Das Wetter in Köln hat sich der Heimat von Kings of Leon anscheinend angepasst – es ist so schwül wie in Nashville. Mindestens. Ein paar Monate vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums hoffe ich natürlich auf ein paar Kostproben. Und insgeheim hoffe ich auch auf ein paar der alten Songs – „Marry’s Chamber“, „Charmer“ etc.
Um 20 Uhr geht’s los. Ausverkauft ist die Arena nicht ganz, und zur Vorband ist vielleicht die Hälfte der Zuschauer drinnen. Wenn die alle wüssten, was sie verpassen. Auch wenn Kings of Leon richtig schlecht gewesen wären (keine Sorge: waren sie nicht), für die Vorband The Weeks hätte sich der Besuch schon gelohnt – sie klingen wie Kings of Leon vor 15 Jahren.
Dann füllt sich die Arena plötzlich ganz schnell. Es wird dunkel, die vier kommen zügig raus. Bis dahin alles unspektakulär. Dann packt Matthew seine Gitarre aus und beginnt das Konzert, indem er das Intro von „Closer“ mit dem Mund spielt. Da will jemand beweisen, dass er’s drauf hat. Das Besondere ist außerdem: Die Monitore an den Seiten zeigen nicht einfach nur das Geschehen auf der Bühne, sondern lassen es gleich wie ein Musikvideo wirken. Nahaufnahmen in dreckigem schwarz/weiß, zerkratzte Effekte, Überblendungen mit dem Publikum.
Die Songs sind durchgängig gut, spätestens bei „Back Down South“ haben sich Kings of Leon richtig eingespielt. Es gibt eine gute Mischung aus allen Alben. Das Publikum wartet auf jeden Song vom Erfolgsalbum „Only By The Night“. Insgesamt interagieren die Jungs wenig mit dem Publikum und legen den Fokus ganz auf die Musik. Nicht nur Calebs Stimme macht Kings of Leon zu einer der größten und beeindruckendsten Rockbands unserer Zeit. Obwohl er sich entschuldigt, weil er heute ein bisschen angeschlagen ist, ist er live perfekt, klingt fast besser als auf Platte. Damit die restlichen Bandmitglieder nicht Gefahr laufen, hinter dieser Stimme zu verschwinden, gibt es genug Songs in der Playlist, die die Stärken von allen hervorheben. Bei „Holy Roller Novocaine“ z.B. kracht das Schlagzeug und schlägt der Bass herrlich.
Im Laufe des Konzerts wird deutlich, dass besonders die harten und schnellen Songs der Band heute besonders Spaß machen. Ist das ein Vorgeschmack auf das neue Album? Gegen Ende bringen sie das Publikum mit „Knocked Up“ und dann endlich „Sex On Fire“ noch einmal richtig in Bewegung. Spätestens an dieser Stelle muss jeder zugeben, was den Charme einer großen Arena ausmacht: Die Power, wenn ca. 15.000 Menschen zusammen mit Kings of Leon den Refrain zu „Sex On Fire“ gröhlen, ist beeindruckend.
Es gibt eine Zugabe. Die Menschen sind inzwischen so euphorisch und laut, dass die Band die restlichen drei Songs kaum noch mitzusingen braucht. „Radioaktive“, „Use Somebody“, „Black Thumbnail“, sie beenden das Set also auch mit einem härteren Stück…
Die südafrikanische Band „Prime Circle“ gilt in ihrer Heimat als erfolgreichster Rock-Act in der Geschichte Südafrikas. Nun erobern die Herren aus der Bergbaustadt Witbank auch die europäische Musikszene. Nach der erfolgreichen Evidence-ReLoaded Tour im April ist die Band jetzt für einige Konzerte zurück in Deutschland, um weiterhin Werbung für ihr fünftes Album „Evidence“ zu machen. Damit ihr die Band etwas besser kennenlernt, habe ich die Gelegenheit genutzt um dem Sänger, Ross Learmonth, einige Fragen zu stellen.
Hallo Ross, wann hast du angefangen Musik zu machen?
Ross: Ich habe spät angefangen Musik zu machen, mit ungefähr 16 Jahren. Meine Freunde haben schon lange Instrumente gespielt. Als ich einen Freund beim Gitarre spielen gesehen habe, dachte ich mir, das ist das beste Instrument, was ich auch lernen könnte. So kaufte ich eine Gitarre und habe angefangen zu spielen.
So ähnlich war das auch bei mir. Ich habe mir das Gitarrespielen auch selbst beigebracht.
Ross: Wir nennen das „Streetkid“, wenn man sich das selbst beibringt, so wie ich. Mein erstes Lied auf der Gitarre war „Blister in the sun“.
Ihr habt Prime Circle im Dezember 2000 gegründet. Kanntet ihr euch schon vorher?
Ross: Wir waren vorher alle in verschiedenen Bands und haben eine Show gespielt -ein Tribute- für einen verstorbenen Freund. Es kamen sieben oder acht Bands zusammen. Wir wollten mit dem Konzert Geld für seine Familie sammeln. Außerdem sind an diesem Abend die Sängerin und der Gitarrist einer Band ausgestiegen. Da ich ebenfalls meine Band verlassen hatte, traf sich das gut, denn sie benötigten einen Sänger und ich eine neue Band.
Warum habt ihr euch dafür entschieden, eine Rockband zu werden?
Ross: Wir haben versucht Musik mit afrikanischen Einflüssen zu machen, aber das war nichts für uns. Wenn Rock´n´Roll ein Leben bestimmt, dann muss man auch diese Musik machen. Aus diesem Grund war es die richtige Entscheidung eine Rockband zu werden!
