit Kollegen wie Clueso und Madsen. Die prominente Unterstützung kommt diesmal allerdings aus ungewohnter Ecke: der deutsch-amerikanische Rapper Casper bereichert „Krumme Symphonie“ mit seinem Sprechgesang. Eine ungewöhnliche Kombi, zugleich aber auch ein Highlight des neuen Albums.
Das letzte Werk „Kraniche“ war sehr ruhig gehalten. Mit Pianoklängen, verzauberten Geschichten und feinfühligem Gesang. Die Liebe zur deutsch-türkischen Frau spielte eine große Rolle und schlug sich zeitweise im Instrumentarium wieder. Nun aber geht es in eine andere Richtung. Schluss mit reduzierten Songversionen: Es darf geklotzt werden. Ein Chor, Bläserklänge und Streicher bereichern ausufernde neue Arrangements.
Der Titel „Engtanz“ ist da schon irreführend. Die elf Tracks sind weit entfernt vom Klammerblues, der uns in jungen Jahren über manche Tanzsession hinweg gerettet hat. Hier darf ruhig ausgelassen getanzt und gerockt werden. Die Tagträume beschreiben Licht und Schattenseiten. „Steine“ verursacht ein beklemmendes Gefühl, „Nachttischlampe“ hat Melancholie zu bieten und „Dein Hurra“ lässt die Puppen tanzen. Bis zum orchestralen Ausklang mit dem eingängigen „Ahoi Ade“ ist alles stimmig und ich lasse mich gern auf die Engtanz-Reise ins Leben mitnehmen.
Der Grund zum Optimismus ist nachhaltig: 2013 hat Bosse den „Bundesvision Song Contest“ gewonnen, ist mit dem „Deutschen Musikautorenpreis“ ausgezeichnet worden, hat den Hamburger Musikpreis „Hans“ gleich dreifach eingeheimst. Er hat mit der letzten Platte allein über 100 Konzerte und die größten Festivals gespielt, bevor er im Herbst 2013 auf einer abermals ausverkauften „Kraniche“-Tour in opulenter Akustikbesetzung mit 11 Musikern und insgesamt 48 Instrumenten auf der Bühne zur leisen Landung aufgesetzt hat. Zuspruch, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Bewunderung von allen Seiten. Bosse hat sich endgültig in der ersten Liga seiner Zunft auf die vorderen Plätze gespielt.
„Das alles war unglaublich intensiv, schön und berauschend“, so Bosse heute. „Nach all dem ein neues Album zu schreiben, war eine ziemlich große Herausforderung. Ich musste erstmal Ruhe finden, verarbeiten und schauen, worüber es sich lohnt zu singen. Nach fünf Alben hat man schon viel gesagt. Die einzige Chance, die ich in den Texten sah, war, noch tiefer zu gehen und den Zustand zu beschreiben, in dem ich mich befinde. Meine Jugend ist vorbei und die letzten Jahre waren geprägt von großen, tollen Dingen, aber auch von Trauer und Abschieden. Es ging mir darum, mich dem zu stellen und auf volle Konfrontation mit mir zu gehen. Eng zu tanzen mit sich selbst, den anderen und dem Leben.“
„Mordor“ ist einer der Schlüsselsongs. Bewusst in die Albummitte gestellt, erzählt er vom Erwachsenwerden, vom Älterwerden, vom wehmütigen Blick zurück. Der Berliner Kneipenchor funktioniert da als kongeniale Verstärkung – und Tolkiens Schwarzes Land „Mordor“ als Songtitel ist ein spannender Schachzug, führen doch von hier wie im echten Leben unzählige Pässe in unentdecktes Land.
Meisterhaft fängt Bosse Stimmungen ein, gießt sie in genau die richtigen Töne und Worte. Die Ideen scheinen ihm niemals auszugehen. Er nimmt Momente, die wir alle kennen, und erzählt seine Geschichte, als sei es die unsere.
Albumplayer:
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Schon vor Start des Konzerts war die Spannung hoch. Dank dem kleinen Vermerk „Casper + Special Guest“ auf der Karte und einem Tweet wurde heftig spekuliert, wer denn nun für Casper die Show eröffnen darf. Cro? Die Orsons? Kraftklub? Da Casper sich nicht ausschließlich in der HipHop-Ecke aufhält und auch schon die großartigen Portugal, The Man als Support mitgenommen hat… wer? wer?! wer?!!
Überpünklich, noch vor dem offiziellen Konzertbeginn, traten dann KIZ auf die Bühne. Die Menge war nur so halb begeistert. KIZ polarisieren, auch hier. Die gute Nachricht: Wir sind nicht die ältesten auf dem Konzert. Auch wenn jeder, der morgen früh nicht zur Schule muss, den Altersdurchschnitt in die Höhe treibt.