Wer hatte die Idee für den Bandnamen?
Ross: Die kam von Marco. Ich sagte, dass wir den Namen nicht nehmen können, da es schon eine Band gibt, die „Perfect Circle“ heißt. Marco kannte sie nicht. Wir haben den Namen anfangs nur für Auftritte behalten und irgendwie blieb der Bandname dann bis heute. Wir mögen den Namen. Wir sind Prime Circle!
Ich habe gelesen, dass Neil viele Songs schreibt. Wer schreibt sonst noch?
Ross: Ich bin zwar der Chef-Songwriter. Aber auch Neil schreibt gute Lieder, wie die andern aus der Band. Wir helfen uns gegenseitig, wir arbeiten zusammen. Ich mache die Lyrics und dann erarbeiten wir die Musik dazu. Wir haben eine gute Dynamik und das ist der Grund, warum das Album Hardrock und ruhigere Songs hat. Jedes Lied profitiert von den unterschiedlichen Einflüssen, die wir alle einbringen.
Verarbeitet ihr persönliche Erlebnisse und Erfahrungen in euren Songs?
Ross: Ja klar. Wir versuchen über Dinge zu singen, zu denen wir einen Bezug haben. Wir singen über Themen, die Realität für uns sind, alles andere ist Quatsch.
Wie entsteht ein Lied?
Ross: Wenn man ein Lied schreibt, verarbeitet man Dinge, die man im Kopf hat. Die Umsetzung in ein Lied ist manchmal allerdings sehr schwierig, beispielsweise, wenn man über Freunde singt, die man verloren hat. Wenn man solche Lieder schreibt, die später auf den Alben sind, wollen wir diese natürlich auch bei Konzerten spielen, aber es fällt einem trotzdem immer schwer.
Welcher eurer vielen Songs ist dein Lieblingslied?
Ross: Das kann ich nicht genau sagen, dass ist schwer. Momentan sind es‚ „Staring at Satallites“ vom neuen Album und die Akustikversion von „Evidence“. Ich liebe es diese Akustikversion zu spielen, aber die elektronische Version macht auch Spaß. Meine Lieblingslieder wechseln und das ist auch klar. Wir arbeiten so lange an den Liedern, bis sie uns gefallen.
Ihr habt jetzt das fünfte Album veröffentlicht. „All or Nothing“ und „Jekyll and Hyde“ waren die ersten Alben, die ich in Afrika kennengelernt habe. Was kannst du über das neue Album „Evidence“ sagen, worin unterscheidet es sich von den anderen Alben?
Ross: Es ist nicht besser, aber anders! „Jekyll and Hyde“ ist ein besonderes Album für uns, da es das erste Album mit Dale war. Die Band hat sich neu gefunden, es hat alles gepasst. So sehen wir „Jekyll and Hyde“ als unser erstes gemeinsames Album an. Das neue Album „Evidence“ ist unser nächster Schritt. Deshalb kann man nicht sagen, dass es besser ist, sondern es ist anders. Dale hat sehr viel an dem Album mitgearbeitet und das war super! Jetzt sind wir die endgültigen und perfekten Fünf!
Wie lange habt ihr am Album gearbeitet?
Ross: Wir haben ungefähr 1 ½ bis 2 Jahre daran gearbeitet, aber nicht immer im Studio, sondern meistens auf Tour. In Dales Studio „Bat Mountain“ in Johannesburg haben wir das Album aufgenommen und es hat Spaß gemacht.
Ihr habt viele interessanten Lieder auf dem neuen Album, aber wenn irgendjemand der Name des Liedes „Time kills us all” liest, würde er diesen Satz unterschreiben wollen und zugleich wissen, um was es in diesem Lied geht. Kannst du das Lied kurz beschreiben?!
Ross: Wenn ein Familienmitglied, Freunde oder sonstige Menschen die man gern hat, vor einem sterben oder weggehen, dann hofft man, diese Menschen irgendwann wiederzusehen. Die Zeit tötet uns irgendwann alle, und wir warten darauf. Wir sind alle Sklaven der Zeit.
Was können eure Fans oder Menschen, die euch nicht kennen, von eurem neuen Album erwarten?
Ross: Es ist ein Album mit viel neuer Energie und neuem Leben, das wir drin investiert haben. Die Leute können das aus dem Album heraushören. Durch die energiegeladene CD hat man das Gefühl, jünger zu sein.
Es ist in diesem Jahr eure zweite Tour in Deutschland. Damals hab ich euch in einem kleinen Club in Saarbrücken gesehen, es waren vielleicht zwanzig Leute im Publikum. In Südafrika spielt ihr vor Tausenden. Wie ist es vor ganz wenigen Menschen zu spielen?
Ross: Es war für uns eigentlich keine Frage, dass wir nicht auch vor wenigen Menschen spielen, denn wir lieben unsere Musik und möchten mit denjenigen die auf den Konzerten sind Spaß haben. Es ist uns auch bewusst, dass hier noch alles neu ist und wir noch nicht so bekannt sind. Aus diesem Grund ist es schön zu sehen, dass sich das ändert und immer mehr Leute zu unseren Konzerten kommen. Die Menge wächst von zwanzig auf vierzig und dann stehen hunderte von Menschen vor der Bühne. Und das ist cool. Es macht natürlich auch Spaß vor tausenden von Fans zu spielen, aber im Grunde freuen wir uns einfach, Musik machen zu dürfen!
Wo in Deutschland spielt ihr am Liebsten? Habt ihr eine Lieblingsstadt?