Als Casper die Bühne betritt, ist die Halle nicht voll ausverkauft, aber gut gefüllt. Mit den ersten Songs macht er gleich klar, in welchem Tempo er sich den Abend vorstellt: Im Ascheregen und Alles endet. Die Leute tanzen und springen so wild, dass ich mir fast Sorgen um die Tribüne mache. Immer wieder macht er Pause zwischen den Stücken, um ein bisschen zu erzählen und von seinem eigenen Getanze und Gehüpfe durchzuatmen. Vom Gloria im letzten Jahr schwärmt er noch ein bisschen – der Sprung von 800 Menschen zu jetzt fast 20.000 ist ja auch enorm. Was auffällt – die Menge ist äußerst textlicher und singt wirklich alles mit. Bei so vielen Menschen ist das schon beeindruckend. Überhaupt ist Casper oft überwältigt von der Anzahl der Leute, die ihm da zuhören. Und als er „Lux Lisbon“ beendet (auf der Platte mit Editors Sänger Tom Smith), eines der persönlichsten und emotionalsten Stücke des aktuellen Albums, hat er Pipi in den Augen.
Am Ende, nach fast zwei Stunden mit einer langen Zugabe, lässt er uns zu „Jambalaya“ noch einmal ausflippen und bedankt sich danach ordentlich für den tollen Abend. Während wir die Halle verlassen, stimmen einige vereinzelt noch mal den „oh-e-oh“- Chor von „Hinterland“ an. Das ist schön. So sollten Abende enden.
Sechs Bands, eine Bühne in der Veltins Arena und über 27000 Menschen: Rock im Pott 2013. Dieses Jahr mit System of a Down, Volbeat, Tenacious D, Casper, Deftones und Biffy Clyro. Vor einem Jahr ist das Tagesfestival in Gelsenkirchen gestartet. Vorheriges Jahr lockte das Festival 35000 Menschen an, dadurch sah es dieses Jahr vergleichsweise leer aus. An der Qualität der Bands scheint es allerdings nicht zu liegen. Denn auch wenn es eine auffallend gemischte Runde war, haben sich die Veranstalter allein mit System of a Down und Volbeat zwei große Bands auf die Bühne geholt.
Biffy Clyro
Der Opener des Tages ist die schottische Gruppe: Biffy Clyro. Man hat das Gefühl an keinem Festival vorbei zu kommen, ohne die drei Jungs zu sehen. Mit „Stingin Belle“ eröffnen sie ihr 45 minütiges Set. Ein zugegeben starker Anfang für eine in Deutschland erst jetzt aufsteigende Band. Die Stehplätze der Veltins Arena sind bereits jetzt fast komplett besetzt. Im Vergleich zu 2012 eine starke Leistung, zumindest für diese Uhrzeit. Generell muss man den Schotten auch zugestehen ein gut gewählt Opener zu sein. Mit ihrem 2013 erschienenen Album „Opposites“ sind Sie immerhin in den deutschen Albumcharts auf Platz fünf gelandet. Und auch an Bühnen Präsenz fehlt es ihnen nicht. Auf deutsch begrüßen sie ihr Publikum und geben einem das Gefühl, dass sie das, was sie uns zeigen, selbst lieben. Generell gibt es für die Fans ein vielfältiges Set zu höre. Von schnellen Songs wie „That Golden Rule“ bis hin zu gefühlvollen wie „Opposite“. Ein klares Highlight ihres Sets ist ihr wohl bekanntester Song „Mountains“. Mit einem letzten deutschen „Vielen Dank“ verlassen sie die Bühne und beenden damit einen guten Start in den heutigen Festival Sonntag.
Deftones
Die Deftones zu so früher Stunde spielen zu lassen, war nicht wirklich gut geplant. Denn eigentlich braucht es für die Stimmung der Ausnahmeband doch wenigstens Abenddämmerung. Generell ist es mit den Jungs aus Sacramento ein Glücksspiel. Man weiß nie ob man zufrieden nach Hause gehen wird, oder man sich fragen muss, ob überhapt jemals ein Soundcheck stattgefunden hat, oder die Instrumente gestimmt wurden. Und heute ist leider ein Tag, der einem keine eindeutige Stimmung geben kann.
Mit Applaus begrüßt die Arena die fünf Musiker. Passend sphärisch beginnen sie ihre Show mit „Rosemary“, einem Stück ihres neusten Albums „KOI NO YOKAN“. Stimmlich scheint Sänger Chino, anders als bei vorherigen Konzerten, gut drauf zu sein, wenn auch generell zu leise. Highlights sind definitiv ihre älteren Stücke, wie „Be Quiet and Drive (Far Away)” und „My Own Summer (Shove It)”.