Ross: Berlin ist toll! Hamburg ist auch sehr schön…, was sich dort alles bewegt. Die Stadt hat eine besondere Dynamik. Wir lernen Deutschland immer besser kennen, sehen viel, aber in Berlin verbringen wir die meiste Zeit. Es gibt dort so viele verschiedene Menschen, mit denen man Spaß haben kann und das gibt uns ein gutes Gefühl.
Ihr habt euch schon mit vielen berühmten Musikern die Bühne geteilt, z. B. Seether und jetzt mit 3 Doors Down. Mit wem würdet ihr gerne mal auf Tour gehen?
Ross: Wir sind große „Foo Fighters“- Fans. Mit dieser Band, gerade mit Dave Grohl, würden wir gerne mal auf Tour gehen. „Foo Fighters“ sind einfach großartig.
Wie sieht bei euch ein Tag auf einer Deutschland-Tour aus?
Ross: Der typische Tag sieht so aus. Wir sitzen im Bus, schauen aus dem Fenster und fahren zum nächsten Konzert. Das haben wir vor vielen Jahren auch in Südafrika gemacht und wir mögen das. Es ist schön, verschiedene Landschaften zu sehen. Wenn wir lange im Bus sitzen, tanken wir viel Energie, die wir später auf der Bühne rauslassen können.
Warum seid ihr hauptsächlich nur in Südafrika auf Tour und nicht in Namibia oder in anderen afrikanischen Ländern?
Ross: Wir haben schon einige Konzerte in Namibia und Botswana gegeben. Auch im Swaziland hatten wir ein schönes Festival gespielt, mit vielen dunkelhäutigen Menschen und es war interessant zu sehen, wie ihnen unsere Rockmusik gefällt. Es ist schön für uns, dort zu spielen, aber auch sehr schwierig. Wir möchten auch mehr „international“ spielen, was einfacher ist, als in Afrika, denn dort ist alles etwas komplizierter.
Ihr habt in Südafrika auch schon einige Awards gewonnen. Was bedeuten euch solche Preise?
Ross: Es gibt einen Preis, den „People Choice Award“, der uns viel bedeutet, da der bei den Fans übergeben wird, die uns diesen Preis auch ermöglichen. Es ist nett Preise zu bekommen, aber wir stehen lieber auf der Bühne und machen Musik.
In meiner Zeit in Namibia war ich auf vielen Konzerten von afrikanischen Musikern. Gibt es afrikanische Künstler, die du dir gerne anhörst?
Ross: Johnny Clegg. Er ist der größte Superstar bei uns. Er ist wirklich ein großartiger Musiker. Er ist ein „White-Black Man“, der afrikanische Musik mit internationalen Styles mischt. Johnny Clegg ist ein musikalisches Vorbild. Gute traditionelle Musik macht auch „Ladysmith Black Mambazo“.
Letzte Frage, Ross: Was sind die weiteren musikalischen Pläne für die nächsten Jahre mit der Band?
Ross: Wir wollen viel in Europa touren und vielleicht auch in den USA, aber hauptsächlich in Europa. Außerdem möchten wir weitere Alben aufnehmen. Es wird beispielsweise ein Akustik-Album geben, mit vielen alten und einigen neuen Liedern. Wir haben eine Menge zu tun und dann kommen wir wieder!
Die Fragen stellte Anika Biwer, Trier. Ein herzlicher Dank geht an Maren Kumpe vom Music Matters, die das Interview möglich gemacht hat!
Prime Circle stammen aus der südafrikanischen Bergbaustadt Witbank. Seit Dezember 2000 stellen die Herren um Frontsänger Ross Learmonth die komplette Musikszene in Südafrika auf den Kopf. Nach ihrem Debütalbum im Jahr 2003 gelten sie als erfolgreichster Rock Act in der Geschichte Südafrikas. Mit ihren Rockballaden und Rockhymnen bereichern sie nicht nur die südafrikanische Musikszene, sondern sie erobern auch immer mehr den europäischen Musikmarkt.
Mit den Neuzugängen, dem Keyboarder Neil Breytenbach im Juli 2007 und dem Schlagzeuger Dale Schnettler im September 2008 sind laut Ross Learmonth die „endgültigen und perfekten Fünf“ zusammen. Nach der erfolgreichen Evidence-ReLoaded Tour im April ist die Band nun für einige Konzerte zurück in Deutschland. Neben den Konzerten mit den US-Rockern von 3 Doors Down haben Prime Circle auch drei Club-Shows gespielt, wie in Karlsruhe im Substage.
Am Freitag, den 14.06.2013, war es soweit. Die Band aus Südafrika hat nach einer langen Autofahrt aus Berlin und einigen Staus das Substage erreicht. Nach dem Aufbau und einer ordentlichen Stärkung fand der Frontman Ross Learmonth noch die Zeit für ein Interview, das ihr HIER nachlesen könnt!
Gegen 21.00 Uhr eröffnete die Supportband Unbuttoned Heart aus Ulm und heizte dem Publikum gemischten Alters ordentlich ein. Als Prime Circle gegen 21.50 Uhr die Bühne betraten und das erste Lied „Closure“ anstimmten, gab es kein Halten mehr.
Neben dem bekanntesten Song „Hello“, den die Band für die WM 2010 in Südafrika geschrieben hat, sowie „Breathing“, „Jekyll and Hyde“, „Never gonna bring us down“, „Turning in my sleep“, „She always get what she wants“, „Everything you need“ und „Live this life“, stellten Prime Circle einige Songs aus ihrem neuen Album „Evidence” vor.
„Time kills us all”, „Change”, „Staring at Satellites“, „Evidence“, „Know you better” oder „King for a day” rissen ungefähr 350 Fans im Substage mit. Viele sangen mit und tanzten zu den Songs. Kurz vor Schluss wurde es dann etwas ruhiger und nachdenklicher: Zuerst stand Frontman Ross Learmonth zusammen mit Keyboarder Neil Breytenbach auf der Bühne und stimmte „Turn me to Stone“ an, ein Song für die Menschen, die nicht mehr da sind.
Nach und nach stießen die restlichen Bandmitglieder dazu, der Bassist Marco Gomes, der Gitarrist Dirk Bisschoff und der Schlagzeuger Dale Schnettler. Sie erzeugten eine Stimmung, die Gänsehaut auslöste!
Gewohnt rockiger ging es dann weiter. Am Ende ließ das Publikum die Band erst nach drei Zugaben gehen. Nach 1 ½ Stunden verabschiedeten sich Prime Circle endgültig mit dem Lied „Consider me“ von den Fans aus dem Substage in Karlsruhe.
Nach dem Konzert stand die Band den Fans am Merchstand noch für Autogrammwünsche und Fotos zur Verfügung. Dort wurde mir im Gespräch mit einigen Zuschauern schnell klar, dass für viele Fans kein Weg zu weit ist, um Prime Circle live zu sehen. Einige kamen extra aus Trier, Saarbrücken, Ludwigshafen, Stuttgart und sogar aus Südafrika angereist.
An diesem Abend hat Ross Learmonth wieder mit seiner Stimme überzeugt und die Rockband hat bewiesen, warum sie nicht nur in Südafrika so erfolgreich ist, sondern auch langsam in Europa durchstartet. Ich bin mir sicher, dass Prime Circle nach diesem Abend wieder einige neue Fans haben.
Der erste richtige Sommertag im Jahre 2013 treibt die Massen in Frankfurt in die Innenstadt oder an den Main. Aber eine Handvoll freut sich darauf in eine Kirche zu gehen und einem Konzert zu lauschen. Schnell wird beim Anblick des Publikums klar: Wer keine Tattoos hat, gehört hier zur Minderheit. Man folgt dem Trend der Hauptperson des heutigen Abends. Dallas Green steht unter seinem Bandnamen „City And Colour“ im Frankfurter Sankt Peter auf der Bühne.
Bereits eine gute halbe Stunde vor Einlass sitzen die ersten Fans im Schatten der einstigen Kirche mitten im Zentrum der Stadt am Main. Mit rund 500 Besuchern ist die Location komplett ausverkauft. Die Tickets waren schon innerhalb von zwei Tagen vergriffen. Den Abend eröffnet die Band Twin Forks und nachdem sich über die Hitze beschwert wird und der Fehlstart des ersten Songs weggelacht ist, geht es los. Die Band überzeugt mit einer Mischung aus Folk- und Countrymusik und bringt das Publikum schon einmal in Bewegungslaune. Unter anständigem Applaus endete das Set nach etwa 45 Minuten.
Pünktlich um 21 Uhr entert ein gut gelaunter Dallas Green samt vier Mitmusikern die Bühne. Das Set besteht aus einer sehr ausgewogenen Mischung aus alten Songs und welchen, die gerade erst mit dem Album „The Hurry And The Harm“ – wie „Harder Than Stone“ – auf den Markt gekommen sind. Aber gerade bei den älteren Songs wie „Waiting“ ist das Publikum sehr begeistert. Es wird viel mitgesungen oder mitgeklatscht.
Zur Zugabe – eröffnet durch „Body In A Box“ – bittet dann Dallas Green das Publikum für – wenigstens einen – Song die etlichen Handies und Kameras weg zu stecken und das Konzert für immerhin diesen einen Song direkt zu erleben. Und nicht: „instead of watching a shitty version on your computer“. Nach gut 100 Minuten ist das Konzert dann beendet. Vielen Leuten sieht man an, dass sie die sehr gute Show genossen haben. Aber man sieht ihnen auch an, dass sie froh sind, endlich aus der gut 35Grad warmen Location raus zu kommen. Nicht nur eine(n) hat es während des Konzertes von den Füssen gezogen.
Fakt ist: Wer einmal die Chance geboten bekommt, City And Colour zu sehen, nein… zu erleben, dem sei dies dringend anzuraten. Als nächstes besteht diese Möglichkeit beim Doppelfestival Hurricane/Southside am kommenden Wochenende!
Die Sommerkonzerte an der Nordmole in Mainz – da versammelt sich eine hübsche Auswahl von nationalen und internationalen Musikgrößen. Und als ich sah, dass auch Philipp Poisel sich auf die riesige Bühne wagt, lautete die Devise „Nix wie hin“. Mal zunächst was zum Ambiente: Das Konzertgelände liegt am Rhein. Das bringt ein Problem mit sich, das man schon aus Bonn kennt. Die Parkfläche ist naturgemäß knapp, da in einer Richtung der Rhein die natürliche Grenze bildet. Die Einweisung des Personals bestand darin, zu zeigen, wo man nicht hinfahren darf. Hinweis auf geeignete Parkflächen? Fehlanzeige! Also rein in die Stadt, Nebenstraße gesucht, kleiner Fußmarsch. War okay, vor allem weil das Wetter mitspielte. Was für ein herrlicher Sommertag. Die Bühne in glänzendes Licht getaucht – ein Ambiente wie geschaffen für den sanften Virtuosen.