Zugegeben, die Deftones live sind kein vergleich mit ihren Platten. Songs mit so einer Disharmonie und experimentellen Sounds müssen vor allem den nicht-Fans exotisch, wenn nicht sogar befremdlich vorkommen. Zu schade ist aber auch, dass leider keine passende Stimmung aufkommt. Es ist zu hell und die Menge redet selbst bei Songs wie „Diamond Eyes” lautstark weiter. Zu ihrem letzten Song „Root“ klatscht die Menge im Takt mit. Nach gerade mal 40 minuten beenden Sie ihre Show. Leider muss man zugeben, dass die Deftones leider nicht zur Spitzenklasse der Live Bands gehören, aber eben auch die gesammte Arena Stimmung einfach nicht zu ihrem außergewöhnlichen Sound passt.
Casper
Die Veranstalter von Rock im Pott scheinen sich jedes Jahr einen Künstler raus zu suchen, der nicht ins Bild des Festivals passt. 2012 war es Jan Delay und dieses Jahr ist es Casper, der momentan in der Deutschrap-Szene durchstartet. Beschäftigt man sich allerdings einmal genauer mit Benjamin Griffey, Caspers bürgerlichem Namen, merkt man schnell, dass in ihm mehr Rock steckt, als man vermutet. Seine musikalischen Wurzeln reichen bis in den Metal/Hardcore Bereich. Erfahrungen sammelte er auch mit Bands wie „A Fear Called Treason“ oder „Not Now Not Ever“, in denen er tätig war.
Passend zu seinem neuen Album „Hinterland“ prangt ein Banner mit einem Priester, der bereit ist seine Jünger im Fluss zu taufen, hinter Casper und seiner Band. Eröffnet wird sein Set von dem Lied „Auf und davon“. Eins kann man nicht verleugnen: Casper hat eine starke Ausstrahlung und überträgt das für gewöhnlich auch auf die Menge. Doch scheint das Publikum heute bei ihrem dritten Act eingerostet. Dass die Menge nicht für Hip Hop da ist, wissen Casper und Band ganz genau und versucht dadurch an das Publikum zu gelangen. Leider lässt er sehr zickig klingende Sprüche fallen. Sätze wie „Wir finden es auch nicht toll, hier zu sein“ oder „Vor einem Gig im Altersheim hätte ich mehr Angst“. Diese Art scheint bei anderen Festivals anzukommen, aber leider nicht bei dem Publikum von Rock im Pott 2013. Ob man das nun einfach mit dem Satz „Er ist eben ein Rapper“ abtuen kann, oder sich daran stört bleibt jedem selbst überlassen. Trotzdem performt die Band, wenn auch mit schlechtem Sound, straight weiter. Es folgen Songs wie „Die letzte Gang der Stadt“ und „XOXO“. Erst mit „Blut sehen (Die vergessenen Pt.2)“ bringt Casper fast die komplette Arena zum ausrasten. Zugegben, Casper provoziert gerne und grenzt sich absichtlich vom Rest der Bands ab, aber in einem Punkt ist er bis jetzt der Vorreiter: Kommunikation mit dem Publikum. Auch wenn er weiterhin behautet es ganz schrecklich zu finden hier zu sein, hat kein Künstler des Tages bis jetzt so viel mit dem Publikum geredet.
Mit „So perfekt“ beendet Casper seine Show. Was einem komisch erscheint, schließlich hat er seinen neuen Song „Ascheregen“ nicht gespielt. Das dazugehörige Album „Hinterland“ wird in wenigen Monaten veröffentlicht und nicht nur von Hip Hop Fans sehnlichst erwartet.
Tenacious D
In guter alter Tenacious D Manier kommen Kyle Gass und Jack Black und ihre Band als Kuttengestalten auf die Bühne. Bekannt nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch wegen ihrer Filme und Serien, sind die beiden als Allround-Paket am besten als Entertainer zu beschreiben. Bei ihnen kommt es eben nicht nur auf die Stimmen an, sondern auch auf Bühnenshow, Anekdoten und besonders bescheuerte Texte. Bestes Bespiel, ihr Bühnenbild: Ein wütender Vogel, der ohne seine Flügel eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Penis besitzt.
Ihre Mühen lohnen sich. Selbst die mittlerweile mehr gewordenen Leute auf den Rängen stehen auf, um einen Blick auf sie zu werfen. Den dritten Song des Abends, „Roadie“, widmen sie passend ihrem Roadie und allen anderen Roadies der Welt. Es ist erstaunlich wie zwei Männer eine Arena so beeindrucken können. Bei diesem Duo vermisst man als Zuschauer Leinwände, die Close Ups übertragen. Sie leben von ihrer Bühnenshow und da ist es ab den ersten Wellenbrechern schwer, etwas zu erkennen. Dabei passiert so viel auf der Bühne. Zu „The Metal“ kämpft ein Metal-Roboter-Ritter-Riese gegen ein Alien und gewinnt. Tenacious D gelingt das, was Casper vorher mehrere Male versucht hat. Zu „Tribute“ singt die Arena unaufgefordert mit. Nach über einer Stunde kommen die Jungs zum Ende ihrer Show. Konfettiregen und der Song „Fuck Her Gently“ beenden das beeindruckende Set von Tenacious D. Ein Duo, das nach 20 Jahren auf der Bühne immer noch kindlich geblieben ist und genau deshalb Massen von Menschen unterhalten und begeistern kann.