Den Anfang machte aber die Alin Coen Band. Frontfrau Alin Coen ist spätestens seit dem „Projekt Seerosenteich“ ein Begriff, wo sie zur kongenialen Duettpartnerin von Poisel wurde. Eine großartige Stimme, die so gar nicht zu den schüchternen Ansagen passen will, die sie abliefert. Aber das macht Alin so sympathisch. Sie singt zunächst einige englische Stücke und wechselt dann ins Deutsche. Sehr ungewöhnlich. Folkpop und viel Melancholie – so lässt sich das am besten beschreiben. Und wenn es mich plötzlich stört, wie laut die Zuschauer neben mir quatschen, weil ich der Vorband lauschen will, wird mir klar wie gut mir diese Musik gefällt. Vor allem die deutschen Stücke waren sehr emotional und ergreifend. „We’re Not the Ones We Thought We Were“ heißt das neue Album, das am 28. Juni erscheint. Meine Empfehlung! Die Sängerin bot ein respektables Mini-Konzert. Eine halbe Stunde, die wie im Flug verging. Und man sollte ja Alin Coens Stimme im Lauf des Abends noch öfter hören.
Pünktlich um 20 Uhr begann Philipp Poisel. Und mir war schon etwas bange, wie seine Musik auf der Riesenbühne und vor gut Zwölftausend Menschen funktionieren wird. 2011 war er mit „Bis nach Toulouse“ unterwegs – unter anderem in der nicht ganz gefüllten Trierer Europahalle. Das war noch ein typisches Songwriter-Konzert vor studentischer und vorwiegend weiblicher Zuhörerschaft. Danach gelang Poisel der große Coup und er stellte 2012 das „Projekt Seerosenteich“ auf die Beine, das Konzerthallen und ungewöhnliche Spielstätten (wie die Luxemburger Philharmonie) füllte und mit seiner ins Detail ausgefeilten Virtuosität die Besucher begeisterte. Der Dank war das erste Nummer 1-Album seiner Karriere, das Livealbum zur Tour.
Jetzt die nächstgrößere Nummer – Open Air auf riesigem Gelände. Würde Philipp Poisel es schaffen, den Zauber und die Intimität der Projektkonzerte in diesen Rahmen zu retten? Ein erster Hinweis war das liebevoll gestaltete Bühnenbild. Ein Wald aus geometrischen Figuren, in Goldpapier eingewickelt, die den Zuschauern entgegen glänzten. Das hatte etwas Magisches, vor allem, wenn die Sonne reflektiert wurde.
Zunächst war die Rockband auf der Bühne und Philipp wurde mit tosendem Applaus empfangen. Fast ein wenig eingeschüchtert stand er da, legte aber ordentlich los und präsentierte auch Stücke, die man auf den letzten Konzerten nicht zu hören bekam. Das war schon mal ein guter Anfang. Er war bestens gelaunt, begrüßte den Sommer und animierte die Masse zum Mitfreuen.
Richtig genial wurde es aber, als die Mitstreiter vom „Projekt Seerosenteich“ die Bühne enterten. Das Streichquartett und Alin Coen sorgten wieder für eine Klangfülle, die Poisels Songs würdig ist. Der bauchdröhnende Kontrabass, die sanften Streicher, Alins Stimme als Ergänzung zu Poisels emotional-vernuschelten Vocals, Glockenspielklänge. Oh ja, das funktioniert auch auf der großen Bühne! Und Songs wie „Bis nach Toulouse“, „Zünde alle Feuer“, „Halt mich“ und „Wo fängt dein Himmel an“ sind einfach zeitlos schön. Sie gewinnen zudem durch Philipps Ansagen, die gerne etwas über die Hintergründe der Lyrics verraten.
Was aber ist mit den intimen Momenten? Mitten im Zuschauerraum gab es ein kleines Podest. Wirklich winzig. Dort tauchte Philipp zunächst allein mit Gitarre auf und gab eine herzzerreißende Version von „Froh dabei zu sein“ zum Besten. Ich finde es allemal mutig, auf der Bühne von seiner Angst vor dem Tod und dem Umgang mit der Sterblichkeit zu singen, dann noch allein in dieser Zuschauermasse. Und der Moment war voller Magie – spätestens als sich ein Chor entwickelte, der Tonreihen und schließlich ganze Textzeilen mit sang. Dass Philipp die erste Strophe versemmelte, wurde mehr als nebensächlich. Danach kam der Rest der Band mit Alin zum Podest und es wurde wahrlich eng. Das sorgte schon für Gelächter, als Philipp und Alin sich aneinander vorbei schlängeln mussten, um während der Songs die Standmikros zu wechseln, damit jeder mal in jede Richtung singt.
„Als gäb‘s kein Morgen mehr“ brachte auf der Bühne wieder laute Momente. Gerade wenn Poisel gesanglich in die Höhen geht oder ein wenig hysterische Schreie ausstößt, klingt er wie sein Entdecker Herbert Grönemeyer. Und den stimmgewaltigen Abschluss „Ich will nur“ zelebrierte er zunächst mit dem Publikum, um dann als Zugabe eine Art Big-Beat-Version mit Dancehall-Sound, dunklen Bässen und kleiner Pyroshow zu präsentieren. Das war nach Zwei Stunden und Fünfzehn Minuten ein unerwartet lauter Abschluss eines im Allgemeinen recht verträumten Konzertabends. Der Knalleffekt hat aber gepasst.
Philipp Poisel ist umstritten – ganz klar. Viele mögen seine weinerliche Art nicht, oder das nuschlige in der Stimme. Ich aber muss sagen, dass ich ihn in Mainz mal wieder absolut überzeugend und stark fand. Das Spiel mit den Emotionen, das Mitnehmen der Zuschauer in seine ganz eigene Welt. Man nimmt ihm jedes Wort ab. Und die kleinen Fehler (mal den Text vergessen, Gitarre verstimmt, falsch in die Tasten gegriffen, zu früh von der Bühne gestolpert) machen ihn so menschlich und heben ihn über jedes Superstar-Getue hinweg. Mein Fazit: Auch Männer dürfen das Poiselchen mögen. Und der sopranlastige Zuschauerchor könnte noch einige Bass-Stimmen vertragen. Es gibt in diesem Sommer noch eine Reihe von Gelegenheiten. Geht hin!
„Everyone is paranoid” erklingt es mantrahaft aus den Boxen des kleinen Saals im Dortmunder FZW als zwei schräge Vögel die Bühne betreten. Drummer Ashton Bird macht noch ein paar Liegestütze auf offener Bühne, während sein Bruder Caleb die fünfsaitige Gitarre brummen lässt. Wahrscheinlich würde ihm auch ein dreisaitiges Instrument genügen, denn er bevorzugt die tiefen Töne. Schon beim Opener „People” dröhnt es so gewaltig aus seinen Amps, dass sich niemand der vielleicht 150 Zuschauer mehr fragt, wo denn der Bassist verlorengegangen sei. Den Bird-Brüdern reicht ein Bass-Verstärker, durch den das Gitarrensignal zusätzlich geschliffen wird. Und sollte das mal nicht genug sein, stimmt Caleb die Gitarre eben noch ein paar Halbtöne nach unten.
Dass zwei Instrumente völlig ausreichen können, ist natürlich auch ein Verdienst von Ashton an den Drums. Schon nach dem zweiten Stück „Weight” entledigt er sich seines so ausgeleierten wie störenden Oberteils. Klischeefreie Tatoos wie „sweet” über der einen und „sour” über der anderen Brustwarze offenbaren sich in kleiner Schrift nur den besten Augen. Wild treibt Ashton „Psychorain” voran, das aber hauptsächlich vom knabenhaften Doppelgesang der Brüder lebt. Der Gegensatz von wuchtigen Riffs und zerbrechlich wirkenden Stimmen ist das herausstechende Merkmal des Stonerrocks à la Tweak Bird. Ein weiteres ist die Kürze der Songs, die live gespielt zwar hier und da durch Jams gestreckt werden, ansonsten aber Mühe haben, die Zwei-Minuten-Schallmauer zu durchbrechen.
Die psychedelische Seite der beiden Wahl-Kalifornier bringt vor allem „The Future” vom Album „Tweak Bird” hervor. Mit „Lights in Lines” wird ein weiterer Kracher dieses Albums zum Besten gegeben. Ansonsten besteht das Set fast ausschließlich aus Songs des aktuellen Werks „Undercover Crops” welches vom Melvins Drummer Dale Crover produziert wurde (hier gibt’s das Review). Dass die Tweak Birds also schon die Melvins als Support Act begleitet haben liegt nahe. Etwas überraschender dagegen ist die Tasache, dass sie diese Rolle auch schon für die Progrocker von Tool 2009 eingenommen haben. Ashton und Caleb haben große Fürsprecher, die in ihnen ein recht einzigartiges Phänomen entdeckt haben. Vergleiche mit anderen Bands bleiben nämlich schon im Ansatz stecken.
Mit „Pigeons” wird auch mal ein Gang runter geschaltet und zusammen mit dem anschließenden Jam entwickelt es sich zum längsten Stück des Abends. Dieser ist nicht nur musikalisch interessant, sondern auch äußerst unterhaltsam. Ashton übernimmt den Job des Teilzeit-Standup-Comedians. Dialoge wie „Here we go” (Ashton) – „Here we go, too” (Caleb) vor dem tollen „Bunch Of Brains” sind einfach amüsant. Nach 50 Minuten voller Hingabe verlassen die beiden die Bühne. Bis zur Zugabe dauert es lange und sie scheint tatsächlich spontan zu sein. Zumindest soll der Handtuch-Turban auf Calebs Kopf dies vermitteln. Stand er schon halb unter der Dusche? Als Bonus gibt es ein schönes Cover der T.Rex-Hitsingle „Children Of The Revolution”. Jetzt aber wirklich ab unter die Dusche ihr zwei und vielen Dank für die kurzweilige Unterhaltung!
Tracer haben bereits einen langen Weg hinter sich, seit ihre musikalische Reise vor zehn Jahren in Adelaide im Süden Australiens begann. In dieser Zeit haben sie zwei Independent-EPs veröffentlicht, doch ihr eigentliches Debüt war 2011 „Spaces In Between“, dem Ende April das zweite Album „El Pistolero“ folgte. Damit fand das Trio endgültig den richtigen Dreh, um die Energie ihrer vielfach gepriesenen Liveshows auf einen Silberling zu bannen. An diesem herrlich warmen Frühsommerabend im Juni wollen auch wir uns davon überzeugen, ob der Ruf, der Sänger und Gitarrist Michael Brown, Drummer Andre Wise und dem neuen Bassisten Jeff Heysen-Hicks vorauseilt, tatsächlich gerechtfertigt ist. „El Pistolero“ hat die Messlatte hoch gelegt (das Review dazu findet ihr übrigens hier).
Wer es sich leisten kann, die Fans vor dem eigenen Konzert mit der kompletten neuen Scheibe von Queens Of The Stone Age zu beschallen, verfügt schon mal über ein gesundes Selbstbewußtsein. Als Vorgruppe bekommen die Kölner mit Dead Man’s Eyes aus Königswinter einen Lokalact geboten. Die fünf eher schüchternen Jungs um Sänger Peter Engel machen ihre Sache 40 Minuten lang erstaunlich gut und mit ihrer Mischung aus Southern- und Stoner-Rock nach anfänglicher Zurückhaltung richtig viel Spass. Ich habe jedenfalls schon weitaus schlechtere Anheizer erlebt.