Volbeat
Keine Band des Tages ist auf so vielen T-shirts vertreten wie Band Nummer fünf: Volbeat. Zu einem epischen Intro kommen die Musiker einzelnd auf die Bühne. Der Gesang ist so sauber und gerade, dass es fast wie vom Band klingt. Wo es bei Acts wie Casper oder Deftones noch etwas dünn um die Soundqualität stand, hört man hier alle Instrumente einzelnd heraus. Ein starker Auftritt, seit Beginn des ersten Songs „Hallelujah Goat“. Wer schon vorher einmal in den Genuss eines Auftritts von Volbeat kommen durfte, ist es aber auch nicht anders gewohnt.
Vor ihrem Song „Heaven nor Hell” begrüßen die Jungs die Menge und zeigen wie sehr sie sich freuen wieder in Deutschland zu sein. Dass sich die deutschen Fans genau so freuen sie zu sehen, zeigen sie durch lautes Mitsingen von „Sad Man’s Tongue“. Wie sehr die Menge Sänger Michael Schøn Poulsen folgt, wird erneut bewiesen, als er „We Will Rock You“ ansetzt und die Arena mitmacht. Die ersten Crowdsurfer werden über die Köpfe getragen und kleine Circle Pits zum pogen öffnen sich. Man hat das Gefühl, dass die Menge sich ihre Kraft für diese Band gespaart hätte. Dass sie musikalisch ganz vorne mitspielen beweisen sie bei kurzen Covern von Rammsteins „Keine Lust“, Judas Priests „Breaking the Law“ und Slayer’s „Raining Blood“. Aber sie sind nicht zum covern hier.
Zum ersten mal des Tages wirkt die Lichtshow, die ihren Song „Still Counting” perfekt unterstreicht. Im Hintergrund fällt der große Volbeat Banner zu Boden und lässt es wie ein großes Finale aussehen. Zur Freude der Fans ist das aber nicht ihr letzter Song. Sonst könnte das Publikum auch nicht zu „Pool of Booze, Booze, Booza“ mitbrüllen, welches definitiv eines der Highlights ihrer Show ist.
System Of A Down
Der Headliner des heutigen Abends ist eine Band, die man lange vermisst hat. Nachdem sie eine fünfjährige Pause eingelegt haben, waren sie 2011 das erste mal wieder auf deutschen Festivals unterwegs. Mit Rock im Pott 2013 scheint sich für viele ein Traum zu erfüllen. Die Menge ist groß und die Stimmung erwartungsvoll.
Zu einem Intro von „Aerials“ kommen die Headliner auf die Bühne. Die Stimme von Sänger Serj Tankian fällt besonders auf. Sein melodischer Gesang ist stark und der Sprechgesang wie gewohnt einmalig quietschig. Die Menge jubelt bei Lied drei ihres Sets „Prison Song „. Zu „I-E-A-I-A-I-O„ fängt sie an laut mit zu singen. Das weiße Banner hinter der Band wird in rot und blau bestrahlt, sodass es abwechselnd so aussieht, als stände die Bühne unter Wasser oder in Flammen. Bereits jetzt kann man unterstreichen, dass der richtige Headliner ausgesucht wurde. Denn es kommt einem vor, wie ein System of a Down Best-of Konzert. Lieder wie „B.Y.O.B. „, „Deer Dance „, „Radio/Video”, „Hypnotize “ und „Needles“ sind nur ein paar Beispiele dafür. Wortkarg aber musikalisch stark. Das beweisen sie auch mit „Lost in Hollywood“, während die Menge sie mit einem Meer aus ausgestreckten Händen belohnt. Auch wenn auf den Eintrittskarten ein unmissverständliches Verbot für Videoaufnahmen steht, sehen die Kameras aus wie Glühwürmchen Schwärme, während Sänger Serje zur Gitarre greift, um „Question!“ zu performen. Mit „Sugar“ kommen die Kalifornier mit knapp zwei Stunden Spielzeit zum Ende ihrer Show. Sie beweisen mit ihrem Auftritt, dass vier Personen eine ganze Bühne ausfüllen können. Und das, ohne viel Worte, nur mit ihrer Musik. Nach über neun Stunden Rock im Pott gehen zwar nicht so viele Fans wie letztes Jahr, dafür aber glückliche Fans nach Hause.