So sind dann auch alle bereits in gehobener Stimmung, als Tracer um kurz nach 21 Uhr loslegen. Der Garfaktor im Luxor steigt augenblicklich um einige Grad an. Michael Brown knüppelt seine Riffs in den schlauchartigen Club an der Luxemburger Straße als gäbe es kein Morgen mehr. Nebenbei empfiehlt er „Fuck water, drink beer“. Live klingen Tracer viel weniger nach all den Querverweisen wie Kyuss oder den Foo Fighters, mit denen sie sich so oft vergleichen lassen müssen. Das hier ist Rock’n’Roll wie er sein soll: Heiß, laut, verschwitzt und voll auf die Glocke. Bei „Spaces In Between“ bildet sich ein erster kleiner Pogo-Pit.
Im Hintergrund bearbeitet Andre Wise sein Drumkit wie das berühmte „Tier“ aus der Muppet Show und Jeff Heysen-Hicks zuckt über die Bühne als stünde sein Bass unter Strom. „Lady Killer“ widmet Michael Brown seinem Bruder Leigh, der die Band vor zwei Jahren verließ, weil er den Tourstress nicht mehr aushielt. Trotz des nur halb gefüllten Luxors liefern die Drei eine Vollgasveranstaltung ab. Die Luftgitarre feiert fröhliche Wiederauferstehung. Und spätestens als Michael Brown bei den Zugaben mit nacktem Oberkörper erscheint, kommen auch alle weiblichen Fans auf ihre Kosten. Als gegen 22.30 Uhr das letzte Riff und der letzte Publikumschor verhallt sind, weiß man, dass Tracer mit „El Pistolero“ nicht zuviel versprochen haben. Die Stimmung brodelt und das liegt nicht nur an den schweißtreibenden Temperaturen.
Bevor wir gehen, lüften wir noch einmal unseren imaginären Hut, aus Respekt vor einer Band, die uns mit ihrem energetischen Mix aus Stoner-Hymnen, breitbeiniger Biker-Attitüde und klassischem Power-Rock einen Abend bereitet hat, der nach mehr schreit. Im Oktober kehren die Drei zurück und dann will ich das Luxor voll sehen. Im Gegensatz zu manch anderer substanzlosen Poser-Kapelle hätten Tracer das nämlich verdient!
Bauchklang – das Vocal Groove Projekt aus Österreich – gastierte am 30. Mai in der Trierer Tuchfabrik. Jetzt muss ich sagen, dass ich ja im weiten Feld des A-cappella-Gesangs schon einiges erleben durfte. Von den Hardrockern Van Canto, die mit fünf Vokalisten und einem Schlagzeuger gestandene Metalhymnen auf die Bühne bringen, bis hin zum Rap-Duo Aggro Hürth, das seine Hip-Hop-Weisheiten als Reinkarnation zweier Mitglieder der Wise Guys präsentiert. Aber was Bauchklang hier geleistet haben, war nochmal ganz speziell.
Leider hatten sich nur knapp unter 100 Zuschauer in der Tufa eingefunden. Für die Stimmung war das allerdings ganz gut, konnte so die Fläche vor der Bühne doch in eine riesige Tanzfläche verwandelt werden. Allein mit der Kraft ihrer Stimmen erzeugten die Österreicher nämlich die Atmosphäre eines heißen Dance-Clubs. Diese Form eines A-cappella-Raves stand den elektronischen Vorbildern in nichts nach. Die Beatboxer erzeugten Klänge von Hip-Hop, Reggae, Trance, Techno, Drum & Bass und Ambient Sound ganz ohne Instrumente. Wer die Augen schloss, konnte den Unterschied nicht bemerken.
Das Ergebnis war eine Meisterleistung an stimmlicher und klanglicher Vielfalt. Die Masse ließ sich von der Illusion treiben und die Tufa wurde zum heißen Dancefloor. Gäste enterten die Bühne und begannen im Überschwang der Emotionen zu rappen. Es war ein ganz besonderer Genuss.
Zugegeben: Wer sich nur von dem Label „A cappella“ hat in die Tufa locken lassen, wird etwas befremdet gewesen sein. Doch es gibt ja genug Möglichkeiten, sich vorab zu informieren, ob man solcherart Musik einen ganzen Abend lang ertragen kann. Fünf CDs sind erzwischen von dem Quintett erschienen. Das neue Album „Akusmatik“ gibt es gar als Vinyl-Album! Andere Vertreter des Genres dürften darauf wohl neidisch sein. Für Club-DJs kann es jedenfalls eine nette Bereicherung für die Plattensammlung darstellen.
Das Konzert dauerte nur knapp 70 Minuten, doch man konnte verstehen, dass den Stimmen hier Höchstleistungen abgefordert wurden. Übrigens hatten die Sänger bereits nachmittags auf dem Trierer Hauptmarkt Werbung für das Ereignis gemacht und ein (unerlaubtes) Spontankonzert gegeben. Schon praktisch, wenn man keine Instrumente braucht.
Martin Rütter, der Hundeprofi, kam in die Arena Trier. Das sorgte erst einmal für ein Verkehrschaos rund um den Verteilerkreis. Finde ich sowieso schrecklich, dass anscheinend alle Comedians sich auf die Fahne geschrieben haben, keine festen Sitzplatzkarten zu verkaufen. So will jeder zum Einlass da sein und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Trotz der Widrigkeiten war die Arena bis 20 Uhr sehr gut gefüllt und die Show konnte pünktlich beginnen. Das Bühnenbild zeigte einen Jogger hoch oben auf einer Laterne und einen gut gelaunten Hund, freudig auf einem Turnschuh kauend – erstes Sinnbild für den zu erwartenden Abend. Wie Martin Rütter selbst sagt: Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die Jogger von den Laternen zu holen. Und wie kann das geschehen? Durch gut erzogene Hunde. So begann er mit den drei meist gebrauchten Lügen von Hundebesitzern, einer Hitliste, die jeder im Saal zu kennen schien. 1. „Der tuuut nix!“, 2. „Der will nur spiiieeeeleeen…!“, 3. „Das hat er ja noch niiie gemacht…!“
Wer solch eine selbstironische Betrachtungsweise an den Tag legt, hat schon gewonnen und die Lacher auf seiner Seite. Somit ist Martin Rütter als Comedian durchaus mit Mario Barth zu vergleichen. Der große Unterschied: Bei Barth geht es um das Zielobjekt Männer, bei Rütter steht der Hund im Mittelpunkt. Und ja, man kann den Geschichten auch folgen, wenn man nicht selbst Hundebesitzer ist. Damit war ich unter den über 3.000 Zuschauern zwar eindeutig in der Minderheit, trotzdem habe ich mich köstlich amüsiert.
Rütter hat drei wichtige Eigenschaften. Er ist zunächst einmal „Hundeversteher“, das heißt, er beschreibt Situationen aus der Sicht des Hundes und vermittelt dessen Sichtweise. Das übrigens ganz detailliert im Hinblick auf verschiedene Rassen. Wissensvermittlung in Bezug auf Jagdhunde, Hütehunde, Schoßhündchen und so illustre Ausnahmetalente wie den Basset geschieht hier ganz nebenbei. Zudem ist Rütter ein recht guter Comedian und Entertainer, redet ohne Punkt und Komma, lacht schon mal im Vorgriff über seine nächste Pointe (vergleiche Mario Barth), bezieht die Zuschauer ins Geschehen mit ein und reagiert spontan auf Störungen aller Art. Was aber das Wichtigste ist: Er ist ein guter Pädagoge, denn der erzieherische Aspekt steht häufig im Mittelpunkt der Ausführungen. Und es geht keineswegs nur um Beispiele gelungener Hundeerziehung, auch die Menschen bekommen ihr Fett weg. Rütter erklärte anhand eines Zuschauerbeispiels, wie der Golden Retriever Benji sein Frauchen erzogen hat (Motto: „Gib mir ein Leckerli, dann bin ich auch bereit, mich beim Spaziergang mal für 20 Meter zügig zu bewegen. „) und gab dann gute Tipps, wie man dies durch konsequentes Verhalten wieder in korrekte Bahnen lenken kann.
Die unterhaltsamen Geschichten und Anekdoten kamen beim Publikum gut an. Rütter versäumte aber auch nicht, darauf hinzuweisen, dass er eine langwierige Arbeit leistet. Bei VOX denke man oft, „der Hundeprofi“ kommt und alles ist sofort wieder gut. Dass Tierpsychologe Martin Rütter und sein Team die Hunde und ihre Herrchen oft über ein halbes Jahr lang begleiten, fällt dabei meist unter den Tisch. Die Arbeit der Tierheime wurde gelobt und Rütter warb auch dafür, sich beim nächsten Hundekauf ruhig mal im Tierheim umzusehen, statt sich an überzüchteten Rassen zu vergreifen. Zudem solle man die Eigenheiten der Hunde beachten: 30 Minuten Gassigehen für den Hütehund? Das wäre quasi ein kurzes Aufwärmen, bevor der dreistündige Spaziergang dann mal losgehen kann.
Die ganze Zeit über blieb Rütter sehr präsent und das Publikum hing an seinen Lippen. Kurze Pause nach einer Stunde, dann ging es mit abgeändertem Bühnenbild weiter. Die Hunde hatten die Macht übernommen in „Dog City“. Nach Wissensvermittlung und lustigen Geschichten ging es nun um das Schindluder, dass unsere Gesellschaft (und die entsprechenden Vertriebsprofis) mit der menschlichen Liebe zum Hund treiben. Vom höhenverstellbaren Fressnapf (ein Klassiker) über den MP3-Player für den Hund bis hin zum Stofftier mit künstlicher Vagina (sic!) hatte der Mann, den nichts aus der Ruhe bringen kann, alles dabei. Und es gab auch nützliche Tipps: Fremde Hundebesitzer kommen mit ihren Begleitern immer zu nahe? Man ruft am besten „Mein Hund hat Flöhe“. Wenn der andere nicht antwortet „Meiner auch!“ wird alles gut. In letzterem Fall hilft dann nur noch das ultimative Abwehrinstrument, dass eine renommierte Firma vor über 40 Jahren entwickelt hat. Ja, wir dürfen auch den Namen der Firma erfahren: KNIRPS.
Der Abend in der Arena war sehr kurzweilig und verging wie im Flug. Selbst Nicht-Hundebesitzern kann man das Comedy-Vergnügen durchaus empfehlen. Vielleicht hält es letztlich von der Anschaffung eines schwanzwedelnden Freundes ab und man entscheidet sich für die altbewährte Katze, die mehr erwünschte Selbständigkeit an den Tag legt. Einen Zusatztermin für Trier gibt es schon: Das Programm „Der tut nix!“ wird erneut gespielt – am 1. April 2014.